Z. Orthop . 128 (1990) 463

Die Hyperphalangie beim PierreRobin-Syndrom L. Bernd, A . K. M artini, M . Schiltenwolf, J. Graf Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: P ro f'. Dr . H. Cotfta )

Das Pierre-Ro bin-Synd ro rn in Kombina-

tion mit einer symmetrischen Hyperphalangie wird Catel-Manzke -Syndrorn genannt . Die scho n bei der Geburt bestehende rad iale Devia tion der Zeigefi nger wird durch einen Scha ltknochen veru rsacht. Die Defo rmität wird an zwei eigenen Fä llen de mo nstriert. Au fgru nd eines progredie nten Fehlwac hstu ms und wegen der zunehmen den funktionellen Einsc hrä nk ung wird die operative Ko rr ektur im 2.-3 . Leb ensjahr empfohlen . Die Ope ra tionstechnik und de r Operatio nser fo lg werd en dargeste llt. P ierre Ro bin Syn d ro me Associated with H yper phalan gia P ierre Rob ins syndr o me associa ted with symmetrie hyper ph alan gy of th e ind ex fin gers ca lled Catel-Ma nzke syndrome. Conna te ra dial deviat ion of the index fingers is ca used by an odd bone. Th e deformity is demonstrated by two own cases . The deviation is progr essive and increa sin g functional minu s is advised to operative correctio n of th e ind ex finger s in the age o f 2-3 years. Su rgica l technique and success of treat rnent are presented .

alle Patienten mit Catel-Manzke -Syndrom männli chen Geschlechts (I , 2, 8). Der Erb gan g der Er krankung ist unklar; zweima l ko nnte eine fa miliä re Belastung nachgewiesen werden. Die Ät iologie und Pathogene se des Cat el-Man zke-Syndrom s sind unbekannt (I, 3).

Sym pto matolog ie Die H yperph alan gie beste ht imm er an be iden Zeigefi ngern, wobe i die Ausp rägu ng der Feh lste llung zwischen recht s und links unt erschiedlich sein ka nn (I , 3) . Nur Sundaram et a l. (10) finde t ein ma l de n dritt en Finger zusätz lich von der gleichen Defo rmat ion betroffe n. Auffällig wir d die Fehl bildung an den Fingern bei der Inspek tion des Neugeb orenen (I , 2, 3). Der Zeigefi nger ist verkürzt und zeigt eine Z-för mige Defo rmität. Er sitzt dem Meta karp ale Il in Sub luxat ion sstellung a uf. Es besteht eine rad iale Deviation im G ru ndge lenk und vo r allem im Gru ndglied des zweite n Finger s. A m P IP Ge lenk fällt eine leich te uln ar e Ab weichung des Mitte l- und En dgliedes a uf. Der zweite Fin ger ist im Grundge lenk gering verd ickt. die

Definitio n Die Kombination der bilateralen Hyperph alan gie der Zeigefi nger mit dem P ierre-Ro bin-Synd ro m (Mi kr ogn athie, G aumenspa lte, Glossophtose) wurde a ls eigenständiges Krankheit sbild erstmalig von Ca/ei und Manzke 196 1 bzw. 1966 beschrieben (2, 6). Bish er sind 10 Erkrankungsfälle de s Catel-Manzke-Syndroms in der Lite ratur bek annt (3). Die klinische Symptomatik der Gesicht sschä delfehlbild ungen, welche für da s Übe rleben der Pa tienten vo n ent sche ide nder Bedeu tu ng ist , ist unte rschiedlich au sgeprägt (3, 4, 5). Neben den vier ob engenannten ob ligatorischen Sympto men treten bei den betroffenen Pa tient en mit Catel-Ma nzke-Synd ro rn fa kultativ noch a ndere Symptome auf: Herzfehler (5 0 "10 ), Fußfehlbildu ngen, Fo rmvaria nte n a n de n O hr muscheln , instabile Kniegelen ke und in einem Fa ll eine Facialisparese (3, 7, 9, 10). Bis au f Dignan (3), der zwei weibliche Pa tiente n besch reibt , sind Z. Orthop. 128 (1990) 463-465 © 1990 F. Enke Verlag Stungart

Abb . 1 Patient 1 (C.G.l: Beide Hände von dorsal prä- und postoperativ

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Zu sammenfassu ng

Z. Or/hup. 128 (1990)

L. Bernd und Mita rb. A bb. 2 Patient 1 leG .I: Röntgen a.p. rechte Hand pr äund postoperativ. Schraffiert : Resezierter Knoch en ~

anteil

Ph al an gen ersc heinen proportioniert. Der Zeigefi nger erreicht etwa die Län ge des 5. Finge rs (Abb. I u . 3; 1, 3, 9). Bei einigen Pati ent en besteht zusätzlich eine geringgradige Klinod akt ylie a n den 5. Fingern (7, 10). Die Beweglichk eit a n den betroffenen Fingern ist zunächst für Beugun g und Strec kung voll erha lten . Erst mit zu nehme nde m Wa chstum un d verstä rkter Fehl stellung komm t es zu einer funktionellen Einschrä nkung am Zeigefinger. Beim Spit z- und Schlüsselgriff wird von der Daum enkuppe nicht die Zeigefinger kuppe bzw. die ra dia le Zeigefi ngerendgliedseite , sondern da s Mitt elgelenk des Zeigefingers berührt (6; Fa ll

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2) .

