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Massenanfall von Verletzten / Erkrankten

Aktuelle Aspekte zur medizinischen Versorgung

Godo Savinsky • Markus Stuhr • Stefan Kappus • Stefan Trümpler • Stephan Wenderoth • Jan-Hauke Wohlers • Hans-Richard Paschen • Thoralf Kerner

Medizinische Konzepte und Strategien unterliegen einem steten Wandel – besonders in der Notfallmedizin. In den letzten 25 ­Jahren wurden deutschlandweit Leitende Notarztgruppen eingerichtet und im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2006 mobile ­Behandlungsplätze mit definierten Kapazitäten geschaffen [1]. Mittlerweile befinden sich in allen Bundesländern Einheiten der Medizinischen Task Force im Aufbau. In Zukunft werden sie ein fester Bestandteil der örtlichen Planungen für den Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten (MANV) sein. Dieser Artikel gibt einen Überblick aktueller Strukturen und neuer Entwicklungen.

Historie und Entwicklung in Hamburg

Tab. 1  LNA = leitender Notarzt; RTW = Rettungswagen.

Erste Leitende Notarztgruppe  Am 1. Septem­ ber 1985 wurde in Hamburg die erste Leitende Notarztgruppe (LNG) Deutschlands in Dienst ­gestellt [2]. Als fester Bestandteil der Führungs­ organisation der Feuerwehr ist der Leitende Notarzt (LNA) bis heute gemeinsam mit dem ­ Organisatorischen Leiter Rettungsdienst (OrgL) ­ verantwortlich für den Einsatzabschnitt Ret­ tungsdienst. Die Einsatzindikationen sind q Tab. 1 zu entnehmen. Die ­Indienststellung dieser LNG hatte in Hamburg eine längere Vorgeschichte und

Indikationen für die LNA-Alarmierung in Hamburg ▶▶ Schadensfälle mit > 6 Verletzten ▶▶ gesundheitliche Gefährdung einer großen Personenzahl ▶▶ in allen Notfällen – auch mit  2 arztbesetzten Rettungsmitteln ▶▶ vorsorglich in allen Notfällen, bei denen mit der ­gesundheitlichen Gefährdung einer großen Personenzahl gerechnet werden muss, z. B. Großbrände, Räu­ mung von Explosivstoffen oder Gefahrgütern in dicht besiedelten Gebieten und besonderen Polizeilagen etc. ▶▶ auf Anforderung des Havariekommandos zur Übernahme der Verletzten­ versorgung auf See in nationalen oder internationalen G ­ ewässern (Nord- und Ostsee) [4] ▶▶ rettungsdienstliche und notfallmedizinische Versorgung bei Infektionslagen (Einsatz des Infektions-RTW, z. B. bei viralen hämorrhagischen Fiebern) ▶▶ besondere Anforderung

beruhte v. a. auf der Erkenntnis, dass das damals gültige Konzept nicht allen notwendigen Aspek­ ten gerecht wurde (z. B. dem Barkassenunglück am 2. Oktober 1984, bei dem 19 Menschen ­starben).

Bisherige Versorgung bei Großunfällen Für Großunfälle wurden vor Indienststellung der ­ersten LNG unter dem Einsatzstichwort „Groß­ einsatz Sanitätsdienst“ innerhalb kürzester Zeit Rettungswagen bereitgestellt. Die ärztliche Ver­ sorgung am Schadensort richtete sich nach der Dienstanweisung „Ärztlicher Einsatz bei Groß­ unfällen und Katastrophen“ der Gesundheits­ behörde. Diese sah vor, dass die Rettungsleitstelle dem Unfallort benachbarte Krankenhäuser (ein Schwerpunktkrankenhaus und 2 „nachgeordnete“ Krankenhäuser) benannte, in welche die Patien­ ten zu bringen waren. Der diensthabende chirur­ gische Oberarzt des 1. nachgeordneten Kranken­ hauses wurde zum Ärztlichen Leiter am Schaden­ sort bestimmt. Die Beförderung dieses Arztes stellte die Polizei sicher. Zusätzlich waren aus dem 1. nachgeordneten Krankenhaus ein Anäs­ thesist sowie eine Anästhesiepflegekraft als „Schockbekämpfungsteam“ zu entsenden. Die Gesundheitsbehörde stellte an ihren Kranken­ ­ häusern einen „Katastrophenkoffer“ mit Material bereit. Keine zufriedenstellende Strukturen  Es erwies sich als problematisch, dass ein erfahrener ­chi­rurgischer Oberarzt aus der Klinik in einer der­ artigen Situation abgezogen wurde, der sich ­außerdem im präklinischen Umfeld meist nicht gut auskannte. Die Koordination und Umsetzung ärzt­licher Maßnahmen am Schadensort, beson­ ders die notärztliche Versorgung und zielgerich­ tete Einweisung der Unfallopfer in geeignete Krankenhäuser, verlief unbefriedigend [3]. Neuer Entwurf  In Kenntnis der Mängel hat ein Arbeitskreis der Landesärztekammer und der zuständigen Referate der Hamburger Gesund­ ­ heitsbehörde und der Hamburger Feuerwehr ein

