Leitthema HNO 2014 · 62:415–422 DOI 10.1007/s00106-014-2863-z Online publiziert: 6.Juni 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

J. Stern-Straeter · K. Hörmann Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Mannheim,   Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Mannheim

Neue Perspektiven   des Skelettmuskel-Tissue-  Engineerings Die Wiederherstellung von Gewebedefekten im Kopf-Hals-Bereich nach Trauma oder Tumorablationen stellt eine äußert anspruchsvolle Therapie für behandelnde Hals-Nasen-OhrenÄrzte dar. Tissue-Engineering ist ein relativ neues Behandlungskonzept, welches sich zum Ziel gesetzt hat, defekte Zell-, Gewebe- und Organfunktionen funktionell wiederherzustellen. Hierfür wird das Proliferations- und Regenerationspotenzial von Stammzellen ausgenutzt, um die jeweilige Gewebsart zu regenerieren. Durch Verwendung autologer Ausgangszellen gelingt die Umgehung der immunologischen Abwehr des Patienten. Für die Wiederherstellung großer Skelettmuskeldefekte, wie sie im Rahmen von schweren Traumata, aggressiven Tumor-ablationen oder verlängerter Denervierung entstehen, ist die Therapie der Wahl immer noch die klassische chirurgische Rekonstruktion mittels Transfer bzw. Verschiebung von autologem Muskelgewebe. Grundlegendes Problem dieses Therapieansatzes ist der entstehende Volumen- und Funktionsverlust im Bereich der Entnahmestelle sowie die häufig nicht optimale Wiederherstellung der Funktion. Obwohl sich Skelettmuskulatur in gewissem Rahmen selbst regenerieren kann, gelingt dies nicht bei Defekten, die mehr als 20% der Muskelmasse betreffen [3]. Des Weiteren kommt es häufig zu einer bindegewebigen Defekt-

heilung, die ein Funktionsdefizit der betroffenen Muskulatur zur Folge hat. Als therapeutische Alternative gilt das Tissue-Engineering (TE). Dieser junge Wissenschaftszweig besteht seit etwa 20 Jahren und vereint die Prinzipien und Methoden der biologischen Grundlagenforschung mit der anwendungsorientierten, medizinischen Forschung, um erkranktes oder reseziertes Gewebe funktionell wiederherzustellen [3].

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Skelettmuskulatur kann sich in gewissem Rahmen selbst regenerieren Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit aus verschiedenen Forschungsbieten konnten in den letzten Jahren herausragende klinische Ergebnisse im Bereich des TE, wie z. B. die Züchtung eines Trachealabschnitts mit Implantation nach Tumorresektion, erzielt werden [18]. Jedoch muss einschränkend erwähnt werden, dass der Transfer der initialen aussichtsreichen Ergebnisse des TE in die klinische Anwendung deutlich anspruchsvoller ist als zunächst erwartet, sodass bisher die klinische Anwendung nur bei wenigen Gewebearten wie z. B. Trachea, Ösophagus und Skelettmuskulatur gelang [3]. Durch den enormen Erkenntnisgewinn aus den verschiedenen Teilbereichen der Stammzellforschung, Materialkunde, Zelldifferenzierung, um nur einige zu nennen, wurde der Begriff der „regenerativen Medizin“ geschaffen. Im Fol-

genden werden einige Forschungsergebnisse zusammengefasst.

In-vivo-/In-vitro-TissueEngineering-Konzept Man unterscheidet 2 Konzepte des TE. Beim In-vitro-TE-Ansatz werden durch eine Biopsie Stammzellen gewonnen, in vitro differenziert und dann dem Patienten reimplantiert. Beim In-vivo-TEAnsatz erfolgt die Differenzierung der Stammzellen in vivo beim Patienten ([30], . Abb. 1, 2).

