DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT

Nr. 43 . Jahrgang 104

Stuttgart, 26. Oktober 1979

Interaktionen bei der Therapie mit Digitalisglykosiden handen, so daß ihre Bedeutung für die Therapie bei der Verordnung von Präparaten mit hoher Absorptionsquote fraglich ist. Vermindert ist die Bioverfügbarkeit von Digoxin bereits bei therapeutischen Dosen von Neomycin (3 g/d), Colestyramin und Tierkohie. Die Kunstharze Digitalisrezeptoren im Herzen abspielen. Colestyramin und Colestipol binden Digoxin und DigiIn der Tabelle 1 sind die Interaktionen aufgeführt, die toxin im Darm und können so mit Erfolg bei der frischen auch für die Digitalistherapie wichtig sind. Digitalisintoxikation zur Elimination von im Darm ver'bliebenen Digitalisresten eingesetzt werden. Beim DigiTab. 1. Pharmakokinetische und zelluläre Interaktionen toxin werden an diese Anionenaustauscher auch Metabolite aus dem enterohepatischen Kreislauf gebunden, A. Pharmakokinetische Interaktionen der für die langsame Elimination von Digitoxin erhebliche Bedeutung hat. Beim Digoxin kommt dem enteroÄnderung der Absorption bzw. des enterohepatischen

Interaktionen von Digoxin und Digitoxin mit anderen Pharmaka haben für die Glykosidtherapie zunehmende Bedeutung erlangt. Sie können durch Eingreifen in die Fharmakokinetik zustande kommen oder sich an den

hepatischen Kreislauf keine wichtige Rolle zu. Interaktionen in der Eiweißbindung sind lediglich beim

Kreislaufes

Digoxin: Propanthelin, Metoclopramid, Kohle, Neomycin, Colestyramin Digitoxin: Colestyramin, Kohle Verdrängung aus der Eiweißbindung Digitoxin: Phenylbutazon, Tolbutamid, Clofibrat Änderung des Metabolismus Digitoxin: Phenobarbital, Diphenyihydantoin, Phenylbutazon, Rifampicin, Spironolacton Änderung der Exkretion Digoxin: Chinidin, L-Dopa

stark eiweißgebundenen Digitoxin von Bedeutung. Die beim Tolbutamid und Clofibrat beschriebene Senkung der Eiweißbindung von Digitoxin wurde aber bisher nur gefunden, wenn die therapeutischen Konzentrationen um etwa das Zweifache überschritten waren. Bei Dialysepatienten wird unter Heparingabe eine Senkung der Eiweißbindung des Digitoxins beobachtet. Dabei soll die Freisetzung von freien Fettsäuren durch Heparin eine Rolle spielen. Diesen Befunden kann im Zusammenhang mit Rhythmusstörungen bei der Dialysebehandlung eine

B. Interaktionen an den Rezeptoren

Interaktion am Digitalisrezeptor (Diphenyihydantoin, Kalium) Interaktion im intrazellulären Stoffwechsel (13-Stimulatoren, -Rezeptorenblocker)

gewisse Bedeutung zukommen. Klinisch wichtig ist für das Digitoxin die metabolische Interaktion mit den als Enzyminduktoren der mischfunktionellen Oxidasen geltenden Substanzen Diphenyl-

Pharmakokinetische Interaktionen Änderungen der Absorptionsrate durch Pharmaka betreffen mehr das hydrophile Digoxin als das lipophile Digitoxin. Bei Digoxintabletten mit geringer Bioverfügbarkeit wurde unter dem Einfluß von Metoclopramid, das

die Darmmotorik antreibt, ein Absinken des Serum-

hydantoin, Rifampicin, Phenobarbital, Phenylbutazon und Spironolacton. Diese Pharmaka sind in der Lage, die Digitoxin-Serumspiegel vor allem durch Erhöhung der sogenannten kardioinaktiven, wasserlöslichen Metabolitenfraktion in subtherapeutische Bereiche zu senken, und machen eine Dosierungserhöhung notwendig. In solchen Fällen hat sich die Kontrolle der Serum-Digitoxinspiegel für die Dosierung bewährt.

