FORTBILDUNG

SEMINAR Hochdruckliga

Patientenschulungsprogramme in der Hochdrucktherapie

Wecken Sie die Eigeninitiative Ihrer Patienten! S I E G FR I E D E C K E R T Bei chronischen Erkrankungen ist die Therapietreue entscheidend. Spezielle Schulungsprogramme können dazu beitragen, dass Hochdruckpatienten aktiv werden und durch Lebensstiländerungen und regelmäßige Tabletteneinnahme selbst einen entscheidenden Beitrag zur Blutdruckkontrolle leisten.

Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum, Bad Oeynhausen



Die arterielle Hypertonie ist die Volkskrankheit Nr. 1 in Deutschland. Die Diagnose und Therapiekontrolle mit dem Ziel der Normalisierung des Blutdrucks erscheinen durch Bestimmung der Blutdruckhöhe einfach. Zahlreiche Therapieoptionen stehen zur Verfügung: Nicht medikamentöse Therapien (Lebensstiländerungen), Medikamente und interventionelle Ansätze (renale Denervation, Baroreflexaktivierung). Trotzdem gelingt nur bei ca. 30% der behandelten Hypertoniker die Normalisierung erhöhter Blutdruckwerte [1].

Schulung der Hypertoniker reduziert kardiovaskuläre Ereignisse Die „Einbindung“ der Patienten in die Therapie kann durch Schulung verbessert werden, wie eine kanadische Studie zeigen konnte [2]. Hier setzen Patientenschulungsprogramme an, deren Ziele die Förderung von Compliance, Selbstmanage-

MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (6)

Regelmäßiger Sonderteil der MMW-Fortschritte der Medizin. Herausgeber: Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL® – Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention Berliner Straße 46, D-69120 Heidelberg; Tel.: 06221/58855-0, Fax: 06221/58855-25 [email protected] Redaktion: Prof. Dr. med. Martin Hausberg, Karlsruhe (Vors. d. Vorstandes)

fand sich nach sechs Monaten bei 146 Hypertonikern, bei denen eine Schulung in Praxen von Allgemeinmedizinern durchgeführt wurde, eine verbesserte Blutdruckeinstellung (–17/4 mmHg), eine Reduktion des Körpergewichts (–0,9 kg), eine Zunahme in der körperlichen Aktivität um 0,8 Stunden/Woche, ein besseres Lebensgefühl (Vitalitätsscore +6,5) und ein erhöhter Wissensstand (+6,3%) [3]. MEIN BLUTDRUCK – OK! Das interaktive modulare Schulungsprogramm MEIN BLUTDRUCK – OK! der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL DHL® –

Abbildung 1 Modul 1

Modul 2

Modul 3

Blutdruckregulation

Nicht medikamentöse Behandlung I

Nicht medikamentöse Behandlung II

Ursachen für erhöhte Blutdruckwerte, Zielblutdruckwerte, Diagnostik

Gewichtskontrolle, reduzierte Kochsalzaufnahme, Steigerung der körperlichen Aktivität, Rauchverzicht, begrenzter Alkoholkonsum

Entspannung, Selbstmessung des Blutdrucks, Hypertensive(r) Krise/Notfall

Modul 4

Modul 5

Medikamentöse Behandlung

Compliance

Behandlungsbeginn, Wirkungen und Nebenwirkungen von blutdrucksenkenden Medikamenten, Selbstbehandlung

Behandlungstreue, Telemedizin Selbsthilfegruppen © DHL

Dr. med. Siegfried Eckert

ment und Empowerment sind und die helfen, Folgekomplikationen zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen und häufig auch ihrer Angehörigen zu verbessern. Sie sind darauf ausgerichtet, den Wissensstand der Patienten über die Krankheit Bluthochdruck auch als Risikofaktor für kardiovaskuläre Folgeerkrankungen zu heben, sie anzuleiten, den Blutdruck zuverlässig selbst zu messen, ihnen nicht medikamentöse und medikamentöse Therapiemaßnahmen verständlich zu machen und sie zu motivieren, Lebensstiländerungen langfristig umzusetzen. Wie eine Studie des Instituts für Präventive Medizin (IPM) zeigen konnte,

Bluthochdruck im Blickpunkt

Abb. 1 Die fünf Module des Patientenschulungsprogramms „Mein Blutdruck – OK!“.