Röntgen ologisch befindet sich zwischen dem 2. un d 3. Fin gerstrahl in Höh e des MP 11 Gelenkes, ulnar seits, ein a kzesso rischer Scha ltknochen mit Knochenkern . Dur ch diesen wird das hypoplastische G ru ndglied des Zeigefingers nach radial ged rä ngt und über 45 G rad seitwä rts gekippt. Zudem besteht eine Retard ierun g der Metaca rpal e 11 Epiphyse mit einer Verkü rzu ng des 2. Mittelhand knochens (A bb. 2 u. 4; I, 4, 7, 8). Der ak zessori sche Knochenk ern entspricht wa hrscheinlich einem überzähli gen, verspre ngt en Metacar pa le. welches a us Pl a tzm angel in den Weicht eilen des zweiten St ra hles zwischen Meta carpa le und G ru ndp ha lanx zu liegen komm t. Der überzähli ge Knochenk ern ist wohl als Rudim ent einer Polydak tylie zu werten, wofü r auch die Län gsspal tun g zwischen G ru nd pha lan x und Akzesso rium sp richt (6). Möglich erweise hand elt es sich auch um eine Delta -Phalan x (11) . Im weite ren Wach stumsverlauf kann es zu eine r Fusion zwischen G ru ndglied und Scha ltk nochen kommen (3, 7). Es ist eine zu nehme nde Radi alab weich ung des 2. Fingers zu beob ach ten (Fa ll 2; 6).

Abb .3 Patient 2 (B.A.I; Beide Hände von dorsal und palmar präoperativ

,

I

Therapie

Aufgrund der im Wachstu m zunehme nden Fehlste llung und funktionellen Einschrä nkung an beid en Zeigefingern ist ein therapeuti sches Vor gehen angezeigt. Im Schriftt um wird üb er Behan dlungsmaßn ahmen de r H yperpha langie beim Ca tel-Man zke-Syndrc m nichts berichtet, Kon servative T hera piema ßnahmen . z. B. mit korri gierend en Schienen, erscheinen wegen der Schwere der Deformitä t und der kleinen Verh äl tni sse nicht erfo lgverspreche nd . Die op erat ive Korrektu r der Fehlbildung ist u . E . im

A bb. 4 Patient 2 (B.A .); Röntgen a.p . beide Händ e präc cereuv

Die Hyperphalangie beim Pierre-Robin-Syndrom Disku ssion

Die bilaterale Hyperphalan gie mit den Symptomen der Pierre-R ob in' schen Trias wird als Cat elMa nzke-Syndro m bezeichnet (1,3, 10). Die char a kteris tische, beidseitige Zeigefingerfehlstellung mit Verkürzun g und ra dialer Deviat ion im Gru ndglied , welche di rekt pos tpa rta l zu erkennen ist, kann zum Leitsyrnptom des Syndrom s werden und somit notwendige diagnostische und th erap eutische Schritte bzgl. der schwerwiegenden Gesichtsschädelmißbildungen bei den Patienten besch leuni gen . Mit zunehmendem Lebensalt er führt die unb ehandelte Fingerdeform ität zu einer progred ienten Fehlstellung und weitere r Einschränkung der Han d funk tion (6, 9). Au s diesem Grund empfehlen wir die op erati ve Kor rektu r des 2. Fingers im zweiten bis dritt en Lebensjahr . Das vorgestellte Ope rat ionsver fahre n - i. S. einer Korrekturosteot omie (s.o .) - bewirkt eine verbesserte, achsengerechte Einstellung der Zeigefinger mit Fun ktionsgewinn . Die weitere Ent wicklung der FingersteIlung bis zum Ab schluß des Längenwachstums bleibt a bzuwa rte n, wesha lb eine fort laufende Kontrolle des Befu ndes notwendi g ist.

