Übersicht

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Molekulare Charakterisierung des Urothelkarzinoms der Harnblase: Ist ein klinischer Nutzen in Sicht? Molecular Characterisation of Urothelial Bladder Cancer: Will it Improve Patient Care?

Autoren

P. Erben1, A. Hartmann2, C. Bolenz1

Institute

1

Schlüsselwörter ▶ Harnblasenkarzinom ● ▶ Urothelkarzinom ● ▶ Biomarker ● ▶ Molekulare Marker ● ▶ Zielgerichtete Therapien ●

Zusammenfassung

Abstract

Das Urothelkarzinom der Harnblase ist trotz multimodaler Therapie mit einer hohen Rezidiv- und krankheitsspezifischen Mortalitätsrate behaftet. Diese konnte während der letzten beiden Jahrzehnte nicht signifikant gesenkt werden. Die aktuelle histopathologische Klassifikation und klinische Risikostratifizierung ist ungenau. Daher könnte ein besseres Verständnis der Tumor­biologie von entscheidender Bedeutung für therapeutische Verbesserungen sein. Erkenntnisse über die Tumorbiologie können in molekulare Marker, die sowohl die Diagnostik als auch das Therapiemonitoring verbessern können, übersetzt werden. Es wurden bereits diverse mögliche Zielstrukturen auf molekularer Ebene identifiziert. Dazu gehören vielversprechende Zielstrukturen wie FGFR3 (Fibroblast growth factor receptor 3), HER2 (Human epidermal growth factor receptor 2) und PD1/ PDL1 (Programmed cell death-1). Diese müssen in klinischen Studien validiert werden. Wir berichten über die Molekularbiologie des Urothelkarzinoms der Harnblase und zeigen daraus resultierende mögliche klinische Anwendungen von molekularen Markern und zielgerichteten Therapien auf.

Urothelial bladder cancer is characterised by high recurrence and progression rates despite multimodal treatment. Only slight improvements have been achieved during the last decades. The current histopathological classification and clinical risk stratification tools are inaccurate. Hence, a better understanding of the tumour biology is essential for the improvement of patient care. The molecular characterisation of bladder cancer may be translated into useful diagnostic and predictive biomarkers. Many potential therapeutic targets have been identified such as FGFR3 (Fibroblast growth factor receptor 3), HER2 (human epidermal growth factor receptor 2) and PD1/ PDL1 (programmed cell death-1). They need validation in clinical trials. We now review the molecular biology of urothelial bladder carcinoma and discuss clinical applications of biomarkers and targeted therapies.

Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0035-1549992 Akt Urol 2015; 46: 227–235 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0001-7868 Korrespondenzadresse PD Dr. med. Philipp Erben Klinik für Urologie, Universitätsmedizin Mannheim Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg Theodor-Kutzer-Ufer 1–3 68167 Mannheim Tel.:  + 49/621/383-1610 Fax:  + 49/621/383-1939 [email protected]

 Klinik für Urologie, Universitätsmedizin Mannheim, Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg  Pathologisches Institut, Universität Erlangen-Nürnberg



Einleitung



Das Harnblasenkarzinom zählt mit weltweit 386 300 Neuerkrankungen und 150 200 ­Todesfällen zu den häufigen malignen Tumorerkrankungen. Mit einer männlichen Prädominanz von 75 % ist es die 5. häufigste Tumorerkrankung der Männer [1, 2]. In Europa und Nord-Amerika sind mehr als 90 % der Harnblasenkarzinome Urothelkarzinome. Zu den seltenen Subtypen gehören das Plattenepithelkarzinom, das neuroendokrine (kleinzellige) Karzinom und das Adenokarzinom. Für die Ätiologie verantwortlich ist neben dem Tabakrauchen, die Exposition gegenüber Chemi-



