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Zur Listeriose des Zentralnervensystems R. Nau), V. Schuchard/ 2 , H. W. Prange)

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Comments on Listeriosis ofthe CNS

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Zusammenfassung

Listeriosis 01' the CNS is an intlammatory disease ofthe central nervous system that occurs mostly sporadically or occasionally as a Iimited epidemie. The pathogens are generally ingested with the food. Whether or not the infeetion becomes manifest in an exposed person depends on the number ofpathogens ingested, on the virulence ofthe Listeria strain and on the individual disposition. It appears to be 01' decisive importance for an infection that the eellular immunodefense media ted by the T cells is disturbed; however, even persons without any previous disease worth mentioning may he affected. The characteristics 01' the various CNS manifestations are demonstrated via the case histories 01' 12 own patients (acute meningitis and meningoencephalitis, brain stern encephalitis, brain abscess, meningoencephalitis with infected cerebral infarct, chronic recidivating eneephalitis). Early neurological focal signs and symptoms, ct)mbined with CSF findings atypical for bacterial CNS diseases, should not he taken lightly and may point to Iisteriosis even though they are not specific for CNS listeriosis. The decisive eriterion is the proof 01' the pathogen in the hlood or CSF or the proof 01' antibody titre changes in the serum. Recent CSF diagnostic methods such as CSF lactate determination and the identification 01' IgG-positive B Iymphocytes are useful in differentiating betwecn viral and nonintlammatory CNS diseases; most important for follow-up are repeat CSF examinations.

Die Listeriose des ZNS ist eine zumeist sporadisch, gelegentlich in kleineren Epidemien auftretende entzündliche ZNS-Erkrankung. Die Erreger werden in der Regel mit der Nahrung aufgenommen. Ob eine exponierte Person erkrankt, hängt ab von der aufgenommenen Keimzahl, der Virulenz des Listerienstammes sowie der individuellen Disposition. Einer Störung der T-Zell-vermittelten zellulären Immunabwehr scheint eine entscheidende Bedeutung zuzukommen; es erkranken aber ehenfalls Personen ohne nennenswerte Vorerkrankungen. Anhand von 12 eigenen Patienten werden die Besonderheiten der verschiedenen ZNS-Manifestationen (akute Meningitis und Meningoenzephalitis, Hirnstammenzephalitis, Hirnabszeß, Meningoenzephalitis mit infiziertem Hirninfarkt, chronisch-rezidivierende Enzephalitis) darstellt. Obwohl für die ZNS-Listeriose nicht spezifisch, lassen frühzeitige neurologische Herdsymptome komhiniert mit für bakterielle ZNS-Erkrankungen atypischen Liquorhefunden an eine Listeriose denken. Entscheidend für die Diagnose ist der Erregernachweis im Liquor oder Blut hzw. der Nachweis von Antikörper-Titerhewegungen im Serum. Neuere liquordiagnostische Verfahren wie die Liquor-Laktatbestimmung und der Nachweis Ige;positiver B-Lymphozyten sind nützlich für die Ahgrenzung von viralen und nichtentzündliehen ZNS-Erkrankungen; in der Therapieüberwaehung kommt wiederholten Liquorentnahmen entscheidende Bedeutung zu.

High-dosage ampicillin or amoxycillin treatment combined with gentamycin is the therapy 01' ehoiee in CNS listeriosis. The bactericidal effect achicved thereby is desirable especially if immunodefense is disturbed. Prognosis 01' CNS listeriosis depends on the underlying disease in each case. The high mortality even among persons who had been healthy before the infection, is at least in part due to delayed diagnosis.

Die hochdosierte Ampicillin- bzw. AmoxycilIin-Behandlung in Kombination mit Gentamicin ist hci der ZNS-Listeriose die Therapie der Wahl. Die hierdurch erreichte Bakterizidie ist besonders hei gestörter Infektabwehr wünschenswert. Die Prognose der ZNS-Listeriose hängt von der jeweiligen zugrundcliegenden Erkrankung ab. Die hohe Letalität auch zuvor Gesunder bei der Listerien-Hirnstammenzephalitis ist zumindest teilweise auf eine zu späte DiagnosesteIlung zurückzuführen. --------------~----------

I. Einleitung Die Listeriose ist eine zumeist sporadisch sowohl beim Menschen als auch bei verschiedenen Warmblütern auftretende Infektionskrankheit. Der verursachende Mikroorganismus wurde erstmals 1924 als Bacterium monocyto- - - - - - - - - _. . ~ ~ - - - - - - -

Fortsehr. Neuro!. Psychial. 5ti (1990)40ti-422 © Georg Thieme Verlag Stullgart· New York

genes beschrieben (75) und 1929 aus dem Blut eines erkrankten Menschen isoliert (79). Ein 191 ~ von /Juli/on I und Cololli (20) aus dem Liquor cerebrospinalis eines Meningitispatienten kultiviertes diphtheroides Bakterium wurde 1940 nachträglich als Listeria monocytogenes (L. m.) identifiziert (X3).

L. m. verursacht beim Menschen unterschiedliche Krankheitsbilder. Die Listeriose der Neugehorenen ist entweder Folge einer diaplazentaren Übertragung durch die

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Neurologische Universitiitsklinik GÖllingen I und Abteilung Neurologie der Rheinischen Landesklinik Bonn 2

Forfschr. Neurol. P~ychi(Jf. 58 (1990)

