Leitthema: Polytrauma Radiologe 2014 · 54:886–892 DOI 10.1007/s00117-013-2637-8 Online publiziert: 14. August 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

H. Prosch1 · L. Negrin2 1 Univ.-Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin,

Medizinische Universität Wien, Allgemeines Krankenhaus, Wien 2 Univ.-Klinik für Unfallchirurgie, Medizinische Universität Wien, Allgemeines Krankenhaus, Wien

Bildgebung des stumpfen Thoraxtraumas Jedes Jahr erleiden in Deutschland mehr als 20.000 Personen eine Verletzung des Brustkorbs [1]. Ein Thoraxtrauma kann sowohl isoliert (25– 35% [2]) als auch in Kombination mit anderen Verletzungen auftreten. Von den polytraumatisierten Patienten, die im Jahresbericht 2012 des Traumaregisters der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) inkludiert sind, erlitten 54,2% ein mittleres bis schweres Thoraxtrauma [3]. In der Regel spricht man von einem schweren Thoraxtrauma, wenn dem Patienten durch mechanische Gewalteinwirkung von außen oder innen eine schwere Verletzung des Brustkorbs, seiner Organe oder seiner angrenzenden Strukturen zugefügt wurde [4]. Dieses führt häufig zu ausgeprägter respiratorischer Insuffizienz (31%) oder Kreislaufversagen (26% [5]). Die Mortalität nach Thoraxtrauma liegt zwischen 10 und 30% [5, 6]. Patienten mit Thoraxtrauma verzeichnen eine höhere Inzidenz an Multiorganversagen als Verunfallte ohne Thoraxtrauma [7], wobei man davon ausgehen kann, dass ungefähr jeder vierte unfallbedingte Todesfall auf eine Verletzung des Brustkorbs zurückzuführen ist [8].

Hintergrund Generell unterscheidet man zwischen einem stumpfen und einem penetrierenden Trauma, wobei letzteres jedoch mit einem Anteil von etwa 8% im deutschsprachigen Raum mengenmäßig nur eine

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untergeordnete Rolle spielt [9]. Unter einem stumpfen Thoraxtrauma versteht man eine Verletzung des Thorax ohne Eröffnung der Thoraxwand. Ihre häufigste Ursache sind Verkehrsunfälle (72,2%) und Stürze aus großer Höhe (17,1% [10]). Tritte oder Schläge gegen den Brustkorb sowie Einklemmungen und Verschüttungen werden als weitere Auslöser genannt. Frakturen des knöchernen Thorax sind die häufigsten Verletzungen bei Patienten mit stumpfem Thoraxtrauma [11, 12]. Diese können Läsionen innerer Organe durch Quetschung oder Aufspießen mit scharfkantigen Knochenfragmenten nach sich ziehen. Man kann davon ausgehen, dass die Anzahl der gebrochenen Rippen mit dem Entstehen eines Hämato- oder Pneumothorax signifikant korreliert, wobei 81% der Patienten an einer dieser beiden Störungen leiden, wenn 2 oder mehr Rippen gebrochen sind [13]. Nachhaltig wird die Morbidität des stumpfen Traumas durch eine begleitende Lungenkontusion geprägt [14]. Diese stellt ein hohes Risiko für ein Lungenversagen dar [15]. Mit einem Auftreten von ARDS („acute respiratory syndrome“) ist bei bis zu 20% der betroffenen Patienten zu rechnen [16]. Die 12 typischen Thoraxverletzungen, die unerkannt und daher nicht therapiert zum Tod führen, werden als das tödliche Dutzend („deadly dozen“) bezeichnet (. Tab. 1; [17]). Die akut lebensbedrohlichen Verletzungen werden dabei als „lethal six“ zusammengefasst. Die typischen Thoraxverletzungen, die leicht übersehen werden, nennt man „hidden six“. Ungefähr 95% aller stumpfen Thoraxtraumata können ohne operative Therapie

behandelt werden [2]. Allerdings ist in 10– 15% der Fälle das Einlegen einer Thoraxdrainage oder – erheblich seltener – eine Perikardpunktion oder eine Thorakotomie erforderlich [18]. Die konservative Versorgung der Verletzung besteht in der Sicherstellung der Oxygenierung, der Beherrschung von Schmerzzuständen und der Behandlung von Folgeerkrankungen.