Stammzellkriterien Stammzellen sind die zelluläre Grundlage des TE, da sie folgende Kriterien erfüllen: F Selbsterneuerung, F die Fähigkeit sich in verschiedene Zelltypen zu differenzieren sowie F die Fähigkeit In-vivo-Gewebe zu konstituieren. Die am häufigsten verwendeten Stammzellen für das Skelettmuskel-TE sind Satellitenzellen und mesenchymale Stammzellen unterschiedlicher Herkunft, welche im Folgenden kurz dargestellt werden. Es gibt noch eine Vielzahl von weiteren Stammzellen wie z. B. Mesangioblasten, Perizyten und Fruchtwasserstammzellen, die zu Muskelzellen differenzieren können und welche evtl. in naher Zukunft für TE-Anwendungen verwendet werden können [24]. HNO 6 · 2014 

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Leitthema

Abb. 1 8 Schematische Darstellung des In-vitro-Tissue-Engineering-Konzepts. Ziel ist die Züchtung von dreidimensionaler, funktioneller Skelettmuskulatur in vitro durch Verwendung einer Extrazellulärmatrix oder durch die Kokultivierung von Myoblasten und Fibroblasten aus extrahierten Stammzellen nach erfolgter Expansion und Differenzierung unter kontrollierten Zellkulturbedingungen. (Aus [30]) Abb. 2 8 Schematische Darstellung des In-vivo-Tissue-Engineering-Konzepts. Ziel ist die Rekonstruktion funktioneller Skelettmuskulatur durch die Kultivierung und Expansion von Muskelstammzellen in vitro und die Reimplantation der Zellen unter Verwendung einer Transportmatrix, welche eine anschließende Differenzierung der Zellen in vivo erlaubt. (Aus [30])

Satellitenzellen Reife Skelettmuskelfasern können sich bei Verletzungen nicht selbständig regenerieren, da sie als terminal differenzierte Zellen nicht wieder in den mitotischen Kreislauf eintreten können. Unterhalb der Basallamina befindet sich jedoch eine regenerierungsfähige Zellpopulation, die etwa 2–5% der Gesamtmenge der Muskelkerne in adulten Muskelfasern ausmacht [11]. Diese mononukleären Zellen werden aufgrund ihrer Lage als Satellitenzellen bzw. aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu embryonalen Muskelvorläuferzellen auch als Myoblasten bezeichnet und verbleiben in gesunden Muskelfasern in der mitotischen Ruhephase G0. Eine Aktivierung der Satellitenzellen erfolgt durch Dehnung, Be-

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wegung und Verletzung, wobei die Zellen wieder in den mitotischen Kreislauf eintreten, verschmelzen und das defekte Muskelgewebe in einem gewissen Rahmen ersetzen. Somit erfüllen Satellitenzellen alle Kriterien, um als Stammzelle bezeichnet zu werden, und scheinen für die Regeneration von Skelettmuskelgewebe und damit für das TE geeignet. Es handelt sich bei Satellitenzellen um Stammzellen mit multiplem Differenzierungspotenzial, da sie nicht nur in die myogene Zellreihe differenzieren können, sondern nach Behandlung mit „bone morphogenic proteins“ (BMP) bzw. adipogenetischen Differenzierungsstimuli auch in Osteozyten und Adipozyten und somit eine mesenchymale Stammzellplastizität aufweisen [2]. Satellitenzel-

len werden anhand der Expression verschiedener Oberflächenmarker (CD56 und CD34) und der Transkriptionsfaktoren MYF5 und Pax7 identifiziert. Dazu kann das muskelspezifische Intermediärfilament Desmin nachgewiesen werden [30].

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Satellitenzellen sind Stammzellen mit multiplem Differenzierungspotenzial Bei einer Denervierung von Skelettmuskulatur sind die Satellitenzellen nicht fähig, in den mitotischen Kreislauf einzutreten, sodass die Regenerationsfähigkeit deutlich herabgesetzt bzw. ganz aufgehoben ist. Ebenfalls kann die Regene-

ration durch die Satellitenzellen nur bei einer intakten Basallamina erfolgen, welche jedoch häufig im Zuge von Traumata zerstört wird. Das führt zu einer bindegewebigen Defektheilung mit Funktionsdefizit. Satellitenzellen stellen aktuell eine der bevorzugten Stammzellen für das Skelettmuskel-TE dar, da sie leicht durch Muskelbiopsien zu isolieren und in vitro zu expandieren sind. Der myogene Phänotyp der Zellen ist stabil, und aus einer Gewebebiopsie von etwa 0,1 cm3 lassen sich etwa 5×103 proliferierende Zellen extrahieren [8]. Die Differenzierung der Zellen kann durch Reduktion von Wachstumsfaktoren im Zellmedium stabil initiiert werden. Potente Differenzierungsstimuli, die auch bei expandierten Zellkulturen die myogene Differenzierung induzieren, sind Gegenstand aktueller Forschungsvorhaben.