Zur Lisferio.l'c dcs Zcnfralner\'el1.lysfe/11s

Jenseits des Neugeborenenalters besitzt das Bakterium eine ausgeprägte Affinität zum zentralen Nervensystem. In über 60'% der diagnostizierten Fälle ist die ZNS-Erkrankung die einzige oder die im Vordergrund stehende klinische Manifestation (5 L 73, 77, 1(4). Andere Manifestationsformen der Listeriose sind die Bakteriämie mit septischem Krankheitsbild ohne dokumentierte Organmanifestation (25 '%), die Endokarditis (5 -I 0 1%) und seltene Organmanifestationen wie Endophthalmitis, Peritonitis, Amnionitis, Osteomyelitis, Cholezystitis, Milzabszeß und zervikale Lymphknotenschwellungen (77). Eine früher häufiger beobachtete okuloglanduläre Form der Listeriose infolge direkter Infektion der Konjunktiven (40) scheint heute extrem selten zu sein. Ebenso wurde ein der infektiösen Mononukleose ähnliches Krankheitsbild (40, 5 L 79) in den letzten Jahren kaum mehr beschrieben (77). Kutane Infektionen treten selten bei exponierten Personen auf(49, 77, S2). In der vorliegenden Arbeit wird anhand eigener Erfahrungen mit 12 Fällen das klinische Spektrum der ZNS-Listeriose dargestellt und ihre Differentialdiagnose gegenüber anderen entzündlichen und nichtentzündlichen neurologischen Erkrankungen diskutiert. Der Stellenwert der Liquorbefunde soll für die DiagnosesteIlung, das Verständnis der Pathophysiologie und die Beurteilung des Verlaufs der Erkrankung untersucht werden. 2. Kasuistik

2.1 Patientenaus\\'ahl/Krankheitsdefinition Die Krankenblätter aller Patienten der Neurologischen Universitätsklinik Göttingen, der U niversitäts- Kinderklinik Göttingen sowie der Neurologischen Abteilung der Rheinischen Landesklinik Bonn vom l.l.19S0 bis 31.12.19S8, bei denen die Diagnose Listeriose wahrscheinlich oder sicher war, wurden ausgewertet. Zwei Kinder im I. Lebensjahr sowie ein 72jähriger Patient mit zerebralem Non-Hodgkin-Lymphom wurden nicht berücksichtigt. Der Lymphomkranke verstarb an einer Listeriensepsis ohne klinische und pathologische Hinweise für eine ZNS-Beteiligung. Die Diagnose einer N eurolisteriose galt bei den Fällen als gesichert, die bei positivem Erregernachweis in Blut und/oder Liquor auch Zeichen eines ZNS-Befalls zeigten. Von einer wahrscheinlichen Listerieninfektion gingen wir aus, wenn bei entsprechender Symptomatik eine Titerbewegung der Listerien-Antikörper im Serum um mindestens 3 Stufen (Hämagglutinationstest, Antigen Fa. Behring) gegen 0oder H-Antigene registriert wurde. Geringere Titerbewegungen blieben ohne Berücksichtigung.

2.2 Fallheispiele 2.2.1 Gesicherte Listeriosen des ZNS Pat. I (Meningoenzephalitis): Bei dem 64jährigen, berenteten Arbeiter mit vorbestehender koronarer Herzkrankheit traten einen Tag vor der stationären Aufnahme starke Unruhe, Desorientierlhcit und unverständliche Spra-

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Abb. 1 Liquorbefunde eines Immunkompetenten mit ListerienMeningoenzephalitis (Pat. 1). Unter antibiotischer Behandlung fielen Liquorleukozyten, -protein und -Iaktat kontinuierlich ab, das initial "bunte" Zellbild normalisierte sich. Keine Hinweise für intrathekale Immunglobulinsynthese.

ehe auf. Eine Kontaktaufnahme mit dem bewußtseinsgetrübten, unruhigen Patienten war zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht mehr möglich. Es bestanden ein deutlicher Meningismus, Fieber von 41,2 °C sowie eine Leukozytose von 19. 100/mm 3. Im Liquor fanden sich eine P1cozytose von SOD/mm 3 Leukozyten bei lymphozytär-granulozytärem Zellbild sowie einzelne grampositive, extra- und intrazellulär gelegene, stabförmige Bakterien. Der Patient mußte intubiert und beatmet werden. Eine antibiotische Behandlung mit Penizillin G, Amoxycillin und Gentamiein wurde begonnen. Nach dem kulturellen Nachweis von L. m. in der Liquor- und Blutkultur wurde die Behandlung ab 5. Tag mit der Zweierkombination Amoxycillin/Gentamicin weitergeführt. Daran schloß sich eine einmonatige Erythromyzingabe an. In den ersten 4 Behandlungstagen sank das Fieber nicht unter 39 oe; der Patient entwickelte heftige Myoklonien, die nur durch tiefe Sedierung zu unterdrücken waren. Nach Temperaturabfall und Rückgang der Liquorpleozytose klarte er langsam auf. Am 16. Behandlungstag wurde er extubiert. Nach 35 Tagen wurde er mit einer spastischen Hemiparese rechts, jedoch ohne psychopathologische Auffälligkeiten, nach Hause entlassen. 5 Monate nach Erkrankungsbeginn hatte sich auch die Hemiparese rechts bis auf eine Elevationsschwäche des rechten Armes zurückgebildet. Die Liquorbefunde im Verlauf sind in Abb. I dargestellt. Pat. 3 (Meningoenzephalitis): Eine 35jährige Hausfrau, mit seit Kindheit bekannter Neurodermitis und Asthma bronchiale sowie etwa 10jährigem Alkoholabusus verspürte 5 Tage vor der stationären Aufnahme Kopf- und Rückenschmerzen, die mit Fieber einhergingen. Am Aufnahmetag trübte sie zunehmend ein. Die Körpertemperatur blieb jedoch unter 38,5 oe; im Blut bestand keine Leukozytose. Die Patientin zeigte einen ausgeprägten Meningismus und ein Hirnstammsyndrom mit Blickdeviation nach rechts, rechtsseitiger Fazialisparese und rechtsseitiger Abschwächung der Muskeleigenreflexe; der Babinski-Reflex war beiderseits positiv. An den Extremitäten bot sie eine Tonuserhöhung und

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zumeist inapparent infizierte Schwangere (sog. "Frühtyp" mit schwerem septischen Krankheitsbild) oder sie tritt nach intrabzw. postpartaler Infektion auf (sog. "Spättyp" mit Meningitis in der zweiten oder dritten Lebenswoche ) (25).

