Grenzen und M/iglichkeiten der Immuntherapie von Tumoren Reinhard Kurth* Friedrich-Miescher-Laboratorium der Max-Planck-Gesellschaft, D-7400 Tfibingen

Immunological treatment of malignant human tumors has so far met with little success. Based on methods and insights obtained by investigation of corresponding animal models, this article attempts to elucidate the reasons for this failure and to suggest ways and means to improve immunotherapeutic approaches to human neoplasms.

Bei der Beschiftigung mit der Immuntherapie des Krebses und trotz der Flut der darfiber erschienenen Literatur bemerkt man sehr bald, dab bestenfalls yon der Immuntherapie einzelner Tumore oder klinisch verwandter Tumorarten gesprochen werden kann. In der Humanmedizin gibt es bisher n/imlich keine allgemein g/iltige, d.h. anerkannte, weil effektive, Immuntherapie. Diese Tatsache spiegelt nur die alte Erkenntnis wider, dab Krebs offenbar eine multifaktorielle Erkrankung mit vielerlei Manifestationsformen ist. )khnlich existiert eine spezifische Immunprophylaxe oder kurative Immuntherapie bisher nur ffir wenige, vorwiegend Virus-bedingte animale Tumore. Es ist daher beim heutigen Stand der theoretischen und klinischen Medizin unbestritten, dab jede Tumorbehandlung zun/ichst durch chirurgische, chemo- oder strahlentherapeutische oder endokrinologische Mittel zu erfolgen hat. Mangels vorweisbarer eindeutiger Erfolge besitzt die Immuntherapie bisher nur den Rang einer Zusatztherapie nach prim/irer Reduktion der Tumormasse. Andererseits hat wie wohl kein anderes Gebiet der klinischen oder molekularbiologischen Forschung gerade die Immunologie, und mit ihr die Transplantations- und die Tumorimmunologie, in den letzten Jahren eine solche Fiille neuer Erkenntnisse gebracht, dab Pessimismus beztigIich der praktischen Anwendung der bisher erzielten und in der Zukunft erhofften Ergebnisse nicht angebracht erscheint. * Dieser Artikel basiert a u f Vortr/igen, die der A u t o r in den letzten M o n a t e n an mehreren Universitgts- u n d anderen Forschungsinstituten gehalten hat. 180

Zweck dieses Artikels soll daher nicht sein, die lange Kette der bisherigen immuntherapeutischen Fehlschlfige und die wenigen Erfolge aufzuzShlen. Dies hat bereits viele Konferenztage und zahllose Bficherb/inde geffillt [1]. Vielmehr soil versucht werden, schwerpunktartig Ansfitze aufzuzeigen, bei denen meiner Meinung nach Verbesserungsm6glichkeiten ffir die Immuntherapie bestehen. Diese Uberlegungen sind keinesfalls alle neu und originell, haben aber eines gemeinsam, nfimlich dab sie experimentell testbar sind und meines Wissens weder in tierischen Modellen noch in der Klinik bisher ausreichend geprfift wurden, Manche dieser Vorschlfige m6gen esoterisch und unpraktikabel erscheinen, manche sind es vielleicht auch. Aber beim gegenw/irtigen Stand unserer Unkenntnis und angesichts der Schwere der Erkrankungen mul3 es erlaubt bleiben, auch Wege aufzuzeigen (zu versuchen), die sich schliel31ich als unbegehbar herausstellen k6nnten. Dieser Ansatzpunkt hat zur Folge, dab kein umfassender Uberblick fiber die bisher durchgefihrten immuntherapeutischen Versuche gegeben werden soll, und dementsprechend sind im nachfolgenden nur Arbeiten zitiert, die neuere Entwicklungen aufzeigen oder als f3bersichtsartikel Zugang zu weiteren Originalarbeiten erlauben.

