Pflege Med Klin Intensivmed Notfmed 2014 · 109:257–266 DOI 10.1007/s00063-014-0369-9 Eingegangen: 10. März 2014 Überarbeitet: 24. März 2014 Angenommen: 25. März 2014 Online publiziert: 15. Mai 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Redaktion

C. Hermes, Siegburg A. Kaltwasser, Reutlingen

Das innerklinische Notfallmanagement als Bestandteil des Risiko- und Qualitätsmanagements in Krankenhäusern unterliegt stetig steigenden Anforderungen. Dies liegt einerseits an der generellen demografischen Entwicklung mit ansteigendem Patientenalter, andererseits an der zunehmenden Spezialisierung und Erweiterung des medizinischen Spektrums sowie der Durchführung komplexer operativer, diagnostischer und therapeutischer Interventionen auch bei Risikopatienten mit entsprechenden Komorbiditäten. Im Vergleich zur gut strukturierten und mit hohem Organisationsgrad etablierten außerklinischen Notfallversorgung durch den Notarzt- und Rettungsdienst als öffentliche Aufgabe fehlt in Deutschland noch ein allgemein anerkanntes vergleichbares und standardisiertes Konzept zur innerklinischen Notfallversorgung.

Hintergrund Hospitalisierte Patienten weisen grundsätzlich gegenüber der Normalbevölkerung eine erhöhte Morbidität und Mortalität auf [1]. Dabei lässt sich die Häufigkeit eines Herz-Kreislauf-Stillstands im Krankenhaus im Vergleich zum Rettungsdienst nicht verlässlich bestimmen. Dies liegt u. a. daran, dass klare Definitionen zur Erfassung eines Herz-Kreislauf-Stillstands im Operationssaal sowie auf der Intensiv- bzw. Normalstation fehlen, die Dokumentation und mögliche bestehende Do-not-attempt-resuscitation-Hinweise nicht standardisiert sind und somit die Angaben zur Häufigkeit nicht nur

S. Lenkeit · K. Ringelstein · I. Gräff · J.-C. Schewe Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Medizinische Notfallteams im Krankenhaus quantitativ sondern auch qualitativ beeinflusst werden. Die angegebene Häufigkeit des Herz-Kreislauf-Stillstands im Krankenhaus mit Reanimationsmaßnahmen variiert somit in internationalen Publikationen zwischen 1 und 5 pro 1000 stationären Aufnahmen [2]. In einer Untersuchung von über 400.000 reanimierten Patienten zeigte sich eine Inzidenz von 2,73 Reanimationen pro 1000 Patientenaufnahmen für Krankenhäuser in den USA [3]. Bis heute unterscheidet sich die Überlebensrate nach inner- und außerklinischer Reanimation nicht wesentlich. Sie bleibt insgesamt gering und liegt für beide­Patientengruppen bei durchschnittlich 10–20% [2, 4]. Das Überleben nach Reanimation im Krankenhaus hängt dabei u. a. auch vom Versorgungsgrad einer Klinik ab [5] (hoher Versorgungsgrad besser als niedriger) sowie vom Versorgungsbereich innerhalb des Krankenhauses selbst, in dem sich der Patient zum Zeitpunkt des Herz-Kreislauf-Stillstands aufhält. In einer retrospektiven Untersuchung von über 60.000 Patienten zeigte sich eine signifikant höhere Überlebensrate bei Patienten, die unter Monitorüberwachung waren [6]. Neben der reinen Reanimationspflichtigkeit entwickeln jedoch bis zu 10% der stationären Patienten während ihres Krankenhausaufenthaltes andere zum Teil lebensbedrohliche Notfallsituationen [7]. Bis zu 80% der Patienten, die einen innerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand im stationären Bereich erleiden, weisen dabei bereits bis zu 24 h zuvor pathophysiologische Veränderungen der Vitalparameter auf, die potenziell – bei früherem Erkennen – therapierbar wären [8–12].

Bei der Erhebung dieser frühen Warnzeichen kommt es allerdings regelhaft zu Lücken und Fehlinterpretationen oder zu einer nicht ausreichenden bzw. verzögerten Behandlung der erkannten Störung. Gründe dafür sind möglicherweise die unvollständige Erhebung der Vitalparameter, mangelhaftes Wissen des Personals oder organisatorische Defizite in den Kliniken. So wurde gezeigt, dass das Personal auf den Normalstationen oftmals keinen systematischen Ansatz bei der Beurteilung kritisch Kranker hat und wenig Selbstvertrauen bei der Versorgung von Notfällen vorhanden ist [13]. Daraus resultieren verzögerte Behandlungen, die zu schweren Zwischenfällen, häufig mit ungeplanten Aufnahmen auf die Intensivstation, oder im schlimmsten Fall zum Auftreten eines (potenziell vermeidbaren) Herz-Kreislauf-Stillstands führen können [11, 14, 15]. Die Krankenhausverweildauer ist hierdurch häufig verlängert.

»

Eine verzögerte Behandlung kann zu schweren Zwischenfällen führen Einige Studien konnten zeigen, dass bis zu 50% dieser gefährdeten Patienten auf der Peripherstation nicht ausreichend medizinisch versorgt werden und über 40% der Intensivaufnahmen potenziell vermeidbar sind [9, 15]. Aufgrund dieser Datenlage­ geht der Europäische Rat für Wiederbelebung (ERC) bereits im Jahr 2005 und nochmals verstärkt in den aktuellen Leitlinien von 2010 auf die hohe Bedeutung eines präventiven Notfallmanagements im Krankenhaus mit dem primären Ziel der Verhinderung eines innerklinischen

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Pflege

Begriffsdefinition Innerklinische Notfallversorgung

„klassisches“ Reanimationsteam / „Herzalarm“ (CPR-Team, „code blue“)

Früherkennungssysteme Rapid-response-System, RRS

Medizinisches Notfallteam mit Arzt (Medical-emergency-Team, MET)

Notfallteam ohne Arzt (Rapid-response-Team, RRT)