Bildgebende Verfahren zur Abklärung stumpfer Thoraxtraumen Lungenröntgen Das Lungenröntgen zur Abklärung von Thoraxtraumapatienten ist ein Routineverfahren [19]. Es dient in der initialen Evaluierung polytraumatisierter Patienten Tab. 1  Zwölf typische Thoraxverletzun-

gena Akut lebensbedrohlichen Verletzungen Akute Atemwegsobstruktion Spannungspneumothorax Herzbeuteltamponade Offener Pneumothorax Massiver Hämatothorax Instabiler Thorax Leicht zu übersehene Thoraxverletzungen Gedeckte Aortenruptur Lungenkontusion Contusio cordis Tracheobronchiale Verletzungen Zwerchfellruptur Ösophagusruptur aUnerkannt und daher nicht therapiert führen

diese Verletzungen zum Tod.

Tab. 2  Häufige Begleitverletzungen bei Verletzungen des knöchernen Thorax. (Mod. nach

[24]) Ort der Fraktur Rippen Erste 3 Rippen Unterste 4 Rippen Klavikula Skapula

Häufige Begleitverletzung Lungenkontusion, Lungenlazeration Plexus brachialis, V. und A. subclavia Intraabdominelle Verletzungen Mediastinale Gefäße, Verletzung der Trachea oder des Ösophagus Hämopneumothorax, Lunge, Wirbelsäule, Klavikula, Plexus brachialis

zur Diagnose eines ausgeprägten Pleuraergusses, eines Pneumothorax, einer Verbreiterung des Mediastinums oder muskuloskelettaler Verletzungen [19]. Weiter wird es zur Überprüfung der korrekten Lage eingebrachter zentralvenöser Zugänge oder Trachealtuben herangezogen [19]. Da Lungenröntgen bei schwerverletzten Patienten meist nur im Liegen durchgeführt wird, hat es in vielen Fällen nur eine eingeschränkte diagnostische Aussagekraft. Kea et al. [20] haben in ihrer Studie nachgewiesen, dass selbst im Falle eines völlig unauffälligen Lungenröntgens bei bis zu 18% der Patienten durch eine CT posttraumatische Veränderungen wie ein Pneumothorax, eine Lungenkontusion oder Frakturen detektiert werden können. Die meisten der dabei detektierten Veränderungen hatten eine geringe klinische Signifikanz, bei immerhin 2% der Patienten wurden klinisch schwerwiegende Veränderungen diagnostiziert [20]. Aus diesem Grund sollte nach einem schweren stumpfen Thoraxtrauma – v. a. bei klinisch auffälligen Patienten – die weiterführende Abklärung von Patienten durch eine CT erfolgen [19, 21].

Ultraschall In den letzten Jahrzehnten hat der perkutane Ultraschall zusehends an Bedeutung bei der Abklärung des stumpfen Thoraxtraumas gewonnen. Gerade zur initialen Abklärung polytraumatisierter Patienten im Rahmen einer fokussierten Ultraschalluntersuchung (eFAST, Extended Focused Assessment with Sonography for Trauma) hat sich der Ultraschall zur Detektion eines Pneumothorax, Hämatoperikards oder Hämatothorax etabliert [19, 21]. Daneben wird er aber auch vermehrt zur Diagnose von Rippenfrakturen selbst oder deren Begleitverletzungen eingesetzt [22, 23]. Die Vorteile des Ultraschalls sind

v. a. seine bettseitige Verfügbarkeit und seine fehlende Strahlenbelastung, als Nachteil wird hauptsächlich die beträchtliche Untersucherabhängigkeit genannt.

Computertomographie CT-Untersuchungen bei Patienten mit einem stumpfen Thoraxtrauma sollten nach Möglichkeit unter i.v.-Applikation intravenöser Kontrastmittel durchgeführt werden [19, 21]. Bezüglich empfohlener Untersuchungsprotokolle und Reformationen sei auf einen getrennten Artikel in dieser Ausgabe des Radiologen verwiesen. Während die Thorax-CT als Goldstandard für die Evaluierung von Patienten nach einem schweren stumpfen Thoraxtrauma betrachtet wird, ist der Einsatz bei Patienten mit einem leichten Thoraxtrauma auf Grund der Kosten und der Strahlenbelastung der Untersuchung umstritten [19].

