Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2015) 109, 51—53

Online verfügbar unter www.sciencedirect.com

ScienceDirect journal homepage: http://www.elsevier.com/locate/zefq

DAVID-SACKETT-PREISE 2014

Verbesserte Herde zur Minderung von kardiovaskulären und Atemwegserkrankungen in Entwicklungsländern — welche Faktoren ermöglichen oder verhindern ihre Implementierung? Eva A. Rehfuess 1,∗, Elisa Puzzolo 2, Debbi Stanistreet 2, Daniel Pope 2, Nigel G. Bruce 2 1 2

Institute for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology, University of Munich, Munich, Deutschland Department of Public Health and Policy, University of Liverpool, Liverpool, United Kingdom

Hintergrund Weltweit kochen 2,8 Milliarden Menschen mit soliden Brennstoffen [1]; diese Zahl ist seit 1980 nahezu unverändert [2]. Bei der Verbrennung von Holz, Holzkohle, Dung, Stroh und Kohle auf offenen Feuerstellen oder einfachen Herden entsteht eine komplexe Mischung aus Feinpartikeln, Kohlenmonoxid, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und vielen anderen Schadstoffen. Diese Household Air Pollution war im Jahr 2010 für etwa 3,9 Millionen Todesfälle durch Lungenkrebs, obstruktive

Lungenkrankheit, Katarakte, kardiovaskuläre Erkrankungen und Lungenentzündungen verantwortlich [3] und ist damit der viertwichtigste Risikofaktor für Gesundheit weltweit [4]. Verbesserte Herde, die Holz und andere solide Brennstoffe effizienter und sauberer verbrennen, gelten als vielversprechende Intervention, die Evidenz bezüglich ihrer Wirksamkeit ist allerdings gemischt [5] und der Versuch einer großflächigen Umsetzung in Entwicklungs- und Schwellenländern, insbesondere in Sub-Sahara Afrika und Südostasien, ist durch viele Herausforderungen gekennzeichnet.

Ziel der Arbeit ∗

Korrespondenzadresse: Dr. Eva A. Rehfuess, Institute for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology, University of Munich, Marchioninistrasse 15, 81377 Munich, Deutschland. Tel.: +49 (0)89 4400 77494; Fax: +49 (0)89 4400 77491. E-Mail: [email protected] (E.A. Rehfuess).

http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2015.01.007 1865-9217/

Ziel des hier zusammengefassten systematischen Reviews [6] war es, all die Faktoren, die eine großflächige Annahme und nachhaltige Nutzung verbesserter Herde in Entwicklungsund Schwellenländern positiv oder negativ beeinflussen, zu erfassen und zu beschreiben.

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E.A. Rehfuess et al.

Material und Methoden Dieser Mixed-Method systematische Review wurde vom UK Department for International Development finanziell gefördert und ist beim Evidence for Policy and Practice Information and Co-ordination Centre (EPPI-Centre) registriert; ein ausführliches Protokoll liegt vor [7]. Für die Strukturierung des systematischen Reviews wurde ein Framework entwickelt, das darstellt wie sieben Domänen — (1) Charakteristika von Brennstoffen und Herden, (2) Charakteristika der betroffenen Haushalte und Settings, (3) Wissen und Einstellungen, (4) Finanzen, Steuern und Subventionen, (5) Marktentwicklung, (6) regulativ-legislative Ansätze und Standards und (7) programmatische und politische Mechanismen — sich auf Annahme und nachhaltige Nutzung von Herden sowie Verteilungsgerechtigkeit auswirken. 27 Datenbanken unterschiedlicher relevanter Disziplinen und 14 ,,grey literature‘‘-Portale wurden mit einer umfassenden Suchstrategie durchsucht; darüber hinaus wurden Handsuchen der Literaturverzeichnisse aller eingeschlossenen Studien durchgeführt und Experten konsultiert. Qualitative Studien, quantitative Studien und Fallstudien (sofern diese sich mindestens auf eine empirische Quelle bezogen und die Datenerhebung und —analyse klar definierten Mindestkriterien entsprach) wurden berücksichtigt. Screening, Datenextraktion und Qualitätsbewertung der Studien wurden standardisiert und teilweise von zwei Autoren unabhängig durchgeführt bzw. von einem Autor durchgeführt und von zwei weiteren Autoren geprüft. Evidenzsynthese fand in zwei Schritten statt: Im ersten Schritt wurden die