Critical-careoutreach-Teams

Abb. 1 8 Darstellung der verschiedenen Organisationsformen eines innerklinischen Notfallmanagements. CPR kardiopulmonale Reanimation 450 Einsätze 400

CPR in % Aufnahme ICU in %

350

»

300

MET werden bereits bei sich abzeichnender vitaler Gefährdung alarmiert

250

ä

200 150 100 50 0

2004

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Abb. 2 8 Entwicklung der Einsatzzahlen nach Etablierung eines medizinischen Notfallteams mit festen Alarmierungskriterien am Universitätsklinikum Bonn. CRP kardiopulmonale Reanimation, ICU Intensivstation

Herz-Kreislauf-Stillstands ein. Die Bedeutung einer besseren Überwachung im Krankenhaus wird auch durch eine aktuelle europäische Kohortenstudie bei operativen Patienten in 28 Ländern unterstrichen. In dieser Studie (European Surgical Outcomes Study, EuSOS) wurden große Unterschiede in der Mortalität zwischen den beteiligten Ländern gezeigt. Von den postoperativ verstorbenen Patienten starben 85% außerhalb einer Intensivstation. Bemerkenswert ist, dass wiederum 73%

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Der folgerichtige Ansatz, durch Einführung sog. Rapid-response-Teams (RRT), Critical-care-outreach-Teams (CCOT) oder Medical-emergency-Teams (MET, sog. medizinische Notfallteams) diese Lücke in der Versorgungskette zu schließen, um bereits bei einer beginnenden Verschlechterung des Patienten schneller eingreifen zu können, wurde zunächst v. a. im angloamerikanischen Raum verfolgt. Diese Teams sind zentraler Bestandteil eines Rapid-response-Systems (RRS, System des innerklinischen Notfallmanagements), das darauf abzielt, unerwünschte­ Ereignisse im Krankenhaus zu verhindern. Als ein unerwünschtes Ereignis bezeichnet man hierbei eine Schädigung des Patienten, die zumindest z. T. die Folge einer verzögerten oder inadäquaten Behandlung ist und für den Patienten mit dem potenziellen Risiko einer nachweisbaren körperlichen Beeinträchtigung oder sogar des Versterbens einhergeht [17].

dieser Patienten zu keinem Zeitpunkt auf einer Intensivstation behandelt wurden [16]. In diesem Zusammenhang wird als Ausdruck des Versagens einer Rettungskette zunehmend der Begriff „failure to rescue“ benutzt, der die inadäquate oder verzögerte Antwort auf eine klinische Verschlechterung des Patienten beschreibt.

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Das MET wird bereits bei einer sich abzeichnenden vitalen Gefährdung des Patienten alarmiert, um noch vor dem Eintreten einer akut kritischen Situation den Patienten adäquat zu versorgen und einer qualitativ höherwertigen sowie standardisierten Behandlung zuzuführen. Der Begriff des Rapid-response-Systems gilt dabei generell als zusammenfassender Oberbegriff für ein innerklinisches Notfallmanagement, das auf Notfallteams mit dem Potenzial zur Identifizierung und Therapie von Patienten mit einer akuten Verschlechterung des Vitalzustands basiert ([18], . Abb. 1). Ein MET stellt also kein klassisches Reanimationsteam dar, sondern erfüllt darüber hinaus die Aufgabe eines intensivmedizinischen Kompetenzteams, das dem Behandlungsteam auf der Peripherstation einer Klinik zu Hilfe kommt (. Tab. 1).

Zusammenfassung · Abstract

Implementierung von medizinischen Notfallteams Im Verlauf der Etablierung eines METbasierten Notfallmanagements kommt es insgesamt zu einem Anstieg der innerklinischen Notfalleinsätze [19]. In mehreren Studien wurde die Effektivität der Einführung von MET mittels eines Vorher-Nachher-Vergleichs evaluiert. Als positive Effekte nach der Einführung eines solchen Systems wurden dabei u. a. eine F niedrigere Anzahl der Herz-KreislaufStillstände, F Senkung der Krankenhausmortalität, F kürzere Verweildauer der Patienten auf der Intensivstation und im Krankenhaus, F Reduzierung der Versorgungskosten beobachtet [20–25]. Diesen Beobachtungen stehen Untersuchungen entgegen, die keine Verbesserung hinsichtlich der Anzahl der Reanimationen sowie deren Krankenhausmortalität oder sogar schlechtere Ergebnisse zeigten [26–30]. In einer Metaanalyse zur Thematik der Rapid-Response-Systeme mit Auswertung von Studien über insgesamt 1,3 Mio. Krankenhausaufnahmen wiesen Chan et al. [31] eine Reduktion des Herz-Kreislauf-Stillstands bei Erwachsenen um 33,8% außerhalb der Intensivstation nach, wobei dies jedoch nicht zu einer Reduktion der Krankenhausmortalität führte. Bislang existieren für Deutschland hierzu nur wenige kleine Untersuchungen. In einer eigenen Analyse während der Implementierungsphase des MET am Universitätsklinikum Bonn beobachten die Autoren einen Anstieg der Alarmierungen sowie eine Reduktion der Reanimationen auf Peripherstationen (. Abb. 2). Trotz der z. T. immer noch fehlenden wissenschaftlichen Evidenz aufgrund des Mangels an großen randomisierten Studien und struktureller methodologischer Probleme (z. B. Vergleichsgruppen) sind MET in den letzten 10 Jahren in vielen Ländern auf Grundlage der Empfehlung in den international geltenden Leitlinien zur Wiederbelebung z. T. gesetzlich verpflichtend eingeführt worden. In Deutschland fehlt eine entsprechend konkrete gesetzliche Vorgabe.