Tumorantigene Fast alle grtindlich untersuchten Tumorzellen besitzen auf ihrer Oberfl/iche spezifische Neoantigene [2-4]. Dort, wo man bisher keine Tumorantigene nachweisen konnte, z.B. bei bestimmten chemisch oder physikalisch induzierten Tumoren, wird man abwarten mfissen, ob sensitivere Nachweismethoden ktinftig nicht doch die Existenz yon Tumorantigenen etablieren k6nnen. Eine allgemein giiltige Einteilung von Tumorantigehen hat sich bisher nicht aufstellen lassen [2 - 6]. Nach ihrem Vorkommen (SpezifitS.t) lassen sie sich grob Naturwissenschaften 65, 1 8 0 - 1 8 7 (1978)

9 by Springer-Verlag 1978

einteilen in embryonale Antigene (EA, Vorkommen auch auf embryonalen Zellen der gleichen Spezies), Differenzierungsantigene (DA, Vorkommen auch auf anderen normalen Zellen in einem bestimmten Differenzierungsstadium) und Tumor-spezifische Oberfl/ichen- oder Transplantationsantigene unbekannter Herkunft (TSSA = tumor-specific surface antigens; TSTA = tumor-specific transplantation antigens). Zwischen TSSA und TSTA besteht ein funktioneller Unterschied, der darin liegt, daB per definitionem TSSA nicht als Transplantationsantigene wirken, d.h. nicht die immunologische TumorabstoBung zu vermitteln verm6gen. Jedoch hat es sich besonders bei zuerst in vitro definierten TSSA nachtrfiglich oft noch herausgestellt, dab sie auch als Transplantationsantigene wirken k6nnen [4]. Bei Virus-induzierten Tumoren der Tiere treten oft noch Virus-Strukturproteine als Antigene (VSA) auf der Zelloberfl/iche auf [3, 4, 7, 8]. Betont werden sollte noch, dab per definitionem Tumorantigene qualitativ neue Antigene darstellen. Dementsprechend wtirden Antigene wie das Carcinoembryonale Antigen (CEA) oder das ~-Fetoprotein (AFP) nicht als Tumorantigene qualifizieren, da sie auch in Gesunden auftreten und bei bestimmten Tumoren nur in erh6hter Konzentration nachweisbar sind. Quantitativ unterschiedlich auftretende Antigene eignen sich aber nicht ftir immuntherapeutische Versuche, besitzen allerdings diagnostischen und prognostischen Wert. Die Frage der immunologischen Kreuzreaktionen zwi-

schen Tumorantigenen ist bei Tiermodellen inzwischen eingehend untersucht worden. Virus-induzierte Tumore besitzen z.B. TSSA oder TSTA, die spezifisch ffir das onkogene Virus oder die entsprechende Virusgruppe sind [2-4, 8, 9]. Um ein Beispiel zu geben: Das onkogene Simian Virus 40 (SV40) induziert immer ein charakteristisches TSTA, gleich welche Zellen welcher Spezies damit experimentell transformiert worden sind. Umgekehrt lfiBt sich sagen, dab der Nachweis dieses TSTA den RtickschluB erlaubt, dab SV40 das transformierende Agens war und in der Zelle chromosomal integriert vorliegt. Die Frage, in welchem Umfang Virustumore noch zusfitzliche individuelle Neoantigene exprimieren, ist noch ungentigend untersucht. Bei chemisch oder physikalisch induzierten Tiertumoren hat sich jetzt die Erkenntnis durchgesetzt, dab Tumore gleicher Ursache sowohl sehr schwach immunogene gemeinsame wie auch individual-spezifische TSSA und TSTA exprimieren [4, 10, 11]. Bei Humantumoren ist die Lage komplizierter. Vergleichbar sind nur histologisch fihnliche Tumore. Das ursprtingliche Postulat kreuzreagierender Antigene auf histologisch /ihnlichen Tumoren wurde bereits yon Paul Ehrlich und seinen Schtilern Anfang dieses Jahrhunderts aufgestellt [12] und in den letzten Jahren vor allem von den Hellstr6ms [13, 14] erneut propagiert. Es gibt zahlreiche Arbeiten, die, allerdings experimentell nicht immer einwandfrei untermauert, dieses Postulat zu stfitzen versuchen [15]. Nicht verschwiegen werden darf aber, dab andere Autoren bei den

humorale Antik6rper (und/oder sensibilisierte Lymphozyten)

passive Immunisierung

aktive Immunisierung(Tumorvakzine)

I ]

~

[Limits and possibilities of neoplasm immunotherapy].

Grenzen und M/iglichkeiten der Immuntherapie von Tumoren Reinhard Kurth* Friedrich-Miescher-Laboratorium der Max-Planck-Gesellschaft, D-7400 Tfibingen...
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