Offene Korrespondenz

Leserbrief Leserbrief zur Arbeit von Uthoff et al., Multizentrische Studie zur Fahreignungsbegutachtung von LASIK- und OrthokeratologiePatienten im Vergleich zu konventionell korrigierten Personen. Klin Monatsbl Augenheilkd 2013; 230: 255–264 !

Den Autoren der multizentrischen Studie zur Fahreignung nach refraktiv-korrigierten bzw. refraktiv-chirurgischen Verfahren muss ausdrücklich dafür gedankt werden, dass sie für die Leser der Zeitschrift das wichtige Thema einer breiteren Öffentlichkeit ins Bewusstsein gerückt haben. Für die Therapiegruppe stellen die Autoren fest, dass vor der Korrektur der Fehlsichtigkeit mit Orthokeratologielinsen oder mit LASIK alle (!) Patienten fahrtauglich waren, während nach der Korrektur nach den milden Grenzen für PKW-Fahrer (Kontrast von 1 : 23 erkannt) nur noch 75% Auto fahren durften. Leider fehlt in der Arbeit die Auswertung nach den Grenzwerten für LKW- oder Busfahrer, die am Mesotest anspruchsvollere Kontraststufen (1 : 5 und 1 : 2,7) erkennen müssten, um fahrtauglich zu bleiben. Die Gefahr, dass nach einer solchen Behandlung die Fahreignung verloren geht, ist höher zu erwarten. Wegen dieser bekannten „Nebenwirkungen“ wird von verantwortungsvollen Operateuren bei LKW- oder Busfahrern von einer Therapie mit Orthokeratologielinsen und von einer LASIK abgeraten. Auch die mittlere Tagessehschärfe liegt bei den Kontrollgruppen mit 1,6 um eine Stufe höher als bei den durchschnittlich jüngeren Therapiegruppen. Ein methodisches Problem stellt die Nutzung des Mesotests der Fa. Oculus dar, der nur bis zum Kontrast 1 : 2 prüft, was für Normalpersonen meistens leicht zu erkennen ist. Dies wird in der Arbeit auch beschrieben: 32 der 42 Normalpersonen erkannten den Kontrastwert von 1 : 2 am Mesotest. Damit ist eine Prüfung der Schwelle des Dämmerungssehvermögens nicht möglich. Als geeignete Alternativen wären das freisichtige Mesoptometer oder das Mesoptometer I besser geeignet, da hiermit Kontraste bis hinunter zu

Kolling G. Leserbrief

1 : 1,14 dargestellt werden können. Mit einer solchen geeigneten Vergleichsmethode wären deutlichere Unterschiede zwischen den Gruppen zu erwarten, aber diese Geräte sind leider nicht mehr kommerziell verfügbar. Die Beziehung zwischen den gesetzlichen Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung und den Empfehlungen von DOG/ BVA wird in dem Artikel nicht ganz klar dargestellt. Seit 1991 wird im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L2371/20 gefordert, dass bei der Fahreignung „unter anderen auf Sehschärfe, Gesichtsfeld, Dämmerungssehen und fortschreitende Augenkrankheiten zu achten“ sei. Obwohl die Verkehrskommission die Prüfung des Dämmerungssehens seit 40 Jahren stets als absolut notwendiges Kriterium angesehen hat, wurde die Prüfung des Dämmungssehens erst 2011 in deutsches Recht übernommen. Seither ist endlich auch gesetzlich vorgeschrieben, dass bei der augenärztlichen Begutachtung das Dämmerungssehen und die Blendempfindlichkeit geprüft werden müssen (nicht nur „sollen“, wie die Autoren schreiben). Die fachliche Begründung liegt in der Tatsache, dass das schlechtere Dämmerungssehvermögen ein größeres Sicherheitsrisiko für den Straßenverkehr darstellt als eine reduzierte Tagessehschärfe. Somit ist die Prüfung des Dämmerungssehens durch den Augenarzt seit 2011 nicht mehr nur eine Empfehlung, sondern eine gesetzliche Vorschrift. Es ist die Aufgabe der Fachgremien (DOG und BVA) festzulegen, welche Prüfmethodik zur Untersuchung des Dämmerungssehens geeignet ist. Seit über 40 Jahren wird empfohlen, das Dämmerungssehen mit dem Mesoptometer/Mesotest der Fa. Oculus und dem Nyktometer der Fa. Rodenstock zu testen. Die Grenzwerte wurden seit der Einführung des Testverfahrens angepasst. Insofern gibt es den Unterschied zwischen einer „Fahrtauglichkeit nach FeV und nach DOG-Empfehlungen“ nicht. Zum jetzigen Zeitpunkt sollten die Ergebnisse am Mesotest/Nyktometer trotz aller Schwächen als Goldstandard der Prüfung des Dämmerungssehvermögens angesehen werden, an dem sich andere Verfahren messen lassen müssen. Die Schlussfolgerung der Auto-