Mesenchymale Stammzellen Humane mesenchymale Stammzellen (MSC) sind nicht spezialisierte, undifferenzierte Zellen, die aus zahlreichen adulten Geweben wie dem Knochenmark, Blut, Fett und anderen Geweben isoliert und zu Muskel, Knorpel, Knochen und weiteren Gewebearten differenziert werden können [15]. Aufgrund der Fähigkeit, sich in die myogene Zellreihe zu differenzieren, können sie als Ausgangszellen für das Skelettmuskel-TE verwendet werden. Ein Vorteil der MSC besteht in der Replikationsfähigkeit ohne Verlust der Differenzierungsfähigkeit. Dadurch können größere Zellzahlen aus einer kleineren Population generiert werden. Darüber hinaus können sie autolog transplantiert werden und durch Immunmodulation die Gewebsregeneration verbessern.

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Bei MSC besteht Replikationsfähigkeit ohne Verlust der Differenzierungsfähigkeit Die Identifizierung der MSC erfolgt anhand von Oberflächenmarkern, wobei bisher kein einzelner Zellmarker existiert, welcher einem definierten Phänotyp zugeordnet wird. Das CD34+Sca1+Lin-Profil identifiziert MSC, welche in Chondro-,

Leitthema Osteo-, Adipo- und Myozyten differenzieren können [19]. Als beste charakterisierte Quelle für adulte MSC gilt das Knochenmark. Weitere identifizierte Quellen für MSC sind Nabelschnurblut, Fettgewebe, Plazenta, Pankreas, Synovialgewebe und trabekulärer Knochen [28]. Als großer Vorteil der pluripotenten Stammzellen aus Fettgewebe ist die hohe Zellzahl zu werten, die pro Gramm Donorgewebe extrahiert werden kann. Aus einem Gramm menschlichem Fettgewebe lassen sich nach 24 h Zellkultur etwa 70.000 pluripotente Stammzellen isolieren [14].

Myogene Differenzierung Das myogene Differenzierungspotenzial von MSC ist von mehreren Arbeitsgruppen nachgewiesen worden, aber es bleibt unklar, ob alle Zellen oder nur eine Subpopulation sich in Skelettmuskelgewebe differenzieren kann [28]. Das Differenzierungspotenzial variiert je nach Spezies und Gewebsherkunft und ist aktueller Gegenstand der Forschung. Mehrere Arbeitsgruppen haben gezeigt, dass sowohl MSC aus Knochenmark als auch MSC aus Fettgewebe an der Regeneration von geschädigtem Skelettmuskel in vivo beteiligt sind und somit auch für die Invitro-Generation funktioneller Skelettmuskeln geeignet erscheinen [6]. Die Differenzierungsinduktion der MSC in die myogene Zellreihe in vitro erfolgt durch Zugabe von Wachstumsfaktoren wie z. B. dem basischen Fibroblastenwachstumsfaktor bFGF, dem Thrombozytenwachstumsfaktor PDGF oder 5-Azacytidin [28]. Jedoch muss angemerkt werden, dass sich die Ergebnisse je nach Spezies und Herkunft unterscheiden. Die zugrunde liegenden Mechanismen und Signalwege wurden noch nicht vollständig entziffert und sind weiterhin Gegenstand von Untersuchungen. Die Induktion der Muskeldifferenzierung, z. B. mit 5-Azacytidin, wurde in MSC aus dem Knochenmark von Ratten erreicht. Bei humanen MSC aus Knochenmark gelang dies jedoch nicht [28]. Eine weitere Methode zur Induktion der Skelettmuskeldifferenzierung ist die Exposition der MSC gegenüber einer myogenen Umgebung. Durch parakrine sekretierte Zytokine und/oder die myogene

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Zusammenfassung · Abstract Extrazellulärmatrix kommt es zur Einleitung der Muskeldifferenzierung in MSC, wobei die genauen Mechanismen bis dato nicht vollständig aufgeklärt sind. Dieser Mechanismus kann sowohl durch die Kokultivierung mit Myoblasten als auch durch konditionierte Zellkulturmedien in vitro eingeleitet werden [4].