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Behandlungsplätze für die Fußball-WM 2006 Neben der erfolgreichen Etablierung der LNG für die in q Tab. 1 aufgeführten Indikationen, hat die Feuerwehr Hamburg für die Fußballweltmeister­ schaft 2006 4 Behandlungsplätze (BHP) beschafft. Sie sind auf Gerätewagen Rettungsdienst (GWRD) verlastet und bestehen aus je 4 Zelten mit aufblas­ barem Gerüst und Sanitätsmaterial in Rollcontai­ nern. Die Zeltkapazität eines Behandlungsplatzes liegt bei ca. 50 Betroffenen (BHP 50), die Materi­ alvorhaltung soll für 250 Patienten ausreichen. Im Einsatzfall ist das sehr von der Verteilung der ­Betroffenen auf die Sichtungskategorien bzw. von der Art der Verletzungen / Erkrankungen abhän­ gig. Mit einem Gesamtumfang von bis zu 1000 Betroffenen wurden die Vorgaben des nationalen Sicherheitskonzepts FIFA WM 2006 [5] an die Spielorte erfüllt. Aufbau und Betrieb dieser ­Behandlungsplätze wurde und wird regelmäßig geübt, auch wenn sie in ihrer geplanten Funktion bisher nie zum Einsatz kamen. Umwidmung der Funktion Überlegungen ­ amen auf, mit dem lokalen Material des Behand­ k lungsplatzes eine Lücke zwischen den Möglich­ keiten des Regelrettungsdienstes und den Ein­ heiten des Bundes zur überörtlichen Hilfe zu schließen. Sie beruhen auf ▶▶ Erfahrungen aus dem Rettungsdienstalltag, ▶▶dem Zeit- und Personalaufwand für den Auf­ bau und Betrieb der Behandlungsplätze und ▶▶dem bisher geringen Bedarf, die Komponente „Behandlungsplatz“ einzusetzen. Zelte, Medikamente und Sanitätsmaterial könn­ ten z. B. Patientenablagen zugute kommen, die sich spontan an bestimmten Orten bilden und die ohne zusätzlichen Transportaufwand zu versor­ gen sind. Zur Überarbeitung der bisherigen Vorgehens­ weise bei einem MANV führten ▶▶die Möglichkeiten, strukturierte Patienten­ ablagen einzurichten, ▶▶neuere Konzepte wie die Vorsichtung durch nicht ärztliches Rettungsdienstpersonal sowie ▶▶seit kurzem vorhandene Einheiten wie die Medizinische Task Force (MTF) mit ihrem ­ ­Behandlungsplatz und die Patiententransport­ züge (PTZ).

N Glossar Großschadensereignis

Ein Ereignis mit einer großen Zahl Betroffener, das mit den vorhandenen und einsetzbaren Ressourcen des Rettungsdienstes versorgt werden kann.

Massenanfall

Ein Ereignis mit einer so großen Zahl Betroffener, dass es mit den Ressourcen des Rettungsdienstbereichs nicht zu bewältigen ist.

Katastrophe

Ein über das Großschadensereignis hinausgehendes Ereignis mit einer Schädigung der Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen, das mit den Mitteln und Strukturen des Rettungsdienstes alleine nicht zu ­bewältigen ist.

Behandlungsplatz (BHP)

Eine Einrichtung mit vorgegebener Struktur, an der Betroffene nach Sichtung notfallmedizinisch versorgt werden und von wo aus sie in weiterführende Versor­ gungseinrichtungen transportiert werden. Die Zahl gibt die Anzahl der Patienten an, die in diesem BHP versorgt werden können, z. B. BHP 50. Begriffe aus dem Rettungs­

Einsatztaktiken im Wandel der Zeit

wesen [8].

Prioritäten beim MANV  Die Grundlage der ret­ tungsdienstlichen Versorgung in Deutschland ist der Regelrettungsdienst. Sein Ziel ist es, ein individualmedizinisches Versorgungsniveau zu ­ ­sichern. Ein MANV bedeutet immer ein Missverhältnis von erforderlichen zu verfügbaren Ressourcen des ­Rettungsdienstes.

Durch diese situative Überlastung ist ein zeit­ weiser Ausstieg aus der individualmedizinischen Versorgung unvermeidlich. Die Hauptanliegen der G ­ efahrenabwehr in solchen Situationen sind ▶▶die optimale Verteilung der vorhandenen Res­ sourcen, um die größtmögliche Effizienz in der Behandlung der Patienten zu erzielen, und ▶▶die schnellstmögliche Wiederherstellung der individualmedizinischen Betreuung [6].

Behandlungsplätze bei MANV-Einsätzen Die oben genannten Ziele und die einsatztaktischen Möglichkeiten, sie umzusetzen, orientierten sich in der Vergangenheit stets am aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie an Erfah­ rungswerten. Wichtige Eckpunkte sind hierbei der Transportstopp sowie die Einsatzeinheiten „Behandlungsplatz“. In vielen Regionen sind Letz­ tere unterschiedlich konzipiert, aber einsatztak­ tisch durchaus vergleichbar. Sie wurden in der Folge des Flugtagunglücks von Ramstein 1988 entwickelt und bildeten lange Zeit das Rückgrat vieler MANV-Einsatzkonzepte. Beim ICE-Unfall von Eschede 1998 wurden sie in weiten Teilen ­erfolgreich eingesetzt.

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neues Konzept für die rettungsdienstliche und medizinische Bewältigung von Großunfällen in Hamburg erarbeitet. Dieses wurde im „Plan für den ärzt­ lichen Einsatz bei Großunfällen und ­Katastrophen“ und in der „Dienstordnung für die Leitende Notarztgruppe“ festgeschrieben. Bei ih­ rer Gründung hatte die LNG 6 Mitglieder, heute sind es 15. Jeweils 2 sind nach einem festen Dienstplan für 24 h im Rufdienst. Seit 1985 haben sich in Hamburg die Versorgungsstrategien und Konzepte für einen MANV jedoch weiterentwi­ ckelt.

