Journal Club Hautarzt DOI 10.1007/s00105-015-3639-4 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Redaktion

J. Krutmann, Düsseldorf Redaktionelle Mitarbeit

C. Hafner, Regensburg B. Homey, Düsseldorf R. Gläser, Kiel A.S. Yazdi, Tübingen

Hintergrund Eine gemeinsame Initiative des „American College of Rheumatology“ (ACR) zusammen mit der „European League Against Rheumatism“ (EULAR) veröffentlichte 2013 neue Klassifikationskriterien für die Diagnose der systemischen Sklerodermie (SSc; [1]). Die wesentlichen Punkte aus dieser Publikation sind Inhalt dieses Artikels, denn die aktuelle Klassifikation löst die bis dato gültige ACR-Klassifikation von 1980 ab, die eine unzureichende Sensitivität vor allem bei früher Krankheitsmanifestation und limitierter kutaner SSc aufweist [2]. Als Major-Kriterium galt hier eine proximale Sklerodermie, als Minor-Kriterien galten Sklerodaktylie, Narben im Bereich der Fingerbeeren sowie eine bilaterale pulmonale Fibrose. Die Klassifikation einer Sklerodermie galt als gesichert, wenn das Hauptkriterium oder mindestens 2 der Nebenkriterien erfüllt waren. Die aktuelle Klassifikation wurde von internationalen Experten erstellt, dazu wurden 168 SSc-assoziierte Kriterien im Rahmen von 3 Delphi-Prozessen analysiert. Diese wurden dann schrittweise auf insgesamt 11 Kriterien mit unterschiedlicher Gewichtung durch Vergabe von 2 bis 9 Punkten reduziert. Danach erfolgte eine Validierung durch unabhängige Testung an 268 SSc-Fällen und 137 Kontrollen.

R. Gläser · A. Weidinger Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitäts-Klinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland

Neue Klassifikationskriterien der systemischen Sklerodermie unter Berücksichtigung der Kapillarmikroskopie (MCP)-Gelenke hinausgehende Hautverdickung ausreichend, um eine SSc zu diagnostizieren, denn hier wird bereits der geforderte Score von 9 Punkten erreicht. Weitere Kriterien sind (die höhere Punktzahl zählt jeweils): 55Hautverdickung der Finger [Fingerschwellungen bzw. „puffy fingers“: 2 Punkte; Sklerodaktylie der Finger distal der MCP-Gelenke und proximal der proximalen Interphalangeal (PIP)-Gelenke: 4 Punkte], 55Veränderungen an den Fingerbeeren (digitale Ulzerationen: 2 Punkte, Narben: 3 Punkte), 55Teleangiektasien (2 Punkte), 55abnorme Nagelfalzkapillaren (2 Punkte), 55Raynaud-Phänomen (3 Punkte), 55pulmonalarterielle Hypertonie und/ oder interstitielle Lungenerkrankung (2 Punkte), 55Nachweis SSc-assoziierter Autoantikörper wie Anti-Zentromer-, -SCL70-, -RNA-Polymerase-III-Antikörper (3 Punkte). Zum Großteil handelt es sich somit um dermatologische Kriterien, die der klinischen Untersuchung gut zugänglich sind. Neben den pulmonalen Veränderungen und dem Nachweis der Autoantikörper kommt als wichtiges neues Diagnostikum die Kapillarmikroskopie (KM) hinzu.

Kriterien für eine systemische Sklerodermie

Diagnostik mithilfe der Kapillarmikroskopie

Nach der neuen Klassifikation ist eine proximal über die Metakarpophalangeal

Die Kleingefäßvaskulopathie bildet neben der Autoantikörperproduktion sowie der

Fibroblastendysfunktion mit veränderter Extrazellularmatrix eine wichtige pathophysiologische Grundlage zur Entwicklung der Erkrankung. Die Mikroskopie der Nagelfalzkapillaren kann frühzeitig Veränderungen an den an dieser Lokalisation parallel zur Hautoberfläche verlaufenden kleinen Gefäßen aufzeigen. Eine sehr empfehlenswerte Übersichtsarbeit für den praktizierenden Dermatologen wurde dazu kürzlich im Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (JDDG) publiziert [3]. So kommt der Differenzierung zwischen primärem und sekundärem Raynaud-Phänomen derzeit die höchste Bedeutung zu. Bei sekundärem Raynaud-Phänomen können zugrunde liegende Kollagenosen relativ typische Gefäßmuster zeigen. Es ist bekannt, dass ca. 10 % der Patienten mit primärem Raynaud-Phänomen im Verlauf von 10 Jahren eine Kollagenose entwickeln, die so mithilfe der KM frühzeitig erkannt werden kann. Bei der Sklerodermie ist die KM am besten untersucht. Spezifische Muster haben hier die größte Aussagekraft und einen hohen prädiktiven Wert. Ein pathologisches Kapillarmuster bei einer großen Metaanalyse von über 600 Patienten mit Raynaud-Phänomen zeigte einen höheren prädiktiven Wert zur Entwicklung einer SSc als der Nachweis von ANA. Das Erkennen hochpathologischer Muster (z. B. Megakapillaren) kann bereits mit dem Dermatoskop bei 10- oder 20-facher Vergrößerung gelingen. Zur genaueren Diagnostik kommen im Allgemeinen (binokulare) Licht- oder Digitalmikroskope zur Anwendung, die eine Der Hautarzt

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Journal Club bis zu 200-fache Vergrößerung ermöglichen. Praktische Kurse, Atlanten und weiterführende Literatur geben einen guten Einblick in die Technik und Möglichkeiten der KM [4]. Kapillargefäßmuster können damit objektiviert und einheitlich dokumentiert werden, sodass sie als weiteres Diagnosekriterium (s. oben) dienen. Durch Anwendung der neuen Nomenklatur konnte im Validierungsprozess gegenüber den ACR-Kriterien von 1980 die Sensitivität vor allem bei der Diagnosestellung einer frühen Sklerodermie von 75 auf 91 %, die Spezifität von 72 auf 90 % gesteigert werden.

Fazit für die Praxis 55Ein neues Nomenklatursystem der Sklerodermie liegt nun vor, das pathologische Veränderungen in der Nagelfalzmikroskopie mit berücksichtigt. 55Eine entsprechende Diagnostik wird daher vor allem bei Risikopatienten (z. B. mit Raynaud-Symptomatik und auffälliger Immunserologie) empfohlen.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. R. Gläser Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Universitäts-Klinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel, Schittenhelmstr. 7, 24105 Kiel [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  R. Gläser und A. Weidinger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur 1. Van den Hoogen F, Khanna D, Fransen et al (2013) 2013 classification criteria for systemic sclerosis: an American College of Rheumatology/European League against Rheumatism Collaborative Initiative. Arthritis Rheum 65:2737–2747 2. Subcommittee for Scleroderma Criteria of the American Rheumatism Association Diagnostic and Therapeutic Criteria Committee (1980) Preliminary criteria for the classification of systemic sclerosis (scleroderma). Arthritis Rheum 23:581–590 3. Jung P, Trautinger F (2013) Capillaroscopy. J Dtsch Dermatol Ges 11:731–736

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4. Sander O, Iking-Konert C, Ostendorf B (2007) Taschenatlas Kapillarmikroskopie. Georg Thieme, Stuttgart

[New classification criteria for systemic sclerosis taking into account capillaroscopy].

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