kalien wie z. B. aromatischen Aminen. Für Plattenepithelkarzinome spielt die in Regionen wie Südamerika und Afrika vorkommende ­Bilharziose die Hauptrolle. Die Urothelkarzinome der Harnblase (UBL) werden klinisch in 4 Stadien eingeteilt. Zum Diagnosezeitpunkt sind ein Großteil (ca. 60 %) der Tumore nicht invasive Tumoren (Ta). Frühinvasive Tumoren (T1) haben die Basalmembran des Epithels überschritten und infiltrieren die Lamina propria ohne die Muscularis propria der Harnblase zu erreichen. Etwa 20 % der Patienten ­haben zum Diagnosezeitpunkt ein muskelinvasives ­Karzinom oder infiltrieren in das perivesikale

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Key words ▶ bladder cancer ● ▶ urothelial cancer ● ▶ biomarker ● ▶ molecular marker ● ▶ targeted therapies ●

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Übersicht Gewebe bzw. in benachbarte Organe (T2-4). In etwa 5 % der Fälle wird die Erkrankung zum metastasierten Zeitpunkt diagnostiziert. Patienten mit nicht-invasiven Tumoren haben eine 5-JahresÜberlebensrate von 90 %. Ein Rezidiv der Erkrankung im gleichen Stadium ist allerdings sehr häufig mit 50–70 % zu beobachten. Seltener kommt es zu einer Progression zu einem invasiven Tumor (5–10 %) [3]. Die Therapie besteht bei nicht-invasiven Tumoren im Wesentlichen aus einer Zystoskopie mit lokaler Transurethraler-Resektion (TUR) mit Entfernung des Tumors. Im Krankheitsverlauf wird diese zur Verlaufsbeobachtung und bei Rezidiven wiederholt. Weiterhin findet stadienabhängig eine intravesikale Chemotherapie mit Epirubicin oder BCG (Bacille Calmette-Guérin) bei high-grade Tumoren Verwendung. Die häufigen Rezidive und Progressionen zu Muskelinvasiven Tumoren lassen eine verbesserte Verlaufsbeobachtung, Klassifikation und Risikostratifizierung nötig erscheinen. Hier sind neben Risikotabellen [4] molekulare Biomarker eine Möglichkeit zur Vorhersage der Krankheitsprogression. Diese sind im UBL im Gegensatz zu anderen Tumoren wie dem Mammakarzinom, weder im nicht muskelinvasiven (NMIBC) noch im Muskelinvasiven-Urothelkarzinom (MIBC) in die klinischen Prozesse implementiert. Beim muskelinvasiven Urothelkarzinom besteht die Therapie aus einer radikalen Zystektomie (Cx) mit Lymphadenektomie. Nach potentiell kurativer Therapie weisen Patienten eine Stadien-abhängige 5-Jahres-Überlebensrate zwischen 25 % (pT4) und 75 % (pT2) und damit eine hohe lokale oder systemische Rezidivrate auf. Die Radio- und Chemotherapeutischen Optionen sowohl im neoadjuvanten als auch im adjuvanten Therapiesetting, sind trotz positiver Studienergebnisse im Krankheits-spezifischen und Progressions-freien Überleben bisher wenig umgesetzt. So zeigte eine neoadjuvante Therapie einen Überlebensvorteil von 77 gegenüber 46 Monaten ohne neoadjuvante Therapie [5, 6]. Im fortgeschrittenen metastasierten Stadium liegt das mediane Progressions-freie Überleben unter einer aktuellen Chemotherapie mit Gemcitabin, Cisplatin und Taxanen bei 8 Monaten [7]. Neben klassischen chemotherapeutischen-, operativen- und radiotherapeutischen Ansätzen sind und werden neuere, zielgerichtete Therapien wie Antikörper und Tyrosinkinaseinhibitoren in klinischen Studien getestet. Zu diesen gehören Targets in der Angiogenese, der Epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR), die Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptoren (FGFRs) sowie kürzlich einige immunmodulierende Substanzen. Bisher sind diese neueren Therapien nicht in der Klinik implementiert, da neben der Sicherheit die Effektivität noch nicht gezeigt werden konnte. Zusammenfassend hat es beim Urothelkarzinom in den letzten Jahren nur eine marginale Verbesserung des Gesamt­ überlebens gegeben, trotz hoher Kosten der Therapie. Diese Krankheitskosten entstehen durch die hohe Rezidiv- und Progressionsrate, häufige apparative Interventionen wie Zystoskopien, transurethrale Resektion, die Zystektomie und die Chemotherapie. Damit ist das UBL das teuerste Karzinom je Einwohner in den USA [8, 9]. Für eine Verbesserung der Therapie und Prognose der Patienten ist das Verständnis der Tumorbiologie und Pathogenese essentiell. Die Klassifikation des Tumors, Abschätzung der Prognose und Therapieplanung des UBL erfolgt bisher basierend auf dem TNM-System (AJCC/American Joint Committee on Cancer) [10, 11]. Durch die unterschiedliche Histopathologie und die klinischen Verläufe von nichtmuskelinvasiven (NMIBC) und mus-

