Kommentare Nobelpreis für Medizin 1992 H. E. Blum

Der diesjährige Nobelpreis für Medizin oder Physiologie ist den beiden Biochemikern Edwin G. Krebs und Edmond H. Fischer von der University of Washington in Seattle zuerkannt worden. Nach offlzieller Begründung des Nobelkomitees in Stockholm ergeht die Ehrung an die beiden Wissenschaftler für ihre Entdeckung der »reversiblen Proteinphosphorylierung als eines biologischen Regulierungsmechanismus«. Ihre nun ausgezeichneten grundlegenden Forschungsarbeiten über die reversible metabolische Interkonversion von Enzymen durch Phosphorylierung-Dephosphorylierung liegen zwar etwa 40 Jahre zurück (7), haben jedoch in den letzten Jahren ganz besondere Aktualität. insbesondere in der Tumorbiologie, erfahren.

ment of Biochemistry an der University of Washington in Seattle. Dort lernte er den zwei Jahre älteren Edwin G. Krebs kennen, mit dem er auch während der zeitweisen Trennung durch den vorübergehenden Weggang von Edwin G. Krebs an die University of California in Davis bis heute immer wissenschaftlich eng verbunden blieb. Edmond H. Fischer blieb trotz zahlreicher ehrenvoller Berufungen an andere Universitäten in den USA und Europa der University of Washington in Seattle treu, wo er weiterhin wissenschaftlich tätig ist. Er wurde für seine Forschungsleistungen mit dem Preis der Guggenheim Foundation ausgezeichnet und erhielt die Ehrendoktonvürde der Universitäten Montpellier (Frankreich) und Basel (Schweiz).

Für alle, die das Privileg hatten, mit diesen beiden Wissenschaftlern als Postdoctoral FelEdwin G. Krebs ist 74 Jahre alt. Er lows oder in anderen Funktionen assoziiert zu sein, wurde in Lansing, Iowa, geboren, studierte an der bleibt die Erinnerung nicht nur an eine außerordentUniversity of Illinois und wurde Anfang der fünfziger lich stimulierende und produktive ForschungsatmoJahre als Assistant Professor of Biochemistry an das sphäre, sondern auch an Persönlichkeiten, die durch Department of Biochemistry der University of Wash- ihre zugängliche und menschliche Art ihre Mitarbeiington in Seattle berufen. Nach vielen Jahren der ter motiviert haben. Beide wußten die Interessen der aktiven, Zusammenarbeit mit Edmond H. Fischer einzelnen und ihre persönlichen und beruflichen ging er als Professor of Biochemistry Fur einige Jahre Neigungen individuell zu Fordern. Immer haben sie an die University of California in Davis. um dann die enge Verbindung zwischen Grundlagenforschung wieder an die University of Washington in Seattle und Klinik gesucht und ihre Forschungsprojekte aus zurückzukehren, wo er bis heute wissenschaftlich dieser Perspektive entwickelt. arbeitet. Edwin G. Krebs wurde Fur seine wissenDie Entdeckung: schaftlichen Leistungen mit dem angesehenen Proteinphosphorylierungund Albert-Lasker-Preis und dem Robert-A.-Welch-Preis Aktivierungskaskade des für Chemie ausgezeichnet.

Die Nobelpreisträger

Glykogenabbaus Edmond H. Fischer ist 72 Jahre alt. Er wurde in Shanghai als Sohn eines Schweizer JournaAls etwa 30jährige studierten die beilisten geboren. Nach Schulbesuch in der Nähe von den Biochemiker Edwin G. Krebs und Edmond H. Montreux studierte er an der Universität Genf. Nach Fischer am Department of Biochemistry an der Unider Habilitation ging er 1950 mit einem Stipendium versity of Washington in Seattle das Enzym Glykodes Schweizerischen Nationalfonds an das Depart- gen-Phosphorylase vom Kaninchen-Skelettmuskel. Für die Entdeckung und initiale ~harakterisierung dieser Glykogen-Phosphorylase, die das Glykogen des Skelettmuskels bzw. der Leber in Glucose und Dtsch. med. Wschr. 117 (1992).1935-1938 letztendlich in Energie umwandelt. war das BiocheO Georg Thieme Verlag Stuttgart . New York

