Referiert – kommentiert

Referat

S. Baldus

Thrombusaspiration beim ST-Hebungsinfarkt von Nutzen? Ref riert–kom entiert N Engl J Med 2013; 369: 1587–1597 Hintergrund: Eine der wichtigsten Herausforderungen einer perkutanen Koronarintervention (PCI) bei ST-Hebungsinfarkt (STEMI) ist die Wiederherstellung physiologischer Durchblutungsverhältnisse. Obwohl dafür eine vorherige koronare Thrombusaspiration plausibel erscheint, gab es diesbezüglich bisher keine eindeutigen Studienergebnisse. Dieser Thematik widmeten sich nun Fröbert et al. in der sogenannten TASTE-Studie (The Thrombus Aspiration in ST-Elevation Myocardial Infarction in Scandinavia). Methoden: 29 Zentren in Schweden und je eines in Dänemark und Island behan-

delten 7244 Patienten mit STEMI randomisiert entweder mit oder ohne manueller Thrombusaspiration vor der PCI. Primärer Endpunkt war die Mortalität 30 Tage nach dem Infarktereignis, sekundäre Endpunkte u.a. die Raten von Reinfarkten, Stentthrombosen und Apoplexen. Ergebnisse: Die Mortalität betrug im Studienarm mit Thrombusaspiration 2,8% (103 von 3621), verglichen mit 3,0% (110 von 3623) bei den Patienten ohne Thrombusaspiration (Hazard Ratio [HR] 0,94; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,72– 1,22; p=0,63). Die Hospitalisierungsrate aufgrund von Re-Infarkten lag bei 0,5% vs. 0,9% (HR 0,61; 95%-KI 0,34–1,07; p=0,09). Stentthrombosen traten bei 0,2%

vs. 0,5% der Patienten auf (HR 0,47; 95%KI 0,20–1,02; p=0,06). Diese Ergebnisse waren in allen Subgruppen gleich. Auch hinsichtlich neurologischer Komplikationen, insbesondere Apoplexen und notwendiger operativer Revaskularisation am Zielgefäß, fanden sich innerhalb von 30 Tagen keine signifikanten Unterschiede. Folgerung: Eine Thrombusaspiration im Rahmen einer PCI bei STEMI konnte in dieser großen randomisiert-kontrollierten Studie weder die 30 Tages-Mortalität noch andere klinische Endpunkte gegenüber dem üblichen Vorgehen verbessern, so die Autoren. Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau

Kommentar

Routinemäßige Thrombusaspiration nicht indiziert Den Autoren der TASTE-Studie ist zu dieser Studie zu gratulieren. Sie ist klar in ihrer primären Aussage, in ihrer Größe bisher einzigartig und darüber hinaus geschickt konzipiert: Unter Nutzung einer Prof. Dr. med. etablierten nationaStephan Baldus, Köln len Plattform, dem schwedischen Register zur Infarktversorgung, wurde – Untersucher-initiiert – mit einem randomisierten Studiendesign die Frage adressiert, inwieweit die adjuvante koronare Thrombusaspiration im Rahmen der primären Koronarintervention bei Patienten mit ST-Streckenhebungsinfarkt die Frühsterblichkeit senkt. Die Technik der kathetergestützten Thrombusaspiration erscheint zunächst einmal sehr attraktiv für den Behandelnden: Das Verfahren ist technisch einfach, schnell durchzuführen und der direkte Nachweis des aspirierten Materials legt den Schluss nahe, nicht nur die Mikrozirkulation vor weiterer Embolisation schützen zu können, sondern damit auch den Fluss im Infarktgefäß zu verbessern,

Dtsch Med Wochenschr 2013; 138, Nr. 50

einer der wesentlichen prognostischen Determinanten für die Prognose von Patienten mit ST-Streckenhebungsinfarkt. Das negative Ergebnis dieser Studie ist zunächst einmal enttäuschend: Immerhin war diese Technik mit viel Euphorie nach den initial so überzeugenden Studienergebnissen der TAPAS-Studie eingeführt worden und wird in den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie mit der Empfehlungsstärke IIa geführt. Dieses nicht zuletzt auch deshalb, weil TAPAS einen signifikanten Überlebensvorteil nach einem Jahr in der mit Aspiration behandelten Patientengruppe nachweisen konnte. Bedeutet TASTE damit das Ende für die koronare Thrombusaspiration bei Infarktpatienten? So weit kann man heute sicher nicht gehen: Immerhin ergaben sekundäre Analysen einen Trend zu verminderter Stentthrombose in der Patientengruppe mit Aspiration. Und auch die Rehospitalisierung aufgrund eines Re-Infarktes zeigte sich im Trend nach Thrombusaspiration vermindert. Ferner bleibt offen, ob bei zum Beispiel instabilen Patienten mit großem Infarktareal und hoher Thrombuslast diese Technik nicht doch Berechtigung hat: Denn es wird nicht berichtet, in welcher Prozentzahl der Pati-

enten die Technik erfolgreich eingesetzt und wieviel Thrombusmaterial aspiriert werden konnte. Aus der TAPAS-Studie wissen wir, dass dieses nur bei drei Viertel aller Patienten gelingt und die Menge und Zusammensetzung von Aspirat sehr heterogen ist. Ferner bleibt abzuwarten, wie sich die Sterblichkeit 12 Monate nach der Prozedur zwischen den Gruppen verhält. Bis dahin aber muss gelten, dass eine routinemäßige Nutzung der Thrombusaspiration bei Patienten mit ST-Streckenhebungsinfarkt nicht indiziert ist. Damit bleibt die primäre mechanische Rekanalisation und Stentimplantation in Kombination mit begleitender gerinnungs- und plättchenhemmender Therapie der Standard, an dem sich Neues weiter wird messen müssen. Prof. Dr. med. Stephan Baldus Medizinische Klink III Herzzentrum der Uniklinik Köln Interessenkonflikte: keine DOI 10.1055/s-0032-1329069

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[Is thrombus aspiration during ST-segment elevation myocardial infarction beneficial? - routine thrombus aspiration is not indicated].

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