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ren, dass „nicht davon ausgegangen werden (kann), dass die für den Mesotest II festgelegten Kriterien zum Nachweis der Nachtfahrtauglichkeit eine Aussage über das tatsächliche Dämmerungssehen und die Blendempfindlichkeit erlauben“ – kann deshalb nicht unwidersprochen bleiben. Die kritische Stellungnahme der Autoren zur Fahreignung von Patienten mit Ortho-K-Linsen wird auch von der Verkehrskommission der DOG geteilt, wie dies auch in der Stellungnahme der Kommission von 2005/2008 hervorgeht (http:// www.dog.org/wp-content/uploads/2009/ 08/DOG_Stellungnahme_Orthokeratologie 2008.pdf). Die korrigierte optische Zone von nur 4,2 mm im Durchmesser ist besonders für jugendliche Fahrer in der Dämmerung und bei Nacht nicht ausreichend. Die statistische Bearbeitung der Mesotest-Daten ist nicht ideal. In Abb. 9 sind symmetrisch verteilte Standardabweichungen um den Mittelwert eingezeichnet. Dabei sind nur 4 Stufen als Testergebnis möglich und bei den Normalpersonen (adult/juvenil) erreichen 32 von 42 Personen die Stufe 4. Eine solch schiefe Verteilung ist z. B. mit „boxplots“ besser darzustellen. Die Abb. 2 und 3 lassen vermuten, dass bei der Auswertung der Testergebnisse die Werte für beide Augen zusammen genommen wurden. Da alle psychophysischen Ergebnisse auch von der Person an sich abhängig sind, ist es üblich, von jeder Person nur ein Auge oder beide Augen getrennt statistisch auszuwerten. Die kritischen Bemerkungen von Herr Kollegen Lang in seinem Vorwort auf Seite 220 zu dem „Highlight in dieser Ausgabe“ können wir nur zustimmen: vor der Anwendung von Lifestyle-Eingriffen oder ‑Therapien sollte auch an die Fahreignung bei Dämmerung und bei Nacht gedacht werden. Dass dies eine „Steilvorlage“ für die Verkehrskommission der DOG sei, stimmt. Aber um im Bild zu bleiben: diesen Ball hatte die Verkehrskommission schon längst. Mit der oben genannten Stellungnahme zur Orthokeratologie, dem Verkehrssymposium von 2012 (‚Zur Prüfung von Dämmerungssehen, Kontrastsehen und Blendempfindlichkeit für die Fahreignungsbegutachtung‘) und dem kommenden Verkehrssymposium von 2013 (‚Kraftfahreignung nach refraktiv-chirurgischen Eingriffen‘) hat ihn die Verkehrskommission der DOG mindestens dreimal im Tor versenkt.

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Abschließend sei den Autoren gedankt, dass sie mit ihrer multizentrischen Studie ein wichtiges Thema der Verkehrsophthalmologie aufgegriffen haben.

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Korrespondenzadresse Prof. Gerold Kolling Hirtenaue 19 69118 Heidelberg [email protected]

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Verkehrskommission der DOG: Proff. B. Lachenmayr, G. Kolling und H. Wilhelm.

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