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Medizinische Klinik B . Departement für Innere Medizin. Universitätsspital Zürich

DMW 1992. 117.Jg., Nr. 50

Nobelpreis für Medizin 1992

miker-Ehepaar Gerti und Carl Cori 1947 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet worden. Edwin G. Krebs und Edmond H. Fischer gelang es nicht nur, dieses Enzym aus dem Kaninchen-skelettmuskel in reiner, kristalliner Form zu isolieren, sondern darüber hinaus zu demonstrieren, daß die Interkonversion der inaktiven Phosphorylase b in die aktive Phosphorylase a ein ATP-abhängiger Prozeß ist (4, 7): Sie stellten fest, daß die Phosphorylase in einem Rohextrakt in Gegenwart von Adenosintriphosphat (ATP) aktiviert wird und postulierten, daß diese Aktivierung via Phosphorylierung der Phosphorylase erfolgt. Sie zeigten dann, daß diese Reak-

Phosphorylase Kinase 4 ATP

4 ADP

PtiosphorylasePhosphorylase b (inaktiv)

Phosphatase

Pimsphorylase a (aktiv)

Abb. 1 Aktivierung der Phosphorylase b durch Phosphorylierung (~hosphorylase-~inase) und Inaktivierung der Phosphorylase a durch Dephosphorylierung (Phosphorylase-Phosphatase).Pi = anorganisches Phosphat.

/ i

Adrenalin Glucagon

I 1

Nachfolgend zeigten die Arbeitsgruppen von Edwin G. Krebs und Edmond H. Fischer, daß auch die Phosphorylase-Kinase in einer inaktiven Form im Skelettmuskel vorliegt und aktiviert wird durch Calcium-Ionen/Calmodulin sowie durch Phosphorylierung durch eine Proteinkinase. Diese Proteinkinase wird allosterisch aktiviert durch zyklisches Adenosinmonophosphat (CAMP), das nach Aktivierung der Adenylatcyclase in der Zellmembran durch Adrenalin oder Glucagon synthetisiert wird. So stellt sich die Kaskade der Aktivierung des Glykogen-Abbaus im Skelettmuskel bzw. in der Leber wie folgt dar (Abbildung 2): Adrenalin bzw. Glucagon aktiviert die Adenylatcyclase in der Zellmembran. Das dann gebildete CAMP aktiviert allosterisch die Proteinkinase; diese CAMP-abhängige Proteinkinase phosphoryliert und aktiviert zusammen mit CalciumIonen/Calmodulin die Phosphorylase-Kinase; die aktivierte Phosphorylase-Kinase phosphoryliert die inaktive Phosphorylase b und führt damit zur aktivierten Phosphorylase a. Diese hydrolysiert Glykogen zu Glucose-1-Phosphat, das zu Glucose-6-Phosphat und freier Glucose bzw. glykolytisch metabolisiert

r--------1 I

Blutglucose

I

L -------- J

L-L----J

Adenylatcyclase

Protein-

tion durch eine spezifische Proteinkinase (Phosphorylase-Kinase) katalysiert wird. Nachfolgend demonstrierten die beiden Forscher, daß die Phosphorylierung der Phosphorylase b (inaktiv) zu Phosphorylase a (aktiv) reversibel ist und daß die Inaktivierung der Phosphorylase durch eine spezifische Phosphorylase-Phosphatase katalysiert wird (Abbildung 1). Diese metabolische Interkonversion basiert auf der Phosphorylierung/Dephosphorylierung eines einzigen Serins in der Phosphorylase-Untereinheit.

I CAMP-Protein- I #&$&

~hos~ktylaceKinase b

Abb. 2 Hormonelle Aktivierung des Glykogenabbaus durch Adrenalin (Skelettmuskel) bzw. Glucagon (Leber): Kaskade der reversiblen metabolischen lnterkonversion von Enzymen durch Phosphorylierung (Aktivierung) bzw. Dephosphorylierung (Inaktivierung; nicht eingezeichnet).

