Deutsche Medizinische Wochenschrift
Sewing u. a.: Cimetidin beim Ulcus ventriculi
Dtsch. med. Wschr. 103 (1978), 152-154 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart
Cimetidin in der stationären Behandlung des peptischen Ulkus II. Doppelblindstudie bei Ulcus ventriculi* K.-F. Sewing, H. Maichow, M. Albinus, B. Horn, H. Schomerus und W. Dölle Medizinische Klinik, Abteilung I (Direktor: Prof. Dr. W. Doue), und Pharmakologisches Institut (Direktor: Prof. Dr. M. Siess) der Universität Tübingen
An 39 stationären Patienten mit Ulcus ventriculi wurde in einer kontrollierten Doppelblindstudie der Einfluß von Cimetidin auf die Ulkusheilung, den Ulkusschmerz und die pentagastrin-stimulierte Säure- und Pepsinsekretion untersucht. Die unter Cime tidin beobachtete Verkürzung der Heilungszeit war statistisch nicht signifikant. Der Ulkusschmerz wurde durch Cimetidin nicht beeinflußt. Eine Langzeitwirkung von Cimetidin auf die Säure- und Pepsinsekretion wurde nicht beobachtet. Wesentliche unerwünschte Wirkungen wurden nicht festgestellt. Der Einfluß von Cimetidin auf die Heilung des Ulcus ventriculi ist noch ungeklärt (2, 5). Daher wurde in einer Doppelblindstudie an stationären Patienten die Wirkung von Cimetidin auf die endoskopisch kontrollierte Heilung des Ulcus ventriculi, auf den Schmerz und die basale und pentagastrinstimulierte Magensekretion untersucht.
Patienten und Methodik Patienten. Die Untersuchung wurde an Patienten durchgeführt, die wegen eines Ulcus ventriculi in die Klinik eingewiesen worden waren oder deren Ulkus im Laufe des Krankenhausaufenthaltes entdeckt worden war. Die Aufnahme in die Studie setzte eine Aufklärung und eine Einverständniserklärung voraus. Die Ausschlußkriterien waren die gleichen wie bei der Studie an Ulcus-duodeni-Patien*
Die Untersuchungen wurden mit freundlicher Unterstützung der Firma Smith Kline & French Ltd., Weiwyn Garden City, durchgeführt. 0012-0472/78 0127
- 0152
$ 03.00
© 1978 Georg Thieme
In-patient treatment of peptic ulcer with cimetidine. II. Controlled double-blind trial on gastric ulcer patients In a controlled double-blind clinical trial of 39 in-patients with gastric ulcer the effect of cimetidine on ulcer healing, ulcer
pain and pentagastrin-stimulated acid and pepsin secretion was measured. A faster healing rate in the cimetidine group was statistically not significant. Cimetidine had no effect on ulcer pain and pentagastrinstimulated acid and pepsin secretion. There were no serious untoward reactions.
ten (4). Zusätzlich waren ein malignes und ein auf Malignität verdächtiges Ulkus ein Ausschlußgrund. Der stationäre Aufenthalt betrug im allgemeinen 28 Tage, in Ausnahmefällen weniger (auf jeden Fall bis zur Abheilung des Ulkus) oder mehr. Für den doppelblinden Vergleich von Cimetidin mit Placebo wurden die Patienten in randomisierter Reihenfolge der Cimetidin- oder Placebo-Gruppe zugeordnet. Statistische Analyse1: Die Prüfung auf Signifikanz erfolgte durch den x2-Test (Schmerz), den LogRanktest (Heilung) (6) und den nicht-gepaarten t-Test (Pentagastrintest). Medikamente und Dosis. Das Protokoll entsprach hinsichtlich der Dosierung von Cimetidin, der Begleitmedikation (Antacida) und den durchgeführten Untersuchungen der Ulcus-duodeni-Studie (4).
Ergebnisse Von den 40 in die Studie aufgenommenen Patienten konnte einer bei der statistischen Auswertung wegen eimit freundlicher Hilfe von Prof. Dr. K. Dietz, Direktor 'des Instituts für Biometrie, Tübingen
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I 5 2.
Nr. 4, 27. Januar 1978, 103. Jg.
Tab.
1.
153
Sewing u. a.: Cimetidin beim Ulcus ventriculi
Alter, Geschlecht und Verteilung der Patienten
Alter (Jahre) Durchschnitt Streubreite
Geschlecht
tienten ohne Unterschiede zwischen Tag unabhängig von der Behandlungsart.
O
und 17 und
¿
Cimetidin n = 20
53,5
20-79
15
5
Placebo n = 16
57,2
35-80
11
5
2S
-
20
-
I
15
-
E E
10
o
Digoxin, Spironolacton, Clonidin, Hydrochiorothiazid, Glibenclamid, Tolbutamid, Buformin, Carbimazol, CoTrimoxazol und Fe-Aspartat.