Thoraxwand Weichteile Weichteilhämatome entstehen meist durch eine Verletzung von Arterien oder Venen der Thoraxwand durch begleitende Frakturen [24]. Patienten mit Gerinnungsstörungen oder antikoagulierte Patienten können auch bei Bagatelltraumen ausgedehnte Hämatome erleiden.

Knochen Die Diagnose von Knochenfrakturen ist neben der therapeutischen Relevanz v. a. wichtig, da bestimmte Frakturen auf klinisch noch wichtigere Begleitverletzungen hinweisen können (. Tab. 2).

Rippenfrakturen

Rippenfrakturen finden sich bei 50% der Patienten nach einem stumpfen Thoraxtrauma und sind damit die häufigste Verletzung des Thorax [24]. Obwohl einzelne unverschobene Rippenfrakturen kaum von therapeutischer Relevanz sind, können sie doch bei 22–59% der Patienten zu chronischen Schmerzen führen [25, 26]. Therapeutisch relevant werden Rippenfrakturen durch Begleitverletzungen wie Pneumothorax, Hämatothorax oder Verletzungen parenchymatöser Oberbauchorgane. Bei einer Verletzung von 3 oder mehr benachbarten Rippen an jeweils 2 oder mehr Stellen kann es während der Atmung zu einem Auftreten paradoxer Thoraxbewegungen kommen (. Abb. 1). Dieses Zustandsbild wird als „instabiler Thorax“ bezeichnet und erfordert in aller Regel eine chirurgische Therapie. Das Thoraxröntgen ist mit einer Sensitivität von etwa 24% bei der Diagnose von Rippenfrakturen dem Ultraschall unterlegen, das in dieser Fragestellung eine Sensitivität von etwa 80% aufweist (. Abb. 2; [22, 27]). Da einzelne Rippenfrakturen abgesehen von einer Schmerztherapie meist keiner weiteren Therapie bedürfen, konzentriert sich die Abklärung von Rippenfrakturen auf den Ausschluss von Begleitverletzungen. Bei klinisch stabilen Patienten können daher durch eine Ultraschalluntersuchung Rippenfrakturen und deren Begleitverletzungen in einer Untersuchung abgeklärt werden.

Sternumfrakturen

Frakturen des Sternums entstehen meist durch eine Dezeleration im Rahmen von Verkehrsunfällen oder durch einen direkten Schlag auf das Sternum: Sie können entweder isoliert oder im Rahmen eines Polytraumas auftreten. Während isolierte Sternumfrakturen häufig harmlos sind [28], können bei Polytraumapatienten Sternumfrakturen auf eine Herzkontusion hinweisen [24]. Frakturen des Sternums lassen sich am sichersten durch eine CT mit sagittalen und koronaren Reformationen diagnostizieren [29].

Skapulafrakturen

Frakturen der Skapula sind relativ selten, da für ihre Entstehung eine ziemlich große direkte Krafteinwirkung notwendig ist Der Radiologe 9 · 2014 

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Zusammenfassung · Abstract [30]. Aus diesem Grund finden sie sich häufig assoziiert mit einem Pneumo- oder Hämatothorax, Verletzungen der Lunge, Wirbelsäule oder des ZNS [31].

Radiologe 2014 · 54:886–892  DOI 10.1007/s00117-013-2637-8 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Pleuraraum

Zusammenfassung Klinisches Problem.  Stumpfe Thoraxtraumen gehen mit einer hohen Morbidität und Mortalität einher. Daher sollten Patienten mit Verdacht auf ein stumpfes Thoraxtrauma rasch radiologisch untersucht werden, damit die entsprechenden therapeutischen Schritte zeitgerecht eingeleitet werden können. Therapeutische Standardverfahren.  Zur Abklärung von Patienten nach einem stumpfen Thoraxtrauma sind seit Jahren das konventionelle Lungenröntgen und die Computertomographie bewährte Verfahren. Methodische Innovationen.  In den letzten Jahren hat die fokussierte Ultraschalluntersuchung (eFAST, Extended Focused Assessment with Sonography for Trauma) von schwerverletzten Patienten vermehrt an Bedeutung gewonnen.