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N Entwurf einer Vorsichtungskarte

Vorsichtung durch nicht ärztliches ­Rettungsdienstpersonal Bewährtes Konzept  Bei einem MANV besteht ein initiales Missverhältnis von Patienten zu Be­ handelnden. Angesichts dessen hat sich in den letzten Jahren in Deutschland das Konzept zur Vorsichtung durch nicht ärztliches Rettungs­ dienstpersonal verbreitet. ­Dabei liegt das Haupt­ augenmerk darauf, frühzeitig Patienten der Sich­ tungskategorie I (rot) zu identifizieren, um diese vor allen anderen zu versorgen bzw. zu transpor­ tieren. Die ersten an der Einsatzstelle eintreffen­ den Notärzte konzentrieren sich somit nicht auf die gründliche Sichtung aller Patienten, sondern können zunächst Schwerverletzte oder schwer Erkrankte behandeln. Die Vorsichtung durch nicht ärztliches Rettungsdienstpersonal ist damit ein weiterer Baustein im Portfolio zur Bewälti­ gung eines MANV.

Bildnachweis: Godo Savinsky

Abb. 1

Transport von (instabilen) Patienten Ausgelöst durch die Erkenntnis, dass es Erkrankungs- und Verletzungsmuster gibt, bei denen der Patient präklinisch nicht stabilisiert werden kann, wurde eine aktuelle und dem Stand der Technik entspre­ chende Einsatztaktik entwickelt: Instabile Patien­ ten werden sofort transportiert und umgehen den Behandlungsplatz, während die übrigen nach den bekannten Strukturen versorgt werden. Die Einsatzerfahrung hat außerdem gezeigt, dass taktische Einheiten der Behandlungsplätze eine relativ lange Vorlaufzeit haben. In ­Regionen, in denen eine gute Infrastruktur aus Verkehrsnetz und Kliniken besteht, konnten häufig alle Patien­ ten vor Inbetriebnahme von Behandlungsplätzen abtransportiert werden. Nach und nach setzte sich somit die Erkenntnis durch, dass der Behandlungsplatz zwar ein wichti­ ger Bestandteil der Gefahrenabwehr, aber eben nicht die universelle Antwort auf das Einsatz­ stichwort „MANV“ ist.

Überarbeitungsbedarf  Wir befinden uns mitt­ lerweile in einer Zeit, in der Erfahrungswerte und Ergebnisse von Untersuchungen vorliegen [7], die es nahelegen, konventionelle MANV-Konzepte zu überdenken. Folgende Einzelaspekte sind betrof­ fen: ▶▶die Vorsichtung durch nicht ärztliches Ret­ tungsdienstpersonal nach festgelegten Algo­ rithmen, ▶▶die Patientenablage in unterschiedlichen Strukturierungsgraden, ▶▶die Priorisierung des Transports zur definitiven Behandlung in der Klinik, ▶▶eine adäquate rettungsdienstliche Führungs­ struktur an der Einsatzstelle und ▶▶die technische Ausstattung der Einheiten.

Weichenstellung für den Einsatz  Weitere Auf­ gaben des ersteintreffenden Rettungsmittels sind eine kurze Orientierung an der Einsatzstelle und eine Rückmeldung an die Leitstelle mit den ent­ B. sprechenden lokalen Einsatzstichworten, z.  MANV-Stufen, sowie Informationen zur Ordnung des Raumes. Diese Tätigkeiten können den weite­ ren Verlauf eines Einsatzes entscheidend beein­ flussen. Erste medizinische Versorgung  Im Anschluss daran beginnt die Vorsichtung durch das nicht ärztliche Rettungsdienstpersonal, ggf. mit ­stabilisierenden Maßnahmen, die den weiteren Ablauf nicht verzögern sollen. Hierzu zählen ▶▶das Öffnen der Atemwege durch Überstrecken des Kopfes, ▶▶die Atemwegssicherung mit einem Wendloder Guedel-Tubus, ▶▶die stabile Seitenlagerung sowie ▶▶das Abbinden stark blutender Extremitäten mittels Tourniquet. Unterstützung bei der Ersteinschätzung Eine schnelle Ersteinschätzung des Patienten ist für alle im Rettungsdienst tätigen Mitarbeiter täg­ liche Routine. Der eintreffende Notfallsanitäter muss bei jedem Patienten entscheiden, ob der Notarzt ggf. noch nachgefordert werden muss (Patienten der Sichtungskategorie I oder nach Notarztindikationskatalog) oder der mitalar­ mierte Notarzt abbestellt werden kann (Sich­ tungskategorie III). Hierbei helfen ihm neben seiner Berufserfahrung standardisierte Abläufe. ­ Letztere finden sich sowohl in strukturierten Kurskonzepten zur Versorgung und Einschätzung von Traumapatienten als auch in Algorithmen, mit denen erkrankte Patienten untersucht wer­ den. Viele dieser Systeme arbeiten mit der ABCDSystematik (Airway, Breathing, Circulation, Disa­ bility), die auch international gebräuchlich ist.

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Den Entwurf einer Vorsichtungskarte für Patien­ ten der Sichtungskategorie I zeigt q Abb. 1. Der Befund, der zur Eingruppierung geführt hat, kann im unteren Abschnitt markiert werden.