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R. Nall, V. Schllc!wrdl. 11. W. Pml1ge

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Abb.2 Liquorbefunde bei Listerien-Meningoenzephalitis mit gestörter Immunantwort (Pat. 3). Oben: Unter antibiotischer Therapie stiegen die Liquorleukozyten zunächst an und fielen nach 2wächigem Krankheitsverlauf langsam ab, um terminal erneut anzusteigen. Das Differential-Liquorzellbild blieb während des gesamten Krankheitsverlaufs pathologisch. Unten: Die massive intrathekale IgG-, IgM- und IgA-Produktion erreichte ihr Maximum um den 25 Tag und hielt bis zum Tode an.

langandauernde Myoklonien. Im initial entnommenen lumhaien Liquor f~lnd sich eine Leukozytenzahl von I93/ mny1 sowie ein Gesamteiweiß von 6.1 XI mg/I. Mikroskopisch wurden keine Keime nachgewiesen. Die Entwicklung eines Okklusionshydrozephalus machte noch am Aufnahmetag eine externe Ventrikeldrainage erforderlich. Nachdem zunächst unter der Vorstellung einer viralen Meningoenzephalitis eine Behandlung mit Vidarahin und Amoxycillin eingeleitet worden war, wurde die antihiotische Behandlung naeh Anzüchtung von L. m. aus dem Liquor mit Amoxycillin/Tohramycin fortgeführt. Die im Verlauf der Erkrankung erhohenen lumhaIen und ventrikulären Liquorhefunde sind in Ahh. 2 demonstriert. Nach anfänglichem Anstieg der Liquorzellzahl kam es unter antihiotischer Therapie zu einem Rückgang der Entzündungszeichen im Liquor. 4 Wochen nach Behandlungsheginn konnte die externe Ventrikcldrainage entfernt werden. Die antihiotische Behandlung wurde mit Erythromycin fortgesetzt. Der neurologische Zustand der Patientin hesserte sich zunächst langsam. Schließlich konnte sie mit Unterstützung wieder gehen. 3 Monate nach Behandlungsheginn trübte sie erneut ein und entwickelte Hirndruckzeichen. Als mögliche Ursache Emd sich im kranialen CT eine zystische Auftreihung des Unterhorns des rechten Seitenventrikels. Man entschloß

Pat. X(Hirnstammenzephalitis): Der 60jährige Stukkateur erkrankte initial mit Erhrechen und Hinterkopf~ schmerzen. 7 Tage später entwickelte er eine Hirnstammsymptomatik mit Hypästhesien im Gesichtshereich links, Paresen des VII. und IX. Hirnnerven links sowie des VI. Hirnnerven 3 rechts. Der Liquor enthielt 93/mm üherwiegend Iymphozytüre Zellen, eine Erregeranzüchtung gelang nicht. Bliischcn auf der Wangenschleimhaut führten zuniichst zur Verdachtsdiagnose einer Zosterenzephalitis, weswegen eine Ikhandlung mit Aciclovir hegonnen wurde. Einen Tag nach der Aul~ nahme kam es zu Fieher his 39 "C, der Patient trühte ein, mußte intuhiert und maschinell heatmet werden. Nachdem aus ß1utkulturen L. m. angezüchtet werden konnte, wurde die antihiotische Behandlung mit Ampicillin für 24 Tage durchgeführt. 5 Tage nach Beginn der Antihiotika-Therapie konnte der Kranke extuhiert werden, die Erholungsphase war durch nächtliche Zustände deliranter Unruhe geprägt. 7 Wochen nach Erkrankungsheginn wurde der Patient mit einer leichten Hypästhesie der linken Gesichtsseite und der unveriindert hestehenden Ahduzensparese rechts entlassen. Bei der Nachuntersuchung 4 Jahre nach der Erkrankung hestand noch die mittlerweile operativ versorgte Parese des VI. Hirnnerven rechts. Pat. 9 (Meningoenzephalitis mit infiziertem H irnint~lrkt): Die 66jiihrige Patientin mit langjiihriger N iereninsuffizienz wurde nach Xjiihriger Dialyse nien:ntransplantiert und in der Folge mit Methylprednison. Ciclosporin A und Azathioprin immunsuppresiv hehandelt. 10 Wochen nach Transplantation erkrankte sie mit Wesensveriinderung und Schläfrigkeit, linksfokalen Krampfanfällen und Fieher his 40,4 oe. Bei der stationären Aufnahme hestand eine komplette Okulomotoriusparese links und ein linkshetontes spastisches tetraparetisches Syndrom. kein eindeutiger Meningis1 mus. Der lumhal entnommene Liquor enthielt I X3/mm vorwiegend granulozytiire Leukozyten. das Liquoreiweiß hetrug 3.099 mg/I und das Liquorlaktat 9.6 mmol/1. Im kranialen CT demarkierte sich eine rechtsparietalc unscharf hegrenzte raum fordernde Hypodensität ohne Kontrastmittelanreicherung. Wegen zunehmender Bewußtseinstrühung wurde die Patientin intuhiert. Die initiale antihiotische Behandlung mit Imipenem und Rifampicin wurde nach Anzüchtung von L. m., Serovar 1/2a. aus Liquor und Blut mit Amoxycillin/Gentamicin fortgesetzt. Hierunter wurde die Patientin zwar wacher und hewegte die re. Kürperhiilfte zielgerichtet, ohne jedoch Aufforderungen nachzukommen. Sie entwickelte einen starken Meningismus. Die linke Seite hlich plcgisch. Die im CCT dargestellte rechtsparietale Hypodensitiit nahm an Grüße zu und zeigte nach Kontrastmittelg,lhe jetzt eine C'l. 3 cm große ringförmige K M-Anreicherung. die als 11 irnah· szeß gedeutet wurde. Wegen des schlechten Allgemcin/ustandes und einer Blutungsneigung lllußte auf die operative Therapie verzichtet werden. Die antihiotisehe Behandlung erfolgte nun mit Amoxycillin/Chloramphenicol. danach mit Amox-