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© A. Kühn

FORTBILDUNG _ SEMINAR

Abb. 2 Das Anlegen der Blutdruckmanschette: nicht zu stramm!

Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention besteht aus fünf Modulen (Abb. 1). Das erste Modul bringt den Teilnehmern die Grundlagen nahe. Es erklärt, was unter Bluthochdruck zu verstehen ist, wie er entsteht und in welchen Zielwertbereich die Blutdrucksenkung erfolgen soll. Module 2 und 3 erläutern die nicht medikamentösen Therapien, wie z. B. durch Bewegung, gesunde Ernährung und Entspannung der Blutdruck gesenkt werden kann. Das vierte Schulungsmodul widmet sich der medikamentösen Therapie und erklärt die verschiedenen Substanzklassen, die in der Bluthochdruckbehandlung zum Einsatz kommen. Modul 5 beschäftigt sich mit der Therapietreue und Möglichkeiten, diese sicherzustellen, z. B. durch den Einsatz von Telemedizin und durch den Anschluss an Selbsthilfegruppen. Im Zentrum jeder Schulung steht die Anleitung zur Selbstmessung des Blutdrucks. Die Teilnehmer sollen lernen, ihren Blutdruck zuverlässig selbst zu messen, daher wird dies in den Kurseinheiten praktisch geübt (Abb. 2). Die Schulung ist für eine geschlossene Kleingruppe von sechs bis zehn Teilnehmern über jeweils 90 Minuten konzipiert. Die maximale Teilnehmerzahl sollte zehn Personen nicht übersteigen, da sonst eine interaktive Erarbeitung der Inhalte erschwert wird und die Bereitschaft, sich aktiv einzubringen, sinkt. Die Teilnehmer sollen individuell angesprochen werden, wobei auf ihre Vorstellungen und Erwartungen (Vorstellungsrunde) eingegangen wird. Rollenspiele (Selbstmessung des Blutdrucks, Be-

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stimmung der Herzfrequenz, Gewichtsbestimmung, Auflistung der Medikamente etc.) fördern ein aktives und eigenverantwortliches Mitwirken bei der Krankheitsbewältigung (Krankheitsmanagement). Arbeitsblätter zur Protokollierung der zu Hause selbstgemessenen Blutdruckwerte und der Herzfrequenz sowie des Körpergewichts, die Steigerung der körperlichen Aktivität (Schrittzähler), die Kontrolle der Kochsalz- und Kalorienzufuhr (Ernährungsprotokoll) oder die Auflistung der eingenommen Medikamente (Wirkgruppen, Dosierungen) dienen der Vertiefung und Überprüfung. Zu jedem Modul sind zehn Fragen hinterlegt, die die Teilnehmer bis zur nächsten Sitzung beantworten (Qualitätssicherung). Die Übungsleiter (Ärzte und medizinisches Assistenzpersonal) erhalten eine Einführung („train the trainer“), damit die Umsetzung der Patientenschulung standardisiert erfolgt. Das Handbuch für Schulungsleiter (Manual) soll sicherstellen, dass verschiedene Trainer die Schulung in derselben Art und Weise durchführen, wobei ein individueller Schulungsstil nicht behindert werden soll. Die Inhalte, Lernziele und Methoden sind für jedes Modul im Handbuch dargestellt und die Folien (Power Point) mit Erklärungen hinterlegt. Die Teilnehmer erhalten nach jedem Modul ein gebundenes Heft: Anleitung, Folien mit Erklärungen, Arbeitsblätter und Fragen. Die Erarbeitung des Schulungsprogramms erfolgte nach dem Leitfaden Manualerstellung des Zentrums Patientenschulung der Universität Würzburg [4, 5]. Verbesserung des Lebensstil und der Therapietreue Das Schulungsprogramm MEIN BLUTDRUCK – OK! der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL DHL® – Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention ist ein modernes, interaktives, modulares Programm für alle an einer Hypertonieschulung Interessierte. Wünschenswert ist eine breite Anwendung von HypertensiologInnen und HypertonieassistentInnen mit dem Ziel, die Versorgung von Hypertonikern in Deutschland langfristig zu verbessern.