Diskussionspunkte  Zu den in Deutschland ge­ bräuchlichen Vorsichtungssystemen wie mSTaRT (modified Simple Triage and Rapid Treatment) [9] gibt es eine Reihe noch offener Fragen [10]. Es ist juristisch noch umstritten, dass nicht ärztliches Personal eine Therapieentscheidung trifft, die z. T. entsprechende individuellen Folgen für den ein­ zelnen Patienten haben kann. Obsolet ist dagegen, dass nicht ärztliches Personal bei unsicheren Zei­ chen den Tod feststellt. Die Anwendbarkeit von mSTaRT auf besondere Lagen, wie z. B. die Intoxikation einer großen Zahl von Patienten, wurde erweitert. Dazu wurde der Algorithmus um die Abfrage potenzieller Noxen und Dekontamination ergänzt [11]. Der Minimal­ konsens besteht zurzeit darin, bei der Vorsich­ tung die Patienten der Sichtungskategorie I (rot) zu identifizieren und diese einer ärztlichen ­Behandlung und / oder einem schnellen Transport zuzuführen. Ein probates Hilfsmittel, um die Ein­ satzstelle zu organisieren und die Patienten zu ­kategorisieren, ist, die gehfähigen Patienten auf­ zufordern, sich zu einem bestimmten Ort zu ­begeben. Die dann verbleibenden Patienten wer­ den überwiegend den Sichtungskategorien I und

II (rot und gelb) angehören und anhand des ­Vorsichtungsalgorithmus behandelt.

Medizinisch-ärztliche Versorgung beim MANV Individualmedizin  Bei der Bewältigung eines MANV ist ein unstrittiges Ziel, durch geeignete Sichtungskonzepte rasch zu einer individual­ medizinischen Versorgungsqualität zu gelangen, wie sie bei der notfallmedizinischen Behandlung ­üblich ist. Individualmedizin setzt aber voraus, dass genügend materielle und personelle Res­ sourcen zur Verfügung stehen. Auf wissenschaft­ liche Evidenz kann in dieser Frage nur sehr ­begrenzt zurückgegriffen werden, da sich Groß­ schadensereignisse in den meisten Fällen nur als Kasuistiken in der wissenschaftlichen Literatur finden. Dennoch ist auch das Thema MANV in der S3-Leitlinie ­Polytrauma / Schwerverletztenversor­ gung [12] berücksichtig worden. Ziel der medizi­ nischen Versorgung im Großschadensfall ist es demnach, die für die Lebensrettung unmittelbar notwendigen medizinischen Mittel anzuwenden. Die Entscheidung darüber obliegt dem sichten­ den Notarzt bzw. dem Leitenden Notarzt und hängt sehr stark ab von der Schadenslage und der Anzahl behandlungsbedürftiger Verletzter im Verhältnis zur Anzahl der Rettungskräfte.

Für jeden Patienten die beste Beatmung

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Abb. 3 Minithorakotomie

Algorithmen, wie sie sich z. B. im mSTaRT-Konzept finden, bieten dabei eine wertvolle Unterstützung und sind somit integraler Bestandteil der Patien­ tenversorgung beim MANV [13].

Akut lebensrettende Behandlung  Solche Algo­ rithmen (q Abb. 2) zielen darauf ab, dass durch die rasche Anwendung des ABCD-Schemas die­ jenigen Patienten identifiziert werden, die vital bedroht sind und von einer akut lebensrettenden Behandlung profitieren („treat first what kills first“) [14]. Diese Behandlung, welche die bereits während der Vorsichtung vorgenommenen Maß­ B. Guedel-Tubus, ­ Tourniquet) fort­ nahmen (z.  setzt, umfasst die im Folgenden beschriebenen Schritte.

Bildnachweis: Peer Gunnar Knacke

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ABCD-Schema im Triage-Algorithmus der S3-Leitlinie

Bildnachweis: Springer. Notfall Rettungsmed 2005; 8: 466–473. Algorithmus für den Massenanfall von Verletzten an der Unfallstelle: Ein systematisches Review. Beck A, Bayeff-Filloff M, Kanz K-G, Sauerland S. Abb. 2: Triage beim Massenanfall von Verletzten. With kind permission from Springer Science and Business Media

Abb. 2  A = Airway; B = Brea­ thing; C = Circula­tion; D = Disa­ bility; LNA = Leitender Notarzt; ­SanEL = Sanitätseinsatzleitung.

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Kontrolle der Atmung (B)  Eine der klassischen Behandlungen dieser Kategorie ist die Entlas­ tungspunktion einer Thoraxhöhle beim (Span­ nungs-)Pneumothorax. Diese kann zunächst mit­ tels einer Kanüle im 2. Interkostalraum in der ­Medioklavikularlinie erfolgen oder klassisch in Form einer Minithorakotomie (q Abb. 3) mit Ein­ lage einer Thoraxdrainage. Die Wahl des Verfah­ rens ist ebenfalls vom vorhandenen Material und den personellen Ressourcen abhängig [16]. Kreislauftherapie (C)  Bei hämodynamisch in­ stabilen Patienten sollte grundsätzlich ein peri­ phervenöser Zugang gelegt werden. In einer Großschadenslage ist das aber unter Umständen aufgrund der nötigen Zeit problematisch. Im Vor­ dergrund s­ ollte daher zunächst die Kontrolle von Blutungen stehen – soweit präklinisch möglich. Für stark blutende Extremitäten bietet ein Tour­ niquet gute Möglichkeiten. Bei hochgradigem kli­ nischen Verdacht auf eine Beckenverletzung (z. B. nachdem die Stabilität geprüft wurde) kann eine Beckenschlinge entscheidend dazu beitragen, eine Blutung zu kontrollieren. Dazu stehen ver­ schiedene Produkte zur Verfügung. Beurteilung des neurologischen Status (D) Bei der Beurteilung des neurologischen Status steht der GCS-Wert (Glasgow Coma Scale) im Vorder­ grund, um die Vigilanz beurteilen zu können. Es ist wichtig, der Dynamik einer MANV-Situation gerecht zu werden und diese Beurteilung regel­ mäßig zu wiederholen, damit kein entstehendes A-, B- oder C-Problem übersehen wird.