Pneumothorax Pneumothoraces sind mit einer Prävalenz von bis zu 40% ein häufiger Zustand bei Patienten mit einem stumpfen Thoraxtrauma [30]. Die Pneumothoraces sind meist Folge einer Ruptur von Alveolen durch einen raschen Druckanstieg, der während einer Dezeleration oder Quetschung auftreten kann. Seltener kann ein Pneumothorax auch aus einer Penetration der Lunge durch eine Rippenfraktur oder eine Verletzung des Tracheobronchialsystems resultieren. Während ein kleiner okkulter Pneumothorax häufig keiner Therapie bedarf, muss ein lebensbedrohlicher Spannungspneumothorax rasch entlastet werden. Traditionell ist das erste bildgebende Verfahren zur Diagnose eines Pneumothorax das Lungenröntgen, welches bei traumatisierten Patienten meist nur im Liegen durchgeführt werden kann. Zeichen eines Pneumothorax sind hier der direkten Nachweis einer Pleuralinie, eine erhöhte Transparenz der betroffenen Lunge, ein „deep sulcus sign“ oder eine scharfe Demarkierung mediastinaler Strukturen. Da die Sensitivität der Röntgenbettaufnahmen lediglich bei etwa 50% liegt, hat sich in vielen Zentren der perkutane Ultraschall zur Diagnose eines Pneumothorax im Rahmen einer eFAST-Untersuchung etabliert. In geübten Händen kann durch eine fokussierte Ultraschalluntersuchung ein Pneumothorax mit einer Sensitivität von 90,9% und einer Spezifität von 98,2% diagnostiziert werden [32]. Goldstandard für die Diagnose des Pneumothorax ist die CT, mit deren Hilfe selbst minimalste Pneumothoraces sicher diagnostiziert werden können.

Hämatothorax Als Hämatothorax wird eine Blutansammlung im Pleuraraum bezeichnet, welche die Folge einer Verletzung eines Interkostalgefäßes, des Lungenparenchyms, des

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Bildgebung des stumpfen Thoraxtraumas Empfehlung für die Praxis.  Durch eine eFAST-Untersuchung kann in der Akutphase rasch geklärt werden, ob bei dem Patienten ein therapiebedürftiger Pneumothorax, Hämatoperikard oder Hämatothorax vorliegen. Auch das Lungenröntgen wird zur Diagnose eines Pneumothorax oder Hämatothorax eingesetzt, wenngleich seine Sensitivität deutlich eingeschränkt ist. Die CT ist das diagnostische Verfahren der Wahl, um v. a. Patienten mit einem schweren Thoraxtrauma abzuklären. Schlüsselwörter Lungenröntgen · Computertomographie · Fokussierte Ultraschalluntersuchung · Mortalität · Morbidität

Imaging of blunt chest trauma Abstract Clinical/methodological issue.  Blunt chest trauma is associated with high morbidity and mortality. Consequently, all patients should be evaluated radiologically after blunt chest trauma to allow timely and appropriate treatment. Standard radiological methods.  Conventional chest radiographs and computed tomography (CT) are proven modalities with which to evaluate patients after blunt chest trauma. Methodological innovations.  Over the last several years extended focused assessment with sonography for trauma (eFAST) has gained increasing importance for the initial assessment of seriously injured patients.

Herzens oder eines großen mediastinalen Gefäßes sein kann. Vor allem eine Verletzung von Arterien kann rasch zu einem ausgedehnten Hämatothorax führen, der zum einen durch den großen Blutverlust und zum anderen auch durch den erhöhten intrathorakalen Druck lebensbedrohlich werden kann. Aus diesem Grund ist eine rasche Diagnose eines Hämatothorax unerlässlich. Dazu sind sowohl die Röntgenbettaufnahme als auch der Ultraschall geeignet. Bei einem ausgedehnten Hämatothorax sollte eine kontrastmittelver-

Practical recommendations.  In the acute phase of severely injured patients eFAST examinations are helpful to exclude pneumothorax, hemothorax and hemopericardium. Chest radiographs may also be used to diagnose a pneumothorax or hemothorax; however, the sensitivity is limited and CT is the diagnostic modality of choice to evaluate severely injured patients. Keywords Chest X-ray · Computed tomography · Focused ultrasound · Mortality · Morbidity

stärkte CT durchgeführt werden, um die Blutungsquelle zu lokalisieren.