kelinvasiven Tumoren (MIBC), wurde viele Jahre ein Modell von 2 getrennten Mechanismen zur Entstehung nichtmuskelinvasiver und invasiver Tumoren entwickelt. Es wurde postuliert, dass sich NMIBC über die urotheliale Hyperplasien und papilläre Tumoren und MIBC über flache Dysplasien und das Carcinoma in Situ (CIS) entwickeln. Auch wenn einiges für dieses Modell spricht, so zeigen präklinische Daten und sehr variable klinische Verläufe und Metastasierung bei gleichem TNM-Stadium eine komplexere biologische Variabilität als mit den bisherigen Hypothesen erklärbar. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass die nichtmuskelinvasiven Karzinome schon die wesentlichen ­genetischen Veränderungen aufweisen, die auch in muskelinvasiven Karzinomen nachweisbar sind. Darin zeigt sich auch die Limitation der aktuellen Klassifikation [12, 13]. Diese problematische klinisch-pathologische Einschätzung des UBL hat in den letzten Jahren zunehmend zur Identifizierung von Biomarkern geführt. Diese können Informationen über die Biologie des Tumors geben, die Diagnose sichern, den Tumor klassifizieren, therapeutische Zielstrukturen identifizieren, das Therapieansprechen vorhersagen sowie Endpunkte für klinische Studien liefern. Daher diskutiert diese Arbeit neue Erkenntnisse der Molekularbiologie, potentielle Biomarker mit dem Fokus auf mögliche klinische Anwendungen und klinische Studien mit zielgerichteten Therapien im Urothelkarinom der Harnblase.

