Pro und Kontra Nervenarzt 2014 · 85:478–479 DOI 10.1007/s00115-013-3974-6 Online publiziert: 4. April 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

K. Schmidtke1, 2 1 Abteilung Neurogeriatrie, Ortenau Klinikum Offenburg-Gengenbach, Offenburg 2 Rehabilitationsklinik Klausenbach, Nordrach

Lumbalpunktion in   der Demenzabklärung:   Die Liquorpunktion   ist unentbehrlich. Kontra Zur Beurteilung einer apparativen Zusatzdiagnostik müssen der zusätzliche diagnostische Nutzen, therapeutische Konsequenzen, Nebenwirkungen und Kosten in Betracht gezogen werden. Zwar sind die Risiken einer Liquorpunktion (LP) zur Demenzabklärung gering, Schmerzen bei und nach der Punktion sowie Aufwand und Kosten für neurochemische und immunologische Laboranalysen sind aber nicht vernachlässigenswert. Auf der Pro-Seite steht die eventuelle Aufdeckung oder Bestätigung symptomatischer Demenzursachen und die Unterstützung der Diagnose einer AlzheimerDemenz (AD) oder Creutzfeldt-JakobKrankheit (CJD). Für andere degenerative Demenzerkrankungen existieren aber keine etablierten neurochemischen Untersuchungsverfahren.

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Die Spezifität der LP in der Abgrenzung wichtiger Differenzialdiagnosen ist gering Der positive und negative prädiktive Wert der Liquoranalytik speziell in Hinblick auf die AD ist vergleichbar mit dem einer allein klinischen plus CCT (kranielle Computertomographie)/MRT (Magnetresonanztomographie)-Diagnostik. Entscheidend ist nicht die Frage, ob eine LP eine AD wahrscheinlich machen kann. Dies wurde in vielen Studien nachgewiesen, die AD-Kollektive mit Kontrollgruppen verglichen. Entscheidend ist vielmehr

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der Zusatznutzen einer LP in der Differenzialdiagnose zwischen AD und anderen Demenzen sowie bei der Diagnostik schwieriger und atypischer Fälle, und zwar im Einzelfall. Genau hierfür ist die Datenbasis jedoch schmal. Eine LP kann eine AD wahrscheinlich machen, wenn sie vorliegt, die Spezifität in der Abgrenzung gegen wichtige Differenzialdiagnosen wie Lewy-Körperchen-Demenz und frontotemporale Demenz ist jedoch gering [2]. Je höher das Lebensalter, desto größer auch der Anteil der Personen mit AD-typischen histopathologischen Veränderungen und AD-typischer Neurochemie, ohne dass eine AD vorliegt oder kurz bevorsteht. Die Treffsicherheit der Liquoranalytik ist – wie bei jedem Verfahren – in der klinischen Routine zudem geringer als unter Studienbedingungen, da die Patienten hier unausgelesen und die Methoden nicht streng standardisiert sind. Nicht selten sind Amyloidund Tau-Werte zueinander oder zu klinischen und positronenemissionstomographischen (PET-)Befunden nicht konsistent. Es muss also eine nicht geringe Rate von falschen oder inkonklusiven Befunden, mit den hieraus resultierenden Konsequenzen, in Rechnung gestellt werden. Eine LP kann die Verdachtsdiagnose eines Vorstadiums der AD bei leichter kognitiver Störung (MCI) unterstützen [1], jedoch bleibt die therapeutische Konsequenz gering, da für degenerative Demenzerkrankungen keine kausale Therapie existiert. Darüber sollten Patienten

und Angehörige vor einer LP ausdrücklich informiert werden. Es besteht die gleiche ethische Problematik einer Frühdiagnostik ohne Heilungschance wie bei anderen Erkrankungen, z. B. manchen Karzinomen. Wenn bei MCI im Liquor eine Amyloid- und Tau-Konstellation nachgewiesen wird, die für AD typisch ist, bleibt die Zeitspanne bis zur Konversion zur Demenz ungewiss. Wenn schon eine manifeste Demenz vorliegt, kann sich nach einer LP die Waage hin zu einer Behandlung mit AD-Medikamenten neigen, falls zuvor keine fundierte Verdachtsdiagnose möglich war. Manche Patienten wünschen eine weitgehende Diagnostik; in solchen Fällen ist wenig gegen eine LP einzuwenden, wenn die begrenzte Aussagefähigkeit ausreichend dargelegt wird. Wichtige Konsequenzen können sich ergeben, wenn eine symptomatische Demenz festgestellt wird, insbesondere bei infektiösen und autoimmunen Prozessen. Zerebrale Lues, Neuroborreliose, meningeale Tumoraussaat, zerebrale Vaskulitis, Autoimmunenzephalopathien und CJD geraten in der Regel durch Befunde aus Klinik, Bildgebung, Elektroenzephalographie und peripherem Labor ins Visier. Diese Erkrankungen erfordern stets eine LP zur Bestätigung oder näheren Diagnostik. Symptomatische Demenzformen, die ganz ohne andere Hinweise aus Klinik, Bildgebung und Labor ablaufen, und die allein durch eine LP aufgedeckt werden, sind dagegen sicher selten. Sie rechtfertigen eine routinemäßige LP, vor allem

bei älteren Patienten, nicht. Genaue Daten hierzu existieren nicht. Zusammenfassend ist eine LP in der Demenzdiagnostik eher nicht indiziert, wenn Klinik und noninvasive Verfahren keinerlei Hinweise auf eine nichtdegenerative Ursache geben. Dabei muss die Messlatte hoch gesetzt werden, d. h. die Mittel der konservativen Diagnostik müssen ausgeschöpft werden (klinische und neuropsychologische Untersuchung, strukturelle Bildgebung). Die LP darf kein Ersatz für eine ungenaue Diagnostik mit anderen Methoden sein. Sie ist notwendig, wenn unklare Lues- und Borrelientiter, unklare Befunde der Bildgebung, niedriges Alter oder klinische Symptome vorliegen, die nicht in allen Teilen zu einer der häufigen degenerativen Erkrankungen passen (AD, frontotemporale Demenz und Lewy-Körperchen-Demenz). Die Bestimmung kostenintensiver immunologischer und serologischer Liquorparameter ist nur sinnvoll, wenn eine Pleozytose, oligoklonale Banden oder eine hinweisende Klinik vorliegen.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. K. Schmidtke Abteilung Neurogeriatrie, Ortenau Klinikum Offenburg-Gengenbach Ebertplatz 12, 77654 Offenburg [email protected]

Interessenkonflikt.  K. Schmidtke geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur 1. Vos SJ, Rossum IA van, Verhey F et al (2013) Prediction of Alzheimer disease in subjects with amnestic and nonamnestic MCI. Neurology 80:1124– 1132 2. Schoonenboom NS, Reesink FE, Verwey NA et al (2012) Cerebrospinal fluid markers for differential dementia diagnosis in a large memory clinic   cohort. Neurology 78:47–54

[Lumbar puncture for diagnosis of dementia: liquor puncture is indispensable. Against].

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