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sich zur neurochirurgischen Exploration, hei der sich makroskopisch und hioptisch kein eindeutig pathologischer Befund ergah. Postoperativ hlieh die Patienten komatös und vcrstarh 4 Monate nach Behandlungsheginn an einem zentralen Kreislaufversagen hei Sepsis und Meningitis. In Blutkulturen. Wundahstrichen und Sektionspräparaten aus dem ZNS ließen sich die typischen Keime nosokomialer Infck tionen nachweisen, jedoch keine Listerien mehr.

ycillin/Ciprofloxacin. In den letzten Lebenswochen isolierte man aus Trachealsekret, Urin und Blut verschiedene Hospitalismuskeime. Trotz hochdosierter antibiotischer Behandlung verstarb die Patientin nach 4wöchigem Krankheitsverlauf im septischen Schock. Kennzeichnend für ihren schweren Immundefekt entwickelte sie erst wenige Tage vor ihrem Tod eine Leukozytose im Blut; zu keinem Zeitpunkt waren Antikörper gegen Listeria in Serum oder Liquor nachweisbar. Die Hirnsektion ergab nicht, wie aufgrund des CCT-Befundes erwartet, einen Hirnabszeß, sondern einen ausgedehnten infizierten Hirninfarkt rechts parieto-okzipital. 2.2.2 Wahrscheinliche Listeriosen des ZNS Pat. 11 (Hirnstammcnzephalitis): Die 14jährige Schülerin entwickelte 5 Tage vor der stationären Aufnahme Fieber, 4 Tage später eine Parese des rechten Armes und Doppelbilder. In den ersten Krankenhaustagen traten eine Dysarthrie, Schluckbeschwerden, eine Abduzens-, Hypoglossusund eine periphere Fazialisparese rechts sowie Desorientiertheit mit Halluzinationen hinzu. Das Fieber erreichte 40,2 oe. Der Liquor enthielt 153/mm J Leukozyten bei mit 510 mg/I leicht erhöhtem Gesamteiweiß, Liquor- und Blutkultur waren steril. Das CCT ergab einen unauffälligen Befund. Elektroneurographisch bestanden eine stark herabgesetzte Nervenleitgeschwindigkeit sowie Denervationszeichen. Die serologische Antikörpersuche gegen neurotrope Viren und Bakterien erbrachte als einzigen auffälligen Befund einen Listerien-Antikörpertiter gegen das 0- und H-Antigen des Serovar I von I : 2.560 bzw. I : 640 sowie gegen das 0- und H-Antigen des Serovar 4b von I : 160 bzw. I : 320. Unter Amoxycillin und Kortikosteroiden für 3 Wochen entfieberte die Patientin rasch; der neurologische Befund und die Liquorpleozytose besserten sich. 5 Tage nach Beendigung der antibiotischen Behandlung kam es zu einem erneuten Fieberanstieg auf 39,8 oe, einer Verschlechterung der neurologischen Symptomatik mit Wiederanstieg der Leukozyten im Liquor auf 83/mm J sowie zu Blasenentleerungsstörungen. Während der hierauf folgenden 2wöchigen Behandlung mit Co-Trimoxazol klang die enzephalitische Symptomatik ab. Zwei Monate nach Erkrankungsbeginn waren die Listerien-Antikörpertiter auf I : 160 gegen das 0Antigen und I : 80 gegen das H-Antigen des Serovar I abgefallen, der Titer gegen Sen)Var 4b lag im Normbereich. Eine Nachuntersuchung 2 Jahre später zeigte, daß sich sämtliche Normabweichungen einschließlich der elektrophysiologischen zurückgebildet hatten. Pat. 12 (rezidivierende Enzephalitis): 4 Wochen vor der stationären Aufnahme klagte die bis dahin gesunde 16jährige Verkäuferin über Schmerzen im linken Auge, später traten Schmerzen im re. Arm, Kribbelmißempfindungen und Gangstörungen hinzu. Bei Aufnahme bot die bewußtseinsklare Patientin eine linksbetonte spastische Tetraparese. In den folgenden Tagen wurde die Lähmung der Beine komplett, eine Blasen-Mastdarmstörung kam hinzu. Im Liquor fanden sich 21/mm J Leukozyten bei normalem Gesamteiweiß sowie eine intrathekale IgM- und IgG-Synthese. Liquor- und Blutkultur waren steril. Das Computertomogramm zeigte eine unscharfe linkshirnige Hypodensität, die vom Caput nuelei caudati über die Corona radiata bis in die Capsula interna reichte, sowie eine weitere Hypodensität rechts parieto-okzipital. Beide Läsionen blieben ohne Kontrastmittelan-