HNO 2014 · 62:415–422 DOI 10.1007/s00106-014-2863-z © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Vergleich von MSC aus Knochenmark und Fettgewebe

Die Entwicklungen im Bereich des Skelettmuskel-Tissue-Engineerings sind durch den enormen Wissenszuwachs im Bereich der Stammzellforschung und der Biomaterialien rasant. In diesem Artikel wird ein allgemeiner Überblick über das Forschungsgebiet des Skelettmuskel-Tissue-Engineerings gegeben, aktuelle Erkenntnisse werden diskutiert und einige neue Perspektiven aufgezeigt. Des Weiteren werden Ergebnisse zur myogenen Differenzierung von humanen mesenchymalen Stammzellen und Satellitenzellen präsentiert.

Die vorliegenden Untersuchungen an humanen MSC aus Fettgewebe und Knochenmark zeigten, dass die myogene Differenzierung an MSC aus Knochenmark trotz Stimulation mit unterschiedlichsten Zellkulturmedien nicht gelingt, sodass keine myogenen Marker auf Genexpressions- und Proteinebene nachgewiesen werden konnten [28]. Die Differenzierungsinduktion durch Zellkulturzusätze scheint nicht ausreichend, um eine Myofibrillenbildung in MSC aus Knochenmark zu induzieren. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Ergebnissen von Schulze et al. [26], welche aufgrund ihrer Forschungsergebnisse ebenfalls zu dem Ergebnis kamen, dass adulte MSC aus Knochenmark durch Zellmediumstimulation zu keinem differenzierten, funktionellen Phänotyp gelangen. Bei der Verwendung von MSC aus Fettgewebe gelingt die Induktion der myogenen Differenzierung, wobei der Differenzierungsgrad als gering einzustufen ist. Diese These kann aus den Ergebnissen der Genexpressionsanalyse und den immunhistochemischen Färbungen abgeleitet werden, welche zeigten, dass die myogenen Marker ACTA1 und Desmin in humanen MSCKulturen aus Fettgewebe nachgewiesen werden konnten [28]. Rocco et al. [14] zeigten, dass sich nur eine kleine Subpopulation der MSC aus Fettgewebe spontan zu Skelettmuskulatur differenzieren kann. Laut Rocco et al. lässt sich der myogene Phänotyp der MSC aus Fettgewebe bei Kokultur mit Satellitenzellen zwar erhöhen, es kommt jedoch nicht zur Myotubenbildung, falls keine Zell-Zell-Kontakte zwischen Muskelzellen und MSC vorhanden sind. Somit lässt sich auch bei MSC aus Fettgewebe nur funktionelle Skelettmuskulatur im Sinne von multinukleären Myofibril-

J. Stern-Straeter · K. Hörmann

Neue Perspektiven des Skelettmuskel-Tissue-Engineerings Zusammenfassung

Schlüsselwörter Mesenchymale Stammzellen · Satellitenzellen, myogene · Zelldifferenzierung · Regenerative Medizin · Biomaterial

New perspectives in skeletal muscle tissue engineering Abstract Due to the enormous expansion of knowledge in the fields of stem cell research and biomaterials, skeletal muscle tissue engineering represents a rapidly developing field of biomedical research. This article provides a general overview of skeletal muscle tissue engineering, including a discussion of recent findings and future research perspectives. Additionally, the results of myogenic differentiation of human mesenchymal stem cells and satellite cells are presented. Keywords Mesenchymal stem cells · Satellite cells, myogenic · Cell differentiation · Regenerative medicine · Biomaterial

len durch Verschmelzung mit bereits differenzierten Myofibrillen/Muskelgewebe erreichen.

Vergleich von MSC und Satellitenzellen Vergleicht man die Ergebnisse aus der Analyse der MSC mit den Resultaten der Satellitenzellen, muss eindeutig festgestellt

werden, dass das myogene Differenzierungspotenzial unter In-vitro-Zellkulturbedingungen mit alleiniger Zellmediumstimulation in humanen Satellitenzellkulturen deutlich ausgeprägter und stabiler ist, da sich hier zum einen multiple skelettmuskelspezifische Marker sowohl auf Genexpressions- als auch auf Proteinebene detektieren lassen und zum anderen morphologische und funktionelle Charakteristika von Skelettmuskulatur wie z. B. multinukleäre Myofibrillen und Proteine des kontraktilen Apparats nachweisen lassen. Nach aktuellem Forschungsstand können humane MSC aus Fettgewebe und aus Knochenmark nicht durch alleinige Zellmediumstimulation zur Myofibrillenbildung angeregt werden.