Med Klin Intensivmed Notfmed 2014 · 109:257–266  DOI 10.1007/s00063-014-0369-9 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 S. Lenkeit · K. Ringelstein · I. Gräff · J.-C. Schewe

Medizinische Notfallteams im Krankenhaus Zusammenfassung Hintergrund.  Der innerklinische Notfall stellt eine zunehmende Herausforderung für das Risikomanagement eines Krankenhauses dar und bislang gibt es in Deutschland keine allgemein verbindlichen Empfehlungen für ein innerklinisches Notfallmanagement. Die Zeitverzögerung bei der Erkennung und Behandlung des kritisch Kranken auf den Bettenstationen führt häufig zu schwerwiegenden Zwischenfällen. Das Konzept der traditionellen Reanimationsteams greift regelhaft zu kurz, da sie erst nach Eintritt einer akuten Verschlechterung bzw. des Herz-Kreislauf-Stillstands aktiviert werden. Zielsetzung.  Die Einführung eines Rapidresponse-Systems mit präventivem Ansatz basierend auf einem medizinischen Notallteam (MET) stellt eine unverzichtbare Verbesserung des innerklinischen Notfallmanagements dar. Dafür genügt nicht allein die Umbenennung und Umstrukturierung des bisherigen Reanimationsteams zu einem MET.

Vielmehr bedarf es der Einführung standardisierter präventiver Alarmierungskriterien und strukturierter Abläufe, einer Standardisierung der Ausbildung und der Notfallausrüstung in der Klinik sowie der Bereitstellung eines an die Intensivstation angebundenen MET. Schlussfolgerung.  Für ein Krankenhaus mit bisher etabliertem Reanimationsteam bedeutet dies einen grundlegenden Paradigmenwechsel mit einem nachhaltigen, interdisziplinären und institutionalisierten Prozess des Umdenkens und Reorganisierens. Ein klares Bekenntnis und andauernde gemeinsame Anstrengungen des Krankenhausträgers und aller Klinikmitarbeiter ist hierfür Voraussetzung. Schlüsselwörter Patientensicherheit · Notfallbehandlung · Reanimation · Herz-Kreislauf-Stillstand · Präventive Intensivmedizin

Medical emergency teams in hospitals Abstract Background.  In-hospital emergencies represent an increasing challenge with regard to risk management in hospitals and until now, no binding recommendations for inhospital emergency management are available in Germany. Time delays in the detection and treatment of critically ill patients on the wards often lead to serious adverse events. The concept of traditional resuscitation teams is not adequate, because they are initiated only after acute deterioration or cardiac arrest has already occurred. Objective.  The introduction of a rapid response system with a preventive approach based on a medical emergency team (MET) represents an essential improvement in the management of in-hospital emergencies. However, it is not sufficient to simply rename and restructure the existing resusci-

Betrachtet man die ökonomischen Aspekte im Zeitalter der Diagnosis Related Groups (DRG), so kann die Einführung eines MET im Hinblick auf eine Reduzierung ungeplanter intensivstationärer Aufnahmen, eine Verkürzung der Intensivund Krankenhausaufenthaltsdauer sowie eine niedrigere Anzahl von Reanimationen für eine Klinik finanziell vorteilhaft

tation team to a MET. Rather, the introduction of standardized preventive alarm criteria and structured processes, standardization of training and emergency equipment in the clinic, and the provision of a MET associated with the intensive care unit are required. Conclusion.  For a hospital with an already established resuscitation team, this represents a fundamental paradigm shift to a sustainable, interdisciplinary, and institutionalized process of rethinking and reorganizing. A clear commitment and ongoing joint efforts of the hospital management and all hospital staff are prerequisite for this. Keywords Safety  · Emergency treatment · Resuscitation · Cardiac arrest · Preventive intensive care

sein. Dem gegenüber stehen die Kosten für Investitionen in eine flächendeckende­ Notfallausrüstung, Personal und regelmäßige Schulungsmaßnahmen. Aus ethischen Gesichtspunkten lassen sich vermiedene innerklinische Reanimationen, die Linderung körperlichen Leids oder die verhinderte körperliche Beeinträchtigung des Patienten nur schwer aus dem Blick

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Pflege Tab. 1  Vergleich zwischen einem traditionellen Reanimationsteam („Herzalarm“) und einem

Tab. 2  Mögliche Basisnotfallausstattung

medizinischen Notfallteam (Rapid-response-Team, RRT oder medizinisches Notfallteam, MET). (Modifiziert nach [42])

für Peripherbereiche nach Etablierung eines medizinischen Notfallteams am Beispiel des Notfallrucksacks des Universitätsklinikums Bonn

  Alarmierungskriterien

Traditionelles Reanimationsteam Kein tastbarer Puls, kein messbarer Blutdruck, Bradypnoe/Schnappatmung, Bewusstlosigkeit Herz-Kreislauf-Stillstand, Atemstillstand, Atemwegsverlegung

Medizinisches Notfallteam

Teamzusammensetzung

Intensivmediziner plus Pflege­ personal der Intensivstation (idealerweise Arzt mit notfall­ medizinischen Kenntnissen, Pflegepersonal mit Weiterbildung Intensivmedizin oder rettungsdienstlicher Ausbildung)

Alarmierungsinzidenza (Alarmierungen/1000 stationäre Patienten­ aufnahmen) Mortalität behandelter Patienten (%)

0,5–5

Niedriger Blutdruck, Tachykardie, Atemnot, veränderte Bewusstseinslage Sepsis, Lungenödem, Herzrhythmusstörungen, respiratorische Insuffizienz Intensivmediziner plus Pflegepersonal der Intensivstation (idealerweise Arzt, Anästhesist, mit notfallmedizinischen Kenntnissen, Pflegepersonal mit Weiterbildung Intensivmedizin oder rettungs­ dienstlicher Ausbildung) 20–40

70–90

0–20

Beispielhafte Behandlungs­diagnosen

aDie Alarmierungsinzidenz variiert in Abhängigkeit vom Zuständigkeitsbereich des MET und von lokalen

organisatorischen Voraussetzungen.

winkel der Wirtschaftlichkeit betrachten,­ gewinnen aber hinsichtlich qualitätsspezifischer Aspekte eine zunehmende Bedeutung.

