Kim. Mb!. Augenheilk. 198 (1991) 435

Okulozerebrales malignes Non Hodgkin-Lymphom Em Bericht

fünf Fälle

P. Meyer, Th. Cuny, B. Daicker

stelit eine wichtige Differentialdiagnose von groOherdigen,

Zusammenfassung _________________________________________

Es werden fUnf Patienten mit histologisch diagnostiziertem okulozerebralem malignem NHLymphom (fruher Retikulumzellsarkom) im Alter von 58 bis 76 Jahren vorgestellt. Die Augenvernderungen (GK-lnfiltrationen, NH-Infiltrationen, VK-Reiz) wurden primar als Panuveitis fehidiagnostiziert. Die ubliche antiinflammatorische Therapie blieb erfolglos, sd-

ten eine vorubergehende Abnahme der ,,Uveitiszeichen". Vier Falle wiesen eine histologisch nachgewiesene zerebrale Manifestation auf. Bei jedem Fall mit Ausnahme des erst postmortal diagnostizierten Falles wurde eine Ganzhirnbestrahlung unter EinschluB der Augen durchgefuhrt. Innerhalb von wenigen Wochen kam es unter der Bestrahlungstherapie zur Ruckbildung der okuldren Symptome. Die Langzeitprognose fur die Augen und quoad vitam ist leider ungunstig.

Malignant Oculo-Cerebral Non-Hodgkin-Lymphoma Five patients, age 35 to 77, with histologically proven malignent ocular non-Hodgkin's lymphoma (previously known as reticulum cell sarkoma) are presented. The clinical ocular findings (vitreous infiltrates, retinal infiltrates, anterior uveitis) were initially misinterpreted as "panuveitis". The usual antiinflammatory therapie a temporary diminution of the "uveitis" could be observed. Four cases showed a histologically proven CNS involvement. All the patients (except the one in whom the correct diagnosis was made post mortem) received cerebral radiation therapie, including the eyes. Under the radiation therapy the ocular find-

ings disappeared within a few weeks. The longtime prognosis for the eye and quoad vitam is unfortunately not promissing.

v. a. hinteren, therapieresistenten Uveitiden und Retinitiden bei alteren Patienten dar. Vor allem dem Augenarzt, aber auch dem Neurologen und Internisten, fällt in der Diagnosestellung dieser meist primar verkannten, lebensbedrohenden Erkrankung eine entscheidende Rolle zu.

Wir berichten in der Folge summarisch tiber vier Patienten unserer Klinik und einen Fall aus der Praxis (total acht befallene Augen), urn die Symptome, die diagnostischen Moglichkeiten und die derzeit mogliche Therapie darzustellen. Resultate (vgl. Tab. 1) 1. Kiinik

Drei der funf Patienten waren weiblich, zwei mannlich. Das Auftreten der ersten Symptome wurde beim jungsten Patienten mit 58 Jahren, beim altesten mit 76 Jahren festgestellt (Mittel: 66 Jahre). Das OZMNHL

wurde bei 3 der 5 Patienten in beiden Augen diagnostiziert. 4 Patienten hatten primär okulare, einer zerebrale Symptome. Em primarer Netzhautbefall bestand biomikroskopisch in 4 Fallen (bei einem Fall postmortal festgesteilt). Als erstes Symptom gaben alle Patienten eine deutliche Sehverschlechterung innerhalb von Wochen an. Objektiv lagen sic bei der Erstuntersuchung durchschnittlich unter 0,5, oft fiel der Visus sogar unter 0,1. Alle Patienten batten diffuse, dichte Glaskorperinfiltrationen mit flockigen Zellansammlungen an den Fasern des destruierten Gerustes.

Die gelbweitien Netzhautinfiltrate bei 3 Patienten waren wegen des truben GlaskOrpers nur undeutlich, beim 4. Patienten nicht sichtbar. Immer bestand em Vorderkammerbefund mit Zellen und Tyndall, bei 4 Patienten auch mit speckigen Hornhautendothelprazipitaten.

Einleitung

Die ZNS-Beteiligung wurde bei zwei Patienten computertomographisch bei zwei erst postmortal festgestellt. In einem Fall waren wohl ZNS-Symptome vorhanden der zerebrale Befall aber klinisch bis heute

Als okulozerebrales mahgnes Non Hodg- nicht nachzuweisen. kin-Lymphorn (OZMNHL) wird eine klinische Sonderform des Non Hodgkin-Lymphoms bezeichnet welche SeDie khnischen Symptome waren oft Kopf. lektiv Auge und Gehirn befailt. Die Augenbeteiligung schmerzen und Verwirrtheit, em diskretes Hemmsyndrom, Gangunsicherheit, zerebellare Symptome mit Ataxie oder KIln. Mb!. Augenheilk. 198 (1991) 435437 Harninkontinenz. .

1991 F. Enke Verlag Stuttgart

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Universitats-Augenklinik Basel (Direktor: Prof. Dr. J. Flammer)

436 Kim. Mb!. A ugenheilk. 198 (1991)

P. Meyer und Mitarb.

Tab. 1 Alter

Beginn

lJl Ge-

Dauer lMTl

1 Sy.

1 Sy

ZNSBefall

bis Dx

bis Tod

Mt n.

schlecht

1

75 9

Auge

5

10

ja, 5

2

76 o'

ZNS

1

25

ja, —7

3

66 9 58 9 65 a'

Auge Auge Auge

21/, p.m. 2

5

15 5

60 52

Visus

Chemoth.

Re-

vor Th. RA

LA

nach Th. RA LA

mssion

lMtl

Sy.

1

4

Therapie Radioth.