Lunge Kontusion Lungenkontusionen sind mit einer Prävalenz von 17–29% die häufigsten intrathorakalen Verletzungen nach einem stumpfen Thoraxtrauma [33]. Eine isolierte Lungenkontusion hat eine Mortalität von etwa 25%, die sich auf etwa 50% erhöht, wenn sie zu einem ARDS führt [33]. Patholo-

Abb. 2 9 Rippenfraktur im hochauflösenden Ultraschall. Die Rippenfraktur kommt als Stufenbildung der Kortikalis mit einem kleinen Begleithämatom (*) zur Darstellung (Pfeil)

Lazeration Abb. 1 8 3-D-Darstellung eines knöchernen Thorax nach stumpfem Trauma. Rippenserienfrakturen links (Pfeile), wobei in diesem Fallbeispiel zumindest 4 Rippen an 2 Stellen gebrochen sind. Während der Atmung führt dies zu einem Auftreten paradoxer Thoraxbewegungen (instabiler Thorax)

gisch entspricht eine Lungenkontusion einer Verletzung der Alveolen der Lunge, welche zu Einblutungen im Lungenparenchym führt, aber ohne signifikante Einrisse der Alveolen einhergeht [30]. Lungenkontusionen finden sich in aller Regel in der Region der Krafteinwirkung, manchmal auch an der gegenüberliegenden Seite der Lunge (Contrecoup [30]). Im Lungenröntgen führen Lungenkontusionen zu milchglasartigen Verschattungen oder unscharf begrenzten Konsolidierungen mit oder ohne Aerobronchogramm, die häufig erst 12–24 h nach dem Trauma abgrenzbar werden [33]. Jede Verschattung im Lungenröntgen, die später als 24 h nach dem Trauma auftritt, sollte den Verdacht auf ein Lungenödem, eine Aspiration, eine Pneumonie oder eine Fettembolie lenken [24]. In der CT können Lungenkontusionen viel früher als im Lungenröntgen und mit einer deutlich höheren Genauigkeit diagnostiziert werden. Lungenkontusionen stellen sich in der CT als nichtsegmentale Milchglasverdichtungen oder Konsolidierungen dar, die sich nicht an Lappengranzen halten und manchmal eine Aussparung des unmittelbaren Subpleuralraums zeigen (. Abb. 3; [24]). Meist bilden sich die Veränderungen innerhalb von 3 bis 14 Tagen zurück [24].

Lungenverletzungen, bei denen es zu einem Einriss des Lungenparenchyms kommt, werden als Lungenlazerationen bezeichnet. Sie entstehen durch Scherkräfte, welche durch direkte Krafteinwirkung, Kompression oder Dezeleration hervorgerufen werden [24]. Auf Grund der Eigenelastizität der Lunge führen die an und für sich linearen Lazerationen zu rundlichen oder ovalen Substanzdefekten, die sich mit Blut (Hämatozele) oder Luft (Pneumozele) füllen können. In der CT sind Lungenlazerationen daher als luftoder blutgefüllte Hohlräume zu erkennen, die auf Grund periläsionaler Einblutungen von umgebenden Konsolidierungen oder Milchglasverdichtungen begleitet werden (. Abb. 4).

Verletzungen der Atemwege Verletzungen der Atemwege sind in der klinischen Routine sehr selten, da sie meistens bei schwer verletzten Patienten vorzufinden sind, die das Krankenhaus in der Regel nicht lebend erreichen [30]. Radiologisch findet sich bei einer Verletzung des Tracheobronchialsystems ein Mediastinalemphysem, in sehr seltenen Fällen sogar ein vollständiger Abriss eines Bronchus. Ein Mediastinalemphysem bei Patienten mit einem schweren stumpfen Thoraxtrauma sollte daher stets den Verdacht auf eine Atemwegsverletzung lenken. Viel häufiger ist bei diesen Patienten ein Mediastinalemphysem durch eine Fortleitung von Luft entlang der Atemwege nach Ruptur von Alveolen (der sogenannte Macklin-Effekt) oder durch einen

Einriss der Hinterwand der Trachea im Rahmen der Intubation zu erklären.

