Leitthema: Multiples Myelom Radiologe 2014 · 54:572–581 DOI 10.1007/s00117-014-2694-7 Online publiziert: 16. Juni 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Bhutani · O. Landgren Multiple Myeloma Section, Lymphoid Malignancies Branch, Center for Cancer Research,   National Cancer Institute, National Institutes of Health, Bethesda

Bildgebung bei „smoldering“ (asymptomatischem) multiplem Myelom Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Zusatzmaterial online Dieser Beitrag ist auch in der englischen Originalfassung verfügbar. Dieses Supplemental finden Sie unter: dx.doi.org/10.1007/s00117013-2694-7

Hintergrund Das schwelende multiple Myelom (SMM) steht in in der Krankheitsentwicklung zwischen der prämalignen monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz (MGUS) und dem symptomatischen multiplen Myelom (MM) [1]. Per definitionem fehlt bei SMM-Patienten eine Endorganschädigung – wie Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz, Anämie oder Osteolysen (CRAB: „hypercalcemia, renal impairment, anemia or bone lesions“) – und sie werden gewöhnlich nicht therapiert, sondern nur klinisch überwacht, bis sich CRAB-Zeichen entwickeln. Klinisch umfasst das SMM verschiedene Verläufe wie (i) stabile MGUSartige Merkmale, (ii) einen langsam progressiven, aber asymptomatischen Verlauf und (iii) einen schnell progressiven symptomatischen Verlauf (auch als Frühform des Myeloms bezeichnet; . Abb. 1; [3]). Zwar haben die verfügbaren Risikostratifizierungsmodelle zu einem besseren Verständnis der Progressionswahrscheinlichkeit geführt, aber die Progression lässt sich mit den derzeit eingesetzten Biomarkern

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oder Modellen nicht zuverlässig vorhersagen (. Tab. 1; [4, 5, 6, 7, 8, 9]). Das häufigste Symptom zum Zeitpunkt der Progression in ein MM ist in annähernd 50–75% die Schädigung des mineralisierten Knochens [10, 11, 12] mit dem Risiko für pathologische Frakturen, Rückmarkkompression sowie eine Verschlechterung der Lebensqualität und des Überlebens. Bei der konventionellen Röntgenuntersuchung des Skeletts wird häufig die Knochenbeteiligung unterschätzt. Die etablierten Risikomodelle beinhalten keine Bildgebungskriterien zur Bestimmung des Progressionsrisikos [4, 5]. Die Ergebnisse des bloßen Zuwartens bei Patienten mit schnell fortschreitendem SMM sind entmutigend, was zu einer Reihe neuer klinischer Studien führte, in denen untersucht wurde, ob eine früh einsetzende Behandlung die Progression zum MM verzögert. Eine aktuelle Phase-III-Studie mit Hochrisiko-SMMPatienten als Zielgruppe ergab eine signifikant verzögerte Progression zur symptomatischen Erkrankung und ein signifikant erhöhtes Gesamtüberleben, wenn die Behandlung früh begonnen wurde. Dies führte zu der Frage, welche Rolle sensitive Bildgebungsverfahren zur Erkennung von Knochenmarkveränderungen und Osteolysen in einem früheren und theoretisch eher heilbaren Stadium spielen [10]. Aufgrund der eingeschränkten Sensitivität der Röntgenuntersuchung des Ske-

letts werden Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) und Positronenemissionstomographie (PET) eingesetzt, um Knochenmarkveränderungen und Osteolysen besser abgrenzen zu können – von Vorläuferstadien bis hin zum voll ausgeprägten MM [13, 14, 15]. Diese Verfahren erleichtern die genaue Beurteilung von Osteolysen im gesamten Skelett und ermöglichen eine präzise Untersuchung des Knochenmarks der Extremitäten und des Beckens, einschließlich einer extramedullären Beteiligung und liefern Informationen zur Stoffwechselfunktion und Mikrozirkulation. Bildgebende Untersuchungen zur Verlaufskontrolle bieten die Möglichkeit, Progressionsrisiko, Prognose, Therapieresponse und Residualerkrankung zu beurteilen. In der vorliegenden Arbeit wird der Wissensstand zu aktuellen Bildgebungsverfahren und deren zukünftige Rolle dargestellt, wo sie zusammen mit gezieltem molekularem Profiling möglicherweise zur besseren Abgrenzung von Hochgegenüber Niedrigrisiko-SMM und ggf. auch zu einer stärker individualisierten Therapie beitragen.

