Obersichtsarbeit 273

Die nekrotisierende Enterokolitis aus der Sicht des Kinderchirurgen - Therapeutische Überlegungen P. Schweizer Kinderchirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Tübingen (Direktor: Prof. Dr. P. Schweizer)

In der Absicht, diagnostische und therapeutische Richtlinien aus der Sicht des Kinderchirurgen zu formulieren, wurden die klinischen, laborchemischen und intraoperativen Befunde von 52 Kindern mit NEC ausgewertet und zur Letalität in Beziehung gesetzt. Die Analyse ergab folgendes Resultat: 1. Bei klinisch "nachgewiesener" NEC (n = 28) betrug die Letalität 3 = 90/0. Alle 3 verstorbenen Kinder waren sogenannte "high risk"-Patienten. Bei "fortgeschrittener" NEC (n = 24) betrug die Letalität 6 = 25 %; 5 verstorbene Kinder waren sogenannte "High risk"-Patienten. Die beiden Patientengruppen sind vergleichbar, weil das Verständnis von der Operationsindikation, vom Operationszeitpunkt und die operationstechnischen Bedingungen gleich waren, die Operationsmethode standardisiert blieb, das Verteilungsmuster und Ausmaß der Darmschädigung, mit Ausnahme der Darmperforation in der zweiten Gruppe, übereinstimmte. Zudem war der Anteil der "High risk"-Patienten in heiden Gruppen annähernd gleich hoch. Die beiden Gruppen unterschieden sich also nur im Merkmal der Darmperforation. Das Ergebnis, das keine statistische Aussagekraft beanspruchen kann, jedoch eine Tendenz anzeigt, besagt, daß Kinder, die erst nach eingetretener Darmperforation operiert werden konnten, eine schlechtere Prognose hatten. 2. Das wegweisende diagnostische Kriterium zum Nachweis der sich entwickelnden Darmgangrän ist die Punktion der Bauchhöhle zur Erkennung der Durchwanderungsperitonitis. 3. Ein Vergleich verschiedener Operationsmethoden bestätigt im Hinblick auf die Letalität den herausragenden Stellenwert des Enterostomas gegenüber der primären Anastomose. Ausnahmen bestätigen indessen auch hier die Regel.

Schlüsselwörter Nekrotisierende Enterokolitis - Darmperforation - Operationszeitpunkt - Operationsindikation

Eingegangen am 15. März 1990 Z Kinderchir 45 (1990) 273-277 C Hippokrates Verlag Stuttgart

NEC in Infancy - Paediatric Surgical Aspects In order to define diagnostic and therapeutic guidelines from a paediatric surgical point of view, clinical, laboratory chemical and intraoperative findings from 52 children with necrotising enterocolitis (NEC) were evaluated and correlated with fatality. This analysis produced the following results: 1. The fatality rate for patients with "proven" NEC (n = 28) was 3 = 9 %. All 3 of these children who died were so-called "high risk" patients. The fatality rate for patients with "advanced" NEC (n = 24) with intestinal perforation was 6 = 25 0/0. Five of these children who died were socalled Hhigh risk" patients. These 2 patient groups are com~ parable because the concepts of surgical indication and timing were identical, the technical conditions for surgery were the same, a standardised surgical procedure was employed, and the distribution pattern and extent of intestinal damage were consistent, except for the intestinal perforation in the second group. In addition, the proportion of "high risk" patients was approximately the same in both groups. Therefore, the 2 groups differed only in the attribute of intestinal perforation. Accordingly, the results of comparison cannot be considered 10 be statistically significant, yet they do indicate a prognostic tendency: Children who cannot receive surgery until after the occurrence of intestinal perforation have a poorer prognosis. 2. The highly indicative diagnostic criterion for proof of developing intestinal gangrene is puncture of the abdominal cavity, enabling detection of migratory peritonitis. 3. With regard to fatality, a comparison of various surgical procedures confirms the special importance of an enterostoma over primary anastomosis. Exceptions only serve to prove the rule here as weIl. Keywords Necrotising enterocolitis - Intestinal perforation - Timing of surgery - Surgical indication

Heruntergeladen von: University of British Columbia. Urheberrechtlich geschützt.

