Aktuelle Diagnostik & Therapie | Review article

Mesenteriale Durchblutungsstörungen: Diagnostik und Therapie Management of mesenteric ischemia and mesenteric vein thrombosis

Autoren

M. Hoffmann1 T. Keck1

Institut

1 Klinik für Allgemeine Chirurgie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Angiologie, Viszeralmedizin

Einleitung ▼

Aktuelle Diagnostik & Therapie | Review article

Schlüsselwörter mesenteriale Ischämie akutes Abdomen arterielle Thrombose Mesenterialvenenthrombose nicht-okklusive Durchblutungsstörung

q q q q q

Keywords acute mesenteric ischemia arterial thrombosis thrombosis of superior mesenteric vein non-occlusive disease

q q q q

eingereicht 22.12.2013 akzeptiert 22.05.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1370157 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 : 1540–1544 · © Georg 0 Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Prof. Dr. med. Tobias Keck Universitätsklinikum SchleswigHolstein, Campus Lübeck Klinik für Allgemeine Chirurgie Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck Tel. 0451/500-2001 Fax 0451/500-5116 eMail [email protected]

Dem klinischem Bild der akuten mesenterialen Durchblutungsstörung liegen verschiedene Ursachen zugrunde, die ähnliche Symptome hervorrufen: 3 die akute arterielle Embolie oder Thrombose 3 die Mesenterialvenenthrombose und 3 die nicht-okklusive mesenteriale Durchblutungsstörung (NOMI). Am häufigsten ist die arterielle Embolie mit 40 %, gefolgt von der arteriellen Thrombose (30 %). Die non-okklusive Ischämie und die venöse Thrombose haben eine Inzidenz von jeweils etwa 15 % [18, 21]. Während eine mesenteriale Durchblutungsstörung bei jüngeren Patienten nur äußerst selten auftritt, ist sie bei über 70-jährigen Patienten in ungefähr 10 % der Fälle die Ursache eines akuten Abdomens [9, 21]. Als Risikofaktoren wurden durch verschiedene Arbeitsgruppen Vorhofflimmern, periphere arterielle Verschlusskrankheit, kardiales Pumpversagen, koronare Herzkrankheit und arterielle Hypertonie nachgewiesen [9, 21]. Die Letalität der Erkrankung hat sich in den vergangenen 40 Jahren nur wenig verändert und liegt zwischen 67 und 90 % – am niedrigsten bei venöser Thrombose. Am höchsten ist die Sterblichkeit bei der nicht-okklusiven Form der mesenterialen Ischämie, da häufig kausale Therapieansätze fehlen und kardiale Erkrankungen in vielen Fällen zusätzlich die Prognose verschlechtern [20]. Sie manifestiert sich als Folge von Begleiterkrankungen (Herz, Schock, Niere, Arteriosklerose, Diabetes, Sepsis, Dehydratation, Medikamenteneinnahme) [20] und entsteht durch die verminderten Perfusion der Mesenterialgefäße oder eine sekundäre mesenteriale Vasokonstriktion bei Niedrigflusssystems. Die Diagnose

darf erst nach Ausschluss anderer Ursachen einer mesenterialen Ischämie gestellt werden. Hauptgrund für die unverändert hohe Letalität ist weiterhin die verzögerte Therapie der akuten intestinalen Durchblutungsstörung. Zwischen dem Auftreten eines akuten Abdomens und einer operativen oder interventionellen Therapie liegen meist mehr als 10 Stunden [17]. Bereits nach 6 Stunden warmer Ischämie kommt es jedoch zu irreversiblen Mukosaschäden und in der Folge auch zur Schädigung der Darmwand. Die Letalität steigt ab diesem Zeitpunkt exponenziell an [6]. Sie beträgt bei einer Ischämiezeit von 1 – 6 Stunden seit Symptombeginn etwa 10 %, bei 6– 12 Stunden 50–60 % und ab einer Ischämiezeit von 24 Stunden 80–100 % [6]. Eine Schädigung der Mukosa tritt bei Verminderung der arteriellen Perfusion um 50 % auf, eine Reduktion des Flusses um 80 % führt zur Nekrose der Darmwand [11].

kurzgefasst Die mesenteriale Ischämie verläuft unbehandelt letal. Bereits nach 6 Stunden bestehen irreversible Mukosaschäden mit dem Risiko der Darmwandperforation.