Neue Einheiten zur Versorgung beim MANV Die Medizinische Task Force des Bundes

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Einsatz im Bundeskatastrophenschutz Die MTF ist eine vom Bund bereitgestellte taktische Einheit für den Zivilschutz und die länderüber­ greifende Katastrophenhilfe. Bundesweit werden insgesamt 61 MTF aufgebaut. Die Ausstattung ist im Grundsatz gleich, sodass jede den gleichen Einsatzwert besitzt. Durch bundeslandspezifi­

N Einsatzspektrum einer Medizinischen Task Force Aufbau und Betrieb ▶▶ eines Behandlungsplatzes inkl. Transport und Dekontamination ▶▶ von Patientenablagen ▶▶ einer Dekontaminationsstelle mit Patientenablage zwischen einem konta­ minierten und einem nicht kontaminierten Bereich ▶▶ einer oder mehrerer Unfallhilfsstellen ▶▶ einer Sichtungsstelle vor einem Krankenhaus ▶▶ einer Verletzten-Dekontaminationstelle vor einem Krankenhaus

sche Ausrüstungen können die einzelnen Fahr­ zeuge ­variieren. Die Verteilung der MTF richtet sich nach der Bevölkerungsdichte und Fläche. Sie sind primär für den Einsatz im Bundeskatastro­ phenschutz vorgesehen, können aber auch als ­Ergänzung im Landeskatastrophenschutz dienen. Eine MTF ist autark einsetzbar und in 5 Teilein­ heiten gegliedert: ▶▶ Führung (9 Personen, 2 Fahrzeuge) ▶▶ Dekontamination Verletzter (21 Personen, 3 Fahr­ zeuge) ▶▶ Behandlung (66 Personen, 10 Fahrzeuge) ▶▶Transport (12 Personen, 6 Fahrzeuge) ▶▶ Logistik (3 Personen, 1 Fahrzeug) Die gesamte Personalstärke beträgt 111 Personen. Davon sind nach derzeitigem Stand der Planung 13 Ärzte, 26 Rettungssanitäter und 25 Sanitäter als medizinisches Personal eingebunden. Ret­ tungsassistenten und Notfallsanitäter sind bisher nicht vorgesehen. Einer MTF können noch zusätz­ Unterstützung zugeordnet liche Einheiten zur ­ werden, z.  B. ergänzende Transporteinheiten. Das Einsatzspektrum einer MTF zeigt q Tab. 2.

Tab. 2

Dekontamination  Neben der medizinischen Versorgung ist ein Aufgabenschwerpunkt einer MTF die Dekontamination von Verletzten (De­ konV). Dieses Modul ist überall im MTF-Einsatz­ gebiet implementierbar. So kann direkt an der Grenze des schwarzen (kontaminierten) Bereichs dekontaminiert werden oder vor den nachgela­ gerten Versorgungsbereichen wie Behandlungs­ platz oder Krankenhaus. Die DekonV-Einheit kann durch dieses vielfältige Einsatzspektrum auch weitgehend autark eingesetzt werden. Die Dekontamination Verletzter ist eine personalund materialintensive Aufgabe, die in den bisheri­ gen Konzepten im Bundesgebiet nicht flächen­ deckend umgesetzt wurde.

Einsatzbereitschaft  Die MTF soll 60–90  min nach der Alarmierung durch die Rettungsleit­ stelle abmarsch- und einsatzbereit an ihrem Standort sein und kann dann verlegt werden. An dieser für alle MTF bundesweit geplanten Vor­ laufzeit ist schon erkennbar, dass eine MTF im überörtlichen Einsatz nicht der Erstversorgung dient. Diese Zeit lässt sich im örtlichen Einsatz

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Sicherung der Atemwege (A)  Nach allgemei­ nem Konsens ist die endotracheale Intubation der Goldstandard in der Atemwegssicherung. Inwie­ weit sie zeitlich und logistisch vertretbar ist, hängt von der Situation und besonders den vor­ handenen Personalressourcen ab. Alternativ kommt zunächst eine supraglottische Atemwegs­ hilfe in Betracht. Die Notfall­koniotomie ist sicher­ lich eine sehr seltene Ultima Ratio. Eine wert­volle Unterstützung für das Atemwegsmanagement ist der Atemwegsalgorithmus der DGAI [15].

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Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe und Malte­ ser Hilfsdienst sichergestellt. Die Stufen „klein“ (7 Fahr­zeuge / 16 Personen), „mittel“ (13 Fahrzeuge / 28 Personen) und „groß“ (32 Fahrzeuge / 66 Per­ sonen) stehen zur Verfügung.