Rettungskette und Präventionsleitlinie In den Leitlinien des European Research Council (ERC) aus dem Jahr 2005 wurde die überarbeitete Form der von Cummins et al. [32] entwickelten Rettungskette („chain of survival“) eingeführt. Sie bildet die Grundlage für ein modernes innerklinisches Notfallmanagement im Sinne einer „präventiven Intensivmedizin“ zur Verhinderung des innerklinischen HerzKreislauf-Stillstands. Um der großen Bedeutung der Prävention durch frühzeitiges Erkennen einer potenziell vitalen Gefährdung des Patienten gerecht zu werden, wurde das erste Kettenglied hin zu einem präventiv agierenden Ansatz verändert. Dieses neue Kettenglied der Prävention hat insbesondere für die innerklinische Notfallversorgung eine Schlüsselfunktion. In diesem Zusammenhang wurde in den Leitlinien des ERC im Jahr 2005 ein eigener

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Maßnahme Atemwege

Belüftung

Zirkulation

Ausrüstung Oropharyngeal- und Nasopharyngealtuben Larynxtuben Manuelle Absaugvorrichtung Beatmungsbeutel mit Reservoir und Masken Sauerstoffflasche Sauerstoffmaske und Sauerstoffbrille Vernebelungsmaske mit Salbutamol und Atrovent Manuelle Blutdruck­manschette und Stethoskop Periphere Venenverweil­ kanülen Kristalloide Infusion CPR-Brett Vollautomatischer Externer Defibrillator mit Feedbacksystem

CPR kardiopulmonale Reanimation.

Abschnitt in der Sektion 4 „erweiterte Reanimationsmaßnahmen für Erwachsene“ eingeführt, der auf die Verhinderung des innerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstands fokussiert [33]. Dort werden konkrete Empfehlungen für Krankenhäuser zur Organisation eines präventiven innerklinischen Notfallmanagements gegeben, die in den aktuellen Leitlinien des ERC aus dem Jahr 2010 noch weiter ausgeführt und stärker betont werden [34]. Die wesentlichen Punkte sind in einer Leitlinie zur Verhinderung des innerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstands zusammengefasst (. Infobox. 1).

präventiven innerklinischen Notfallmanagements ergeben, in ihrem Abhängigkeitsverhältnis darstellt. Sie besteht aus 5 Grundelementen: Ausbildung, Monitoring, Erkennen, Hilfe-Rufen und Reagieren. Auch für die Präventionskette gilt: Sie ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Bei Versagen eines einzigen dieser 5 Grundelemente ist der Erfolg des gesamten Präventionskonzepts im Krankenhaus gefährdet.

Präventionskette

Schulungsmaßnahmen spielen für die erfolgreiche Implementierung eines präventiven Notfallmanagementkonzepts eine essenzielle Rolle [36, 37]. Extrem wichtig ist dabei, dass alle am Patienten tätigen Berufsgruppen geschult werden und lernen, einen kritisch kranken Patienten rechtzeitig zu erkennen und präventiv das innerklinische Notfallsystem zu aktivieren. Dafür muss der Umgang mit den standardisierten Alarmierungskriterien oder die Verwendung eines Frühwarnsystems (Scoring) gelehrt und das Verhalten

Als Hilfestellung bei der praktischen Umsetzung dieser Präventionsleitlinie in der Klinik schlägt Smith das Konzept einer innerklinischen Rettungskette vor, die sich als sog. Präventionskette („chain of prevention“) unmittelbar aus dem ersten Kettenglied der Rettungskette ergibt [35]. Diese neue Rettungskette ist so konzipiert, dass sie die verschiedenen Aufgabenbereiche und Herausforderungen, die sich für die erfolgreiche Implementierung eines

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Ausbildung und Training der Mitarbeiter

Infobox 1  Leitlinie zur Verhinderung des innerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstands F Beginn der Wiederbelebung in der Klinik durch Verhinderung des Herz-Kreislauf-Stillstands F Versorgung kritisch Kranker in einer geeigneten Abteilung zur Überwachung und weiteren medizinischen Betreuung.

F Etablierung standardisierter MET-Alarmierungskriterien oder eines Frühwarnsystems F Klare Vorgehenshinweise für das medizinische Personal und Festlegung von konkreten Verantwortlichkeiten in der Versorgungskette

F Einführung einer standardisierten Notfallausrüstung F Standardisiertes Dokumentationssystem zur regelmäßigen Vitalzeichenmessung und Aufzeichnung der ggf. aus einem Frühwarnsystem resultierenden Scores.

F Rund-um-die-Uhr-Vorhaltung eines spezialisierten Teams für die Notfall­versorgung nach Feststellung einer medizinischen Versorgungsbedürftigkeit

F Verpflichtende repetitive Schulungen des gesamten medizinischen Personals zur Erkennung des kritisch Kranken sowie in „basic“ (BLS) und „advanced life support“ (ALS)

F Verwendung einheitlicher Alarmierungswege (einheitliche Notrufnummer) und Ermächtigung aller medizinischen Berufsgruppen zur Aktivierung des Notfall­systems

F Identifizierung der Patienten, die einen natürlichen Sterbeprozess durchlaufen und nicht wie-

derbelebt werden sollten (Do-not-attempt-resuscitation-Richt­linien, DNAR-Order) oder keine Reanimationsmaßnahmen wünschen. F Erfassung aller Einsätze und Reanimationen in standardisierten Protokollen sowie Auswertung der Daten zur stetigen Qualitätssicherung und Verbesserung

Tab. 3  Notfallausrüstung eines medizinischen Notfallteams anhand des Beispielteams am