Abbildung 1

Ergebnisse unterschiedlicher Studientypen separat analysiert — qualitative Studien mittels thematischer Synthese [8], quantitative Studien und Fallstudien mittels Tabellen und Text. Im zweiten Schritt wurden die Ergebnisse aus allen drei Studientypen als Faktoren unter den sieben a priori definierten Framework-Domänen zusammengeführt.

Ergebnisse Von ursprünglich 9377 identifizierten Studien wurden 57 eingeschlossen, davon 16 quantitative Studien, 14 qualitative Studien und 27 Fallstudien. Alle von Household Air Pollution besonders betroffenen Weltregionen — Asien, Afrika und Lateinamerika — waren vertreten, viele relevante Studien wurden insbesondere in Bangladesch (9), Indien (17), Kenia (5) und Mexiko (6) durchgeführt. Alle sieben FrameworkDomänen spielen für die Annahme und nachhaltige Nutzung verbesserter Herde eine Rolle, und diese zeigen ihre Wirkung auf Ebene der Technologie (Domäne 1), der Haushalte oder Gemeinden (Domänen 2 und 3) und des Programmes und der Gesellschaft (Domänen 4-7). Insgesamt waren 31 individuelle und interagierende Faktoren von Bedeutung (Abb. 1). Diese wirken meist im Rahmen eines Spektrums: Wenn anwesend oder angemessen ausgeprägt, fördern sie Annahme und/oder nachhaltige Nutzung verbesserter Herde, wenn abwesend oder unbefriedigend vertreten, schränken sie diese ein. Auch wenn manche Faktoren sich als essentiell entpuppten (z.B. müssen Technologien tatsächlich den Bedürfnissen ihrer Nutzer gerecht werden), so ergibt sich

31 Faktoren beeinflussen Annahme und nachhaltige Nutzung von verbesserten Herden.

Verbesserte Herde zur Minderung von kardiovaskulären und Atemwegserkrankungen in Entwicklungsländern nur aus dem Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren der Erfolg oder Misserfolg eines Programmes zur großflächigen Verbreitung verbesserter Herde. Die detaillierte Ausprägung von Faktoren ist oft kontextspezifisch, z.B. spielt das Einsparen von Brennstoffen durch den Einsatz einer neuen Herdtechnologie in holzarmen Regionen eine große, in holzreichen Regionen dagegen eine untergeordnete Rolle. Aufgrund der heterogenen Natur und Zusammensetzung der Evidenz war eine globale Priorisierung der 31 Faktoren für Herdprogramme nicht möglich.

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[4]

Diskussion Der hier zusammengefasste systematische Review widmete sich gezielt der Schließung einer wichtigen Evidenzlücke im Kampf gegen Household Air Pollution, einer der großen globalen Public Health Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Er zeigte, dass Design und Umsetzung von Herdprogrammen neben der Wirksamkeit der zu verbreitenden Technologie interagierende Faktoren auf lokaler, Programm- und nationaler Ebene berücksichtigen müssen. Diese Erkenntnisse fließen als eigenständiges Kapitel und als Teil der Empfehlungen in das aktuelle WHO Leitlinienprojekt ,,WHO Indoor Air Quality Guidelines for Household Fuel Combustion‘‘ [9] ein. Ein wichtiger nächster Schritt wäre die Entwicklung eines Planungstools, das systematisch alle potenziell relevanten Faktoren für die Planung, Implementierung und prospektive Mixed Method-Evaluation spezifischer Herdtechnologien in konkreten Settings ermöglicht.

Literatur [1] Bonjour S, Adair-Rohani H, Wolf J, Bruce N, Mehta S, PrüssUstün A, et al. Solid fuel use for household cooking: country

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[6]

[7]

[8]

[9]

53

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[Improved stoves for reducing cardiovascular and respiratory tract diseases in developing countries - which factors enable or prevent implementation?].

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