Originalarbeiten Marcus Wiemer1 · T. Kottmann2 · M. Starrach3 · D. Horstkotte1 · G. Nölker1

Herzschr Elektrophys DOI 10.1007/s00399-015-0363-9 Eingegangen: 19. Februar 2015 Angenommen: 24. Februar 2015

1 Kardiologische Klinik, Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein Westfalen,

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

3 Gemeinschaftspraxis Starrach/Starrach/Gräfe, Bad Sulza, Deutschland

Ruhr-Universität Bochum, Bad Oeynhausen, Deutschland 2 Medizinische Statistik, Hamm, Deutschland

Evaluation des Kenntnisstandes der Leitlinien zur Antikoagulation bei Vorhofflimmern Abkürzungen CHADS Congestive Heart Failure, Hypertension, Age 75 years or older, Diabetes mellitus, Stroke COPD Chronisch obstruktive Lungenerkrankung DGK Deutsche Gesellschaft für Kardiologie HASBLED Hypertension, Abnormal renal and liver function, Stroke, Bleeding tendency or predisposition, Labile INRs, Elderly, Drugs INR International Normalized Ratio OAT Orale Antikoagulationstherapie VASc Vascular Disease, Age > 65–74 years, Sex category VHF Vorhofflimmern

Hintergrund und Fragestellung Das Vorhofflimmern (VHF) stellt die häufigste Herzrhythmusstörung des Menschen dar. In Deutschland sind mindestens 1 Mio. Menschen davon betroffen [2]. Hauptkomplikation sind kardioembolische Ereignisse, die sich klinisch am häufigsten als zerebrale Insulte präsentieren. Etwa 15–20 % aller zerebralen Insulte sind durch VHF bedingt [2]. Nach zerebralem Insult persistieren eine erhöhte Morbidität und Mortalität und oftmals eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität durch körperliche Behinderung, Abhängigkeit von Dritten und Verlust sozialer Kompetenzen [10, 21]. Zudem verursacht ein derartiges Ereig-

nis lebenslange Folgekosten von im Mittel 43.000 EUR pro Jahr und Patient [11]. Aufgrund der stetigen altersbedingten Zunahme der VHF-Prävalenz steigt die sozioökonomische Bedeutung des VHF [13]. Neben Rhythmisierung, Frequenzkontrolle und Management der Risikofaktoren ist die orale Antikoagulation eine unbestrittene, leitlinienbasierte Therapiestrategie [7, 15]. Eine effektive orale Antikoagulation führt zu einer Reduzierung des Auftretens kardioembolischer Ereignisse um bis zu 60 % [19]. Um den Ärzten eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe in Diagnostik und Therapie zu bieten, überarbeiteten die kardiologischen Fachgesellschaften American Heart Association, American College of Cardiology, European Society of Cardiology (ESC), European Heart Rhythm Association und Heart Rhythm Society im Jahr 2006 ihre Leitlinien [8]. Eine Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) kommentierte diese Leitlinien 2008 im Hinblick auf die in Deutschland übliche Behandlungs- und Verordnungspraxis [15]. 2010 wurde eine überarbeitete Version der ESC-Leitlinien publiziert [4]. Entscheidend für die Identifikation von VHF-Patienten, die auf Grund ihres statistischen Thrombembolierisikos einer oralen Antikoagulationstherapie bedürfen, waren zum Zeitpunkt dieser Erhebung die sog. CHADS2-Kriterien („congestive heart failure, hypertension, age 75 years or older, diabetes mellitus, stroke“; [6, 9, 14]). Auch der deutsche Kommentar der internationalen Leitlinien akzep-

tiert die CHADS2-Kriterien zur Risikostratifikation [15]. Folgerichtig sollte die orale Antikoagulationstherapie (OAT) bei Patienten mit Vorhofflimmern entsprechend der vorgenannten Leitlinien Anwendung finden [7, 15]. Wie aus dem „Euro Heart Survey on Atrial Fibrillation“ hervorgeht, sind nach der Erhebung aus den Jahren 2003 und 2004 nur 67 % der Patienten antikoaguliert worden, für die eine Antikoagulation indiziert war [17]. Eine mögliche Ursache kann auch ein mangelnder Kenntnisstand entsprechender Leitlinien sein, wie in einer aktuellen Arbeit diskutiert wird [18]. Ziel unserer Erhebung war es, zu klären, inwieweit die aktuellen Empfehlungen zur OAT bei VHF-Patienten unter deutschen Kardiologen und Hausärzten zum Erhebungszeitpunkt bekannt waren und umgesetzt wurden, und ob es Unterschiede zwischen den Berufsgruppen gibt.