Universitätsklinikum Bonn Maßnahme Atemweg und Belüftung

Zirkulation

Sonstiges

Ausrüstung Oropharyngeal- und Nasopharyngealtuben Intubationsset, Endotrachealtuben, Larynxtuben, Notkoniotomieset Manuelle Absaugvorrichtung Beatmungsbeutel mit Reservoir und Masken, optional PEEP-Ventil Vernebelungsmaske mit Salbutamol und Atrovent Sauerstoffflasche, -maske und -brille CPAP-Masken, optional: Transportrespirator (NIV, BiPAP/APRV) Periphere Zugänge, venöse Schleuse, arterielles Zugangsset, intraossärer Zugang Kristalloide Infusionen, Druckinfusionsmanschette Notfallmedikamente, inklusive Lysepräparat Defibrillator mit Feedbacksystem und Monitoring für Transporte, 12-Kanal-EKG, etCO2-Messung Mechanische Reanimationshilfe für Transport unter CPR und prolongierte CPR-Maßnahmen Traumaset zur Primärversorgung von Blutungen und Frakturen Blutzuckermessgerät, tympanisches Thermometer Einsatzfahrzeug mit Sondersignal für entfernte Bereiche auf dem Klinikgelände

PEEP positiv-endexpiratorischer Druck, CPAP „continuous positive airway pressure“, NIV nichtinvasive Ventilation, BiPAP „biphasic positive airway pressure“, APRV „airway pressure release ventilation“, CPR kardiopulmonale Reanimation.

im Notfall sowie die Alarmierungswege dem medizinischen Fachpersonal transparent dargestellt werden (. Abb. 3). Die Anwendung einfacher Hilfsmittel zur Behandlung von Atemwegsproblemen bzw. Störungen der Atmung und des Kreislaufs

vor Eintreffen der erweiterten Hilfe durch das MET sollten gemäß den ERC-Leitlinien genauso vermittelt werden, wie das Erkennen eines Herz-Kreislauf-Stillstands und die Durchführung von Basisreanimationsmaßnahmen. Darüber hinaus ist die

Notwendigkeit zur Verwendung und der Umgang mit den DNAR-Richtlinien der Klinik zu erläutern. Die Arbeitsgruppe für Ausbildung, Implementierung und Teams des International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) empfiehlt die regelhafte­ Evaluierung der angewendeten Ausbildungsmethoden [38]. Untersuchungen zum Trainingseffekt zeigen, dass die vermittelten Kenntnisse, v. a. aber die manuellen Fähigkeiten bezüglich der kardiopulmonalen Reanimation bereits 3–6 Monate nach dem letzten Training abnehmen. Abhängig von der Größe der Klinik und der zur Verfügung stehenden Ausbildungsressourcen sollten diese Inhalte in ein jährliches repetitives und für alle Berufsgruppen verpflichtendes Ausbildungsprogramm implementiert werden. Sinnvoll ist die Einbindung der Schulungsinhalte in den Lehr- und Ausbildungsplan vorhandener Aus- und Weiterbildungsstätten einer Klinik, um bereits zu einem frühen Zeitpunkt notwendige Grundlagen zum innerklinischen Notfallmanagement zu vermitteln. Es ist vorteilhaft, die Schulungen durch ärztliche und pflegerische Ausbilder aus dem innerklinischen Notfallteam durchführen zu lassen. Aus Sicht des Qualitätsmanagements ist empfehlenswert, dass die Ausbilder zusätzlich für den Unterricht qualifiziert werden, z. B. durch die Teilnahme an einem dem Ausbildungsbereich entsprechenden zertifizierten Kurs des ERC (BLS-, ILS-, ALS-, Pediatric-advancedlife-support-provider-Kurs) und dann als Multiplikatoren innerhalb der Klinik tätig werden. Das grundlegende Prinzip der innerklinischen Notfallschulungen sollte lauten: aus der Praxis für die Praxis. Durch den Praxisbezug kann eine hohe Akzeptanz bei allen Berufsgruppen im Krankenhaus erreicht werden, da Fragen aus dem klinischen Alltag unmittelbar beantwortet werden können. Für die Schulung der „Prävention“ und der „lebensrettenden Basismaßnahmen“ (BLS) kann neben dem traditionellen von einem Ausbilder geleiteten Kurs auch ein Selbstlernprogramm (z. B. E-learning-Plattform) durchlaufen werden. Diese Form des Lernens hat die Vorteile einer reduzierten Präsenzzeit und eines verminderten Einsatzes von Ausbildern und stellt

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Pflege dezentrale Notfallausrüstung gültig. Sie sollte übersichtlich sein und sich auf das notwendige Material zur Durchführung von Basismaßnahmen beschränken. Zum einen wird dadurch sichergestellt, dass der Umgang mit der Ausrüstung im Rahmen der in den Schulungen zur Verfügung stehenden Zeit ausreichend trainierbar ist. Nur so findet die Notfallausrüstung breite Akzeptanz und damit auch Anwendung im Notfall. Zum anderen hat das Vorhalten einer dezentralen Basisausrüstung auf den Stationen sowie einer zentral beim MET stationierten erweiterten Ausrüstung je nach Größe der Klinik auch wirtschaftliche Vorteile. Im Fall eines Herz-Kreislauf-Stillstands muss die Basisnotfallausrüstung gemäß den ERCLeitlinien­ die Möglichkeit bieten, die Atemwege freizuhalten, hochdosiert mit Sauerstoff zu beatmen und innerhalb der ersten 3 Minuten eine erste Defibrillation durchzuführen (. Tab. 2). Alle Mitarbeiter in Bereichen mit unmittelbarer regelhafter Notfallversorgung (Intensivstation, Anästhesie/Operationssaal, Notaufnahmen etc.) eines Krankenhauses sollten über das BLS-Niveau hinaus in den erweiterten Maßnahmen der Wiederbelebung (ALS) trainiert werden. Dies gilt im besonderen Maße für Mitarbeiter des eigentlichen medizinischen Notfallteams.