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reicherung. Das Elektromyogramm sowie die visuell-evozierten Potentiale erbrachten unauffällige Befunde. Die Suche nach einer zugrundeliegenden Autoimmunerkrankung sowie die Antikörpertestung auf neurotrope Viren und Bakterien ergaben bis auf einen Listerien-Antikörpertiter von I : 320 gegen das O-Antigen Serovar I und I : 160 gegen das H-Antigen Serovar I im Serum unauffällige Befunde. Unter Behandlung mit Amoxycillin sowie Kortikoiden bildeten sich die neurologischen Ausfälle im Laufe von 2 Monaten zurück. Ein halbes Jahr nach dem ersten Ereignis entwickelte die Patientin protrahiert binnen 3 Wochen eine rechtsseitige Hemiparese. Der Serum-Antikörpertiter gegen das O-Antigen Serovar I von L. m. war zwischenzeitlich auf I : 2.560, die Titer gegen die H-Antigene Serovar I und 4b auf I : 320 angestiegen. Die Patientin wurde zunächst mit Penizillin G für 10 Tage, danach für 6 Monate mit Doxycyelin behandelt. Hierunter bildete sich die Symptomatik zurück. 3 Jahre später hatte sich kein weiterer Krankheitsschub manifestiert; die Patientin war fast beschwerdefrei mit geringgradigen neurologischen Auffalligkeiten i. S. einer leichten Schwäche und Ungeschicklichkeit der rechten oberen Extremität. 3. Klinische Daten der behandelten Patienten Unter den 12 behandelten Patienten waren 6 Männer und 6 Frauen im Alter von 14 bis 77 Jahren (Mittelwert 50,9 J.; Median 57,5 J.). Der Anteil der Listeriose an der Gesamtzahl bakterieller ZNS-Erkrankungen betrug ca. 3 'X,. 8 der 12 Patienten erkrankten an einer Meningitis/Meningoenzephalitis, 2 an einer Hirnstammenzephalitis und je I an einer rezidivierenden Enzephalitis sowie einer Meningoenzephalitis mit infiziertem Hirninfarkt. Mit Ausnahme von Pat. 12 boten sämtliche Kranken bei Aufnahme oder im Verlauf der Erkrankung Bewußtseinsstörungen: 4 waren lediglich somnolent und/oder desorientiert, 7 komatös. Zu nukleären Hirnnervenausfällen im Sinne einer Hirnstammaffektion kam es bei 4 Patienten, ebenfalls 4 Patienten entwickelten eine Tetraparese, 7 eine Hemiparese. 2 Patienten mit Meningoenzephalitis erlitten im Verlauf der Erkrankung Krampfanfälle, bei 5 Patienten waren Myoklonien zu beobachten. Bis auf Pat. 12 hatten alle eine erhöhte Körpertemperatur bei der stationären Aufnahme. Kein Patient verstarb in der akuten Krankheitsphase, dagegen erlagen 4 Patienten komplizierenden Erkrankungen innerhalb der ersten 6 Monate. Die 8 Überlebenden blieben ohne schwerwiegende neurologische Residualsymptome. Eine zusammenfassende Darstellung aller Fälle gibt Tab. I. 4. Literaturübersicht und Diskussion der eigenen Befunde

4.1 Mikrohiologie Listerien sind kleine, grampositive, aerobe, fakultativ anaerobe plumpe Stäbchen (0,5 x I-211m), welche keine Sporen bilden und peritrich begeißclt sind. Sie haben eine charakteristische "taumelnde Motilität" (37) und wachsen in der Mehrzahl der üblichen Nährmedien, am besten in angereicherten Substratcn bei Temperaturen zwischen 2,5 und

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Zur Lisll'riose des Zl'l1lrallll'rl'l'nlys!el/ls

Pat

2

Klinische und paraklinische Befunde von 12 Patienten mit Neurolisteriose

Alter Vorerkrankungen Geschlecht

klinische Verlaufsform

Erregernachweis Blut Liquor

Antikörper (Serum)

Liquorparameter DifferentialZellzahl Zell bild pro 111

64, m

koronare Herzkrankheit

Meningoenzephalitis

+

+

0

800

77,w

Herzinsuffizienz ParkinsonSyndrom

Meningoenzephalitis

0

+

0

1333

Neurodermitis Bronchialasthma Alkoholabusus

Meningoenzephalitis

45% Granuloz. 41 % Lymphoz. 14% Monoz. lymphozy1är I granulozytär

intrathekaie IgGSynthese

Blutparameter LeukoDifferentialblutbild zyten pro 111

2557

0

19100

Linksverschiebung

563

0

9200

regelrecht

Gesamtprotein mglL

Behandlungs-Pat. ergebnis

...~ ::;.. ...

Hirnödem

geheilt

1

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oB

geheilt

2.

CTBefund

~

80%) bei 15- 20'% der Patienten, Lymphozytose (> 70% der Zellen) bei 25 - 35 % der Erkrank-

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416

ten (9, 36). Es findet sich also in etwa 50 '% der Fälle das für eine Listerien-Meningoenzephalitis klassische sog. "bunte Zellbild" (93), während in den übrigen Fällen neutrophile Granulozyten oder Lymphozyten vorherrschen. In unserem Krankengut war bei Pat. I, 2, 3 und 6 das "bunte" Iymphozytär-granulozytäre Mischbild und bei Pat. 4, 5, 7, 9 ein vorwiegend granulozytäres Differentialzellbild vorhanden. Aktivierte, immunglobulinproduzierende B-Lymphozyten im Liquor (121) wurden in allen 4 Fällen, in denen diese Untersuchung durchgeführt wurde, vorgefunden. Im Vergleich mit Meningokokken- und Pneumokokken-Meningitiden zeichnet sich die Listerien-Meningoenzephalitis durch eine in der Regel niedrigere LiquorzeIlzahl aus; das initiale Differentialzellbild ist auch weniger häufig rein granulozytär. Ursache der häufigen Diskrepanz zwischen Liquorzellzahl und schwerstem klinischen Bild könnte die Tatsache sein, daß die Listerien-"Meningitis" sich selten auf Hirnhäute und Subarachnoidalraum beschränkt, sondern meist von Beginn an als Meningoenzephalitis verläuft. Ebenfalls eine große Schwankungsbreite weisen die Liquor-Proteinwerte auf: 250 bis über 10.000 mg/I (9, 36, 77). Die bei unseren Patienten erhobenen Befunde zeigten eine entsprechend breite Streuung. Die Liquorproteinerhöhung war oft ausgeprägter als bei Meningitiden anderer Erreger mit vergleichbarer Liquorzellzahl. Weder die Liquorzellzahl noch das DifferentialzeIlbild sollen mit der Prognose korreliert sein (36, 77). Dagegen scheinen Patienten mit hohem Liquoreiweiß eine schlechtere Prognose zu haben (77). In unserer Serie verstarben alle 4 Patienten mit einem Liquoreiweiß über 3.000 mg/I. Eine nur lockere Beziehung scheint zwischen niedriger Liquorglukose bzw. niedrigem Liquor/B1utglukose-Verhältnis und ungünstigem Krankheitsverlaufzu bestehen (36, 64, 77). Die durch Listerien verursachte HirnstammEnzephalitis bietet bei der Erstpunktion ebenfalls eine große Variabilität an Liquorbefunden: bei 16 gut dokumentierten Fällen, unsere beiden eigenen eingeschlossen, lag die Liquorleukozytenzahl zwischen I und 980 Zellen/mm 3. Im DifferentialzeIlbild fanden sich entweder Iymphozytäre (30, 31a; Pat. 8), granulozytäre (66, 117; Pat. 11) oder "bunte" ZeIlbilder (19). Das Liquoreiweiß lag zwischen 250 mg/I und 9.400 mg/I. Eine prognostische Bedeutung von Liquorzellzahl, -eiweiß und -glukose bei der Erstpunktion war nicht erkennbar (118). DifTerentialdiagnostisch bedeutsam ist, daß bei 4 Patienten die Liquorleukozytenzahl zu Beginn der Erkrankung normal und das Liquoreiweiß entweder normal oder nur geringfügig erhöht war. Neuzeitige Verfahren der Liquordiagnostik wie der Nachweis von aktivierten B-Lymphozyten (121) und die Liquorlaktatbestimmung (57) könnten sich bei der frühzeitigen Diagnose einer Enzephalitis ohne Erhöhung der Liquorleukozytenzahl als hilfreich erweisen. Beim durch L. m. verursachten Hirnabszeß fand sich in allen bisher beschriebenen Fällen eine Erhöhung des Liquoreiweißes von im Mittel 1.800 mg/I sowie in 7 von 9 Fällen eine Pleozytose von 22-2.300 Leukozyten/mm 3; in 2 Fällen war die Liquorzellzahl normal. Im DifTerentialzellbild zeigte sich bei 5 Patienten ein Überwiegen neutrophiler Gra-

