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Depigmentierungen

Die Erinnerung wohnt in den Haaren Eine 37-jährige rothaarige Patientin stellte sich wegen streifenartig angeordneter roter und weißer Verfärbungen ihrer Haare

vor. Vier Monate zuvor war eine Behandlung mit Sunitinib wegen eines Thymuskarzinoms begonnen worden. Es handelte sich dabei um eine experimentelle Behandlung. Sie hatte 28 Tage lang 50 mg Sunitinib täglich eingenommen, danach 14 Tage Therapiepause gemacht und die Behandlung fortgesetzt. Sunitinib ist ein oral applizierbarer Inhibitor mehrerer Rezeptoren von Tyrosinkinasen, welcher das Tumorwachstum und die Metastasierung über eine Hemmung der Angiogenese verlangsamt oder aufhält. Als unerwünschte Nebenwirkung tritt auch ein Rückgang der Melaninsynthese auf, der zu einer Depigmentierung der Haare führt. Veränderungen der Haarfarbe und der Hautpigmente sind bekannte Begleitwirkungen von Sunitinib.

© N Engl J Med. 2014;370:e27

Anhand des regelmäßig angeordneten Wechsels zwischen Weiß und Rot der Haare lässt sich retrospektiv ablesen, dass die Patientin die Sequenz von Therapieanwendungen und Therapiepausen bei ungestörtem Haarwachstum konsequent eingehalten hat. Insgesamt wurde sie bislang mit sechs Zyklen von Sunitimib behandelt. Es geht ihr klinisch gut. Prof. Dr. med. H. S. Füeßl ■

Streifenartig angeordnete, rote und weiße Verfärbungen am Haupthaar.

■ Brzezniak C, Szabo E (Korres.: christina.e.brzezniak.mil@health-mil): Sunitinib-associated hair depigmentation. N Engl J Med. 2014;370:e27

Antidepressiva gegen Ösophaguskrankheiten? Eine selten gewählte Option: Bei Patienten mit funktionellen Erkrankungen des Ösophagus können Antidepressiva mitunter die Beschwerden lindern.



Der Begriff „funktionell“ wird verwendet, wenn das Beschwerdebild zu einer Ösophaguserkrankung passt, sich aber weder anatomische noch strukturelle Erklärungen für die Symptome finden. Für ein systematisches Review mit Metaanalyse wurden 15 randomisierte klinische Studien identifiziert, in denen eine Antidepressivatherapie bei Sodbrennen, Dysphagie, retrosternalen Schmerzen, Globusgefühl oder bei experimentell ausgelösten Ösophagusschmerzen untersucht wurde. Acht Studien untersuchten Patienten mit funktionellen Thoraxschmerzen. Eine Symptomreduktion gelang mit Imipramin (25–50 mg) oder Sertralin (50– 200 mg). Paroxetin, Venlafaxin oder Trazodon ergaben keine Effekte.

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Sodbrennen im Zusammenhang mit einer gastroösophagealen Refluxkrankheit wurde in zwei von vier Studien durch Citalopram (20 mg) oder Fluoxetin (20 mg) reduziert, Nortriptylin hatte keinen positiven Effekt. Globus wurde in einer Studie untersucht, in der Amitriptylin (25 mg) Pantoprazol (40 mg) überlegen war. Funktionelles Sodbrennen und funktionelle Dysphagie wurden nicht untersucht. In drei Studien reduzierten Imipramin (25–75 mg) und Amitriptylin (50 mg) sowie Citalopram (20 mg) Schmerzen, die durch Ballondistension verursacht worden waren. ■ Weijenborg PW et al. Effects of Antidepressants in Patients With Functional Esophageal Disorders or Gastroesophageal Reflux Disease: A Systematic Review. Clin Gastroenterol Hepatol. 2015;13:251–259

Kommentar Obwohl viele Patienten betroffen sind, fristen die funktionellen Erkrankungen des Ösophagus ein Schattendasein. Globusgefühl oder Dysphagie ohne anatomische Abnormität, nicht kardiale Thoraxschmerzen und Sodbrennen, das sich durch Protonenpumpeninhibitoren nicht bessert und bei dem in der pH-Metrie kein pathologischer Befund erhoben werden kann, sind häufig und lassen nicht nur den Allgemeinarzt, sondern auch den Gastroenterologen verzweifeln. Interessant ist, dass in den wenigen Studien zumeist trizyklische Antidepressiva Erfolg haben, während andere Antidepressiva wie SSRI, SNRI oder SARI keine positiven Ergebnisse liefern. Dies erinnert sehr stark an andere funktionelle gastrointestinale Erkrankungen wie das Reizdarmsyndrom – und unterstreicht die Bedeutung der trizyklischen Antidepressiva in dieser Indikation. Prof. Dr. med. M. Storr ■

MMW-Fortschr. Med.

2015; 157 (10)

[Memory resides in the hair].

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