Leitthema Chirurg 2013 · 84:957–961 DOI 10.1007/s00104-013-2513-0 Online publiziert: 19. Oktober 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

J.O.W. Pelz · C.-T. Germer

Ein interdisziplinäres Behandlungskonzept stellt die Basis für ­eine moderne Behandlung ­peritoneal metas­tasierter Malignome dar. Die Kombi­nation von zytoreduktiver ­Chirur­gie (CRS) mit anschließender hyper­thermer intraperitonealer ­Chemoperfusion (HIPEC) stellt eine alternative Therapieform in der Behandlung der Peritonealkarzinose dar [5, 7, 21, 25]. Im selektionierten Krankengut ist bei limitierter Peritonealkarzinose die HIPEC neben der systemischen Polychemotherapie somit eine weitere Säule der onkologischen Therapie.

Unter Berücksichtigung des durch die Kombinationstherapie erzielten signifikanten Überlebensvorteils erscheinen jedoch die Raten an postoperativer Letalität und Morbidität vertretbar. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass in spezialisierten Zentren im Rahmen einer Lernkurve Morbidität und Letalität deutlich gesenkt werden können [11, 23, 30].

Bei Vorliegen einer Peritonealkarzinose mit limitierter Tumorausdehnung kann durch makroskopisch vollständige Zytoreduktion und die HIPEC-Therapie ein signifikanter Überlebensvorteil bei ausgewählten Tumorentitäten erreicht werden [5, 21, 25]. Aufgrund der Datenlage wird die zytoreduktive Chirurgie mit anschließender HIPEC-Therapie z. B. in den aktuellen S3-Leitlinien beim kolorektalen Karzinom mit limitierter Metastasierung des Peritoneums als alternative Methode bei selektionierten Patienten empfohlen [1]. Im Rahmen einer Kombinationstherapie mit CRS und HIPEC wird jedoch ­eine erhöhte peri- und postoperativer Morbidität und Mortalität beschrieben [6, 9, 14, 17, 19, 24]. In der Literatur finden sich Morbiditätsraten zwischen 25 und 60%, während die Mortalität zwischen 2 und 10% angegeben wird [6, 9, 14, 17, 19, 24].

Abteilung für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie, Julius Maximilians Universität Würzburg

Morbidität und Letalität der hyperthermen intraperitonealen Chemoperfusion

Komplikationen durch die zytoreduktive Chirurgie Ziel der operativen Maßnahmen ist bei diesem Verfahren neben der Resektion eines gegebenenfalls vorhandenen Primärtumors eine makroskopisch voll-

Region

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ständige Entfernung aller erreichbaren Tumor­absiedlungen am parietalen und viszeralen Peritoneum. Eine exakte Einteilung der Ausdehnung der Peritonealkarzinose erfolgt im Allgemeinen anhand des Peritoneal ­Cancer Index (PCI) nach Sugarbaker [12, 26]. Hierbei wird zunächst die Bauchhöhle in 9 Segmente unterteilt. Zusätzlich werden am Dünndarm weitere 4 Abschnitte unterschieden. Insgesamt ergeben sich somit 13 zu beurteilende Regionen (. Abb. 1). Die Tumorknoten ­werden anhand des maximalen Tumorknotendurchmessers nach einem Punktesystem eingeteilt. Bei fehlendem Tumornachweis werden 0 Punkte vergeben

Läsionsgröße

Läsionsgrößen-Score

0 Zentrum 1 rechts oben 2 Epigastrum 3 links oben 4 linke Flanke 5 links unten 6 Pelvis 7 rechts unten 8 rechte Flanke 9 oberes Jejunum 10 unteres Jejunum 11 oberes Ileum 12 unteres Ileum

LS 0 kein Tumor sichtbar LS 1 Tumor < 0,5 cm LS 2 Tumor < 5,0 cm LS 3 Tumor > 5,0 cm oder konfluent

11

PCI

9

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Abb. 1 8 Peritonealkarzinoseindex (PCI) nach Sugarbaker. (Adaptiert nach [28], mit freundlicher Genehmigung von Lippincott Williams & Wilkins) Der Chirurg 11 · 2013 

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Leitthema CC–0

CC–1

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CC–3

Tumorfrei

Present 2,5 cm

Abb. 2 9 “Completeness of cytoreduction” (CC-Score) nach Sugarbaker. (Adaptiert nach [28] mit freundlicher Genehmigung Lippincott Williams & Wilkins)

Abb. 3 8 Schematische Darstellung der hyperthermen intraperitonealen Chemoperfusion nach Pelz