Pathogenese des Urothelkarzinoms



Die Harnblase ist von einem spezialisierten mehrschichtigen Epithel, dem Urothel, ausgekleidet. Dieses hierarchisch aufgebaute Epithel besteht aus 3 Zellpopulationen, mit niedrigster Differenzierung und höchster Proliferation an der Basis. Hier finden sich die einschichtige Basalzellschicht, gefolgt von einer mehrschichtigen Schicht aus Intermediär Zellen und oberflächlichen Deckzellen (Umbrella-Zellen). Diese Umbrella-Zellen bilden die Barriere zum Urin. Die verschiedenen Zelltypen des Urothels exprimieren jeweils spezifische Marker wie Zytokeratin 5 und 16 in den Basalzellen oder Uroplakin und Zytokeratin 20 in den oberflächlichen Deckzellen [14]. In den Zellen des Urothels kommt es durch die chronische Exposition durch Karzinogene im Urin, im Prozess der urothelialen Karzinogenese zur Akkumulation von zahlreichen g ­ enetischen Veränderungen. Im Gegensatz zu anderen epithelialen Tumoren, wo es einen linearen Verlauf der Krebsentstehung gibt, spricht einiges für 2 getrennte Signalwege in der urothelialen Tu­ morgenese. Auf der einen Seite findet man die nichtinvasiven, papillaren low-grade Tumoren, die eher genetisch stabil sind und sich aus dem gesunden Urothel über die Hyperplasie ent­ wickeln. Hier finden sich in einer Vielzahl der Fälle aktivierenden Muta­tionen in der Rezeptortyrosinkinase FGFR3 (Fibroblast growth factor receptor 3) und dem HRAS (Harvey rat sarcoma viral ­oncogene homolog)-Onkogen. Auf der anderen Seite stehen nichtmuskelinvasive High grade-Tumoren und invasive Tumoren. Diese entstehen über das Carcinoma in situ (CIS) oder de novo aus dem Urothel. Hier finden sich Alterationen von ­Genen, die kritisch für die Zellzyklusregulation sind, wie z. B. in den Tumorsuppressoren TP53 (Tumor Protein 53), RB (Retinoblastoma 1) und PTEN (Phosphatase and tensin homolog) mit resultierender zunehmender genetischer Instabilität. ([12, 15–17]) So finden sich multiple andere chromosomalen Veränderungen bis zur ▶  Abb. 1). Dieser Typ des Urothelkarzinoms Chromothripsis (  ●

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Gesundes Urothel

Papilläre, Ta Low Grade Karzinome (~60 %) >/=2 Subtypen PIK3CA-AKT, HRAS, STAGE2 Mutation

Hyperplasie, Dysplasie

Papilläre,Ta High Grade Karzinome Rezidive

Flache Dysplasie LOH 9q, 9p; Mutation TP53 Cis (Carcinoma in Situ) RB1, Verlust 13q T1 (~20 %)

Verlust CDKN2A Invasives Karzinom (~20%) 3 – 5 Subtypen, Erbb2 +; PTEN Alteration, 2q, 8p, 11q

Rezidive

Metastasen EMT & Entzündung Abb. 1  Kanzerogene Signalwege und potentielle Veränderungen in der Urothelialen Kanzerogenese basierend auf histopathologischen und molekularen Daten. Die Identifikation von charakteristischen molekularen Signalwegen im NMIBC und MIBC impliziert verschiedene spezifische molekulare Subtypen in den beiden Hauptwegen der Kanzerogenese. LOH = Loss of Heterozygosity; FGFR = Fibroblast growths factor receptor; PIK3CA = Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphate 3-kinase; HRAS = Harvey rat sarcoma viral oncogene homolog; STAGE2 = Stromales Antigen 2; CDKN2A = Cyclin dependent kinase 2; TP53 = Tumor protein 53; Cis = Carcinoma in situ; RB1 = Retinoblastoma 1; PTEN = Phosphatase and tensin homolog; Erbb2 = Erb-b2 receptor tyrosine kinase 2; EMT = Epitheliale-Mesenchymale-Transition

­ ehört damit zu den Tumortypen mit der höchsten Zahl genetig scher Veränderungen überhaupt. Als ein frühes Ereignis in der urothelialen Kanzerogenese gilt der Verlust von Teilen des Chromosoms 9 in nichtmuskelinvasiven und invasiven Tumoren. So findet sich eine LOH (Loss of Heterozygosity, Verlust der Heterozygotie) des Chromosoms 9 bereits in histomorphologisch normalen Urothel, Urothelhyperplasien als auch in Patienten mit nichtmuskelinvasiven Tumoren [18–20]. Für die Invasion und die Entwicklung von Metastasen, spielen das Mikroenvironment des Tumors und die Veränderungen der extrazellulären Matrix eine entscheidende Rolle. Weiterhin kommt es auf dem Weg der Tumorprogression und der metastasierten Erkrankung zur Epithelialen Mesenchymalen Transition (EMT) und Aktivierung der Angiogenese. EMT selbst ist ein reversibler Prozess, der Veränderungen der Zellmorphologie und Beweglichkeit umfasst, was für die Metastasierung von entscheidender Bedeutung ist. Einige Marker der EMT wie die Expression von Vimentin, Fibronectin sowie der Verlust von ­ E.-Cadherin sind assoziiert mit muskelinvasiven Tumoren und Therapieresistenz und Metastasierung [21, 22]. Neuere Daten, die unter Nutzung von Hochdurchsatztechniken wie dem Mikroarray und Sequenzierungen entstanden sind, sprechen für ein komplexeres Bild als die dargestellten 2 Wege der urothelialen Kanzerogenese. Dazu gehört eine hohe Muta­ tionshäufigkeit, die allenfalls noch mit dem Adenokarzinom der Lunge oder dem malignen Melanom vergleichbar ist. Zusätzlich scheint es verschiedene molekulare Subtypen des Urothelkarzinoms zu geben, die eine unterschiedliche Prognose und ein unterschiedliches Therapieansprechen aufweisen. Die Komplexität zeigen aber auch epigenetische Veränderungen der Methylierung, Chromatin-Modifizierung und miRNA-Expression.