Bildgebung von Knochen und Knochenmark bei SMM Mit modernen bildgebenden Verfahren können Osteolysen genauer beurteilt werden als mit der herkömmlichen Skelett-

Leitthema: Multiples Myelom −0,26) aufgrund einer 70-Gen-Signatur, GEP70 ≥400 klonale Plasmazellen im peripheren Blutkreislauf (Durchflusszytometrie)  

≥60% klonale Plasmazellen in der   Knochenmarkbiopsie Quotient beteiligter (monoklonaler) zu unbeteiligten (polyklonalen) freien Leichtketten im Serum >100  

FISH Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung, GEP70 Genexpressionsprofil mit 70 Genen.a Aberranter Immunphänotyp der Plasmazellen in der Durchflusszytometrie: Fehlen der CD19- und/oder CD45-Expression, Überexpression von CD56 oder schwache Expression von CD38. Die Methode der Durchflusszytometrie ist in den meisten Einrichtungen nicht verfügbar und erfordert eine beträchtliche Expertise zur Befundinterpretation.bdel17p oder t(4;14) in der FISH-Zytogenetik gelten als prognostisch ungünstige Merkmale für eine Progression. Auf der Grundlage der Risikokriterien (Spalte 1 und 2) in den beiden meistverbreiteten Risikomodellen (das spanische Programa para el Estudio de la Terapéutica en Hemopatía Maligna, PETHEMA, und die Gruppen laut Mayo-Klinik; [4, 5]) können grundlegend 3 Kategorien von SMM-Patienten mit unterschiedlichen Progressionsrisiken nach 5 Jahren identifiziert werden: (a) niedriges Risiko: Progressionsrisiko 60%.

Tab. 2  Vergleich verschiedener Bildgebungsverfahren für die Diagnose von Osteolysen und Knochenmarkveränderungen bei schwelendem

multiplem Myelom Verfahren

Skelettröntgenuntersuchung NiedrigdosisGanzkörper-CT PET-CT Ganzkörper-MRT DCE-MRT DWI

Annähernde Strahlendosis (mSv) 2–4

Knochen-  morphologie   (Osteolysen) +

Krankheitslast des Knochenmarks (fokale oder diffuse   Veränderungen) 0

Funktionelle Aktivität   (Knochenmarkangiogenese, Mikrozirkulation) 0

Stoffwechselaktivität

Verfügbarkeit

0

++

4–7.5

++

+

0

0

+

17–25 Keine Keine Keine

++ (+) 0 0

+ ++ ++ ++

+ 0 ++ ++

+ 0 0 0

+ (+) (+) (+)

CT Computertomographie, PET Fluordeoxyglukose-Positronenemissionstomographie, MRT Magnetresonanztomographie, DCE dynamische Kontrastverstärkung (“dynamic contrast enhancement”), DWI diffusionsgewichtete Bildgebung (“diffusion weighted imaging”), ++ gut, + annehmbar, (+) bis zu einem gewissen Grad möglich, 0 unmöglich.

läsionen, die der Skelettröntgenuntersuchung aufgrund geringer Größe oder Überlagerung entgehen. Zudem kann sie bei Patienten eingesetzt werden, bei denen für die Beurteilung der Wirbelsäule oder zur Klärung des Ausmaßes des Weichteilbefalls keine MRT zur Verfügung steht oder Kontraindikationen gegen eine MRT bestehen. Wegen des möglichen Strahlenexpositionsrisikos, das jenes konventioneller Röntgenaufnahmen um das 1,3- bis 3-Fache übersteigt, ist die derzeitige Erfahrung mit der Niedrigdosis-Ganzkörper-CT bei SMM relativ begrenzt. Da Patienten mit multiplem Myelom – und insbesondere Patienten mit SMM oder MGUS – aufgrund verbesserter Therapien länger überleben, stellt die kumulative Strahlenexposition bei langjährigen Verlaufskontrollen durchaus ein Problem

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dar. Außerdem ist die Sensitivität für diffuse Knochenmarkveränderungen recht niedrig, und eine funktionelle Information fällt überhaupt nicht an. Diese Einschränkungen betreffen v. a. den Einsatz bei asymptomatischen Stadien.