Monitoring und Erkennen des kritisch Kranken Abb. 3 8 Algorithmus zum Verhalten des medizinischen Notfallteams im Notfall am Universitäts­ klinikum Bonn

eine gleichwertige Alternative zum theoretischen Präsenzunterricht dar. Essenziell sind aber in beiden Varianten die praktischen Präsenzteile zum Erlernen der notwendigen Fertigkeiten [38]. Auch für die Ausbildung in den „erweiterten lebensrettenden Maßnahmen“ (ALS) kann dieses Vorgehen eine praktikable Variante sein. Zu den Kernelemente­ der ALS-Schulungen gehören nach der Leitlinie des ERC die Themen Prävention, hochwertige Qualität der Herzdruckmassage, Defibrillation, ALS-Algorithmus und Teamtraining. Szenarioübungen in kleinen Gruppen mit dem Schwerpunkt Teamwork und Führung verbessern dabei das Wissen und die Fertigkeiten bei der

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Durchführung der Maßnahmen zur kardiopulmonalen Reanimation. Diese Praxisanteile sind durch E-Learning nicht zu ersetzen. Mitarbeiter, die nicht routinemäßig in die Versorgung von Notfall- und Intensivpatienten eingebunden sind, profitieren von einem BLS-Training mit dem Schwerpunkt der Prävention. Die notfallmedizinische Handlungskompetenz des Personals kann ohne die tägliche Routine­ im Arbeitsumfeld nicht allein durch Training auf das Niveau von erweiterten notfallmedizinischen Maßnahmen angehoben werden. Hier gilt als klares Ziel: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Dies ist ebenso in Bezug auf die standardisierte­

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Damit die Früherkennung des kritisch Kranken gelingt und damit präventives Handeln ermöglicht wird, gilt es, ein standardisiertes Vorgehen für das am Patienten tätige Personal auf der Peripherstation zu implementieren. Darunter fallen die strukturierte Aufzeichnung der Vitalparameter sowie die klinische Überwachung des Patienten. In der täglichen Routine erfolgt die Erhebung der Vitalparameter oft nur lückenhaft und unregelmäßig. Auffallend häufig fehlt z. B. die Dokumentation der Atemfrequenz. Durch die Integration standardisierter MET-Alarmierungskriterien oder auch eines Early-WarningScores (EWS) in die Pflegevisite kann eine deutliche Verbesserung bei der Erfassung dieser Parameter erzielt werden ([39, 40], . Abb. 4).

Abb. 4 8 Alarmierungskriterien des medizinischen Notfallteams am Universitätsklinikum Bonn

Das Erkennen eines kritisch kranken Patienten kann erschwert sein und ist im starken Maße von der Häufigkeit des Patientenkontakts und dem Vorhandensein eines strukturierten Monitorings der Vitalparameter (Alarmierungskriterien, EWS) abhängig. Die Erhebung dieser Parameter sollte durch jeden am Patienten tätigen medizinisch ausgebildeten Mitarbeiter durchführbar sein. Grundsätzlich kann jeder Patientenkontakt genutzt werden, um eine zügige Überprüfung des Patienten hinsichtlich der Alarmierungskriterien vorzunehmen. Prinzipiell lassen sich grob 2 verschiedene Systeme zur Alarmierung eines MET unterscheiden. Zum einen werden METAlarmierungskriterien als Einzelparametersystem, das bei Verschlechterung eines einzelnen vitalen Parameters eine sofortige­Alarmierung des MET nach sich zieht, angewendet. Zum anderen wird ein Early-Warning-Score genutzt, der bei Erreichen eines bestimmten Punktwerts in ein abgestuftes Eskalationsschema mündet. Hier ergreift zunächst der Stationsarzt medizinische Maßnahmen und das MET wird erst beim Überschreiten eines definierten Scoreschwellenwerts alarmiert. Die Verwendung dieser Systeme führt generell zu einer Zunahme der Häufigkeit von Vitalparametermessungen und hilft bei der Aktivierung des Notfallsystems. Die Überlegenheit eines der beiden Systeme oder deren Kombination hinsichtlich Sensitivität und Spezifität hängt in der Praxis u. a. auch von der Art der versorgten Patienten (z. B. internistische vs. operative) einer Klinik sowie den lokalen Gegebenheiten und Oranisationsstrukturen ab und ist bislang nicht abschließend geklärt.

Teamalarmierung

Abb. 5 9 Medizinisches Notfallteam mit Ausrüstung auf dem Weg zum Einsatz. (Mit freundlicher Genehmigung des Medienzentrums, Universitätsklinikum Bonn)

Zur Aktivierung des MET sollte im Krankenhaus ein standardisierter Alarmierungsweg zur Anwendung kommen. Dies kann z. B. eine zentrale Notrufnummer sein, die sowohl über das interne Telefonnetz als auch von außerhalb der Klinik uneingeschränkt erreichbar ist (z. B. Alarmierung über Mobiltelefon). Eine unmittelbare und durchgehende Erreichbarkeit des MET ist dabei eine zwingende Voraussetzung, eine Conditio sine qua non. Das

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Pflege Sicherheitskultur für kritisch kranke Patienten, Besucher und Mitarbeiter MET Sicherheitskonzept Ziel: Früherkennung und Verhinderung der Reanimation Kritisch kranke Patienten auf Bettenstationen / in Diagnostikund Funktionsbereichen

Besucher und Mitarbeiter, die einen akuten medizinischen Notfall erleiden

Kritisch krank Progrediente Verschlechterung – vitale Gefährdung absehbar ! Drohender Atem-/Kreislaufstillstand Überwachung und/oder Diagnostik ist erforderlich Evtl. Aufnahme auf ICU oder IMC notwendig

Abb. 6 8 Innerklinisches Notfallmanagement (Beispiel Universitätsklinikum Bonn). MET medizinisches Notfallteam, ICU Intensivstation, IMC „intermediate care unit“