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1936 Blum: -

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Blum: Nobelpreis für Medizin 1992 1937

DMW 1992, 11 7. JQ.. Nr. 50

Edmond H. Fischer und seine Mitarbeiter befaßten sich in den letzten Jahren besonders mit Proteinphosphatasen und deren biologischen Funktionen für Zellproliferation, -differenzierung und maligne Entartung. Sie konnten zum Beispiel Biologische Signifikanz und zeigen, daß Protein-Tyrosin-Phosphatasen eine Perspektiven Familie von intrazellulären und transmembranösen Seit der Entdeckung der Phosphoryla- Enzymen sind (3, 5). daß das Leukozytenantigen Se, der Phosphorylase-Kinase, der CAMP-abhängigen CD45 eine rezeptor-gebundene Protein-TyrosinProteinkinase und der entsprechenden Phos- Phosphatase ist (2,131und daß Phosphorylase-Phosphatasen durch Edwin G. Krebs and Edmond H. phatase in eine aktive und inaktive Form umgewanFischer sind zahlreiche weitere Phosphorylierungs- delt werden kann (14). und Dephosphorylierungsreaktionen entdeckt worden. Sie gehören zu den wichtigsten RegelmechanisMan schätzt, daß etwa ein Drittel aller men des Körpers. Das Zusammenspiel von allosteri- zellulären Proteine durch mehr als 100 verschiedene scher Regulation und Kontrolle der Enzymaktivitäten Proteinkinasen bzw. -phosphatasen phosphoryliert durch metabolische Interkonversion durch Phospho- bzw. dephosphoryliert werden. Bei der grundlegenrylierung bzw. Dephosphorylierung ist die biochemi- den Bedeutung der Proteinkinasen und Proteinphossche Basis vieler Hormon- oder Transmittenvirkun- phatasen für praktisch alle zellulären Funktionen ist gen. So wurde entdeckt, daß auch die Aktivität der zu erwarten, daß diese Enzyme wesentlich sind für Glykogen-Synthase und der Pyruvat-Dehydrogenase das Verständnis physiologischer zellbiologischer durch Phosphorylierung bzw. Dephosphorylierung Vorgänge wie auch für Krankheitsentstehung, einreguliert wird. schließlich der malignen Transformation von Zellen und deren ~ e t a s t a s i e r u n ~ . Nach der Entdeckung der CAMP-abhängigen Proteinkinase wurden verschiedene Literatur andere Proteinkinasen identifiziert: Myosin-Leichtkettenkinase (MLCK), Casein-Kinase I und 11, Pro- 1 Ahn. N. G., J. E. Weiel. C. P. Chan, E. G. Krebs: Identification of multiple epidermal growth factor-stimulated protein serine/ teinkinase C und eine Vielzahl von Tyrosin-Kinasen. threonine kinases from Swiss 3T3 cells. J. biol. Chem. 265 Zahlreiche dieser Tyrosin-Kinasen sind Rezeptoren (1990). 11487-11494. für Wachstumsfaktoren, wie Epidermal Growth 2 Charbonneau. H.. N. K. Tonks. K. A. Walsh. E. H. Fischer: The leukocyte common antigen (CD45). A putative receptor-linked Factor (EGF), Insulin, Insulin-like Growth Factor protein tyrosine phosphatase. Proc. nat. Acad. Sci. (Wash.) 85 (IGF), Platelet-Derived Growth Factor (PDGF). Diese (1988). 7182-7186. Wachstumsfaktoren aktivieren als Liganden die 3 Fischer. E. H., H. Charbonneau, N. K. Tonks: Protein tyrosine Tyrosin-Kinasen, die inzwischen als Genprodukte phosphatases. A diverse family of intracellular and transmembrane enzymes. Science 253 (1991),401-406. von mehr als 20 Onkogenen identifiziert sind. Diese Daten weisen auf die fundamentale Bedeutung der 4 Fischer. E. H.. E. C. Krebs: Commentary on >The phosphorylase b to a converting enzyme of rabbit skeletal muscle< by Proteinphosphorylierung für Zellwachstum, ZelldifKrebs. E. G., E. H. Fischer: Biochim. biophys. Acta 20 (1956). ferenzierung und maligne Transformation hin. 150-157. Biochim. biophys. Acta 1000 (1989). 297-301. H., N. K. Tonks, H. Charbonneau. M. F. Cicirelli. D. E. Cool. C. D. Diltz. E. G. Krebs. K. A. Walsh: Protein tyrosine phosphatases. A novel family of enzymes involved in transmembrane signalling. Advanc. second Messeng. Phosphoprotein Res. 24 (1990). 273-290. Krebs, E. G.: The Albert Lasker Medical Awards. Role of the cyclic AMP-dependent protein kinase in signal transduction. J. Amer. med. Ass. 262 (1989). 1815-1818. Krebs, E. G., E. H. Fischer: The phosphorylase b to a converting enzyme of rabbit skeletal muscle. Biochim. biophys. Acta 20 (1956). 150-157. Luscher, B.. E. Christenson. D. W. Litchfield, E. G. Krebs. R. N. Eisenmann: Myb-DNA binding inhibited by phosphorylation at a site deleted during oncogenic activation. Nature (Lond.) 344 (1990). 517-522. Luscher. B.. E. A. Kuenzel. E. G. Krebs, R. N. Eisenmann: Myc oncoproteins are phosphorylated by casein kinase 11. EMBO J. 8(1989), 1111-1119. Marth. J. D., J. A. Cooper. C. S. King. S. F. Ziegler. D. A. Tinker, R. W. Overell, E. G. Krebs. R. M. Perlmutter: Neoplastic transformation induced by an activated lymphocyte-specific protein tyrosine kinase (pp561ck). Molec. cell. Biol. 8 (1988). 540-550. Marth. J. D., R. W. Overell, K. E. Meier. E. G. Krebs, R. M. Perlmutter: Translational activation of the lck proto-oncogene. Nature (Lond.) 332 (1988). 171-173. Marth. J. D., R. Peet, E. G. Krebs, R. M. Perlmutter: A lymphocyte-specific protein tyrosine kinase gene is rearranged and