Trägermatrix Die Extrazellulärmatrix (ECM) spielt eine bedeutende Rolle für das Haftungsverhalten, die Proliferationsraten sowie die Differenzierungsfähigkeit der Stammzellen, wie sich in Arbeiten von unterschiedlichen Arbeitsgruppen zeigte. So wiesen Cronin et al. nach, dass eine Kultivierung humaner Myoblasten auf einer PLLA-Beschichtung mit extrazellulären Matrixproteinen wie Laminin und Fibronektin zur Bildung von multinukleären Myofibrillen führte [12].

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Die Extrazellulärmatrix ist wichtig für Haftung, Proliferation und Differenzierung Um dreidimensionale Muskelkonstrukte zu generieren, können unterschiedliche Trägermaterialien verwendet werden. Untersuchungen von Kamelger et al. zeigten, dass Rattenmyoblasten, die auf PGAMatten („polyglycolic acid“), in Alginat oder in Hyaluronsäure-Hydrogels gezüchtet werden, in vivo zu vaskularisierten, multinukleären Myotuben differenzieren können [20]. Saxena et al. demonstrierten, dass in vitro mit Myoblasten besiedelte Matrices auch in vivo außerhalb von Muskelgewebe zu Myotuben differenzieren [25]. In anderen Studien wurde beobachtet, dass Myoblasten erfolgreich zu kontrahierenden Muskelkonstrukten differenzieren, wenn man Matrigel®, ein Ex-

trakt aus dem Engelbreth-Holm-Swarm Sarkom der Maus, verwendet [1]. Jedoch muss kritisch bemerkt werden, dass Matrigel® aufgrund der Herkunft und seiner undefinierten Zusammensetzung nur für experimentelle Zwecke genutzt werden kann, aber nicht für den klinischen Gebrauch an Patienten geeignet ist und somit im Bereich des Skelettmuskel-TE auch keine Anwendung finden sollte. Eine weitere Trägermatrix, welche für das Skelettmuskel-TE geeignet erscheint, ist azelluläres Muskelgewebe. Borschel et al. beobachteten, dass Myoblasten, die auf azelluläre Extensor-digitorum-Muskeln von Mäusen angesiedelt wurden, nach 2 Wochen bei elektrischer Reizung eine Kontraktionskraft generieren konnten [9]. Ebenfalls eine geeignete Matrix für das Skelettmuskel-TE ist Fibrin, welches bereits in klinischen Anwendungen von Haut und Knochen verwendet wird. Fibrin und Myoblasten können mittels einer 2-Wege-Spritze direkt in zu rekonstruierende Muskeldefekte injiziert werden, wo es in situ zu einem dreidimensionalen Muskelkonstrukt kommt [5]. Huang et al. wiesen nach, dass Myoblasten, welche in Fibrinkleber kultiviert wurden, eine tetanische Kraft von 805,8±µN generieren konnten [17]. Kritisch angemerkt werden muss jedoch, dass es auch Ergebnisse gibt, die zeigen, dass die Degratationsgeschwindigkeit von purem Fibrin und Kollagen-Matrices zu schnell ist, um als geeignete Matrix für die Neogenese von Skelettmuskulatur zu fungieren. Die Kombination von Kollagen und Fibrin scheint geeigneter zu sein [21]. Dass eine dreidimensionale Generierung von Muskelgewebe auch ohne Trägermatrix funktionieren kann, zeigten die Arbeiten von Dennis und Kosnik et al., welche durch Kokultivierung von Myoblasten und Fibroblasten die Bildung von dreidimensionalen, kontrahierenden, muskelartigen Konstrukten nachwiesen. Diese Konstrukte bezeichneten sie als Myoide [13]. Die Versuche fanden im Rattenmodell statt. Durch die Nanotechnologie wurden neue Trägermaterialien geschaffen, die sich durch parallel angeordnete Trägerproteine auszeichnen. Gingras et al. [16] stellten fest, dass durch die parallele Anordnung der Strukturproteine die myo-

gene Differenzierung verstärkt werden kann. Die Herstellung der Nanofiber erfolgt durch das Elektrospinning, wobei unterschiedliche Proteine wie Kollagen, Elastin und Hyaluronsäure verwendet werden können. Eine gute Übersicht über dieses Feld gibt die Arbeit von Klumpp et al. [21].