BAO
PAO
Placebo
BAO
BPO
PAO
Ci metid in
PPO
Placebo
P
BPO
Cmetidin
Abb. 1. Basale und pentagastriri-stimulierte Säure. und Pepsinsekretion vor (0 0) und am 17. Tag (S S) nach Beginn der Behandlung mit Cimetidin und Placebo. ± Werte:
Cimetidin
Placebo
statistische Analyse
n
n
P
7
2*
n. s.
10
5
n. s.
13
8
n. s.
werden.
17
10
n. s.
nicht geheilt
3
6
Gesamtzahl
20
16**
nach 2 Wochen nach 3 Wochen
nach 4 Wochen nach 6 Wochen
**
O
Bluthildendes System. Hämoglobin, Erythrozytenzahl, Hämatokrit und Leukozytenzahl sowie das Differentialblutbild und die Thrombozytenzahl blieben durch die Behandlung unbeeinflußt. Niedrige Thrombozytenwerte, jedoch ohne Tendenz, weiter abzufallen, wurden bei drei Patienten unter Placebo und bei zwei Patienten unter Cimetidin gezählt. Da die Werte bei späteren Kontrollen normal waren, kann ihnen keine Bedeutung beigemessen
Tab 2 Einfluß von Cimetidin auf die endoskopisch kontrollierte Heilung von Magenulzera. n. s. = nicht signifikant
*
5
Zu diesem Zeitpunkt betrug die Anzahl der noch in der PlaceboGruppe befindlichen Patienten 17. Drei Patienten konnten wegen Blutung, Ulkusperforation oder mangelnder Kooperation nicht bis Studienende beobachtet werden. Sie gehen jedoch in den statistischen Vergleich ein.
Ulkusheilung (Tabelle 2). Zwei Wochen nach Beginn der Therapie waren in der Cimetidingruppe sieben von 20 Ulzera abgeheilt, in der Placebogruppe zwei von 17. An allen Endoskopieterminen nach 2, 3, 4 und 6 Wochen war die Anzahl der geheilten Ulzera in der Cimetidingruppe größer als in der Placebogruppe, die Unterschiede waren jedoch statistisch nicht signifikant. Während in der Cimetidingruppe nach 6 Wochen nur drei Ulzera nicht abheilten, waren es in der Placebogruppe sechs. Die schweren Komplikationen: Perforation eines Ulkus und Blutung eines Magenulkus am vierten Tag, die jeweils zur Operation zwangen, wurden nur in der Placebogruppe beobachtet. Schmerzen (Tabelle 3). Die Zahl der Tage und Nächte mit Schmerzen waren sowohl in der Cimetidin- als auch in der Placebo-Gruppe gering. Die Schmerzen traten nur bei 10-20% der Patienten, ohne signifikanten Unterschied, auf. Säure- und Pepsinsekretion (Abbildung 1). Die basale und pentagastrinstimulierte Säure- und Pepsinsekretion lagen geringfügig unter denen der Ulcus-duodeni-Pa-
Tab. 3. Tage und Nächte mit Schmerzen in der ersten Woche Cimetidin Tage Nächte keine gering mäßig schwer sehr schwer
Placebo Tage Nächte
108
97
59
63
3
12
9
7
10
9
2
-
-
3
-
-
-
-
Nieren funktion. Bei zwei Patienten war die Kreatininkonzentration im Serum vorübergehend auf Werte von nicht über 141 imol/l (16 mg/l) erhöht, was sich bei einem Patienten durch einen Diabetes mellitus erklären ließ. In beiden Fällen mit erhöhter Serum-Kreatininkonzentration waren auch die Harnstoff- und Harnsäurekonzentrationen erhöht. Leberfunktion. Bei zwei Patienten der Cimetidingruppe war die Konzentration von Bilirubin im Serum erhöht: einmal bei einer Cholangitis und einmal in zeitlicher Koinzidenz mit einer kardialen Rechtsinsuffizienz; in beiden Fällen normalisierten sich die Werte ohne Absetzen der Cimetidintherapie. Weitere Laboratoriumswerte. Gesamteiweiß, Albumin-Globulin-Relation, Elektrolyte und Urinstatus wichen nicht von der Norm ab. Unerwünschte Wirkungen. Ein Patient klagte vorübergehend über Obstipation. Andere unerwünschte subjektive Wahrnehmungen wurden nicht angegeben.
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nes Magenkarzinoms nicht berücksichtigt werden. Verteilung, Durchschnittsalter und Geschlecht in den einzelnen Gruppen ergeben sich aus Tabelle 1. Von den 20 mit Cimetidin behandelten Patienten waren zwölf Raucher, in der Placebogruppe zehn. Wegen weiterer Krankheiten erhielten in beiden Gruppen jeweils sieben Patienten zusätzliche Medikamente: Isosorbiddinitrat, (3-Methyl-
Sewing a. a.: Cimetidin beim Ulcus yentriculi
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Tab. 4. Bisher publizierte Doppelblindstudien über den Einfluß von Cimetidin auf die Heilung von Magenuizera. n. s.