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nulozyten, in einem Fall ein "buntes" Zellbild mit 30% Granulozyten (17). Im Krankheitsverlauf kommt liquordiagnostischen Verlaufsuntersuchungen entscheidende Bedeutung zu: sie sollten am 3. Behandlungstag und dann zunächst in dreitägigen, später in größeren Abständen stattfinden (87). Ein initialer kurzer Anstieg der Liquorleukozytenzahl auch unter suffizienter antibiotischer Behandlung (wie bei Pat. I, 6, 8) kann auftreten. Bedingt durch ihren schweren Immundefekt reagierte unsere Pat. 3 erst unter antibiotischer Therapie mit einem langsamen Steigen der Liquorleukozyten von 193/mm 3 auf 1.002/mm 3 am 9. Behandlungstag. Unter angemessener antibiotischer Therapie bei funktionsfähigem zellulären Immunsystem fällt die Liquorleukozytenzahl kontinuierlich ab und erreicht nach 3 Wochen bis mehreren Monaten Werte unter 30/mm 3. Kommt es zu einem Wiederansteigen unter antibiotischer Therapie, ist die Medikation zu erweitern oder umzustellen. In unkomplizierten Fällen heilt eine ZNS-Listeriose als Ausdruck der an ihrer Überwindung hauptsächlich beteiligten zellulären Immunmechanismen ohne nachweisbare intrathekale Immunglobulin-Synthese (90) ab (Pat. I, 2, 6, 7, 8, 9, 10, 11). Unsere Pat. 3 mit langandauerndem Krankheitsverlauf und offenbar gestörter zellulärer Immunreaktion bot eine de-novo-Synthese von IgM, IgG und IgA im ZNS (Abb. 2) und eine intrathekale Antikörperproduktion gegen das O-Antigen von Listeria Serovar 4b (AK-Titer-Liquor/lgG-Liquor x IgG-Serum/AK-Titer-Serum = 4,2). Unsere Pat. 12 mit chronisch-rezidivierender Enzephalitis entwickelte eine intrathekale Synthese von IgM und IgG. Der Nachweis einer intrathekalen Immunglobulinsynthese deutet somit auf einen protrahierten Krankheitsverlauf hin. Die für die Diagnose und die Verlaufsbeurteilung einer Listerien-Infektion des ZNS nützlichen Untersuchungen sind in Tab. 2 aufgeführt.

4.8 Differentialdiagnose Eine für die Listeriose typische Konstellation klinischer Symptome und Blutparameter gibt es nicht. CCT, MRI und elektrodiagnostische Verfahren ermöglichen die Lokalisation pathologisch veränderter zentralnervöser Strukturen, ergeben aber ebenfalls keine für die Listeriose pathognomonischen Befunde. Listerien-Meningitiden mit hoher Liquorleukozytenzahl und granulozytärem Zellbild sind - abgesehen vom Erregernachweis - klinisch nicht sicher von anderen akuten bakteriellen Meningitiden unterscheidbar (93~. Bei "buntem" DifTerentialzellbild, Zellzahlen um 100/mm und hohen Liquoreiweißwerten liegt eine Verwechslung mit der Meningitis tuberculosa sowie Pilz-Meningitiden nahe (3); ein weiteres gemeinsames Merkmal ist der klinische Befund mit herdneurologischen Ausfällen und Hirnnervenbeteiligung (100). Lymphozytär-granulozytäre Zellbilder findet man ebenfalls in der Initialphase von Virusmeningitiden und -enzephalitiden. Hier sind die Liquoreiweißwerte jedoch in der Regel nur geringfügig erhöht (96). Bei ZNS-Listeriosen kommen mitunter auch rein Iymphozytäre Zellbilder mit niedrigen Eiweißwerten vor, so daß bei Liquorbefunden, die eher für virale und

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Zur Listeriose des Zentralnervensystems

Fortsc!lr. Neurol. Psyc!liat. 58 (1990) Tab. 2

R. Nau. V. Sc!luc!umlt, 11. W. Prange

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Diagnose der ZNS-Listeriose

Neurologische Untersuchung Blutkulturen Liquoruntersuchung Leukozyten-, Erythrozytenzahl, Eiweißgehalt Differential-Zellbild Gramfärbung des Sediments Liquorkultur Liquorlaktat Liquor/Serum-Quotient für Glukose Untersuchungen auf intrathekale Immunglobulinsynthese (immunglobulinproduzierende B-Lymphozyten) kraniale Computertomographie nativ und mit Kontrastmittel (KM) wiederholte Antikörper-Titer-Bestimmungen in Serum und Liquor bei klinischem Verdacht ohne Erregernachweis (Kernspintomographie (MRI)) (EEG, evozierte Potentiale, EMG) Die eingeklammerten Untersuchungsverfahren sind für dieDiagnose und Überwachung der Therapie nützlich, jedoch nicht obligatorisch.