Molekulare Alterationen des Urothelkarzinoms der Harnblase



a) Chromosomale Veränderungen, genomische Instabilität

Nichtmuskelinvasive Tumoren haben häufig einen nahezu diploiden Karyotyp. Dabei treten selten Translokationen auf. Im ­Gegensatz dazu sind MIBCs häufig Aneuploid und chromosomal instabil. Auch Chromotripsis, eine massive Zerstörung der Chromosomenstruktur und -substanz, kommt hier vor. Wie dargestellt ist der Verlust von Teilen des Chromosoms 9 die häufigste chromosomale Alteration im UBL ( > 50 %). Ein hier lokalisiertes Tumorsuppressorgen ist die Cyclin dependent kinase inhibitor 2 (CDKN2A, CDKN2B) oder das Tuberöse Sclerose-Gen 1 (TSC 1). Eine LOH von 9p sowie auch eine homozygote Deletion von CDKN2A sind Prädiktoren eines reduzierten Rezidiv freien Überlebens [23, 24]. Daneben sind häufig Veränderungen der Kopienzahl (LOH, Allel Verlust) an den Chromosomen 3,5,9,10,13 und 17 zu finden [25]. Bisher sind viele der betroffenen Zielgene unbekannt [26]. Tumoren mit einem eher a ­ ggressiven Verlauf zeigen Deletionen in 8p, 2q und 5q [27, 28]. Viele muskelinvasive Tumoren zeigen zahlreiche unterschiedliche chromosomale Rearrangierungen. Eine der wenigen Fusionen die häufiger vorkommen, ist die FGFR3-TACC3 Fusion (Transforming, acidic coiled-coiled containing Protein 3) [29]. Im Zelllinienmodell zeigen sich diese Fusionen als sensitiv für eine Therapie mit FGFRInhibitoren wie Dovitinib (TKI-258, Novartis Oncology). Die Identifizierung chromosomaler Alterationen mittels FISH (Fluoreszenz in Situ Hybridisierung, UroVysion Kit, Abbott ­Molecular) aus dem Urin, wird zum Teil in der klinischen Praxis eingesetzt. Im ­Gegensatz dazu sind bisher Gewebe-spezifische

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Hyperplasie LOH 9q; FGFR Mutation

Übersicht Marker chromosomaler Alterationen nicht ausreichend evaluiert und nicht in die Diagnostik implementiert.

