Referiert – kommentiert

Referat

Bluthochdruck: Selbsteinstellung auch bei hohem kardiovaskulärem Risiko? Ref riert–m entiert JAMA 2014; 312: 799–808 Hintergrund: Wie die TASMINH-2-Studie gezeigt hat, erreichen im Vergleich zur Standardtherapie mehr Patienten mit Hypertonie die Zielwerte, wenn sie ihren Blutdruck zu Hause messen und daraufhin selbst entscheiden, wie viele Medikamente sie einnehmen. Ob dies auch für Personen gilt, die ein hohes kardiovaskuläres Risiko haben, wurde nun in der TASMIN-SR-Studie untersucht. Methoden: Die Studie schloss 555 Teilnehmer über 35 Jahre ein, deren Blutdruck zu Beobachtungsbeginn mindestens 130/ 80 mmHg betrug und die einen oder mehrere der folgenden Risikofaktoren aufwiesen: kardiovaskuläre Vorerkrankung, Diabetes, chronische Nierenerkrankung im Stadium 3 oder koronare Herzkrankheit. Nach

dem Zufallsprinzip wurde die Hälfte der Patienten der Interventionsgruppe zugeordnet. Diese sollte ihren Blutdruck in Eigenregie messen und mit Medikamenten behandeln. Die Teilnehmer der Kontrollgruppe wurden standardmäßig versorgt. Studienendpunkt war die Differenz des systolischen Blutdrucks zwischen den beiden Gruppen nach einem Jahr. Ergebnisse: In dieser Zeitspanne nahm der systolische Blutdruck in der Interventionsgruppe im Mittel um 9,2 mmHg (95%-Konfidenzintervall [KI] 5,7–12,7) stärker ab als in der Kontrollgruppe. Für den diastolischen Wert betrug die entsprechende Differenz 3,4 mmHg (95%-KI 1,8–5,1). Dafür ließen sich die Teilnehmer der Interventionsgruppe mit durchschnittlich 3,34 vs. 2,61 Dosen pro Tag auch mehr Antihyper-

tensiva verschreiben. Diese Resultate galten für Männer genauso wie für Frauen und unabhängig vom sozioökonomischen Status der Patienten. Es spielte auch keine Rolle, ob diese unter oder über 65 Jahre alt waren oder welchen systolischen Eingangsblutdruck sie hatten. Folgerung: Den Autoren zufolge ist es auch für Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko gut machbar, die medikamentöse Kontrolle ihres Blutdrucks selbst in die Hand zu nehmen. Eine mögliche Limitierung könnte allerdings darin bestehen, dass ein Großteil der Patienten hierzu gar nicht bereit ist. Dies habe sich bereits im Vorfeld der Studie durch die negative Antwort vieler potenzieller Teilnehmer abgezeichnet. Dr. Maren Emmerich, Stuttgart

Kommentar

Patienten mit Bluthochdruck profitieren von Selbsteinstellung In Deutschland leiden 20 – 30 Millionen Menschen unter arterieller Hypertonie. Nur ein Teil der Patienten wird behandelt, und nur ein Teil dieser Patienten erreicht durch die Behandlung den ZielbProf. Dr. M. Hausberg, lutdruck. Etwa 10% alKarlsruhe ler Patienten mit Bluthochdruck lassen sich mit drei verschiedenen Antihypertensiva (inkl. Diuretikum) in adäquater Dosierung nicht ausreichend einstellen. Oft sind dies Patienten, die bereits kardiovaskuläre Komplikationen der Hypertonie erlitten haben. Bei ihnen ist besonders die Kontrolle des systolischen Blutdrucks schwierig. Es scheint, dass Blutdruckselbstmessungen von hoher prognostischer Signifikanz sind, beinahe wie die von 24-Stunden-Blutdruckmessungen. Patienten mit arterieller Hypertonie werden angehalten, selbst regelmäßig ihren Blutdruck zu messen und dies zu protokollieren. Blutdruckselbstmessungen und ggf. daran angepasste Änderungen der antihypertensiven Medikation erleichtern die Blutdruckkontrolle. Die Effektivität von Blutdruckselbstmessungen für die Therapiesteuerung und das Errei-

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139, Nr. 46

chen des Zielblutdrucks bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko wird durch die Ergebnisse der Studie von McMahon et al. belegt. Interessanterweise sind die Blutdruckzielwerte in dieser Studie nach aktuellen Maßstäben niedrig angesetzt. Etwa 46% der Patienten waren Diabetiker, ca. 32% hatten eine chronische Niereninsuffizienz, etwa 30% eine koronare Herzkrankheit und ca. 18% eine zerebrovaskuläre Erkrankung. Für diese Patienten gilt als Zielblutdruck nach den Leitlinien der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie aktuell < 140/90 mmHg bzw. < 140/ 85 mmHg bei Diabetikern. Allerdings wurde von vielen Fachgesellschaften weltweit bis Ende 2012, also für die Dauer der Studie, noch ein Zielblutdruck von < 130/80 mmHg für Diabetiker und Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung propagiert. Dieser Praxiszielblutdruck wurde in der Interventionsgruppe tatsächlich erreicht. Dennoch gab es kein erhöhtes Auftreten von unerwünschten Ereignissen in der Interventionsgruppe während des einjährigen Beobachtungszeitraums. Um die Blutdruckkontrolle zu erreichen, wurden in der Interventionsgruppe sowohl

die durchschnittliche Zahl der Antihypertensiva als auch deren Dosis gesteigert. In der Kontrollgruppe blieben Zahl von Antihypertensiva und Dosis im wesentlichen unverändert. Somit scheinen die Blutdruckselbstmessungen und die individualisierte Medikationsanpassung durch die Patienten selbst auch zur Adhärenz beigetragen zu haben. Zusammengefasst belegt die Studie von McMahon et al., dass auch bei hypertensiven Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko regelmäßige Blutdruckselbstmessungen und eine individualisierte Anpassung der antihypertensiven Medikation die Kontrolle der Hypertonie erheblich verbessern. Langfristig kann daraus eine deutliche Verbesserung der kardiovaskulären Prognose resultieren. Um dies zu zeigen, sind jedoch weitere Studien mit längerer Beobachtungsdauer erforderlich. Prof. Dr. med. Martin Hausberg1 und Prof. Dr. med. Bernd Sanner2 1Medizinische Klinik I, Städtisches Klinikum Karlsruhe 2Medizinische Klinik, Agaplesion Bethesda Krankenhaus Wuppertal Interessenkonflikte: M.H.: Vortragshonorare von Novartis, Amgen, Alexion, Medtronic; B.S.: keine DOI 10.1055/s-0033-1353925

M. Hausber g B. Sanner Schlüsselwörter

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[Hypertension: self-monitoring even in high cardiovascular risk? - Hypertensive patients benefit from self-monitoring].

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