Editorial

Melanom-Früherkennung und automatische Analyse pigmentierter Hautveränderungen Seit Beginn der raschen Entwicklung der Informationstechnologie mit den faszinierenden Möglichkeiten der Bildverarbeitung wurde intensiv an der Auswertung von melanozytären Hautveränderungen gearbeitet [1–4]. Neben diagnoseunterstützenden Systemen, die dem Dermatologen bei der Einordnung zwischen benigne und maligne helfen [5], ist derzeit das MelaFind-Projekt das ambitionierteste und finanziell aufwändigste. In den USA wurde aufgrund der erhobenen Daten für die Anwendung beim Dermatologen eine FDA-Zulassung erteilt [6]. MelaFind® analysiert eine melanozytäre Hautveränderung multispektral mit Wellenlängen vom sichtbaren Licht bis zum Infrarotbereich. Der untersuchte Herd wird dann im Vergleich mit einer Datenbank mit mehr als 10 000 Hautveränderungen und über 600 Melanomen als Läsion mit niedrigem oder ­hohem Risiko eingestuft. Niedriges Risiko ist mit einem negativen prädiktiven Wert für Melanom von 98,1 % assoziiert. Hauschild et al. [7] berichten in ihrer Arbeit über die Ergebnisse der deutschen Reader-Studie, bei der Dermatologen entweder nur mit den anamnestischen Informationen, dem klinischen und dem dermatoskopischen Bild die Läsionen klassifizierten oder zusätzlich mit dem MelaFind-Ergebnis. Mit MelaFind steigt die Sensitivität von 69,5 % auf 78 %, allerdings sinkt die Spezifität von 55,9 % auf 45,8 %. Die Zahl der Dermatologen, die mehr als 90 % der Melanome identifizierten, erhöhte sich unter Einbeziehung der MelaFind-Daten von drei auf 22 von 101 Teilnehmern. Die deutschen Daten sind vergleichbar mit einer ähnlichen, in den USA durchgeführten Studie [8]. Wohl auch durch die Anforderungen der FDA wurde der Algorithmus so eingestellt, dass die Zahl der übersehenen Melanome extrem niedrig ist, was, wie auch im Artikel [7] diskutiert, Spezifität kostet. Vor dem Einsatz von MelaFind und anderen Systemen müssen wir Dermatologen aber bei Hunderten von Patienten Tausende von absolut harmlosen Hautveränderungen aussortieren, was in der täglichen Praxis sowohl mit hoher Spezifität als auch Sensitivität gelingt [9]. Die hier vorgestellten Daten zeigen, dass MelaFind dann eine besondere Bedeutung besitzt, wenn der Dermatologe bei einer auffälligen melanozytären Hautveränderung eine Exzision überlegt. Aufgrund der hohen Sensitivität ist bei einem unaufälligen MelaFind-Ergebnis die Wahrscheinlichkeit für ein Melanom niedrig und die Exzision kann möglicherweise unterbleiben. Durch die doch niedrigere Spezifität ist MelaFind jedoch nicht zum Screening vieler pigmentierter Hautveränderungen bei einzelnen Patienten geeignet.