b) Molekulare Alterationen und deren Häufigkeiten im Urothelkarzinom

Bisher wurden nahezu 300 Harnblasenkarzinome, vor allem muskelinvasive Tumoren und T1 Tumoren, sequenziert, in den meisten Fällen mit Untersuchung aller kodierenden Sequenzen (Exom). Im MIBC findet sich eine Mutationsrate von somatischen Mutationen von etwa 300 Mutationen je Probe, was einer medianen Rate von 5.5 Mutationen je Megabasenpaar entspricht. Höhere Häufigkeiten sind nur im Bronchialkarzinom und Melanom beschreiben [30]. Die häufigsten Mutationen in nichtmuskelinvasiven Ta Tumoren ▶  Tab. 1). Diese sind mit 80 % aktivierende FGFR3 Mutationen ( ● sind mit einem besseren onkologischen Outcome assoziiert [31– 33]. Im invasiven UBL liegt die Mutationshäufigkeit bei 10–20 %, in muskelinvasiven Tumoren ( >  = pT2) darunter [34]. Neben FGFR3 Mutationen sind auch FGFR Fusionen in etwa 5 % der Fälle und die erhöhte Expression einer trunkierten FGFR3 Splice Variante (D8-10) beschrieben. So zeigen auch einige Tumoren die erhöhte FGFR3-Expression auch ohne aktivierende Mutationen. In Low-grade-Tumoren finden sich auch Mutationen im HRAS Gen in 30 % der Fälle [35]. Daher wurde eine Aktivierung des Rezeptortyrosinkinasen-RAS Signalwegs als ein frühes Ereignis in der Karzinogenese vorgeschlagen. HRAS Mutationen finden sich in ähnlicher Häufigkeit in nichtmuskelinvasiven und muskelinvasiven Tumoren. Die in der Literatur berichteten Häufigkeiten der HRAS Mutationen schwanken zwischen 0–84 %, wobei die meisten Studien von einer Häufigkeit zwischen 30-40 % ausgeht [36]. In muskelinvasiven Tumoren finden sich häufig Defekte in Genen der Zellzyklus-Regulation. So sind Mutationen in TP53, RB1 und CDKN2A sehr häufig. Mutationen in TP53 finden sich in mehr als 50 % der muskelinvasiven Tumoren und flachen CIS. Für TP53 ist der prognostische Wert vielfach untersucht worden. Hier zeigen neuere große Studien einen geringen Effekt auf Progression und

Gen EGFR (Erbb1) Erbb2 (Her2neu)

Erbb3 (HER3) FGFR1 FGFR3 NRAS HRAS KRAS PIK3CA E2F3 CCND3 MDM2

Alteration

Mortalität im Vergleich zur klinikopathologischen Risikostratifizierung [37, 38]. Durch Mutationen im p53-Gen selbst und Amplifikationen von MDM2 (Mouse double minute 2 homolog), ist die TP53 Funktion in 76 % muskelinvasiver Tumoren inaktiviert [30, 39]. Neben einer Inaktivierung von TP53 durch Muta­tionen und Deletionen ist ein Verlust von RB1 häufig. Auch Amplifika­ tionen des Transkriptionsfaktors E2F3 (E2F transcription factor 3), der im Gesunden durch RB1 inhibiert ist, kommen vor [40]. In nichtmuskelinvasiven Tumoren sind Cycline wie CCND1 in 20 % amplifiziert. Auch eine hohe Kernexpression von Cyclin D3 in Ta und T1 Tumoren zeigte eine Assoziation mit reduziertem krankheitsfreien Überleben [41]. Als ein weiterer negativer prognostischer Faktor ist eine Überexpression von ErbB1 (EGFR), ErbB2 (HER2neu, human epidermal growth factor receptor 2) bzw. ErbB3 (Her3, human epidermal growth factor receptor 3) in einer Subgruppe von Urothelkarzinomen beschrieben. Diese Rezeptoren gehören zur Familie der Epidermalen Wachstumsfaktor Rezeptoren: EGFR (Erbb1), Erbb2 (Her2neu), Erbb3 (Her3) und Erbb4 (Her4, human epidermal growth factor receptor 4). Als gemeinsames Strukturelement haben sie eine extrazelluläre Bindungsdomäne der ­Liganden, eine transmembranäre Domäne und eine zytoplasmatische Tyrosinkinasedomäne. Nach Liganden-Bindung und ­Dimerisierung sowie Autophosphorylierung der Tyrosinkinase werden intrazelluläre Signalwege wie der RAS/RAF oder MAPKinasesignalweg angestoßen, was zu Wachstum und Aktivierung der DNA-Synthese führt. Dabei sind sowohl für Erbb2 (Her2­neu) als auch Erbb3 in muskelinvasiven Tumoren Mutationen beschrieben worden, wobei Amplifikationen von Erbb2 (Her2neu) häufiger vorkommen. Interessanterweise zeigten Metastasen eine Überexpression von Erbb2 (HER2neu) häufiger im Vergleich mit Primärtumoren [12]. Im mehr intrazellulär gelegenen Teil dieses Signaltransduktionswegs finden sich aktivierend Mutationen von PIK3CA (Phosphatidylinositol 4,5-Bisphosphate 3-Kinase, Subunit Alpha) wie z. B. die Mutationen E545K und E542K, die in etwa 25 % der nichtmuskelinvasiven Harnblasenkarzinome und weniger häufig in