Arbeitsweise  Der PTZ wird von der Rettungs­ leitstelle in der benötigten Größe alarmiert und soll 60 min nach der Alarmierung einsatzbereit am jeweiligen Standort sein, um dann zum spezi­ fischen Bereitstellungsraum verlegt zu werden. Die Einsatzkräfte können bei der überörtlichen Hilfe auch im Umland helfen. Ein PTZ agiert als unabhängige Einheit mit eigener Führungsstruk­ tur, die von der örtlichen Einsatzleitung einen oder mehrere Transportaufträge übernimmt und selbständig abarbeitet. Bildnachweis: Jan-Hauke Wohlers

Abb. 4  Fahrzeug der Medizini­ schen Task Force (MTF) (­ Gerätewagen Sanität).

durch die gezielte Alarmierung von Teileinheiten und vordefinierten Aufgaben verkürzen. Mit der MTF ist eine definierte Struktur geschaf­ fen worden, mit der sich gerade in der überört­ lichen Hilfe nötige Kapazitäten besser planen ­lassen. q Abb. 4 zeigt exemplarisch ein Fahrzeug der MTF.

Patiententransportzug (Hamburg)

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Kapazitäten für die Beförderung  Bei der zu ­ rwartenden Anzahl betroffener Patienten in den e Szenarien rund um einen MANV ist der Transport von den Patientenablagen und ggf. Behandlungs­ plätzen mit den Strukturen des Regelrettungs­ dienstes nicht mehr gewährleistet. Die Aufgaben der Sichtung und der ersten Patientenversorgung in den frühen Phasen binden die ­ unmittelbar verfügbaren Einheiten. Damit können sie nur ­ ­bedingt Transportaufgaben wahrnehmen. In vie­ len Rettungsdienstbereichen hat man aus dieser Überlegung heraus Patiententransportzüge (PTZ) etabliert. Einsatzspektrum und -bereitschaft  Der PTZ in Hamburg wurde bei der Bereitstellung von Mate­ rial und Fahrzeugen für die MTF entworfen und in Dienst genommen. Er umfasst die NotfallKrankentransportwagen der Transport- und ­Ergänzungskomponente der beiden Hamburger MTF. Er ist mit Landesmitteln um 9 Mehrzweck­ fahrzeugen erweitert worden, s­ odass er sitzende Betroffene befördern kann. Das mögliche Einsatzspektrum umfasst neben den Fahrten beim MANV auch Evakuierungen bei Bombenentschärfungen, Terrorgefahren oder Hochwasser. In der jüngeren Vergangenheit konnte der PTZ in Hamburg bereits mehrfach ­erfolgreich nach Kampfmittel­funden eingesetzt werden. Die Einsatzbereitschaft wird von den Hilfsorgani­ sationen Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches

Konzepte der Patientenverteilung beim MANV Zuweisungsstrategie  Eine MANV-Lage bedeu­ tet, dass Patienten mit hoher Behandlungspriori­ tät identifiziert und zeitgerecht einem geeigne­ ten Krankenhaus zugeführt werden müssen. Das setzt eine strukturierte Zuweisungsstrategie ­voraus, die sowohl die jeweiligen Behandlungs­ kapazitäten als auch -optionen möglicher Ziel­ krankenhäuser berücksichtigt. Für den Groß­ schadensfall müssen zudem vorab festgelegte Strategien in den zuständigen Rettungsleitstellen hinterlegt sein. Der Rettungsdienstträger muss in Absprache mit den Krankenhäusern die jeweiligen Aufnahme­ möglichkeiten festlegen.

Mehrere Bundesländer verfügen dabei nur über reine Kapazitätsnachweise. Diese bilden aber nicht den aktuell verfügbaren Behandlungsum­ fang ab.

Maximale Versorgungskapazität  Zur Ermitt­ lung der Versorgungskapazitäten gibt es unter­ schiedliche Verteilungskonzepte [13]. Die meis­ ten davon basieren auf einer formalen Berech­ nung der max. einer Klinik zuzuweisenden Pati­ entenzahl. Mangels valider Verfahren unterschei­ den sich Berechnungen der max. Versorgungs­ kapazität in den jeweils berücksichtigten Para­ metern. Zur Grundlage für die Berechnung zählen ▶▶die Gesamtzahl der Krankenhausbetten, ▶▶die Anzahl von Intensivbetten, ▶▶OP-Kapazitäten, ▶▶jährliche OP-Zahlen und ▶▶die personelle Ausstattung. In einem Forschungsprojekt des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) von 2004–2009 hat die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) Daten für das auf dem