Steigerung der Effektivität Die Blutdruckeinstellung ist durch eine Schulung (Education) im interdisziplinären Team effektiver [6]. Auch die Einbindung von Partnern und/oder Familie kann die Effektivität steigern, wie eine Studie zeigt [7]. Wurden die Angehörigen zu Hause mitgeschult, so konnte im Vergleich zu der Gruppe, in der nur der Betroffene geschult wurde, eine signifikante Verbesserung des Lebensstils festgestellt werden: Reduktion der Zufuhr von Fett und Zucker, des Body-Mass-Index um 0,7 kg/m2, des Hüftumfang um 4,2 cm, des systolischen Blutdrucks um 13 mmHg und der Nüchternblutglukose um 18,9 mg/dl. Die Strukturen der DHL ermöglichen auch die nachhaltige Einbindung der Teilnehmer (Betroffene und Angehörige) z. B. in Selbsthilfegruppen. Literatur unter mmw.de Anschrift des Verfassers: Dr. med. Siegfried Eckert Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum Georgstr. 11, D-322545 Bad Oeynhausen E-Mail: [email protected]

Patientenschulungsprogramm

Fazit für die Praxis 1. Patientenedukation durch strukturierte Schulung führt zur Blutdrucksenkung, Gewichtsabnahme, Steigerung der körperlichen Aktivität und verbesserter Lebensqualität.

2. Durch Wissensvermittlung und Stärkung der Compliance kann die Therapie erleichtert werden. Dies kann auch zu Entlastungen in der Praxistätigkeit führen. Hypertoniebedingte Folgeschäden können reduziert werden. Daher sollte allen Hypertonikern eine strukturierte Schulung angeboten werden.

Keywords Hypertension education program – recommendations for health behavior management Hypertension – patient education – non-pharmacological therapy – compliance – hypertensiologist

MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (6)

Literatur: 1. ESH Newsletter 2007;8:No 3 2. Campbell NRC et al. Increase in Antihypertensive Prescriptions and Reductions in Cardiovascular Events in Canada. Hypertension 2009;53:128–134 3. Danzer E, Gallert K, Friedrich A, Fleischmann EH, Walter H, Schmider RE. Ergebnisse der Intensiv-Hypertonieschulung des Instituts für präventive Medizin. Dtsch Med Wschr 2000;125:1385–1389 4. Ströbel V, Friedl-Huber A, Küffner R, Reusch A, Vogel H, Faller H. Beschreibungs- und Bewertungskriterien für Patientenschulungen. www.zentrum-patientenschulung.de 5. Faller H, Reusch A, Meng K. DRWG-Update: Patientenschulung. Rehabilitation 2001;50:284–291 6. Johnson W, Shaya FT, Khanna N, Warrington VO, Rose VA, Yan X, Bailey-Weaver B, Mullins CD, Saunders E. The Baltimore Partnership to Educate and Achieve Control of Hypertension (The BPTEACH Trial): A randomized trial oft the effect of education on improvement blood pressure control in an largely AfricanAmerican-Population. J Clin Hypertens 2001;13:563–570 7. Ribeiro A, Ribeiro AMR, Dias CMGC, Ribeiro AQ, Castro FAF, Suárez-Varela MM, Cotta RMM. Non-pharmocological treatment of hypertension in primary health care: a comparative clinical trial oft two education strategies in health and nutrition. BMC Public Health 2001;11:637–647

[Hypertension education program - recommendations for health behavior management].

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