(LS 0). Bis zu einem Durchmesser von 0,5 cm ergibt sich 1 Punkt (LS 1), bis 5 cm 2 Punkte (LS 2) und über 5 cm 3 Punkte (LS 3). Der PCI kann somit zwischen 0 Punkten (kein Tumornachweis) und 39 Punkten (in allen 13 Regionen Tumorknoten über 5 cm) betragen (. Abb. 1). Die Vollständigkeit der Zytoreduktion wird nach dem CC-Schema nach Sugarbaker („completeness of cytoreduction“, [26]) eingeteilt (. Abb. 2). Für die Prognose des Patienten ist ein Erreichen ­einer CC-0- bzw. CC-1-Situation essenziell. Die Komplikationsrate steigt mit dem Ausmaß der Resektion und somit auch mit der Höhe des Gesamt-PCI. Daher gilt der PCI auch als prognostischer Faktor. Häufigste Komplikationen bei einer ausgedehnten Zytoreduktion sind neben der Anastomoseninsuffizienz oder Darm­ leckage Abszesse, Blutungen oder Wundheilungsstörungen [4].

Komplikationen durch die lokale Chemotherapie Im Anschluss an die zytoreduktive Chirurgie erfolgt die hypertherme intraperitoneale Chemoperfusion. Hierbei wird eine für diese Prozedur bestimmte zerti-

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fizierte Perfusionsmaschine ­verwendet (. Abb. 3). Die Perfusion erfolgt bei ­einer Inflow-Temperatur von 41–43°C über 30–120 min Obwohl nur ein Teil der Chemotherapie über das Bauchfell in den Sys­temkreislauf gelangt, werden in der Lite­ratur nicht unerhebliche toxische Nebenwirkungen beschrieben. Dabei ist das Ausmaß der Peritonektomie kein abhängiger Faktor. Daher können auch bei Patienten mit einem geringen PCI erhebliche Nebenwirkungen der Perfusion ­auftreten. Die Gesamttoxizität wird mit bis zu 20–26% angegeben, wobei die Nephro­toxizität (16–19%) und die Hämatotoxizität (14–20%) am häufigsten beschrieben werden [4, 13, 27, 29].

Die Lernkurve ist entscheidend für den chirurgischen Erfolg Es konnte in mehreren Analysen gezeigt werden, dass sich unter der Lernkurve die jeweiligen Komplikationen nach Etablierung des Verfahrens und der wiederholten Durchführung deutlichen senken lassen [11, 23, 30]. Smeenk et al. [23] beschrieben eine Verbesserung der CC-0-Resektionsquote (komplette makroskopische Zytoreduktion) von initial 35,6 auf 65,1% in-

nerhalb von 10 Jahren. Im gleichen Zeitraum konnten die Morbidität von 71,2 auf 34,1% und die ­durchschnittliche Krankenhausverweildauer von 21 auf 17 Tage gesenkt werden. Dies führen die Autoren auf einen längerfristigen Lerneffekt zurück, so dass bis zur sicheren Etablierung die Durchführung von bis zu 130 Prozeduren gefordert wird. Yan et al. [30] konnten nach der Durchführung von 140 CRS- und HIPECTherapien im Vergleich der ersttherapierten Patientengruppe (n=70) mit der zweiten Patientengruppe (n=70) eine Reduktion der Grad-3/4-Morbidität von 30 auf 10% feststellen. Gonzalez et al. [11] beschreiben des Weiteren, dass neben der sorgfältigen Planung und Vorbereitung auch ein ­engagiertes und speziell geschultes Team sowie geeignete Einrichtungen zum reibungslosen Ablauf beitragen können.

Durch Patientenselektion werden Komplikationen vermieden Die Patientenselektion und Indikationsstellung sollte stets nach aktueller Bestandsaufnahme durch gegebenenfalls erweiterte Bildgebung und abschließender interdisziplinärer Diskussion in einem onkologischen Tumorboard erfolgen. Derzeit gibt es nur wenige standardisierte Selektionskriterien für die ­operative Behandlung der Peritonealkarzinose. Es gibt lediglich Richtlinien aus der 2006 Konsenskonferenz in Mailand [6]. Dabei handelt es sich allerdings um eine Expertenmeinung mit niedrigem Evidenzlevel. Bei Patienten mit einer Peritonealkarzinose auf dem Boden eines kolorektalen Karzinoms besteht die Möglichkeit, die Patientenselektion anhand des „Peritoneal Surface Disease Severity Scores“ (PSDSS) zu optimieren [20]. Eine besonders strenge Indikationsstellung sollte bei Patienten erfolgen, die durch Tumor- oder Therapiefolgen bereits eine deutliche Einschränkung des Allgemeinzustandes erfahren haben (Karnofsky-Index

[Morbidity and mortality of hyperthermic intraperitoneal chemoperfusion].

Cytoreductive surgery (CRS) combined with perioperative intraperitoneal chemotherapy (PIC) is a treatment option for peritoneal surface malignancy. De...
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