Studiendesign und Methoden Datenerhebung Der erste Teil der Datenerhebung erfolgte während der 75. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vom 16. bis zum 18. April 2009 in Mannheim. Die Befragung erfolgte im persönlichen Interview anhand eines standardisierten Fragebogens. Befragt wurden Fachärzte für Kardiologie, Fachärzte für Innere Medizin und Ärzte in Weiterbildung zum Facharzt für Innere Medizin/ Kardiologie. Die Ärzte waren in Kliniken für Innere Medizin, Herzzentren, Medizinischen Versorgungszentren oder in eiHerzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie

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Originalarbeiten gener Niederlassung tätig. Die Befragung basierte auf Freiwilligkeit. Die Daten wurden anonymisiert erhoben, Rückschlüsse auf die Identität der Befragten sind nicht möglich. Die angegebenen Tätigkeitsbereiche der Ärzte waren einziges Einschlusskriterium, ausgeschlossen von der Auswertung wurden nicht klinisch arbeitende Ärzte (z. B. wissenschaftlich Angestellte in Laboratorien) und Ärzte anderer Fachrichtungen (z. B. Herzchirurgie, Labormedizin). Vor der Datenerhebung wurden die Teilnehmer ausführlich über die Ziele der Befragung aufgeklärt. Sie konnten während der gesamten Zeit der Datenerhebung Fragen zum Verständnis stellen. Der zweite Teil der Datenerhebung erfolgte durch eine schriftliche Befragung in der Zeit von April bis Juni 2009 auf der Grundlage einer Zufallsstichprobe. Hierzu wurde der gleiche standardisierte Fragebogen benutzt. In diesem zweiten Teil wurden Hausärzte (Fachärzte für Allgemeinmedizin und Fachärzte für Innere Medizin) angeschrieben und gebeten, einen dreiseitigen Fragebogen auszufüllen und zurückzusenden. Auch hier waren die Anonymisierung der Daten und der Datenschutz garantiert. In einem Anschreiben, welches dem Fragebogen beigefügt war, wurde über den Zweck der Studie informiert. Der Fragebogen enthält epidemiologische Daten zu Alter, Geschlecht und der beruflichen Situation. Insgesamt wurden 13 Fragen bzw. Fragenkomplexe zum Wissensstand der Befragten zu den Themen „Indikationsstellung zur Antikoagulation bei Vorhofflimmern“, „CHADS2-Kriterien“ sowie „Risikofaktoren von Patienten mit VHF hinsichtlich eines zerebralen Insultes“ und des Weiteren zum „Management von Patienten mit Vorhofflimmern“ gestellt.

Datenanalyse Die statistischen Auswertungen wurden mit Hilfe von SPSS für Windows, Version 22.0 (SPSS Inc., U.S.A.) durchgeführt. Die Darstellung der kontinuierlichen Variablen erfolgte als Mittelwerte, während als Streumaße die Standardabweichungen gewählt wurden.

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Herzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie

Die kontinuierlichen Variablen wurden mittels des Kolmogorow-SmirnowTests hinsichtlich ihrer Normalverteilung überprüft. Die getesteten Variablen wiesen keine Normalverteilung auf (Kolmogorow-Smirnow-Test: p 

[Knowledge of guidelines for anticoagulation management of patients with atrial fibrillation].

In Germany, about 1 million people are affected by atrial fibrillation (AF). Morbidity and mortality are high especially due to the risk of thromboemb...
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