Vaskularisierung In den letzten Jahren haben verschiedene Forschergruppen unterschiedliche Techniken für die Generierung von vaskularisiertem, dreidimensionalen Neomuskelgewebe entwickelt. So konnten Levenberg et al. durch die Kokultivierung von Myoblasten und embryonalen Fibroblasten und Endothelzellen prävaskularisierte Skelettmuskelkonstrukte erschaffen, welche in vivo zu einer Zunahme der Überlebensrate der transplantierten Zellen führten [22]. Jedoch muss einschränkend erwähnt werden, dass embryonale Stammzellen aufgrund ihrer Herkunft nicht für die klinische Anwendung geeignet erscheinen. Für die Transplantation großer Muskelkonstrukte ist die axiale Vaskularisierung notwendig, welche durch das AVLoop-Modell gelang, bei dem es durch Bildung einer arteriovenösen Shuntschleife zur Kapillarisierung der unmittelbaren Umgebung kam.

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Für die Transplantation großer Muskelkonstrukte ist die axiale Vaskularisierung notwendig Durch die Verwendung von Satellitenzellen gelang die Bildung von vaskularisierten Muskelkonstrukten, welche deutlich die Diffusionskapazität überschritten [23]. In neueren Studien zeigte sich, dass auch MSC in diesem Modell mit zusätzlicher neurogener Stimulation zur myogenen Differenzierung angeregt werden können [7].

Differenzierungsverhalten humaner Satellitenzellen In unseren Forschungen wurden komparative Vergleichsstandards für die Proliferation und myogene Differenzierung von humanen Stammzellen geschaffen. Die HNO 6 · 2014 

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Leitthema MYF5/NF

MYOG/NF

100 Relative Expression

Relative Expression

1,5

1,0

0,5

80 60 40 20

0,0

GM

GM

Relative Expression

6 4 2

6 4

0

Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16 Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16 DM

Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16 Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag12 Tag 16 GM

MYH1/NF

15 13 10 8 5 3

DM ACTA1/NF

15 Relative Expression

Relative Expression

8

2

GM

0

DM MYH8/NF

10

8

0

Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16 Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16

DM MYH3/NF

10 Relative Expression

0

Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16 Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16

13 10 8 5 3

Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16 Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16 GM

DM

0

Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16 Tag 1 Tag 4 Tag 8 Tag 12 Tag 16 GM

DM

Abb. 3 8 Quantitative Genexpressionsanalyse in humanen Satellitenzellen während der Differenzierung. Die Expressionshöhen sind als Veränderung zum Tag 1 dargestellt. Als Normalisierungsfaktor wurden die Genexpressionshöhen der Referenzgene RPLPO und TBP verwendet. DM Differenzierungsmedium, GM Wachstumsmedium. (Aus [29])

Entwicklung humaner Skelettmuskulatur aus Muskelvorläuferzellen ist ein äußerst komplexer Prozess, der durch multiple intrazelluläre Signaltransduktionswege kontrolliert wird [10]. Während der Differenzierung müssen proliferierende Myoblasten aus dem Zellzyklus austreten, und die Aktivierung muskelspezifischer Gene mittels spezifischer Transkriptionsfaktoren muss initiiert werden, sodass eine Verschmelzung zu vielkernigen Myotuben erreicht wird. Die Entschlüsselung dieser Signaltransduktionswege, welche die Skelettmuskelentwicklung initiieren und steuern, ist eine Voraussetzung, um

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die Möglichkeit zu eröffnen, in der nahen Zukunft funktionelle Skelettmuskulatur zu generieren. Um den komplexen Prozess der Myogenese exakt zu untersuchen und die Auswirkungen der Veränderungen der Zellkulturbedingungen detektieren zu können, müssen valide quantitative Genexpressionsmessungen multipler myogener Differenzierungsmarker durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang ist die Verwendung geeigneter Referenzgene (RG) zur Normalisierung der mRNA-Konzentration äußerst wichtig, um diese Veränderungen präzise aufspüren zu können.