5 Fischer, E.

Edwin G. Krebs und seine Mitarbeiter explorierten nach der initialen Entdeckung verschiedene Proteinkinasen und deren biologische Funktionen in Zellproliferation, -differenzierung und maligner Entartung. Sie konnten zum Beispiel zeigen, daß

6

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- CAMP-abhängige Proteinkinasen eine wichtige -

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Rolle bei der Signaltransduktion spielen ( 6 ) . myc-Onkoproteine durch eine Casein-Kinase I1 phosphoryliert werden (9). myb-DNA-Bindung durch Phosphorylierung inhibiert wird (81, verschiedene durch den epidermalen Wachstumsfaktor stimulierte Protein-SeridThreonin-Kinasen existieren (I), eine neoplastische Transformation durch eine aktivierte lymphozyten-spezifische Protein-Tyrosin-Kinase induziert werden kann (10.11) und ein lymphozytenspezifisches Protein-TyrosinKinase-Gen rearrangiert und in einer Mäuse-TZell-Lymphom-Linie überexprimiert ist (12).

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wird. Diese Aktivierungskaskade amplifiziert damit die einzelnen Schritte und erlaubt damit die rasche Bereitstellung von Energie (ATP)via Glykogenabbau.

DMW 1992. 1 17. Jg.. Nr. 50

Nobelpreisjür Medizin 1992

overexpressed in the murine T cell lymphoma LSTRA. Cell43 (1985). 393-404. 13 Tonks. N. K., H. Charbonneau. C. D. Diltz. E. H. Fischer. K. A. Walsh: Demonstration that the leukocyte common antigen CD45 is a protein tyrosine phosphatase. Biochemistry 27 (1988). 8695-8701. 14 Villa-Monuzi. E., L. M. Ballou. E. H. Fischer: Phosphorylase phosphatase. Interconversion of active and inactive forms. J. biol. Chem. 259 (1984). 5857-5863.

hoJ Dr. H. E. BIum Medizinische Klinik B Departement f'ijr innere Medizin Universitätsspital Rämistr. 100 CH-8091 Zürich

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1938 Blum: -

Dtsch. med. Wschr. 18 11892). 501

[Nobel prize for medicine, 1992].

Kommentare Nobelpreis für Medizin 1992 H. E. Blum Der diesjährige Nobelpreis für Medizin oder Physiologie ist den beiden Biochemikern Edwin G. Krebs...
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