Zusammenfassung

P. Schweizer

Z Kinderchir 45 (1990)

Im Dialog über die nekrotisierende Enterokolitis fällt dem Kinderchirurgen die Aufgabe zu, die Operationsindikation, den Operationszeitpunkt und die beste operative Methode zu formulieren.

Tab.3

Stadieneinteilung der NEC (Formulierung 1978).

1. Stadium:

2. Stadium:

Operationsindikation und Operationszeitpunkt 3. Stadium:

"Wann muß bei nekrotisierender Enterokolitis operiert werden"? Bis 1974 wurde in der Tübinger Kinderklinik eine Operationsindikation nur beim Nachweis eines Pneumoperitoneums gestellt. Eine Überprüfung der Ergebnisse aus dem Zeitraum 1970 bis 1974 stellte diese Auffassung von der Indikation jedoch in Frage. Die Zweifel an einer solchen Indikationsstellung werden aus der Tabelle 1 verständlich. Die häufigsten Risikostigmata der analysierten Patientengruppe sind in der Tabelle 2 zusammengestellt.

Tab. 1

Resultate von 14 Kindern mit NEC aus dem Zeitraum 1970 bis

1974. 12 (primare Risikostigmata)*

4. Stadium:

Anamnese mit pradisponierenden Faktoren. Gedeihstörungen, geblahter Bauch, Erbrechen, okkultes Blut im Erbrochenen und im Stuhl. Subileussymptomatik mit okkultem oder sichtbarem Blut im Stuhl. Röntgenologisch nachweisbares Darmwandödem, stehende Darmschlingen, Pneumatosis cystoides intestini. Das makroskopische Korrelat ist ein ödematöser Darm mit fleckförmigen Hamorrhagien. Ileussymptomatik mit gastrointestinaler Blutung. Bauchwandinduration, Skrotal- oder Labienödem. Hyponatriamie, Th rom bozytopen ie. Im Bauchhöhlenpunktat sind Granulozyten und Bakterien sowie Stuhlpartikel nachweisbar. Das makroskopische Korrelat ist ein Darm mit antimesenterial liegenden segmentalen, ischamischen Wandnekrosen. Klinische und röntgenologische Perforationssymptomatik.

se definiert. Das dritte Stadium, die Phase in der die Darmgangrän und die Durchwanderungsperitonitis entstehen, beschrieben wir mit den klinischen Zeichen: Bauchwandrötung, Skrotal- oder Labienödem, Hyponatriämie, Thrombozytopenie, stehende dilatierte Darmschlingen, Pneumatosis cystoides intestini, Aszites, positives Bauchhöhlenpunktat (Tab. 4).

gesamt 14 2 (keine Risikostigmata) Letalitat

7 2

primare Anastomose 7 2 Ileostoma mit Resektion Ileostoma ohne Resektion 5

3

Tab.4 •



Tab.2

Die haufigsten Risikostigmata (n

= 53).

Niedriges Geburtsgewicht Perinatale Asphyxie, Atemnotsyndrom Hyperviskositat (HK> 50 %) Angeborene Herzfeh ler Perinatale Sepsis

Aus den enttäuschenden Ergebnissen dieser Zeitspanne zogen wir den Schluß, daß die Operation im Stadium der Darmperforation zu spät durchgeführt worden war. Wir versuchten daher, die Indikation prospektiv neu zu definieren und korrelierten in einer 6jährigen Studie (2, 3, 4) den klinischen und operativen Befund mit der Letalität. Ziel der Untersuchung war es, Kriterien zu suchen, mit deren Hilfe der Zeitpunkt der Entwicklung einer irreversiblen Darmwandnekrose erfaßt werden kann. In einer analytischen Aufarbeitung der 6 Jahre lang gesammelten Daten erwies sich erstens, daß die Entstehung der Darmwandnekrose ausnahmslos mit dem Auftreten einer Durchwanderungsperitonitis korreliert ist - und zweitens, daß die Durchwanderungsperitonitis mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Punktion der Bauchhöhle erfaßt werden kann. Aus dieser prospektiven Analyse der klinischen, laborchemischen, röntgenologischen und operativen Befunde ergab sich eine Einteilung der Krankheitsentwicklung in vier Stadien (Tab. 3) (3). Das vierte Stadium wurde pathogenetisch durch die Darmperforation, klinisch durch das Pneumoperitoneum oder eine tastbare intraabdominale Perforationsmas-



Klinische Signalsymptome der NEC.