Häufigkeit NMIBC

Häufigkeit MIBC

(low grade Ta)

(> / = T2)

Erhöhte Expression Amplifikation

~20 % (Protein) na

Punktmutationen Erhöhte Expression Punktmutationen Amplifikation Erhöhte Expression Punktmutationen Punktmutation Punktmutation Punktmutation Punktmutation Amplifikation Erhöhte Expression Amplifikation Amplifikation

na na na 1 % ~50 % (mRNA) 60–70 % 1–2 % 5–10 % 5 % 25 % 0 % 10 % (Protein) 20 % 3 %

~50 % (Protein) 5–14 % 42 % (Mikropapilläre Variante) ~8 % 8–30 % 11 % 6 % ~80 % (mRNA) 5–20 % 1–2 % 5–6 % 5 % 9–20 % 9–14 % 20 % (Protein) 20 % 3–5 %

Abkürzungen: EGFR (Erbb1) = Epidermaler Wachstumsfaktor Rezeptor; Erbb2 (HER2) = Erbb2 Receptor Tyrosine Kinase 2; Erbb3 (HER3) = Erbb3 Receptor Tyrosine Kinase 3; FGFR1 = Fibroblast Growths Factor Receptor 1; FGFR3 = Fibroblast Growths Factor Receptor 3; NRAS = Neuroblastoma RAS viral (v-ras) oncogene homolog; HRAS = Harvey rat sarcoma viral oncogene homolog; KRAS = Kirsten rat sarcoma viral oncogene homolog; PIK3CA = phosphatidylinositol-4,5-bisphosphate 3-kinase, catalytic subunit alpha; E2F3 = E2F transcription factor 3; CCND3 = cyclin D3; MDM2 = MDM2 proto-oncogene; mRNA = messenger RNA

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Tab. 1  Wichtige molekulare ­Alterationen mit onkogener Aktivität im Urothelkarzinom der Harnblase und deren Häufigkeiten [12].

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Tab. 2  Wichtige molekulare Alterationen mit Tumorsuppressor-Aktivität im Urothelkarzinom der Harnblase und deren Häufigkeiten [12]. Gen

Alteration

TP53

Mutation, LOH Erhöhte Expression Inaktivierende Mutation Mutation Inaktivierende Mutation Inaktivierende Mutation Homozygote Deletion Homozygote Deletion Mutation Heterozygote Deletion Homozygote Deletion Mutation Inaktivierende Mutation

APC RB1 TSC1 TSC2 PTEN PIK3R1 CDKN2A

CTNNB1

Häufigkeit NMIBC Häufigkeit (low grade Ta)

MIBC (> / = T2)

0–14 %  

[Molecular Characterisation of Urothelial Bladder Cancer: Will it Improve Patient Care?].

Urothelial bladder cancer is characterised by high recurrence and progression rates despite multimodal treatment. Only slight improvements have been a...
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