Kasuistik | Case report

Invagination nach Billroth-II-Operation vor 50 Jahren – eine ungewöhnliche Ursache für einen Ileus Intussusception after Billroth II operation fifty years ago – an unusual cause for ileus

Autoren

C. Scharwächter1 C.A. Schwartz1 P. Haage1

Institut

1 Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie, Helios Klinikum Wuppertal,

Klinikum der privaten Universität Witten/Herdecke

Chirurgie, Gastroenterologie Kasuistik | Case report

Schlüsselwörter Invagination Billroth II Ileus akutes Abdomen

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Keywords intussusception Billroth II ileus acute abdomen

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Zusammenfassung ▼ Anamnese: Eine 77-jährige Frau wurde mit plötzlich aufgetretenem, inzwischen jedoch wieder sistiertem Hämatinerbrechen, jedoch sonst ohne weitere Beschwerden vorstellig. Vor ca. 50 Jahren war eine Billroth-II-Operation bei Ulcus durchgeführt worden. Untersuchungen: Der körperliche Untersuchungsbefund war unauffällig. Alle Laborwerte inklusive Hämoglobin (HB) waren normwertig. Gastroskopisch zeigten sich Hämatinanteile im Magen sowie der zu- und abführenden Schlinge aufgelagert. Therapie und Verlauf: Da die Patientin beschwerdefrei war, wurde sie, unter Anraten weiterer HB-Kontrollen, ambulant weiter behandelt. Zwei Tage später stellte sie sich mit plötzlich aufgetretenen massiven Bauchschmerzen und ausgeprägtem Erbrechen erneut vor. Die klini-

Einleitung ▼ eingereicht 25.07.2013 akzeptiert 12.09.2013 Bibliografie DOI 10.1055/s-0033-1359883 Dtsch Med Wochenschr 0 2013; 1380 : 2592–2594 · © Georg 0 Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. med. Christian Scharwächter Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie, Helios Klinikum Wuppertal Heusnerstraße 40 42283 Wuppertal Tel. 0202/896-2105 eMail Christian.Scharwaechter @helios-kliniken.de

Eine Invagination ist im Erwachsenenalter ein sehr seltenes Ereignis, dem fast immer eine organische Ursache zugrunde liegt. Eine mögliche Ursache kann eine vorangegangene Operation am Magen sein. Auch dann handelt es sich um eine sehr seltene Komplikation, die nach Magenoperationen in 0,1 % der Fälle auftritt. Es lassen sich 4 Subtypen klassifizieren: Typ 1 ist eine Invagination der blind verschlossenen duodenojejunalen Schlinge (afferent loop); Typ 2 ist mit 75 % der Fälle der häufigste Typ, bei dem die deszendierende Jejunalschlinge (efferent loop) retrograd jejunogastrisch invaginiert; Typ 3 ist die Kombination der Typen 1 und 2 und Typ 4 ist eine Invagination durch eine Seit-zu-Seit-Jejunojejunostomie [3, 4].

sche Untersuchung ergab den Verdacht auf einen mechanischen Dünndarmileus. Die CT-Ansicht des Abdomens zeigte als Ursache des Ileus eine Invagination der abführenden Schlinge in die Braunsche Fußpunktanastomose. Eine Laparotomie wurde unmittelbar durchgeführt. Es erfolgte eine „en bloc“-Resektion der abführenden Dünndarmschlinge inklusive der Braun’schen Anastomose mit Reanastomosierung der neuen abführenden Schlinge. Folgerung: Eine Invagination ist eine typische Erkrankung im Kindesalter, nur 5 % treten im Erwachsenenalter auf. Magenoperationen kommen als Auslöser für Invaginationen in Frage. Auch aufgrund ihrer Seltenheit ist die Diagnose einer Invagination im Erwachsenenalter teilweise schwierig. Entscheidend ist, dass eine Invagination differenzialdiagnostisch überhaupt in Betracht gezogen wird.

Kasuistik ▼ Anamnese Eine 77-jährige Frau stellte sich in der Ambulanz mit plötzlich aufgetretenem, inzwischen jedoch wieder sistiertem Hämatinerbrechen ohne weitere Beschwerden vor. Anamnestisch sei vor etwa 50 Jahren eine Billroth-II-Operation bei Ulcus durchgeführt worden. Seitdem war die Patientin gesund und ohne klinische Beschwerden oder bekannte Erkrankungen.

Körperlicher Untersuchungsbefund Die körperliche Untersuchung erbrachte keine Auffälligkeiten. Normaler Allgemein- und Ernährungszustand, Größe: 162 cm, Gewicht: 61 kg, Blutdruck 135 /80 mmHg.