Bauchwandrötung Skrotal-, bzw. Labienödem Hyponatriamie Th rom bozytopen ie Stehende, dilatierte Darmschlingen Pneumatosis cystoides intestini Aszites Positives Bauchhöhlenpunktat

Eine vergleichbare Stadieneinteilung publizierte 1978 Bell (1) und 1979 Waldschmidt (5). Aus dem Ergebnis der genannten Untersuchung formulierten wir 1974 die Arbeitshypothese, daß zwar nicht zu früh, also nicht schon im Stadium I und 11, jedoch auch nicht zu spät, also nicht erst im Stadium IV operiert werden dür* fee Die Operationsindikation wurde fortan, geleitet von einem positiven Aszitespunktat, am Übergang vom Stadium III ins Stadium IV gestellt. Diese Phase der Krankheit ist - wie die Korrelationen von klinischem sowie intraoperativem Befund und Aszitespunktat zeigen - durch die Entwicklung einer Durchwanderungsperitonitis bei Darmgangrän gekennzeichnet. Mit der Entwicklung einer Darmwandnekrose ist eine irreversible Phase erreicht, die morphologisch die Notwendigkeit zur Operation markiert. Stellenwert der Bauchhöhlenpunktion

Als positiv bezeichnen wir ein Punktat, wenn die aspirierte Flüssigkeit bräunlich verfärbt ist und das Zentrifugat im Ausstrich Bakterien sowie zahlreiche Granulozyten erkennen läßt. Wenn beim Verdacht auf eine Durchwanderungsperitonitis bei Darmwandgangrän weder sonographisch noch durch Punktion Aszites nachgewiesen werden kann, dann füllen wir im Sinne einer Lavage 30 ml/kg physiologische, ange\värm-

Heruntergeladen von: University of British Columbia. Urheberrechtlich geschützt.

274

Die nekrotisierende Enterokolitis aus der Sicht des Kinderchirurgen

Inzwischen können die Befunde von 35 Patienten, die zwischen 1975 und 1985 punktiert worden sind, ausgewertet werden (Tab. 5). Bei 32 von 35 Kindern war das Punktat positiv und korrelierte exakt mit dem intraoperativen Befund einer Durchwanderungsperitonitis bei Darmwandgangrän. Bei 3 Kindern war das Punktat falsch-negativ. Ein falsch-positives und richtig-negatives Punktat wurde nicht verzeichnet. Bei einem negativen Punktat, das dem klinischen Befund widerspricht, oder bei Progredienz der Krankheit, empfehlen wir Punktionen in 6stündigen Intervallen. Auf diese Weise konnte bei 6 Kindern der Zeitpunkt der Durchwanderung doch noch rechtzeitig erlaßt werden.

Tab. 6 Befundgruppen und Algorhythmus für die Operationsindikation bei NEC (Formulierung 1984).