MET besteht im besten Sinne aus 2 Komponenten, dem alarmierenden Teil (Arzt und Stationspflegekraft) und dem reagierenden Teil (Intensivarzt und Intensivpflegekraft). Es ist ein entscheidender Punkt für den Erfolg des Präventionskonzepts, wenn von Seiten der organisatorisch Verantwortlichen der Klinik die Alarmierung des MET für alle Berufsgruppen freigeben ist. In Deutschland ist regelhaft davon auszugehen, dass das Pflegepersonal die am häufigsten alarmierende Berufsgruppe­ darstellt, da es die höchste Patientenkontaktzeit auf den Bettenstationen hat. Die Wahrscheinlichkeit, eine Verschlechterung des Patientenzustands rechtzeitig zu bemerken und die Aktivierung des Notfallsystems zu veranlassen, hängt im Klinikalltag also maßgeblich von dem Handeln dieser Berufsgruppe ab. In immer noch hierarchisch geprägten deutschen Krankenhausstrukturen herrscht aber gerade bei unerfahrenen Pflegekräften und Stationsärzten eine nicht zu unterschätzende Hemmung und Angst vor möglichen Fehlalarmierungen, Rechtfertigungszwang bei Alarmierung des MET oder möglichen Sanktionen durch Vorgesetzte. In keinem Fall darf eine Alarmierung als ein eigenes Versagen verstanden werden. Vor allem in der Einführungsphase eines MET-gestützten Präventivsystems in der Klinik kann diese­Unsicherheit zu mangelnder Akzeptanz des Systems führen und zur Unter-

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brechung der Präventionskette bereits an dieser essenziellen Stelle. Dem gilt es aktiv zu begegnen, indem das MET stets professionell und mit unbedingter Wertschätzung gegenüber dem alarmierenden Stationsteam auftritt. Ein positives und motivierendes Feedback im Rahmen einer kurzen Nachbesprechung mit dem alarmierenden Personal ist wichtiger Grundsteine für eine steigende bzw. stabile Akzeptanz und damit für den Erfolg des gesamten RRS im Sinne der anvertrauten Patienten.

Unmittelbares Handeln Ein MET rückt aufgrund des präventiven Anforderungsprofils regelhaft zu innerklinischen Notfällen aus, bei denen gängige intensivmedizinische Maßnahmen Anwendung finden. Häufig sind die Initiierung einer Atemtherapie, einer Infusionstherapie oder die Applikation von schnell wirksamen Medikamenten notwendig, um den Zustand des Patienten zügig zu stabilisieren. Dies bedingt i. d. R. mindestens ein vorübergehendes Monitoring. Kommt es zu keiner Verbesserung, bzw. liegt eine akut vital bedrohliche Situation oder ein Herz-KreislaufStillstand vor, sind darüber hinaus erweiterte lebensrettende Maßnahmen schnell und sicher durchzuführen und der Transport des Patienten auf eine Intensivstation zu veranlassen. Präventives und schnelles Handeln zur Vermeidung von Folge-

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schäden sowie der Transport von kritisch Kranken sind grundlegende intensivmedizinische Tätigkeiten in der täglichen Routine auf einer Intensivstation [41]. Daher ist die Ansiedlung des MET auf der Intensivstation einer Klinik sinnvoll. Zudem können Synergieeffekte genutzt werden. Da heutzutage die Anforderungen an die Intensivstation einer Klinik zumeist die vorhandenen Ressourcen übersteigen, ist die frühzeitige Intervention zur Verhinderung unnötiger Aufnahmen auf die Intensivstation organisatorisch geboten. Durch die primäre Stabilisierung und Erstversorgung von akut erkrankten Patienten vor Ort und deren organisierte sowie kontrollierte Zuführung unter Monitoring zur Intensivstation sinkt gleichzeitig die Arbeitsintensität in der Aufnahmesituation.

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Durch das MET-Präventionskonzept werden potenziell akute Notfälle früh erkannt Ein MET-basiertes Präventionskonzept generiert nicht zusätzliche Intensivpatienten, sondern erkennt diese Patienten lediglich früher, nämlich bevor sie zum akuten Notfall werden. Durch das Alarmieren des MET ist zu jeder Zeit innerhalb weniger Minuten intensivmedizinische Kompetenz in allen Bereichen des Krankenhauses verfügbar, um unerwünschte Zwischenfälle beim Patienten zu minimieren bzw. ganz zu verhindern. Vor Ort wird nicht etwa die Behandlungskompetenz auf das MET übertragen, sondern das stationäre Behandlungsteam entscheidet gemeinsam­ mit dem MET über die weitere Versorgung des Patienten. Ziel ist es, den Patienten so zu stabilisieren, dass er auf der Normalstation verbleiben kann. Gelingt dies nicht oder sind diagnostische Maßnahmen bzw. akute Interventionen notwendig, kann das MET den Patienten übernehmen und auf die Intensivstation oder den Ort der weiteren Versorgung transportieren. Ein unerwarteter HerzKreislauf-Stillstand soll verhindert werden, nicht aber der natürliche Sterbeprozess eines Patienten. Die Einführung einer DNAR-Order und das Vorliegen einer Patientenverfügung stellen dabei ein

wichtiges Instrument dar, um ungewollte­ Reanimations- und Intensivbehandlungen zu vermeiden. Das MET sollte aufgrund des Anforderungsprofils mindestens aus einem intensivmedizinisch erfahrenen Arzt sowie einer erfahrenen Intensivpflegekraft bestehen. Es sollte – analog zum außerklinischen Notarzt – eine vollständige notfallmedizinische Ausrüstung mitführen (. Abb. 5, . Tab. 3). Neben der Versorgung aller Klinikbereiche müssen je nach Größe und Lage des Krankenhauses auch das Klinikgelände und externe Gebäude mitversorgt werden. Dafür muss ggf. zusätzlich ein ständig verfügbares Einsatzfahrzeug vorgehalten werden. Ein MET stellt innerhalb der Klinik nicht nur die Notfallversorgung der Patienten sicher, sondern ist i. d. R. darüber hinaus auch als innerklinischer Rettungsdienst für Besucher und Mitarbeiter sowie alle anderen Menschen, die einen akuten medizinischen Notfall innerhalb des Krankenhausgeländes erleiden, zuständig (. Abb. 6).