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Beispiel Hessen  In Hessen wurde das Hessische Krankenhauskataster etabliert. Die Zuweisungen von Patienten erfolgen nach dem von den Kran­ kenhäusern festgelegten max. Zuweisungs­ umfang und den vorgehaltenen Fachabteilungen. Seit 2010 ist in Hessen der Interdisziplinäre Ver­ sorgungskapazitäten-Nachweis (IVENA) einge­ führt. Im Regelbetrieb wird dem Rettungsdienst über dieses System ein für den Patienten geeigne­ tes Krankenhaus zugewiesen. IVENA bietet auch ein MANV-Modul für die Patientenverteilung an. Dieses ist bei Großübungen erfolgreich eingesetzt worden. Computergestütztes Verteilungssystem Die Medizinische Hochschule Hannover hat in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen ­ Ministerium für Inneres und Sport sowie der ­ ­Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft das Programm ComPaS (Computergestütztes Patien­ tenverteilungssystem) etabliert. Sowohl die Struktur- als auch die geographischen Daten aller Notfallversorgungskrankenhäuser sind über ComPaS abrufbar und unterstützen die Patien­ tenverteilung im Falle eines MANV. Feuerwehr Hamburg  Die Rettungsleitstelle der Feuerwehr Hamburg verfügt über eine Übersicht aller Fachabteilungen der Notfallversorgungs­ krankenhäuser. Ein Nachweis über die verfüg­ baren Krankenhausbetten wird nicht geführt. ­Ebensowenig gibt es festgelegte max. Zuweisungs­ kapazitäten der Notfallversorgungskrankenhäu­ ser. Im Fallen eines MANV wird einer der beiden diensthabenden Leitenden Notärzte in die Ret­ tungsleitstelle beordert. Von dort aus nimmt er mit dem an der Schadensstelle tätigen LNA Kon­ takt auf. Gemeinsam werden dann die benötigten Behandlungskapazitäten nach Sichtungskatego­ rien festgelegt. Der LNA in der Rettungsleitstelle alarmiert die notwendige Zahl geeigneter Notfall­ versorgungskrankenhäuser und spricht die benö­ tigten Behandlungskapazitäten mit den jeweili­ gen Notaufnahmen ab. Die Abfrageergebnisse gibt er dann an die Örtliche Einsatzleitung weiter. Am Schadensort werden die Patienten mit Angabe des Zielkrankenhauses den bereitstehenden Ret­ tungsdienstfahrzeugen zugewiesen. Die Zutei­ lung wird zeitnah an die Rettungsleitstelle gemel­ det. Erfahrungswerte  Die bisherigen Hamburger Erfahrungen sind auch bei einer größeren Zahl Betroffener positiv. Da die aktuell verfügbaren Aufnahme- und Versorgungskapazitäten meist verlässlich eingeschätzt werden können, melden die Krankenhäuser meist größere Behandlungs­

kapazitäten als nötig. Die Entscheidung, den Krankenhausalarmplan auszulösen, liegt bei der jeweiligen Klinik.

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Erstversorgungsklinik  Neben diesen auf der „klassischen“ Verteilung von Patienten eines MANV aufbauenden Systemen gibt es ferner noch das Konzept der Erstversorgungsklinik. Hierbei werden die Patienten in einer nahegelegenen Kli­ nik stabilisiert, um dadurch den Transport in wei­ ter entfernte Krankenhäuser zu e ­ rmöglichen [11]. Einschränkungen  Eine Zuteilung allein nach den Daten der vorherigen Selbsteinschätzung ­eines Krankenhauses birgt das Risiko, dass abhän­ gig von der aktuellen Belastung dort zu wenige oder auch zu viele Patienten eingeliefert werden können. Daraus kann letztlich eine inadäquate Zuweisung resultieren. Belastbare Erfahrungen hinsichtlich der Effizienz von Patientenvertei­ lungssystemen bei Großschadenslagen liegen aber nur in einem beschränkten Maß vor. Meis­ tens sind sie nur bei Schadenereignissen mit ­einer begrenzten Anzahl von Betroffenen oder bei MANV-Übungen zum Einsatz gekommen.

Fazit Die Konzepte, um große Schadenslagen zu bewältigen, die eine strukturierte

Versorgung einer großen Zahl Verletzter oder Erkrankter erfordern, werden ständig überarbeitet und angepasst. Seit der Fußball-WM 2006, als in vielen Rettungsdienstbereichen vergleichbare Strukturen aufgebaut wurden, sind neue Einheiten und Vorgehensweisen hinzugekommen. Nicht nur Notärzte und Mitarbeiter im Rettungsdienst sollten sich mit den lokalen Strukturen für derartige Einsatzlagen vertraut machen. Auch Kliniken sollten regelmäßig ihre Schnittstellen zum Rettungsdienst bei Einsatzlagen, die über das Regel­ aufkommen an Notfallpatienten hinausgehen, prüfen und diese in Übungen einbeziehen. ◀

Kernaussagen

▶▶ Vielerorts werden die Konzepte zu einem Massenanfall von Verletzten oder ­Erkrankten (MANV) überarbeitet. ▶▶ Sichtung, Behandlung, Transport und Klinikauswahl hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und geändert. ▶▶ Jeder im Rettungsdienst tätige Mitarbeiter muss sich über die lokalen Konzepte ­informieren – auch bei geringer Eintrittswahrscheinlichkeit. ▶▶ Eine Vorsichtung durch nicht ärztliches Rettungsdienstpersonal wird zunehmend in die Konzepte integriert. ▶▶ Die notfallmedizinische Versorgung beim MANV wird sich in der Frühphase auf ­lebensrettende Basismaßnahmen beschränken. ▶▶ Die Medizinische Task Force (MTF) wird in immer mehr Rettungsdienstbereichen eine feste Größe bei der Weiterentwicklung von MANV-Konzepten. ▶▶ In vielen Bundesländern wurden Patiententransportzüge (PTZ) aufgebaut, die in Einsatzlagen bereits sinnvoll eingebunden werden können, bevor die MTF nötig ist.

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Traumanetzwerk aufbauende Katastrophennetz­ werk erhoben. In diesem System werden die Behandlungskapazitäten getrennt nach den 3 ­ Sichtungskategorien ermittelt.