parainfektiöse ZNS-Erkrankungen typisch sind, erstgenanntes Leiden in Betracht gezogen werden muß. Nützlich für die differentialdiagnostische Abgrenzung der akuten ZNS-Listeriose von viralen Entzündungen sind Liquor-Laktat-Bestimmungen: bei Pat. I, 2, 3, 9 und 10 fanden sich, wie für bakterielle Meningitiden beschrieben, Werte über 3,5 mmol/I (bei viralen entzündlichen ZNS-Prozessen herrschen normale oder gering erhöhte Laktatwerte unter 3,5 mmol/I vor; 57). Bei chronisch-rezidivierenden Listeriosen versagt dieses Kriterium jedoch möglicherweise: Pat. 12 hatte eine normale Liquor-Laktat-Konzentration. Der Liquor-Glukose-Spiegel ist nur im Vergleich mit dem Blutzucker verwertbar (96). Unsere Pat. 5 und 6 wiesen mit 0,41 bzw. mit 0,31 deutlich erniedrigte Liquor/Serum-Quotienten für Glukose auf. Bei Pat. 8 mit HirnstammEnzephalitis war dieser Quotient hingegen normal. Besondere differentialdiagnostische Schwierigkeiten bietet die Listerien-Hirnstamm-Enzephalitis, wenn sie mit initial nicht entzündlich verändertem Liquor einhergeht und sich von einem ischämischen Hirnstamminfarkt lediglich durch einen vorausgehenden "banalen Infekt" bzw. begleitendes Fieber unterscheidet (11). Frühzeitiges In-Betracht-Ziehen einer Listeriose und probatorische antibiotische Behandlung kann hier für den Kranken lebensrettend sein. Die wenigen beschriebenen Fälle von chronischer Listeriose des ZNS (38,101,123; Pat. 12) ergeben kein einheitliches Krankheitsbild. Möglicherweise wird L. m. als Verursacher chronischer ZNS-Leiden unterschätzt, da nicht immer gezielt nach diesem Erreger gefahndet wird. Entscheidend für die Verifizierung einer ZNSListeriose ist der Erregernachweis, der durch Blut- und Liquorkulturen anzustreben ist. Gelingt dies nicht, kann die Diagnose über Antikörper-Titerbewegungen in Serum oder Liquor gestellt werden. Einzeltiter ohne Verlaufskontrollen sind diesbezüglich jedoch wertlos (34, 37, 103). Laborverfahren

Tab.3

Therapie der ZNS-Listeriose

1.

Therapie der 1. Wahl Ampicillin oder Amoxycillin 6-10 g/d i. v. in 3-4 Einzelgaben über mindestens 3 Wochen + Gentamicin 3 x 80 mg bzw. nach Serumspiegel als I. v. Kurzinfusion über 7-14 Tage

2.

Therapiealternativen Chloramphenicol 4 g/d i. v. in 4 Einzelgaben, evtl. mit Gentamicin kombiniert Co-Trimoxazol 1.600 mg Sulfamethoxazol + 320 mg Trimethroprim/d in 2 Einzelgaben als i.v. Kurzinfusion Erythromycin 1 (-2) g/d i. v. in 4 Einzelgaben Doxycyclin 200 mg initial i. v., 100 (-200) mg/d als Einmalgabe

zum Nachweis des listerienspezifischen IgM hefinden sich derzeit in der Erprobung.

4.9 Therapie und Prognose Für die Behandlung der Listeriose des ZNS wurden Penizillin G (40, 70), Ampicillin (59), die Komhination Ampicillin mit Gentamicin (26, 72), Tetracycline (12.34), Erythromycin (40) sowie eine Kombination von Chloramphcnicol und Gentamicin (9) als Antibiotika der Wahl empfohlen. Ferner erprobte man Co-Trimoxazol (46, (4) sowie eine Komhination von Cefalotin und Trimethoprim (55) erfolgreich. Kontrollierte Therapiestudien fehlen hislang. In einer retrospektiven Analyse der Literatur von 1968 bis 1978 zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Prognose zwischen den mit Penizillin G und den mit Ampicillin hehandelten Patienten; für eine Beurteilung der Therapie mit anderen Antihiotika lagen die Fallzahlen zu niedrig (77). Üher primäre Therapieversager wurde hei Behandlungen mit Cefazolin (63) und Chloramphenicol (1l3) sowie mit Ampicillin (89) herichtet. Die meisten Listerienstiimme hesitzen eine ähnliche In-vitro-Empfindlichkeit auf die genannten i\ntihiotika. Von den Penizillinen hat Ampicillin auf Gewichtshasis die stärkste antibakterielle Aktivität, gefolgt von Penizillin G. Die Acylaminopenizilline sind etwas weniger wirksam (25, 67a). Amoxycillin entspricht in seiner In-vitro-Aktivität dem Ampicillin (107). Die in vivo erreichten Antihiotikaspiegel von Penizillinen haben auf Listerien in der Regel nur eine hakteriostatische Wirkung, da die minimalen hakteriziden Konzentrationen z. B. für Ampicillin um den Faktor 30-40 über den minimalen Hemmkonzentrationen liegen (67a). Weitere in vitro gut wirksame i\ntibiotika sind Co-TrimoxazoL Erythromycin, Doxycyclin, Tetracyclin. Rifampicin und Chloramphenicol (25, 26a. 67a). Wiihrend Listerien auf Cephalosporine der Cefazolin-Cefalotin-Gruppe noch mäßig empfindlich sind. sind sie in der Regel gegen neuere Cephalosporine wie Cefoxitin, Cefuroxim, Ccfotaxim (26a. 67a) und Ceftriaxon (26a, eigene Beohachtungen) resi-