Diagnostik ▼ Klinische Untersuchung Die klinischen Zeichen der mesenterialen Ischämie sind relativ unspezifisch. 90 % der Patienten weisen akut aufgetretene abdominelle Schmerzen mit dem klinischen Bild eines akuten Abdomens auf. Etwa 47 % der Patienten leiden unter Erbrechen [1]. Weitere in 13–20 % der Fälle auftretende Beschwerden sind: Diarrhoe, Meteorismus, Schock, Hämatochezie und Fieber [1]. In der Literatur [16] wird darüber hinaus häufig die

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Abb. 1 Abgangsnaher Thrombus der Arteria mesenterica superior.

Tab. 1

Abfolge klinischer Parameter über 12 Stunden. Initialphase

Intervall

Spätphase

0 – 6 h

7–12 h

> 12 h

Schmerz

+ + +

+

+ +

Ileus

kein

+

+ + +

Peritonismus

kein

+

+ + +

Allgemeinzustand

unverändert

––

–––

Paraklinische Laborparameter Die akute mesenteriale Durchblutungsstörung ist nahezu obligat mit einer ausgeprägten Leukozytose vergesellschaftet. Die Werte für die Leukozyten steigen im Verlauf der unbehandelten Durchblutungsstörung stetig weiter an [14, 15]. Vielfach wird ein erhöhtes Serum-Laktat oder eine Erhöhung des Laktats auf über 6 mmol/l nach über 12 Stunden der Minderperfusion als Beleg für eine Zirkulationsstörung im Gastrointestinaltrakt genannt. Metaanalysen ergaben jedoch, dass das körpereigene LLaktat nur ein Parameter unter vielen ist, die sich im Rahmen der Ischämie verändern können. Es ist somit für die alleinige Diagnose der mesenterialen Ischämie ungeeignet und kann einen klinischen Verdacht nur erhärten [8, 10]. Neuere Untersuchungen konnten eine Sensitivität von 80 % und eine Spezifität von 40 % für das durch Bakterien produzierte DLaktat nachweisen [2]. Neueste Marker mit hoher Sensitivität und Spezifität wurden aus Mukosazellen isoliert. Diese stellen die „letzte Wiese“ bei der arteriellen Perfusion dar und sprechen somit schnell auf akute Veränderungen der Durchblutungssituation an. Für das „intestinal fatty acid binding protein“ (IFABP) wurde eine Sensitivität und Spezifität von 90 % nachgewiesen. Ein weiterer Parameter, die α-Glutathion-S-Transferase, besitzt eine Sensitivität/Spezifität von 70 und 85 % [5, 13]. Letztlich sind

diese Parameter aber außerhalb von Studien noch nicht ausreichend evaluiert und bis dato nicht in die klinische Routine der Krankenhauslabore eingegangen.

Bildgebende Diagnostik Im Rahmen der Abklärung der mesenterialen Durchblutungsstörung kommen die Sonographie, das konventionelle Röntgen des Abdomens, die Mesenterikographie und das DünnschichtCT des Abdomens zum Einsatz. Als Goldstandard in der Diagnostik muss die Dünnschicht-CT-Angiographie mit 3D-Rekonstruktion der Gefäße angesehen werden. Diese hat im Vergleich zur Mesenterikographie den Vorteil, dass neben der genauen Beschreibung der Ausdehnung des Infarktes auch weitere potenzielle Ursachen des akuten Abdomens mit untersucht werden können. Für die Dünnschicht-CT-Angiographie des Abdomens mit arterieller und venöser Phase wurde eine Sensitivität/Spezifität von 93 bzw. 100 % nachgewiesen. Der positive prädiktive Wert betrug 94 %, der negative prädiktive Wert betrug 100 % [3, 4]. Die q Abb. 1 zeigt einen abgangsnahen Thrombus der Arteria mesenterica superior, in q Abb. 2 wird das röntgenologische Bild einer Pneumatosis intestinalis bedingt durch den Zusammenbruch der Mukosabarriere dargestellt. Hierbei handelt es sich um einen deutlich fortgeschrittenen Befund. Eine Pneumatosis intestinalis ist als Signum mali ominis zu bezeichnen. q Abb. 3 gibt den diagnostische Algorithmus und das therapeutische Vorgehen in der eigenen Klinik wieder.