Der Standard, die RG aus der Literatur zu übernehmen, wie z. B. GAPDH und ACTB, und auf neue Experimentalbedingungen anzuwenden, kann nach aktuellem Stand der Forschung nicht als valide eingestuft werden [27], da diese zum Teil unter den unterschiedlichen experimentellen Bedingungen deutlichen Expressionsschwankungen unterliegen, die zu einer Veränderung in den Ergebnissen der Genexpressionsanalyse führen und somit falsche Schlussfolgerungen über wichtige biologische Effekte nach sich ziehen. Aus diesem Grund wurden 6 verschiedene Gene analysiert, die in der Litera-

Abb. 4 8 Immunhistochemische Charakterisierung humaner Satellitenzellen. a Anti-Desmin-Färbung, die den myogenen Phänotyp am Tag 4 der Ausgangszellen verifiziert. b Anti-MYF5-Färbung am Tag 8 in humanen Satellitenzellkulturen, die mit GM gezüchtet wurden. Das Signal ist im Zellkern lokalisiert. c Anti-MYOG-Färbung am Tag 16 in humanen Satellitenzellen, die mit DM behandelt wurden. Es zeigen sich deutlich multinukleäre Myofibrillen. d Anti-MYH8-Färbung am Tag 12 in Satellitenzellkulturen, die mit DM ernährt wurden. Es zeigen sich deutliche Filamente des zytoplasmatischen Signals. e Anti-MYH1Färbung am Tag 12. f Anti-ACTA1-Färbung in humanen Satellitenzellkulturen am Tag 12, die mit DM behandelt wurden. (Aus [29])

tur als konsekutiv exprimiert beschrieben wurden und somit als mögliche Referenzgene infrage kamen. Als Ergebnis zeigte sich, dass unter Wachstums- und Differenzierungsbedingungen RPLPO oder TBP als geeignete Referenzgene mithilfe dreier unterschiedlicher Softwareprogramme identifiziert werden konnten [27]. Bei diesen bestanden weder in differenzierten noch in undifferenzierten hu-

manen Myoblasten unterschiedliche Expressionsraten. Um den komplexen Ablauf der humanen Myogenese zu verstehen, müssen die humanen Satellitenzellen während der Myogenese unter verschiedenen Zellkulturbedingungen genau analysiert werden. Hierfür untersuchten wir die Genexpression verschiedener Differenzierungsmarker, die zu unterschiedlichen Zeitpunk-

ten in der Myogenese exprimiert werden. Zusätzlich erfolgte die Charakterisierung auf Proteinebene. Anhand der von uns erhobenen Daten konnte das Differenzierungsverhalten der humanen Satellitenzellen mit anderen humanen Stammzellen verglichen werden [29]. Die Ergebnisse sind in . Abb. 3, 4 dargestellt.

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Leitthema Fazit für die Praxis F Die Züchtung von vaskularisierten Muskelkonstrukten aus Stammzellen gelingt z. T im Tiermodell. Dieses Neogewebe lässt sich jedoch noch nicht mit nativem Skelettmuskelgewebe vergleichen. F Klinische Anwendungen im Sinne von Proof-of-Concept-Studien werden bereits durchgeführt. F Bis diese als etablierte Therapiealternativen Anwendung finden, müssen die Ergebnisse mit humanen Stammzellen bestätigt werden.

Korrespondenzadresse PD Dr. J. Stern-Straeter Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Mannheim, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg Theodor-Kutzer-Ufer-1–3, 68167 Mannheim [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  J. Stern-Straeter und K. Hörmann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Diese Arbeit enthält Teilaspekte der Habilitationsschrift des Erstautors J. Stern-Straeter. Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor. Alle nationalen Richtlinien zur Haltung und zum Umgang mit Labortieren wurden eingehalten und die notwendigen Zustimmungen der zuständigen Behörden liegen vor.

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[New perspectives in skeletal muscle tissue engineering].

Due to the enormous expansion of knowledge in the fields of stem cell research and biomaterials, skeletal muscle tissue engineering represents a rapid...
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