Zwerchfell Stumpfe thoroabdominelle Traumen führen bei bis zu 10% der Patienten zu einer Ruptur des Zwerchfells [34]. Durch eine rasche Erhöhung des intrathorakalen oder -abdominellen Drucks kommt es zu einer Kraftausübung am Diaphragma, welches meist an seiner schwächsten Stelle, dem posterolateralen Anteil, einreißt. Dabei reißt durch den Schutz der Leber das rechte Diaphragma in der Regel seltener ein als das linke [30]. Klinisch relevant werden Zwerchfellrupturen v. a. dann, wenn Viszera durch die Zwerchfelllücke in den Thoraxraum hernieren und es zu einer Inkarzeration, Strangulation oder Perforation kommt [30]. Neben den größeren Zwerchfellrupturen, die radiologisch meist leicht zu diagnostizieren sind, sind auch kleiner Läsionen bedeutsam, da sie über die Zeit immer größer werden und im Intervall zu einer Herniation von Bauchorganen in den Thorax führen können [34]. Bei akut verletzten Patienten ist die CT das Verfahren der Wahl, um Zwerchfellrupturen zu diagnostizieren. CT-Zeichen einer Zwerchfellruptur sind v. a. eine nachweisbare Diskontinuität des Zwerchfells, die Herniation von Viszera intrathorakal mit Kontakt der Viszera zur dorsalen Thoraxwand („dependent viscera sign“) und das Sanduhrzeichen, die Einengung der hernierten Viszera im Bereich der Zwerchfelllücke (. Abb. 5; [30]).

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Leitthema: Polytrauma

Abb. 3 8 Lungenkontusion. a Lungenbettaufnahme eines 26 Jahre alten Patienten nach einem Motorradunfall. Im Lungenröntgen lassen sich lediglich eine Fraktur der 8. Rippe rechts im lateralen Bogenanteil sowie Rippenserienfrakturen dorsal rechts abgrenzen. b In der CT lässt sich zudem eine ausgedehnte Lungenkontusion abgrenzen (Pfeil), die sich im Lungenröntgen nur sehr schwer diagnostizieren lässt

Abb. 4 8 CT einer ausgeprägten Lungenlazeration links mit Pneumatozelen in den ventralen Lungenanteilen und Konsolidierungen in den dorsalen Anteilen und Konsolidierungen in den dorsalen Anteilen

Abb. 5 8 „Dependent viscera sign“ als Zeichen einer Zwerchfellruptur. Der durch die Zwerchfelllücke hernierte Magen berührt die dorsale Thoraxwand

Mediastinum Herz

Abb. 6 9 Mediastinalverbreiterung im Lungenröntgen bei einem Patienten nach einer traumatischen Aortenruptur

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Verletzungen des Herzens im Rahmen eines stumpfen Thoraxtraumas sind durch eine hohe Letalität gekennzeichnet [35]. Das Spektrum der möglichen Verletzungen reicht dabei von einer fokalen Kontusion bis hin zur Herzruptur [24]. In der CT werden ein hämorrhagischer Perikarderguss oder ein Pneumoperikard als Hinweis auf eine Herzverletzung gewertet, eine direkte Diagnose durch eine CT ist jedoch meist nicht möglich [35]. Die Diagnose wird daher weitgehend indirekt über eine Auslenkung von Herzenzymen oder pathologische EKG-Veränderungen gestellt.

Abb. 7 9 Traumatisches Pseudoaneurysma der Aorta. a Die axiale Kontrastmittel-CT zeigt einen Intimaflap (Pfeil) sowie ein ausgeprägtes periaortales Hämatom. b In der sagittalen Reformation der Kontrastmittel-CT kommt das Pseudoaneurysma an der unteren Kurvatur des Aortenbogens zur Darstellung

Aorta Verletzungen der Aorta werden bei etwa 34% aller tödlichen und bei bis zu 2% aller nichttödlichen Verkehrsunfälle diagnostiziert [36]. Etwa 80% der Patienten mit einer Verletzung der Aorta versterben bereits am Unfallort [36]. Die möglichen Verletzungsmuster reichen dabei von minimalen Verletzungen wie Intimaeinrissen (Grad I) oder intramuralen Hämatomen (Grad II) bis hin zur Ausbildung von Pseudoaneurysmen (Grad III) und einer Aortenruptur (Grad IV [37]). Im Lungenröntgen wird bei Patienten nach einem schweren Polytrauma eine Verbreiterung des oberen Mediastinums auf über 8 cm auf Höhe des Aortenbogens (. Abb. 6) als Hinweis auf eine Verletzung der Aorta gewertet [38]. Da eine Verbreiterung des Mediastinums ein sehr unspezifisches Zeichen ist, findet sich eine Verletzung der Aorta bei den wenigsten Patienten (

[Imaging of blunt chest trauma].

Blunt chest trauma is associated with high morbidity and mortality. Consequently, all patients should be evaluated radiologically after blunt chest tr...
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