kurzgefasst Klinisch besteht häufig ein akutes Abdomen, gefolgt von einem schmerzfreien Intervall bis zum erneuten Auftreten stärkster Schmerzen, nahezu obligat begleitet von einer Leukozytose. Goldstandard der apparativen Diagnostik ist die CT-Angiographie des Abdomens. Labortests sind noch nicht ausreichend spezifisch und sensitiv.

Therapie ▼ Die Pathophysiologie des Darminfarktes ist gekennzeichnet durch die in q Abb. 4 dargestellten pathologischen Prozesse, die fließend ineinander übergehen und gleichzeitig auftreten können. Eine erfolgreiche Therapie muss somit einerseits aus der Wiederherstellung des möglichst ungehinderten Blutstroms bestehen. Andererseits müssen die systemischen Komplikationen der intestinalen Minderperfusion behandelt werden. Die Letalität

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 1540–1544 · M. Hoffmann u. T. Keck, Mesenteriale Durchblutungsstörungen: Diagnostik …

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Veränderung der Symptome abdomineller Schmerz, Ileussymptomatik, Peritonismus und Verschlechterung des Allgemeinzustandes im Laufe der Zeit als pathognomonisch für die Erkrankung dargestellt. q Tab. 1 zeigt die Entwicklung der unterschiedlichen Parameter über einen zeitlichen Verlauf von 12 Stunden. Insbesondere bei der Symptomatik eines akuten Schmerzes, gefolgt von einem relativ symptomarmen Intervall und dann einsetzenden massiven Schmerzen muss eine mesenteriale Durchblutungsstörung mit in die differentialdiagnostischen Überlegungen eingeschlossen werden.

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Abb. 2 Pneumatosis intestinalis nach Zusammenbruch der Mukosabarriere. Eine Pneumatosis intestinalis ist als Signum mali ominis zu bezeichnen.

Verdacht auf mesenteriale Ischämie

akutes Abdomen/Peritonitis

kein akutes Abdomen/keine Peritonitis

explorative Laparotomie

CT-Angiographie der mesenterialen Strombahn

Kurzdarmsyndrom bei durchgeführter Resektion

kein Kurzdarmsyndrom bei durchgeführter Resektion

keine Resektion

Resektion der betroffenen Darmanteile

zentraler Verschluss

peripherer Verschluss

NOMI

interventionelle Rekanalisation

Laparotomie und chirurgische Rekanalisation

interventionelle Rekanalisation

interventionelle Rekanalisation

KatheterEmbolektomie, ggf. Stent

Embolektomie

lokale Lyse, Vasodilatation

Vasodilatation (Fortsetzung auch post-OP nach Resektion)

Abb. 3 Diagnostischer Algorithmus bei der Behandlung der mesenterialen Durchblutungsstörung. NOMI = nicht-okklusive mesenteriale Ischämie

Arterielle Ischämie

Verminderung der Resorption

Peritonitis und Sepsis

Motilitätsverlust

bakterielle Translokation

Ileus

Permeabilitätsstörung

Schleimhautablösung

Blutung

Abb. 4 Pathophysiologie des Darminfarkts.

der Erkrankung hat sich über die vergangenen Jahrzehnte nicht signifikant verändert: Bei einer Symptomdauer von über 24 Stunden liegt sie weiterhin über 95 %. Zwischen 1977 und 2013 verminderte sie sich bei einer Ischämiedauer

[Management of mesenteric ischemia and mesenteric vein thrombosis].

Acute mesenteric ischemia is secondary to acute embolic disease or thrombosis of the superior mesenteric artery. Further pathologies that manifest the...
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