konservative Therapie

Bauchhöhlen punktion

positiv

OP

negativ falsch

35

0 peration

negativ - pos.- OP

kons. Therapie oder fakultative Operationsindikation

3

Auf die Frage "wann punktiert werden soll" können derzeit zwei Antworten gegeben werden: 1. Bei röntgenologisch im anterior-posterioren und schrägen Strahlengang nachgewiesener Pneumatosis cystoides intestini. 2. Bei einer Verschlechterung des klinischen Befundes und dem Versagen der konservativen, medikamentösen Therapie. 1984 überprüften wir die oben genannte Arbeitshypothese, daß am Übergang vom Stadium III nach IV operiert werden soll. Anlaß dazu gab die Meinung neonatologischer Kollegen, die inzwischen - überspitzt formuliert - die These vertraten: "Alle Kinder in dieser Phase konservativ heilen zu können". Wir überprüften unser Verständnis von der Operationsindikation an den Befunden und Verläufen von 40 operierten Kindern aus dem Zeitraum 1975 bis 1984. Dabei wurden klinische Befunde, Aszitespunktat und intraoperativer Befund erneut korreliert. Das erste Resultat dieser Überprüfung bezog sich auf die exakten klinischen Symptome, die eine Darmwandnekrose signalisieren können. Von den klinischen Symptomen: Bauchwandrötung, Skrotal- oder Labienödem, Hyponatriämie, Thrombozytopenie, stehende dilatierte Darmschlingen, Aszites, positives Bauchhöhlenpunktat, erwiesen sich schließlich nur 4 als verläßliche Signale: Die Bauchwandrötung und das Skrotaloder Labienödem, eine tastbare intraabdominale "Perforationsmasse", eine persistierende, stehende, dilatierte Darmschlinge und das positive Bauchhöhlenpunktat. Das zweite Resultat der "Bilanz 1984" bezog sich auf die Aussage zur Operationsindikation, auf die Frage also, "wann operiert werden soll". Die erneute analytische Aufarbeitung der klinischen, laborchemischen, diagnostischen und operativen Befunde führte dazu, daß wir uns von unserer früheren Stadieneinteilung (Tab. 3) lösten und die Patienten mit einer NEC drei Gruppen zuordneten: Die erste Gruppe umfaßt Neugeborene mit Verdacht auf NEC, die zweite Gruppe Patienten mit klinisch nachgewiesener NEC, die dritte Gruppe solche mit fortgeschrittener NEC (Tab. 6).

275

Zusammenfassend ist die Operationsindikation nach unserem Verständnis gegeben: 1. Bei fortgeschrittener NEC mit nachgewiesenem Pneumoperitoneum oder tastbarer Perforationsmasse. 2. Bei nachgewiesener NEC und positivem Bauchhöhlenpunktat; mit anderen Worten: bei nachgewiesener Darmgangrän und Durchwanderungsperitonitis. 3. Bei manchen Patienten muß indessen gegen diese Regel auch bei negativem Bauchhöhlenpunktat operiert werden. Einige Beispiele sollen die Verhältnisse konkretisieren. Wir können zur Operation gezwungen werden: wegen Beatmungsschwierigkeiten infolge immenser abdominaler Blähung, wegen nicht mehr tolerabler Ileussymptome mit großen Flüssigkeits- und Salzverlusten, wegen profuser intestinaler Blutungen oder wegen einer plötzlichen Verschlechterung eines Patienten, selbst dann, wenn aufgrund eines negativen Aszitespunktates bereits die Fortführung der konservativen Behandlung geplant war. Wir sind oft mit Kindern konfrontiert worden, die sich innerhalb von wenigen Stunden aus einem vermeintlich stabilen Zustand plötzlich und foudroyant bedrohlich verschlechtert haben, obwohl keine Perforation nachweisbar war. Es gibt Hinweise, daß diese abrupte Verschlechterung, die oft mit einem Leukozyten- und Thrombozytensturz einhergeht, mit einer Durchwanderungsperitonitis in Zusammenhang steht (3). Bei solchen Patienten kann trotz negativen Aszitespunktates nicht mehr abgewartet werden. Der klinische Befund und die Belastbarkeit der Kinder bessern sich nach aller Erfahrung nicht mehr. Ein weiteres Beispiel ist auch der Nachweis eines "Aeroportogramms". Dieser Befund ist nach unseren Beobachtungen zwar sehr selten, jedoch prognostisch ungünstig und zwingt deshalb zur Entlastung des mit Gärgasen geblähten Darmes. Umgekehrt werden wir bei Patienten mit einer nachgewiesenen NEC trotz Pneumatosis cystoides intestini und Subileussymptomatik abwarten, wenn das Bauchhöhlenpunk-

Heruntergeladen von: University of British Columbia. Urheberrechtlich geschützt.

te Kochsalzlösung in die Bauchhöhle und punktieren danach erneut.

Z Kinderchir 45 (1990)

P. Schweizer

276 Z Kinderchir 45 (1990) tat negativ ist, eine ausreichende Perfusion der Hautgefäße mit einer guten Kapillarfüllzeit vorliegt, keine Aszidose besteht und die Nierenfunktion intakt ist.