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Abb. 1 (A) zeigt die CT in koronarer Darstellung. Gut zu erkennen ist die deutlich ödematöse Jejunumschlinge, welche sich retrograd in die kontrastmittelgefüllte Fußpunktanastomose wölbt (geschlossener Pfeil). Dargestellt ist zudem die blind verschlossene duodenale Schlinge im rechten Oberbauch (offener Pfeil) und die aszendierende Jejunalschlinge (afferent loop) im linken Oberbauch (Pfeilspitzen). Die deszendierende Schlinge (efferent loop) ist großteilig verdeckt. (B) zeigt eine Ausschnittsvergrößerung in axialer Darstellung auf Höhe der Braunschen Fußpunktanastomose. Der Pfeil weist auf die invaginierte Jejunumschlinge, die Pfeilspitzen auf die kontrastmittelgefüllte Fußpunktanastomose.

Klinisch-chemische Untersuchungen Alle Laborwerte inklusive Hämoglobin (HB) waren normwertig.

Ergänzende Untersuchungen Bei klinischem Verdacht auf erneutes Magenulcus erfolgte eine Gastroskopie. Hier zeigten sich im Magen Hämatinanteile, ebenso wie der zu- und abführenden Schlinge aufgelagertes Hämatin. Darüber hinaus stellten sich Ösophagus, verbliebener Magen, Anastomose, sowie die zu- und abführende Schlinge regelrecht dar. Die Braun’sche Fußpunktanastomose war nicht darstellbar.

Therapie und Verlauf Da die Patientin beschwerdefrei war, wurde sie, auch auf eigenen Wunsch, ambulant betreut. Weitere HB Kontrollen wurden angeraten. Bei fallendem HB sollten weitere Maßnahmen ergriffen werden. Zwei Tage später stellte sich die Patientin mit plötzlich aufgetretenen massiven Bauchschmerzen und ausgeprägtem Erbrechen erneut vor. Die klinische Untersuchung ergab den Verdacht auf einen mechanischen Dünndarmileus. Zur Ursachenklärung erfolgte die Durchführung einer Abdomen-CT mit oraler und intravenöser Kontrastierung. Hier wurde als Ursache des Ileus eine Invagination der abführenden Schlinge in die Braunsche Fußpunktanastomose identifiziert (q Abb. 1). Das übrige Abdomen wies keine Auffälligkeiten auf. Unmittelbar nach Diagnosestellung erfolgte eine Laparotomie. Hier wurde zunächst versucht, eine Adhäsiolyse und Desinvagination durchzuführen. Aufgrund des bereits deutlich ischämisch geschädigten Darms erfolgte jedoch letztlich eine „en bloc“-Resektion der abführenden Dünndarmschlinge inklusive der Braunschen Anastomose mit Reanastomosierung der neuen abführenden Schlinge.

Diskussion ▼ Eine Invagination ist eine typische Erkrankung im Kindesalter, nur 5 % treten im Erwachsenenalter auf. Während im Kindesalter 90 % der Invaginationen idiopathisch auftreten, liegen bei Erwachsenen in 70–90 % der Fälle organische Ursachen zugrunde, davon wiederum sind 50 % maligne [5]. Invaginationen nach Magenoperationen wurden zuerst 1914 beschrieben [1]. Insgesamt treten sie in 0,1 % der Fälle auf, typischerweise wenige Tage nach der Operation [4]. Sie verursachen dann ein sogenanntes frühes postoperatives „efferent loop syndrome“ oder „afferent loop syndrome“, welches mit einem proximalen mechanischen Ileus einhergeht. Entsprechend bestehen die klinischen Symptome aus epigastrischen Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen, welche sich bei Nahrungsaufnahme verschlimmern. Invaginationen können jedoch auch chronisch auftreten, die Pathogenese ist hier nicht abschließend geklärt. Wahrscheinlich führt eine Operation zu einer mechanischen Veränderung, über welche antero- oder retrograde peristaltische Wellen möglicherweise mit zusätzlicher abdomineller Druckerhöhung zu einer Invagination führen [3]. Die klinischen Symptome entsprechen dann denen der akuten Form. Die Diagnose einer Invagination ist im Erwachsenenalter teilweise schwierig. Bei der Diagnosestellung wird klassisch von einer tastbaren wulstartigen Struktur gesprochen. Entscheidend ist jedoch, dass eine Invagination differenzialdiagnostisch überhaupt in Betracht gezogen wird. Im vorliegenden Fall war der Erstuntersucher mit einer extrem seltenen Erkrankung konfrontiert. Zudem präsentierte sich die Erkrankung anfangs nicht ganz klassisch und war aufgrund des großen zeitlichen Abstandes zur Operation besonders ungewöhnlich. Invaginationen nach derart langen Zeiträumen stellen Einzelfälle dar.

Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 2592–2594 · C. Scharwächter et al., Invagination nach Billroth …

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Möglicherweise war zum Zeitpunkt der ersten Vorstellung die invaginierte Schlinge noch spontan reponibel, erst bei zunehmender ödematöser Schwellung kam es zu einer Fixierung mit manifestem Ileus. Im Nachhinein betrachtet hätte man sich nicht mit der fehlenden Darstellung der Braunschen Fußpunktanastomose zufrieden geben dürfen, umso mehr, da es keine Erklärung für die Blutungsquelle gab. Offensichtlich hat man sich hier von der milden Klinik leiten lassen. Therapeutisch gelingt bei Kindern in fast allen Fällen eine meist ultraschallgestützte Desinvagination, bei Erwachsenen ist die Therapie heute nach wie vor meist eine chirurgische Sanierung. In einigen Fällen kann eine endoskopische Reponierung gelingen, diese geht allerdings neben der technischen Schwierigkeit mit einem höheren Rezidivrisiko einher [2]. Konsequenz für Klinik und Praxis 3Invaginationen im Erwachsenenalter sind sehr selten und treten dann meist infolge einer Operation auf. 3Vor allem wegen des großen zeitlichen Abstandes zur vorangegangenen Operation handelt es sich beim dargestellten Fall um einen Einzelfall – trotz ihrer Seltenheit sollte eine Invagination im Erwachsenenalter dennoch stets differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden.

Especially because of its exceptionality the diagnosis of intussusception in adulthood can be difficult. Crucial herein is to have intussusception in mind in the differential diagnostic pathway of a post gastric surgery ileus. Literatur 1 Bozzi E. Annotation. Bull Acad Med 1914; 122: 3–4 2 Guadagni S, Pistoia M, Catarci M et al. Retrograde jejunogastric intussusception: is endoscopic or surgical management more appropriate? SurgToday 1992; 22: 269–272 3 Hammond N, Miller FH, Dynes M. Intussuseption into the Enteroanastomosis After Billroth II Gastrectomie and Roux-en-Y Jejunostomy: Sonographic and CT Findings. AJR Am J Roentgenol 2001; 177: 624– 626 4 Kim KH, Jang MK, Kim HS et al. Intussuseption after gastric surgery. Endoscopy 2005; 37: 1237–1243 5 Kwak JM, Kim J, Suh SO. Anterograde jejunojejunal intussusception resulted in acute efferent loop syndrome after subtotal gastrektomy. World J Gastroenterol 2010; 16: 3472–3474

Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanzielle Verbindung mit einer Firma haben, deren Produkt in diesem Beitrag eine Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

Abstract

Intussusception after Billroth II operation fifty years ago – an unusual cause for ileus ▼ History: A 77-year-old woman presented with occasional vomiting of hematin but no further complaints. 50 years ago a partial gastrectomy after Billroth II had been performed due to a gastric ulcer. Investigations: The physical examination revealed no pathologic findings. All laboratory values, including hemoglobin (HB), were in normal range. The gastroscopic examination showed traces of hematin in the stomach and in the efferent and afferent loop. The Braun anastomosis could not be delineated. No other pathologic findings were noted. Treatment and course: At the request of the patient additional regular controls of hemoglobin were planned on an outpatient basis. In case of hemoglobin decrease, further treatment should be arranged. Two days after discharge the patient was presented with sudden massive abdominal pain and vomiting. Clinical examination confirmed the assumption of mechanical ileus. An emergency abdominal CT showed an intussusception of a small bowel loop into the Braun anastomosis as the ileus trigger. A laparotomy was carried out immediately after the CT. Because of severe ischemic damage of the intussuscepted loop, an “en bloc” resection of the loop including the Braun anastomosis including reanastomosis had to be carried out. Conclusion: Intussusception is primarily a childhood disease, occurring in adults only in about 5 % of cases. Postoperative intussusception is a rare complication after gastric surgery.

Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 2592–2594 · C. Scharwächter et al., Invagination nach Billroth …

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[Intussusception after Billroth II operation fifty years ago - an unusual cause for ileus].

A 77-year-old woman presented with occasional vomiting of hematin but no further complaints. 50 years ago a partial gastrectomy after Billroth II had ...
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