Digoxinspiegels gefunden, während unter Propanthelin,

Neuerdings fanden sich für Digoxin während einer

die Darmmotorik vermindert, erhöhte Serum-

antiarrhythmischen Behandlung mit Chinidin Serumspie-

Digoxinspiegel gemessen wurden. Bei Tabletten mit hoher biologischer Verfügbarkeit oder alkoholischer Digoxinlösung sind diese Veränderungen jedoch nicht vor-

gel, die teilweise im toxischen Bereich lagen. Hierbei spielt eine verminderte renale Exkretion des Digoxins

das

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eine wesentliche Rolle.

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Dtsch. med. Wschr. 104 (1979), 1503-1504 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Interaktionen bei der Therapie mit Digitalisglykosiden

Interaktionen an den Glykosidrezeptoren Bei den glykosidinduzierten Herzrhythmusstörungen hat

das Diphenyihydantoin eine besondere Bedeutung erlangt; es wurde in vielen Fällen erfolgreich zur Beseitigung der Arrhythmien eingesetzt. Man darf mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß Diphenylhydantoin diese Wirkung durch Hemmung der Assoziation der Herzglykoside an den Digitalisrezeptor entfaltet.

Im Zusammenhang mit dieser Form von Interaktion sind die 3-Rezeptorenblocker oder die sogenannten Calciumantagonisten bzw. adrenergen Substanzen zu nennen. Sie führen intrazellulär entweder zu einer verminderten oder vermehrten Bereitstellung von Ca-Ionen und beeinflussen so die Kontraktilität und Wirkung von Digitalis. Da der Digitalisrezeptor und der adrenerge Rezeptor unterschiedliche Strukturen an der Zellmembran aufweisen, laufen die kontraktionsfördernden Effekte, soweit bisher bekannt ist, unabhängig voneinander ab und lassen sich nicht komplett antagonisieren. Ob die hier unter praktisch therapeutischen Gesichtspunkten aufgeführten Interaktionen zwischen Digitalisglykosiden und anderen Pharmaka in Zukunft noch er-

gänzungsbedürftig sind, bleibt abzuwarten. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, daß die Saluretika, sofern sie eine Erniedrigung des Kaliumspiegels hervorrufen, die Toleranzgrenze für Glykoside er-

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niedrigen, so daß schon bei therapeutischen oder subtherapeutischen Serumspiegeln Intoxikationen, vor allem

Arrhythmien, auftreten. Hierbei handelt es sich zwar nicht um eine direkte Interaktion zweier Pharmaka, aber um eine unter Umständen folgenschwere Sekundärwir-

kung der Saluretika, die mit vermehrter Kaliumausschwemrnung einhergeht. Infolge Kaliumverlustes der Herzmuskelzelle erfolgt eine vermehrte Bindung von Glykosiden an die vorher vom Kalium besetzten Glykosidrezeptoren (membranständige Mg-abhängige [Na'K]-stimulierbare ATPase). Die größte praktische Bedeutung dürfte der Interaktion

von Chinidin und Digoxin zukommen, die in der Vergangenheit nicht selten zu schweren Digitalisintoxikationen geführt hat. Über die pathophysiologischen Zusammenhänge wird in diesem Heft berichtet (Seite 1523). Ob eine solche Interaktion auch beim Digitoxin und Chinidin eintritt, ist eine noch offene Frage. Literatur Bodem, G., H. J. Dengler (Hrsg.): International Symposium on Cardiac Glycosides, Bonn 1977 (Springer:

BerlinHeidelbergNew York 1979). Greed, K., N. Rietbrock (Hrsg.): Digitoxin als Alternative in der Therapie der Herzinsufllzienz. Internationales

Prof. Dr. F. Grosse-Brockhoff 4000 Düsseldorf 1, Moorenstr. 5

Symposion, Frankfurt 1978 (Schattauer: Stuttgart 1979). (3) Grosse-Brockhoff, F., T. Hausamen: 200 Jahre Herztherapie mit Digitalis. Dtsch. med. Wschr. 100 (1975), 1980. (4) Storstein, O. (Ed.): Symposium on Digitalis. Oslo 1973 (Gyldendahl Norsk Forlag: Oslo 1973).

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[Interactions in digitalis glycoside therapy].

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