Tab.8 Letalitat bezogen auf die Operationsmethode, Untersuchung aus dem Zeitraum 1975 bis 1984 (n - 36).

In der Tabelle 7 sind die Ergebnisse aus dem Bilanzjahr 1984 und 1987 zusammengefaßt. Die überspitzt formulierte Aussage mancher neonatologischer "Kollegen", erst im Stadium des Pneumoperitoneums operieren zu lassen, muß unter Berücksichtigung der dargestellten Ergebnisse relativiert werden. Die Indikation zur Operation richtet sich, wenn die Letalität betrachtet wird, nach dem klinischen Befund des einzelnen Patienten, unterstützt durch den Befund des positiven Bauchhöhlenpunktates.

Primare Anastomose Sparsame Resektion und Enterostoma Darmschienung oder multiple Enterostomata

3

5

verpflichtenden Methode zu erklären, später. Die Resultate von 36 Patienten sind im Hinblick auf die Operationsmethode und Letalität aufgeschlüsselt worden. Wichtig ist jedoch zu wissen, daß "High rlsk"-Patienten aus dieser Zusammenstellung herausgenommen sind (Tab. 9).

Ergebnisse aus dem Bilanzjahr 1984 (n - 40). 25 (mit Stigmata)

Tab.9

gesamt 40

9 (ohne Stigmata) Letalitat Operation bei nachgewiesener NEC Operation bei fortgeschrittener NEC

Tab.7b

25

22

2-

18

4-22%

996

Ergebnisse aus dem Zeitraum 1975 bis 1987 (n - 52).

ILetalitat OP bei nachgewiesener NEC 28 (15) OP bei fortgeschrittener NEC 24 (12)

I(High risk)

3 == 996

(3)

6 = 25 96

(5)

Operationsmethode Im Blick auf die Operationsmethode ist der Kinderchirurg mit der Frage konfrontiert, darf er, soll er, muß er resezieren und darf er, soll er, muß er primär anastomosieren. Im Schrifttum wird zur Zeit die primäre Anastomose erneut mit der Begriindung favorisiert, man könne dadurch die Morbidität dieser Patienten reduzieren, weil sie friiher und besser ernährbar seien. Bei allen zur Methode gemachten Aussagen muß uns bewußt sein, daß nur retrospektive Beurteilungen vorliegen und in allen veröffentlichten Serien der Schweregrad der Erkrankung in den Behandlungsgruppen nicht gleich verteilt ist. Angesichts einer Letalität von fast 100 % nach primärer Anastomose gegenüber rund 60 % bei Kindern, deren Darm initial durch ein Enterostoma entlastet worden war, hat sich die Tübinger Schule 1974 von der primären Anastomose gelöst und das Enterostoma zur verpflichtenden Methode erklärt.

Merkmale der "High-riskll-Patienten (n - 27).

Septisch/metabolischer Schock Respiratorische Insuffizienz Herzfehler mit hamodynamischen Wirkungen Störungen der Homöostase Störungen der Blutgerinnung

Zur pathophysiologischen Begriindung der Methodenwahl können zwei Argumente angeführt werden:

1. Die Gärung im Darmlumen führt zur immensen Gasentwicklung, die Darmwand wird gespannt und gedehnt, die konsekutive Durchblutungsstörung führt zur Ischämie und zur Nekrose. Dem Patienten hilft in dieser Situation die Druckentlastung der gespannten Darmwand mit der prompt sichtbaren Folge einer verbesserten Darmwanddurchblutung. 2. Dem Kind hilft die Entleerung des vergärten, toxischen und infektiösen Darminhaltes; die metabolischen Störungen und die Risiken eines septischen Schocks werden auf diese Weise reduziert. Unter dem Eindruck erschwerter Ernährbarkeit mancher Kinder, insbesondere bei einem Jejunostoma, haben wir die Methodenwahl 1982 differenziert, wie an 4 typischen klinischen Erscheinungsbildern demonstriert werden soll.