Autoren
Ciclitira et al.
Multicentre
Hunt et al.
Art der Studie
(2)
(5)
(3)
doppelblind
doppeiblind
offen
Dauer
4 Wochen
4 Wochen
6 Wochen
Diskussion Die Untersuchung hat gezeigt, daß in der Cimetidingruppe zwar nach 2 Wochen mehr Ulzera abgeheilt sind (sieben von 20) als in der Placebogruppe (zwei von 17), daß dieser Unterschied aber statistisch nicht signifikant ist. Die bisherigen Studien an ambulanten Patienten zeigen die gleichen Ergebnisse (2, 3, 5). Nur in der multizentrischen Studie konnte der Unterschied hinsichtlich der Heilung statistisch gesichert werden (Tabelle 4) (5). Bei zwei Studien handelt es sich um Zwischenergebnisse (1, 3). Der Vergleich der Heilungsraten nach 4 Wochen Behandlung mit Cimetidin ergibt keine wesentlichen Unterschiede zwischen den ambulanten und stationären Patienten: Ciclitira und Mitarbeiter 75% (2), Multicenter 69% (S), eigene Studie 65%. Cimetidin hatte auf den Ulkusschmerz keinen signifikanten Einfluß, was den Ergebnissen an ambulanten Patienten entspricht (5). Die geringere Sekretionsleistung des Magens bei Patienten mit Ulcera ventriculi entspricht den bekannten Daten (1). Daß eine Cimetidinbehandlung auch hier keine Langzeitwirkung auf die Säure- und Pepsinsekretion besitzt, spricht für einen nur konzentrationsabhängigen Hemmeffekt des Cimetidins, wie er auch bei der Ulcus-duodeni-Studie zum Ausdruck kam (4). Die obligate Antacidagabe ist wohl neben der Hospitalisation eine Ursache für die hohe Heilungsrate in der Placebogruppe sowie für den fehlenden Einfluß von Cimetidin auf den Ulkusschmerz. Die initiale Ulkusgröße beeinflußt die Heilungsgeschwindigkeit. In der untersuchten Population war die Ulkusgröße sehr unterschiedlich, was vermutlich auch
Substanzen
Gruppengröße n
Heilung
Statistik
n
Cimetidin Placebo
15
12
10
5
Cimetidin Placebo
26
18
27
10
12
10
12
4
Cimetidin Carbenoxolon
nicht signifikant
n. s.
P
< 0,02 n. s.
für die breite Streuung der Heilungszeit ausschlaggebend ist. Zukünftige Studien sollten daher unter Berücksichtigung der Ulkusgröße durchgeführt werden, um möglicherweise eindeutige Daten zu bekommen. Unerwünschte subjektive Symptome im Zusammenhang mit Cimetidin waren nur einmal in Form von Obstipation angegeben worden. Die spontane Normalisierung erhöhter Serum-Kreatininkonzentrationen bei fortdauernder Cimetidintherapie zeigt, daß dieser Veränderung keine ernste Bedeutung zuzumessen ist. Für die hervorragende technische Assistenz bei den Magensekretionsanalysen sei Frau H. Bayer, E. Faber und G. Frisch gedankt.
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Malchow, H., K.-P. Sewing, Albinus, B. Horn, H. Schomerus, W. Dölle: Cimetidin in der stationären Behandlung des peptischen Ulkus. I. Wirkung auf die Heilung des Ulcus duodeni. Dtsch. med. Wschr. 103 (1978), 149.
Multicentre Trial: Treatment of gastric ulcer by cimetidine. In: Burland, W. L., M. A. Simkina (Ed.): Cimetidine (Excerpts Medics: Amsterdam-Oxford (S)
1977), 283.
1977), 287.
Hunt, R. H., S. H. Vincent, G. J. Milton-Thompson, R. E. Pounder, R. Taylor, J. J. Misiewicz, P. L. Golding, D. G. Colin-Joncs: Cimetidine in the treatment of gastric ulcer. In: Burland, W. L., M. A. Simkins (Ed.):
(6)
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Peto, R., M. C. Pike, P. Armitage, E. Breslow, D. R. Cox, S. V. Howard, N. Mantel, K. McPherson, J. Peto, P. G. Smith: Design and analysis of randomized clinical trials requiring prolonged observation of each patient. H. Analysis and examples. Brit. J. Cancer 35 (1977), 1.
Prof. Dr. K.-F. Sewing, Dr. Margitta Albinus Pharmakologisches Institut der Universität 7400 Tübingen, Wilhelmstr. 56 Dozent Dr. H. Maichow, Brigitte Horn, Dr. H. Schomerus, Prof. Dr. W. Dölle Medizinische Universitätsklinik 7400 Tübingen, Otfried-Müller-Straße 10
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