Wilhelm Stolz

Die Mehrzahl der in der Reader-Studie eingeschlossenen Melanome ist flach mit einer medianen Tumordicke von 0,39 mm. Bei Zweifel an der Dignität bietet sich bei flachen melanozytären Herden auch eine dermatoskopische Verlaufskontrolle an, wie vor kurzem in dieser Zeitschrift von H ­ aenssle und Mitarbeitern beschrieben [10]. Mit einem konsequenten Follow-up können dabei Sensitivitäten von mehr als 90 % und Spezifitäten von mehr als 80 % erzielt werden [11]. Eine weitere interessante Entwicklung ist bereits am Horizont und wurde auch bei der letzten American Academy 2014 in Denver vorgestellt. Mit Hilfe von bis zu 45 Kameras wird die gesamte Körperoberfläche fotografiert und anschließend innerhalb weniger Minuten zu einem 3D-Bild zusammengesetzt, das als Grundlage für Verlaufskontrollen dient. Im nächsten Schritt sollen jetzt Algorithmen Unterschiede in der Zahl und Größe der pigmentierten Hautveränderungen identifizieren, die der Dermatologe dann näher beurteilen kann. Werden wir Dermatologen in Zukunft durch MelaFind oder andere Systeme in Apotheken oder Einkaufszentren ersetzt werden? Dies wird sicher nicht der Fall sein: Nur wir besitzen die hohe Expertise, die Vielzahl der Hautveränderungen mit ihrem dynamischen Verlauf sicher zu differenzieren und nur wir können die Hautveränderungen identifizieren, bei denen MelaFind, die dermatoskopische Verlaufskontrolle oder andere neue Techniken wie die konfokale Lasermikroskopie sinnvoll eingesetzt werden können. Auch wird immer nur ein Dermatologe in der Lage sein, alle diese Informationen verantwortungsvoll in eine therapeutische Entscheidung umzusetzen. Neue Techniken können unsere diagnostische Sicherheit erhöhen und daher gilt auch hier das Zitat von Alan Kay: „The best way to predict the future is to invent it“.

© 2014 Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG). Published by John Wiley & Sons Ltd. | JDDG | 1610-0379/2014/1207

535

Editorial

Wilhelm Stolz Literatur 1

2

3

4

5

6

7

536

Schindewolf T, Stolz W, Albert R et al. Classification of ­ elanocytic lesions with color and texture analysis using digital m image processing. Anal Quant Cytol Histol 1993; 15: 1–11. Horsch A, Stolz W, Neiss A et al. Improving early recognition of malignant melanomas by digital image analysis in dermatoscopy. Stud Health Technol Inform 1997; 43(Pt B): 531–5. Rosado B, Menzies S, Harbauer A et al. Accuracy of computer diagnosis of melanoma: a quantitative meta-analysis. Archives of dermatology 2003; 139: 361–7. Rajpara SM, Botello AP, Townend J, Ormerod AD. Systematic review of dermoscopy and digital dermoscopy/ artificial ­intelligence for the diagnosis of melanoma. Br J Dermatol 2009; 161: 591–604. Perrinaud A, Gaide O, French LE et al. Can automated ­dermoscopy image analysis instruments provide added ­benefit for the dermatologist? A study comparing the results of three systems. Br J Dermatol 2007; 157: 926–33. Monheit G, Cognetta AB, Ferris L et al. The performance of MelaFind: a prospective multicenter study. Arch Dermatol 2011; 147: 188–94. Hauschild A, Chen SC, Weichenthal M et al Exzidieren oder nicht: Auswirkungen von MelaFind auf Biopsieentscheidun-

gen atypischer Läsionen bei deutschen Dermatologen. J Dtsch Dermatol Ges 2014; 12: 606–616. 8 Rigel DS, Roy M, Yoo J et al. Impact of guidance from a computer-aided multispectral digital skin lesion analysis device on decision to biopsy lesions clinically suggestive of melanoma. Arch Dermatol 2012; 148: 541–3. 9 Kittler H. Early recognition at last. Arch Dermatol 2008; 144: 533–4. 10 Kraus SL, Haenssle HA. Früherkennung kutaner Melanome mittels sequentieller digitaler Dermatoskopie. J Dtsch ­Dermatol Ges 2013; 11: 509–12. 11 Altamura D, Avramidis M, Menzies SW. Assessment of the optimal interval for and sensitivity of short-term sequential ­digital dermoscopy monitoring for the diagnosis of melanoma. Arch Dermatol 2008; 144: 502–6.

Korrespondenzanschrift Prof. Dr. med. Wilhelm Stolz Klinik für Dermatologie, Allergologie und Umweltmedizin Klinikum Schwabing Städt. Klinikum München GmbH Kölner Platz 1 80804 München E-Mail: [email protected]

© 2014 Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG). Published by John Wiley & Sons Ltd. | JDDG | 1610-0379/2014/1207

[Melanoma early detection and automatic diagnosis of pigmented lesions].

[Melanoma early detection and automatic diagnosis of pigmented lesions]. - PDF Download Free
129KB Sizes 4 Downloads 2 Views