1. Möglichkeit Die Nekrosen und Perforationen befinden sich vorwiegend am Ileum, disseminiert befallen ist jedoch auch das Kolon. Als therapeutische Maßnahme wählen wir heute ein Ileostoma nach sparsamer Resektion, der Dickdarm wird belassen und geschient. 2. Möglichkeit

Selbstverständlich wird bei einem isolierten, umschriebenen Befund von der Regel abgewichen und primär anastomosiert.

Die Perforationen und Nekrosen liegen vorwiegend im Kolon. Befallen, jedoch nicht perforiert, ist auch das Endileuffi. Unsere Therapie: Ileostoma, Schienung des Kolons. Eine Übernähung der Perforationen am Kolon ist nach unserer Erfahrung nicht möglich und Nahtinsuffizienzen sind obligat zu erwarten.

Die Ergebnisse aus dem Bilanzjahr 1984 (Tab. 8) rechtfertigten die Entscheidung, das Enterostoma zur

Bei Kindern dieser Kategorie, deren Darm mit einer sparsamen Resektion und einem Enterostoma am End-

Heruntergeladen von: University of British Columbia. Urheberrechtlich geschützt.

Tab. 7a

I~etalitat

Du nekrotisurende Enterokolitis aus der Sicht des Kinderchirurgen ileum entlastet werden kann, entstehen in der Regel keine akuten Ernährungsprobleme. Das Risiko einer primären Anastomose im entzündeten Darm muß daher nicht eingegangen werden. Andere Überlegungen müssen bei Patienten einer dritten Kategorie angestellt werden. Hier befinden wir uns im Konflikt zwischen einer ausgedehnten Resektion, die unweigerlich zum Kurzdarmsyndrom führen muß - und dem Zwang zur Belassung nekrotischer und perforierter Darmabschnitte, womit jedoch keine Reduktion des infektiösen Potentials sowie der metabolischen Störungen bewirkt werden kann.

Z Kinderchir 45 (1990)

277

schnittweises Schienen des Darmes entweder von Perforationszu Perforationsöffnung oder unter Umgehung einiger Perforationen. Die Schienen werden abschnittweise durch die Bauchdecke geleitet, der Darm ist danach entlastet. Die Darmwand ist bei solchen Patienten in der Regel derart mürbe, daß sie für die Enterostomie nicht mehr taugt. Bei der Second-Iook-Operation waren wir überrascht, wie viele Darmabschnitte sich erholt hatten. Bei allen 4 überlebenden Patienten konnte die Darmkontinuität mit mehreren Anastomosen wieder hergestellt und ein Kurzdarmsyndrom in Grenzen gehalten werden.

Literatur 3. Möglichkeit

4. Möglichkeit Dünn- und Dickdarm sind von disseminierten Hämorrhagien, Nekrosen und Perforationen übersät. Unser Therapievorschlag, erprobt an fünf Patienten, lautet: Ab-

Bell M], Kosloske AM, Benton C, Martin LW: Neonatal necrotizing enterocolitis: Prevention of perforation. J Pediatr Surg 8 (1973) 60 1-608 2 Schweizer P: Der gestörte postoperative Verlauf in der Behandlung der Nekrotisierenden Enterokolitis. Z Kinderchir 30 (1980) 26-29 3 Schweizer P: Die Nekrotisierende Enterokolitis. Überlegungen zur Pathogenese und Therapie. Z Kinderchir 33 (1981) 128-136 4 Schweizer P: Nekrotisierende Enterkolitis. Zeitpunkt und Indikation für den chirurgischen Eingriff. Kongreßbericht der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Stuttgart: Hippokrates 1983 5 Waldschmidt], Stallkamp B: Nekrotisierende Enterocolitis der Neugeborenen. In: R Häring: Dringliche Bauchchirurgie. Stuttgart 1982, Thieme 1

Prof Dr. P. Schweizer Eberhard-Karls~ Universität Klinikum Schnarrenberg Lehrstuhl und Abteilung für Kinderchirurgie mit Poliklinik Hoppe-Seyler-Straße 3 7400 Tübingen