Dokumentation und Auswertung der Einsätze Da bislang verbindliche bundeseinheitliche Regelungen fehlen, liegen in Deutschland nur sehr wenige Daten über die Häufigkeit und das Outcome innerklinischer Notfälle sowie Reanimationen vor. Es sollten zur Qualitätssicherung und Darstellung der Leistungszahlen eines MET alle Alarmierungen und Einsätze standardisiert dokumentiert und ausgewertet werden. Um innerklinisch diese Lücke zu schließen und zukünftig die Anzahl und das Spektrum innerklinischer Notfälle besser zu erfassen, hat die Arbeitsgemeinschaft innerklinisches Notfallmanagement des Arbeitskreises Notfallmedizin der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Rat für Wiederbelebung (GRC) und dem Deutschen Reanimationsregister ein standardisiertes innerklinisches Notfallprotokoll entwickelt und die Onlinedatenbank des Deutschen Reanimationsregisters um den Bereich innerklinische Notfälle erweitert (http://www.reanimationsregister.de/ home.html. Zugegriffen: 7. April 2014). Zu-

künftig könnte diese Plattform Grundlage für wissenschaftliche Analysen und Einblicke in die innerklinische Notfallversorgung in deutschen Krankenhäusern sein.

Fazit für die Praxis F Die Behandlung kritisch kranker Patienten außerhalb der Intensivstation ist oft verzögert und kann zu schwerwiegenden Zwischenfällen mit ungeplanten Notaufnahmen auf die Intensivstation oder zu einem   Herz-Kreislauf-Stillstand führen. F Die Rettungskette bildet die Grundlage für ein modernes innerklinisches Notfallmanagement im Sinne einer „präventiven Intensivmedizin“ zur   Verhinderung des innerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstands. F Das MET wird bereits bei einer sich abzeichnenden vitalen Gefährdung des Patienten alarmiert, um noch vor dem Eintreten einer akut kritischen   Situation den Patienten adäquat zu versorgen und einer qualitativ höherwertigen sowie standardisierten   Behandlung zuzuführen. F Ein MET-basiertes Präventionskonzept generiert nicht zusätzliche Intensiv­ patienten, sondern erkennt diese   Patienten lediglich früher, bevor sie zum akuten Notfall werden.

Korrespondenzadresse S. Lenkeit Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Bonn, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  S. Lenkeit, K. Ringelstein, I. Gräff und J.-C. Schewe geben an, dass kein Interessen­ konflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 4 · 2014 

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Buchbesprechungen Larsen R, Ziegenfuß T

Beatmung Indikationen - Techniken - Krankheitsbilder Springer-Verlag GmbH 2013, 5. Aufl., 462 S., 121 Abb., (ISBN 978-3-642-29661-1), 44.95 EUR Das medizinische Lehrbuch „Beatmung“ von Larsen und Ziegenfuß gilt als Klassiker in Deutschland. Seit der 1. Auflage 1997 ist das Werk stetig überarbeitet, weiterentwickelt, verbessert und spezifiziert worden. Aktuell liegt die 5. Auflage vor, welche grundlegend umstrukturiert und neu gegliedert wurde. Dies ist vor dem Hintergrund geschehen, dass gerade in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer technischer Entwicklungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse das Spektrum für den Bereich der Beatmungsmedizin erheblich erweitert hat. Dies ist für Lernende oft unübersichtlich, weshalb die aktualisierte Auflage zum einen die Darstellung auf Grundlagen, Basistechniken und praktische Gesichtspunkte konzentriert und dabei didaktisch aufarbeitet. Zum anderen werden aber spezielle Krankheitsbilder und besondere Situationen sowie neue, wissenschaftlich etablierte Errungenschaften in spezifischer Weise dargestellt. Die 121 Abbildungen sowie die Vielzahl an Tabellen, Merksätzen und Gleichungen tragen zu der übersichtlichen Wissensvermittlung bei. Dabei sind die Struktur und die Inhaltsanordnung sinnvoll und didaktisch aufgebaut. Zudem erlaubt ein durchdachtes Stichwortverzeichnis die schnelle Orientierung innerhalb der 28 Kapitel, welche in 4 Sektionen aufgeteilt sind. Mit insgesamt 449 Seiten ist die 5. Auflage abermals erweitert im Vergleich zu der 4. Auflage und auch den Vorauflagen, was dem Wissenszuwachs in der Beatmungsmedizin Rechnung trägt. Jedes der 28 Kapitel wird durch ein Literaturverzeichnis abgeschlossen, welches die wesentlichen wissenschaftlichen Arbeiten beinhaltet, aber übersichtlich bleibt. Dabei werden auch aktuelle Leitlinien der Fachgesellschaften inkludiert und in ihren Kernaussagen in den jeweiligen Kapiteln bearbeitet.

Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 4 · 2014

Insgesamt konzentriert sich das Buch im Wesentlichen auf die Beatmung auf der Intensivstation. Dabei kommt allerdings das zunehmend wichtige Thema der nicht-invasiven und invasiven außerklinischen Beatmung zu kurz, da insbesondere in den letzten Jahren die Gruppe der chronisch vom Beatmungsgerät-abhängigen Patienten stark zugenommen hat. Hier ist gerade der Übergang von der Beatmung in der Klinik in die außerklinische Beatmung wichtig. Für den Bereich der Intensivstation werden allerdings alle etablierten Beatmungsverfahren didaktisch übersichtlich dargestellt. Dabei schaffen es die Autoren auch, geschickt durch den Dschungel der verschiedenen Bezeichnungen und Abkürzungen zu führen, so dass auch schwerverständliche Themenkomplexe gelernt werden können. Das Lehrbuch „Beatmung“ von Larsen und Ziegenfuß ist ein etabliertes Standardwerk zur Beatmungsmedizin. Die 5. Auflage integriert die neusten Entwicklungen in hervorragender Weise: Ein lesenswertes Buch für Anfänger und Fortgeschrittene! W. Windisch (Köln)

[Medical emergency teams in hospitals].

In-hospital emergencies represent an increasing challenge with regard to risk management in hospitals and until now, no binding recommendations for in...
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