Nachweis von Knochenmarkveränderungen Veränderungen im Knochenmark gehen der Entwicklung von Schäden am mineralisierten Knochen oft voraus. MRT und PET-CT eignen sich gut zur morphologischen sowie funktionellen und Stoffwechseluntersuchung des Knochenmarks.

MRT

Die MRT ist ein wichtiges radiologisches Verfahren zur Darstellung von Knochen-

mark und Wirbelsäule, weil sich normales und durch Plasmazellen infiltriertes Knochenmark gut voneinander abheben. So können sowohl die Krankheitslast als auch das Befallsmuster (fokal vs. diffus; [14, 23, 24]) gut abgeschätzt werden. Kombiniert man funktionelle Methoden – d. h. dynamische kontrastverstärkte (DCE,“dynamic contrast enhancement”), diffusionsgewichtete (DW, “diffusion weighting”) MRT sowie die PET – mit T1- und T2-gewichteten Sequenzen – d. h. funktionelle MRT –, so können die Veränderungen weiter charakterisiert werden. Dadurch können u.U. besonders aktive Herde identifiziert werden, die anhand morphologischer Bilder nicht erkannt würden [25, 26, 27, 28]. Die DCE-MRT ermöglicht die nichtinvasive Messung des Blutflusses und der

Tab. 3  Knochenmark-MRT bei Patienten mit asymptomatischem multiplem Myelom ohne Knochenveränderungen in der Skelettröntgenunter-

suchung Studie, Publikationsjahr

Krankheitsstatus (Studiendesign)

Art der MRT

n

Dimopoulos, 1993 [34]

Schwelendes +   indolentes multiples Myelom (retrospektiv)

WirbelsäulenMRT

23

Knochenmarkveränderungen Gesamt Fokal Diffus Gemischt 12 (52%) 2 5 5

Moulopolos, 1995 [35]

Schwelendes +   indolentes multiples Myelom (retrospektiv) Asymptomatisches multiples Myelom im Stadium 1   (retrospektiv)

WirbelsäulenMRT

38

19 (50%)

5

5

9

WirbelsäulenMRT

55

17 (31%)

14

3



Hillengass, 2009 [27]

Asymptomatisches multiples Myelom   (retrospektiv)

DCE-MRT der lumbosakralen Wirbelsäule

65

47 (72%)

3

44



Hillengass, 2010 [37]

Schwelendes multiples Myelom einschl. 16 Patienten mit lokalisiertem Plasmazelltumor und lokaler Therapie (retrospektiv) Asymptomatisches multiples Myelom   (prospektiv)

GanzkörperMRT

149

102 (68%)

42 (28%)

38

22

WirbelsäulenMRT

92

18 (20%)

18





Schwelendes multiples Myelom einschl. 10 Patienten mit Z. n. lokaler RT wegen eines gleichzeitigen Plasmazell-  tumors (retrospektiv)

GanzkörperMRT, Verlaufsbeurteilung zu mindestens 3 Zeitpunkten

63

40 (62%)

21

19



Mariette, 1999 [36]

Dhodapkar, 2014 [38]

Merz, 2014 [39]

Ergebnis (Progression zum MM) 11 Monate für Patienten mit diffusem oder fokalem Muster vs. 44 Monate für Patienten mit heterogenem oder   normalem Muster (p

[Imaging in smoldering (asymptomatic) multiple myeloma. Past, present and future].

Emerging clinical trial data support treatment of high-risk smoldering multiple myeloma (SMM) upon diagnosis, and not only at the time of progression ...
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