Buchbesprechung - Book review Spitz, L., Wurnig, P., AngerjxJintner, Th. A.: Surgery in Solitary Kidney and Corrections of Urinary Transport Disturbanees. Progress in Pediatric Surgery Volume 23. 1989. VIII, 205 S., 136 Abb., 34 Tab., (Springer, Berlin - Heidelberg - New York - London - Paris Tokyo - Hongkong). Hardcover DM 198,-. ISBN 3-540-50485-0 Der neueste Themenband von Progress in Pediatric Surgery (Bd. 23: Surgery in Solitary Kidney and Corrections of Urinary Transport Disturbances) beinhaltet sehr interessante Beiträge und moderne Aspekte hinsichtlich verschiedener Gebiete der Chirurgie des Harntrakts im Kindesalter. Ein Hauptteil befaßt sich mit dem diagnostisch·therapeutischen Regime primärer und sekundärer Solitärnieren. Weiterhin werden therapeutische Fragen bilateraler Harntraktanomalien und Wilms-Tumoren sowie eine breite Palette chirurgischer Korrekturmöglichkeiten genitourethraler Anomalien angesprochen. Die Kapitel zur Problematik der Einzelnieren bieten einen besonders wertvollen Wissensschatz. Fragen des sonographischen Screening, der Funktionstoleranz und Risiken operativ rekonstruktiver Maßnahmen finden ebenso ihre Beantwortung wie die der Langzeitprognose eines solchen primären oder sekundären renalen Defizits. Ergänzt werden die klinischen Studien durch Tierexperimente der RoUerdamer Kinder-

chirurgie mit Aussagen zu Kompensationsmechanismen durch vergleichsweise adaptive glomeruläre Filtrationsraten und Veränderungen der Nierenmasse. Übereinstimmend wird die Bedeutung der sonographischen Diagnostik herausgestellt, die mit der Miktionssonozystographie und dem forcierten Diurese-Ultraschallbild die Einzelniere früh determinieren kann. Unter dem Eindruck überwiegend guter Behandlungsergebnisse sollte die früher geübte Zurückhaltung operativer Interventionen fallengelassen werden. Die Prognose primärer Fehlbildungen ist ungünstiger, ausgelöst durch den höheren Anteil sekundärer pathologischer Prozesse. Ein vielfältiges Angebot weiterer wissenschaftlicher Artikel schließt Erfahrungsberichte zur kontrakten Harnblase und deren hydrostatischer Dehnung, therapeutische Konzeptionen bei Doppelnieren, Uretbralklappen, Epi- und Hypospadien, Kloakenfehlbildungen sowie Autotransplantationen intraabdomineller Hoden ein. Schließlich werden noch Fragen der kutanen Urinableitung durch einen KockPouch mit Kontinenzreservoir diskutiert. Für jeden kinderurologisch Tätigen sind in diesem Band viele Detailkenntnisse enthalten, die einem hohen wissenschaftlichen Standard entsprechen. U. Friedrich, Erfurt

Heruntergeladen von: University of British Columbia. Urheberrechtlich geschützt.

Das dritte Beispiel beinhaltet einen solchen Konflikt. Disseminierter Befall des gesamten Ileums und Teilen des Jejunums. Der Dickdarm, vielleicht sogar das Endileum, sind jedoch kaum betroffen. Im Blick auf die Probleme der postoperativen Ernährbarkeit müssen die pathogenetischen Faktoren, die eine Entlastung des Darmes über ein Stoma fordern, gegen den Nutzen und das Risiko einer primären Anastomose abgewogen werden. In der Regel entschließen wir uns bei solchen Befunden zur sparsamen Resektion nekrotischer Darmabschnitte und zur Koopschen Anastomose des verbleibenden Dünndarmes mit dem Endileum bzw. Kolon. Bei manchen Patienten leiten wir zunächst die belassenen Dannenden, fallweise sogar mit mehreren Stomata, endständig durch die Bauchdekken und fertigen die Koopsche Anastomose einige Tage später, wenn sich das Kind stabilisiert hat.

[Necrotizing enterocolitis from the viewpoint of the pediatric surgeon--therapeutic considerations].

In order to define diagnostic and therapeutic guidelines from a paediatric surgical point of view, clinical, laboratory chemical and intraoperative fi...
179KB Sizes 0 Downloads 0 Views