Fallbeschreibung I . C. G., männl., geb. 8/86 a ls erstes Kind in 4 1. SSW . Una uffällige Famil ienan amn ese bzgl. de n Symp tomen beim Cate l-Ma nzke-Synd ro m. Ge burtsgewicht und -größe regelrecht. Wegen einer medi alen Ga umens palte und einer Glossophtose en twickelt sich eine Asph yxie (Apgar 7/ 3) mit rezidiviere nde n Tach ypnoen un d Pn eum on ien, die eine intermi tti eren de Beat mung im ersten Lebensjahr not wendi g machen . 4/ 87 operativer Verschluß der Ga umenspalte , danach Besseru ng der p ulmona len Situat ion. Po stpart al fällt eine bilat erale Fehlstellung der Zeigefinger mit rad ia ler Deviat ion im Grund glied auf. Bis zur Vorstel lung in unserer Klinik erfolgt keine Therapie bzgl. der Zeigefi nger. 8/88 wird zu näc hst rech ts, 12188 lin ks die ope rat ive Korr ektu r an den Zeigefingern, wie oben besch rieben, vorge no mmen. Der po sto perative Verlau f ist unge stört, das funktio nelle Ergeb nis mit vo ller Beweglichk eit a n beiden Zeige fingern ist gut (Abb. I u . 2). 2. B. A ., männl., geb. 7/87 als erstes Kind in der 40. SSW. Una uffä llige Fami lienanamnese bzgl. den Symptom en beim Catel-Ma nzke-Syndro m. Die M utter wur de währe nd der Schwa ngerschaft wegen einer Schilddrüsenüberfun ktion mit Th yroxin und Jod id behand elt . Ge burtsgewicht und -gr öße regelrecht. Postp a rtal fällt eine facia le Dysplasie mit Epi kanthus bds., einer inferioren Retrognathi e und einer Uvula fissa auf. Es wird die Diagno se P ierre-R obin-Synd rom geste llt. Klinisch zeigt der Junge in den ersten Lebenstagen eine deutliche Tr ink schwäche. die nach u nd nach verschwindet. Am Skeletsystem imp on iert nach der Ge burt an beiden Zeigefi nge rn eine radi ale Deviati on und an de n 5. Fingern ein e leichte Klinoda ktylie . Auß erd em bestehen HammersteIlungen an den zweiten Zehe n un d ein Pes caJcaneo valgu s abductus bd s. Wegen dieser Fu ßfe hlstellung wird erfolgreich eine Schiene n beha nd lung in den erste n Lebensmonaten durchgeführt. Chromosomen- un d Bänd erun gsa nalysen sind unauffä llig. Im weiteren Verlau f verstärkt sich die Fingerdeformität und beim Spi tzgriff berührt die Daumenk upp e das P IP des 2. Fingers. Au s diesem G ru nd er folgt die Vo rstellun g bei un s. 2/ 89 wird die Korrek turosteo tomi e rech ts vorge no mme n. Der po stoperative Verla uf ist regelrecht . Die linksseitige Operation ist gep lant (Ab b . 3 u. 4).

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Dr. med . Ludger Hemd Stift ung Orthopädische Universitätsklinik Schlierbacher La ndstr. 200a 6900 Heidelberg

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zweiten bis dri tten Lebensjahr früh zeitig a nzustreben . Von dorsal können die Gru ndphalan x und der Scha ltknoc hen leicht dar gestellt werden . Der proximale Anteil des Schaltknochens, sowie ein kleiner, da s Grundgelenk bildender Ant eil, bleiben erha lten . Der Rest des Sch altknochens einschließlich der horizon tal liegenden Epiphysen fuge und dem ulnarseits gelegenen Knochenk ern werden entfernt. Die Gelenkfläch e und die Wachst umsfuge der G rundpha lanx bleiben er ha lten . Der Rest des Schaltk nochens wird dann mit dem Grundglied achsengerecht . z. B. mit P OS-Faden , fusioniert. Über zählige Weich teile werden nicht gefunde n. Nach Au sgrad urig der Radi alab weichung im G ru ndglied und der Ulna ra bweichung im Mittelglied wird der Finger mit einem Kirschnerdraht fixiert (Abb , 2). Dieser wird mit einer Fau stgipsru higstellung bei regelmä ßigen Wundkontrollen für dre i Wochen belassen . Dan ach wird der Kirschnerd rah t entfern t und eine kra nkengymnastische Beübun g angeschlo ssen. Die postop erativ erreichte Stellung ist deutlich verbessert und es ist zu erwarte n, daß du rch die vor genommene Dru ckentl astu ng im MP 11 Ge lenk das Wachstum im Metaca rpale 11 aufholt (Abb . 2).

Z. Orthop. 128 (1990) 465

[Hyperphalangia in Pierre-Robin syndrome].

Pierre Robins syndrome associated with symmetric hyperphalangia of the index fingers is called Catel-Manzke syndrome. Connate radial deviation of the ...
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