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Fachwissen Literaturverzeichnis  1 Schäuble W. Bestandsaufnahme der Feuerwehr zur Fußball-WM 2006. Notfall Rettungsmed 2007; 10: 397–402  2 Busse C, Moecke H-P. Der Leitende Notarzt. Anaesthesist 1994; 43: 759–771  3 Voeltz P. Die Aufgaben des Leitenden Notarztes bei Großunfällen in der Freien und Hansestadt Hamburg. Rettungsdienst 1986; 9: 424–427  4 Castan J, Paschen HR, Wirtz S et al. Massenanfall von Verletzten auf See in deutschen Gewässern. Anaesthesist 2012; 61: 618–624  5 Bund-Länder-Ausschuss im Auftrag der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK). Nationales Sicherheitskonzept FIFA WM 2006. 2006. http://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/­termine/ to-beschluesse/06-05-05/06-05-05-­anlage-nr-05.pdf?__ blob=publicationFile&v=2  6 Schutzkommission beim Bundesministerium des Inneren. Katastrophenmedizin-Leitfaden für die ärztliche Versorgung im Katastrophenfall. 2013. http://www. schutzkommission.de/SharedDocs/Downloads/SK/DE/­ Publikationen/Katastrophenmedizin.pdf?__blob= publicationFile  7 Land NRW, Ministerium für Inneres und Kommunales. ­Landeskonzept der überörtlichen Hilfe „Sanitätsdienst und ­Betreuungsdienst“. http://www.idf.nrw.de/­service/­ downloads/pdf/2013_07_01_landeskonzept_­ ueberoertliche_sanibetr.pdf  8 Normenausschuss, Rettungsdienst und Krankenhaus. DIN 13050. Begriffe im Rettungswesen. Berlin: Beuth; 2009  9 Beck A, Bayeff-Filloff M, Kanz K-G, Sauerland S. Algorithmus für den Massenanfall von Verletzten an der Unfallstelle: Ein systematisches Review. Notfall Rettungsmed 2005; 8: 466–473 10 Sefrin P, Weidringer JW, Weiss W. Bericht von der FolgeSichtungs-Konsensuskonferenz am 08.11.2013 in Berlin. http://www.bbk.bund.de/SubSites/SK/DE/­Aktivitaeten/ Konsensuskonferenz%202012/Konsensuskonf_2013/­ Konsensus_2013_node.html 11 Hiereth KI, Hornburger P, Eyer F et al. mSTaRT Trauma & ­Intox. Notfall Rettungsmed 2013: 627–626 12 Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. S3 Leitlinie ­Polytrauma / Schwerverletzten-Behandlung. 2011. AWMF-­ Registernummer 012/019. http://www.awmf.org/ leitlinien/detail/ll/012-019.html 13 Adams HA, Krettek C, Lange C, Unger C. Patientenversorgung im Großschadens- und Katastrophenfall. Köln: ­Deutscher Ärzteverlag; 2014 14 American College of Surgeons Committee on Trauma. ­Advanced Trauma Life Support® for Doctors. ATLS® ­Student Course Manual. 9th ed. Chicago: American College of Surgeons; 2012 15 Timmermann A, Byhahn C, Wenzel A et al. Handlungsempfehlung für das präklinische Atemwegsmanagement – Für Notärzte und Rettungsdienstpersonal. Anästh Intensivmed 2012; 53: 294–308 16 Hess T, Knacke PG, Stuhr M et al. Invasive Notfalltechniken – Entlastung des Pleuraraumes. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 298–305 17 Adams H-A, Mahlke L, Flemming A et al. Katastrophen­ medizin: Konzentration aller Ressourcen. Dtsch Arztebl 2006; 103: A-314 / B-278 / C-264

Godo Savinsky1,2, Markus Stuhr3, Stefan Kappus3,4, Stefan Trümpler5, Stephan Wenderoth6, Jan-Hauke Wohlers7, Hans-Richard Paschen8, Thoralf Kerner1 Korrespondierender Autor: Godo Savinsky, Abteilung für Anästhesiologie, Intensiv­ medizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie Asklepios Klinikum Harburg E-Mail: [email protected] 1

Abteilung für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie Asklepios Klinikum Harburg

2

Feuerwehrakademie, Feuerwehr Hamburg

3

 bteilung für Anästhesie, Intensiv- und Rettungs­ A medizin, Zentrum für Schmerztherapie BG Unfallkrankenhaus Hamburg

4

Einsatzabteilung, Feuerwehr Hamburg

5

Institut der Feuerwehr NRW

6

Feuerwehr Hamburg

7

Johanniter-Unfall-Hilfe e. V.

8

 linik für Anästhesiologie und Intensivmedizin K Ev. Amalie-Sieveking-Krankenhaus

Interessenkonflikt  Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Beitrag online zu finden unter http://dx.doi. org/10.1055/s-0040-100109

Literatur online Das vollständige Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag finden Sie im Internet: Abonnenten und Nicht­abonnenten können unter „www.thieme-connect.de/ejournals“ die Seite der AINS aufrufen und beim jeweiligen Artikel auf „Zusatzmateri­ al“ klicken – hier ist die ­Literatur für alle frei zugänglich. Abonnenten können alternativ über ihren persönlichen Zugang an das Literaturverzeichnis gelangen. Wie das funktioniert, lesen Sie unter: http://www.thieme-­ connect.de/ejournals/help#SoRegistrieren

Savinsky G, Stuhr M, Kappus S et al. Massenanfall von Verletzten / Erkrankten – Aktuelle Aspekte ... Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2014; 49: 660–668

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[Mass casualty incidents - current concepts and developments].

Medical concepts and strategies are permanently changing. Due to the emergency response in a mass casualty incident everyone who is involved has to wo...
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