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Fortsehr. Neuro/. Psychiat. 58 (/990)

Zur Listeriose des ZentralneTl'ensystems

Gentamiein wies meistens eine gute In-vitroWirksamkeit gegen Listerien auf (26. 26a. 72). Die minimalen Hemmkonzentrationen und minimalen bakteriziden Konzentrationen lagen eng zusammen. so daß bei empfindlichen Stämmen in vivo bakterizide Konzentrationen erreicht werden können (67a, 72). Kombinationen von Penizillinen und Aminoglykosiden erzeugen in vitro einen synergistischen, die Bakterizidie verstärkenden Effekt (26, 26a. 72). Er trat bereits bei Konzentrationen von Gentamiein auf, die allein noch keine Hemmung des Listerienwachstums bewirkten (25). Der Synergismus wird dadurch erklärt, daß Penizilline durch Hemmung der Zellwandsynthese die Aminoglykosid-Einschleusung in die Bakterienzelle verbessern (72); er wurde im Tierversueh bestätigt (22). Bei kritischer Wertung der vorliegenden Untersuchungsergebnisse ist Ampicillin bzw. Amoxycillin in Kombination mit Gentamiein die Therapie der Wahl bei Listerien-Infektionen. Bei immunkompetenten Personen scheint das Aminopenizillin allein auszureichen. Im Falle einer Penizillin-Allergie, einer primären Ampicillin-Resistenz oder eines Anstiegs der Liquorzellzahl und Verschlechterung des klinischen Bildes unter Behandlung mit den Antibiotika der I. Wahl können die gut liquorgängigen Substanzen Chloramphenicol und Co-Trimoxazol, als Mittel der ferneren Wahl Erythromycin und Tetracycline eingesetzt werden (Tab. 3). Listerien-Infektionen des ZNS erfordern in der Regel eine intensivmedizinische Behandlung (100): BeHerdsymptome und wußtseinstrübung, neurologische Krampfanfälle sind wesentlich häufiger als bei anderen bakteriellen Meningitiden. In mehr als 50'% der Fälle ist vorübergehend eine Beatmung nötig (9, 36; g von 12 Patienten unseres Kollektivs). Multiple Organbeteiligungen als Folge der begleitenden Septikämie und der häufigen Vorschäden (z. B. akutes Nierenversagen) sind ebenfalls nicht selten. Angesichts der Rezidivgefahr ist mindestens eine 3wöchige Behandlungsdauer zu empfehlen. Bei Verdacht auf eine noch nicht vollständige Ausheilung sollte eine mehrwöchige Behandlung mit einem liquorgängigen, nach Resistenztestung wirksamen Antibiotikum angeschlossen werden. Die Gesamtletalitiit der Listerien-Meningitis/Meningoenzephalitis beträgt seit Einführung wirksamer Antibiotika etwa 30'% (37, 77); unbehandelt erreichte sie nahezu 80 '% (51). Bei Personen mit einer malignen Grundkrankheit steigt die Sterblichkeit bis auf 60 'X, an. Immunsupprimierte ohne maligne Grundkrankheit kommen zu ca. 30'% ad exiturn. Bei Personen ohne schwerere Vorerkrankungen liegt die Letalität bei 10-15 '% (77). Das Sterblichkeitsrisiko der Alkoholiker scheint mit etwa 20'% nicht wesentlich über dem von zuvor Gesunden zu liegen (77). Die Letalität der Hirnstamm-Enzephalitis ist mit etwa 60 '% besonders hoch ( 11, 118). Ein Zusammenhang zwischen Grundkrankheit und Prognose war hier nicht eindeutig. Ein Grund für die hohe Letalität war oft die zu späte Krankheitserkennung und Antibiotikagabe. Die beiden Pa-

tienten unserer Serie überlebten nach frühzeitiger antibiotischer Behandlung mit fehlenden bzw. geringfügigen neurologischen Residualsymptomen. Eine Verbesserung der Gesamtprognose dürfte vor allem durch früheren Beginn einer gezielten antibiotischen Therapie erreicht werden. Angesichts der relativen Häufigkeit von ZNS-Listeriosen bei Immunsupprimierten, Alkoholikern und Patienten mit malignen Grundkrankheiten sollte zumindest bei diesen Gruppen in der ungezielten MeningitisTherapie vor Erregernachweis und bei unklarer Hirnstammsymptomatik ein gegen Listerien gut wirksames Antibiotikum gegeben werden.

5. Offene Fragen Angesichts des ubiquitären Vorkommens von Listerien ist für eine wirkungsvolle Prävention die Klärung der Umstände nötig, unter denen Personen ohne offensichtliche Beeinträchtigung des Immunsystems an einer ZNS-Listeriose erkranken. Ebenfalls ungeklärt ist, ob die klinische Symptomatik teilweise durch Autoimmunphänomene hervorgerufen wird, etwa wie für Mykoplasmeninfektionen beschrieben (29). Hierfür sprächen möglicherweise Hirnstamm-Enzephalitiden ohne Liquorpleozytose sowie die Polyneuritis bei unserer Pat. 9. Diese Fragenkomplexe könnten durch verbesserte Möglichkeiten, den Immunstatus von Erkrankten zu charakterisieren, beantwortet werden.

Nachtrag Aufgrund tierexperimenteller Befunde und der guten Penetration in Leukozyten wird aus mikrobiologischer Sicht zur Therapie der ZNS-Listeriose Rifampicin empfohlen (H. Hof, persönliche Mitteilung). Für die Anwendung in der klinischen Routine liegen aber z. Z. keine ausreichenden Erfahrungen vor.

Literatur Aa. R. von der: Zur Listeriose bei Tier und Mensch. Mh. Vet. Med. 18(1963)133-137 2 Asheck, 8. S. l'lIn. H. A. Verhrugh. B. A. 1'11/1 Oost, 1. J. M. Mar:

[Listeriosis of the central nervous system].

Listeriosis of the CNS is an inflammatory disease of the central nervous system that occurs mostly sporadically or occasionally as a limited epidemic...
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