GH: 5000 SB: 3000 GH: 4400 OB: 4000



LP

+

0,1

FZ



nein

GH: 4140

ja, 10

GH: OB:

0,6

0,4

18 Rez. 5



ja, 1

2

LP

+ —

0,6 0,1



0,8 0,5

1,0 0,1



1,0

42

0,7

45

bis heute uberlebt; GH: Ganzhirnbestr.; OB: Orbitabestr.; SB: Spinale Bestr.; p.m.: postmortal

2. Diagnostik

33/4 Jahren. 3 Patienten starben 10, 25 bzw. 52 Monate nach Beginn der Symptome und 2, 23 uiid 45 Monate

Bei alIen 4 Patienten (5. Patient vor Au- nach der Strahientherapie an einem Rezidiv des Gehirnbegenbefall ZNS-Befall und richtige Diagnosestellung durch falls. Em Patient hat his heute, 5 Jahre nach Beginn der Hirnbiopsie) wurden die Augenveranderungen primär als Erkrankung, uberlebt. Panuveitis fehidiagnostiziert. Therapieversuche mit Steroiden systemisch und lokal brachten keinen Erfoig oder selten eine vortibergehende Abnahme der ,,Uveitidenzeichen".

Erst em bis 15 Monate nach den ersten

Diskussion

1. Kiinische Aspekte Das OZMNHL ist eine bezUglich Lokalisa-

Symptomen, bei Fall 3 erst postmortal 21/2 Monate nach tion und Verlauf besondere Form der malignen NonKrankheitsbeginn, wurde histologisch/zytologisch die Hodgkin-Lymphome. Zytologisch sind es immunoblastirichtige Diagnose gestelit. Die Wege dazu waren: 2mal sche Lymphome (7) (Synonyme: large cell malignant lym-

Untersuchung von Vitrektomiematerial, Imal von Glas- phoma, histiozytäres malignes Lymphom). korperpunktat, imal von durch Kraniotomie entfernten Der im ophthalmologischen Schrifttum Stirntumors. Im Fall 1 erfolgte die Diagnosestellung mitnoch immer gebrauchliche Name ,,Retikulumzellsarkom" tels CT und Zerebralangiographie durch Darstellung eines ist obsolet, weil die Tumorzellen nicht von Retikulumzelmultizentrischen Hirntumors. len abstammen, sondern von B-, selten T-Lymphozyten (6, 9). Die immunzytochemische Untersuchung der Himbiopsie unseres 2. Falles war positiv auf den B-Zellmarker 3. Therapie L26, negativ auf T-Zellmarker.

Alle Patienten, mit Ausnahme des erst postmortal diagnostizierten Falles, wurden mit Ganzhirnbestrahlurig unter Einschlull der Augen (durchschnittlich 5000 rad) behandelt. Bei 2 Patienten wurde eine zusatzliche Behandlung mit Chemotherapeutika (intrathekal Methotrexat bzw. Methotrexat mit Ara C und Solucortef) gegeben, mullte aber wegen Unvertraglichkeit abgebrochen werden. 4. Verlauf

Maligne Non Hodgkin-Lymphome konnen solitar oder disseminiert in Lymphknoten und Weichteilgewebe auftreten.

Im Rahmen einer soichen Tumorerkrankung können am Auge die Uvea, die Adnexe und die Or-

bita befallen bzw. mitbeteiligt sein. Das seltenere OZMNHL befällt selektiv Auge und Gehirn ohne Kontinuität tiber den Sehnerven. Dieser Typ ist seit der Erstbeschreibung (3) in uber 120 Fallen beschrieben.

Die Patienten hatten em mittleres Alter Eine Patientin starb ohne adaquate Theravon 58 Jahren (35 bis 81 Jahre) (4) bei Auftreten der Sympie 10 Wochen nach Symptombeginn, weil die Diagnose ptome. Em bilateraler Befall der Augen kommt bei 79% nicht gesteilt wurde. (8) vor. Retina und Netzhautpigmentepithel konnen von Innerhaib weniger Wochen nach Bestrah- Tumorzellen infiltriert sein. Him oder Auge erkranken silung nahm der Fernvisus bei 5 befallenen Augen deutlich multan oder sukzessiv. Die Augensymptome gehen den zu, bei zwei blieb er stabil. Die Glaskorperinfiltrationen ZNS-Symptomen im Mittel 20,6 Monate voraus (10). Bei heilten sich nach der Bestrahiung in jedem Fall auf, die unseren Patienten betrug dieses Intervall 1 bis 12 Monate. Netzhautinfiltrate gingen zurUck. Eine Korrelation zur ap- Die ZNS-Beteiligung kommt nach der Literatur in 56% plizierten Strahiendosis ist nicht zu erheben. 3 Patienten bis 67% (4, 8) vor. hatten em

rezidivfreies Intervall von 2 Monaten bis

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Fall Nr.

K/in. Mb!. Augenheilk. 198 (1991) 437

Okulozerebrales malignes Non Hodgkin-Lymphom Von entscheidender Bedeutung ist die Verwechslungsmoglichkeit mit Endophthalmitiden. Differen-

Danksagung:

Wir danken Frau Dr. H. Hahn aus Luzern für tialdiagnostisch kommen bei NH/Glaskorperbefall Todie Uberlassung des Falles aus der Praxis. xoplasmose, Virusretinitis, Candidaendophthalmitis und

andere exsudative Retinochorioiditiden in Frage.

Literatur

2

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Cooper, E. L., J. L. Riker: Malignant lymphoma of the uveal tract. Amer. J. Ophthal. 34(1951)1153—1158

Freeman, L. N., A. P. Schachat, D. L. Knox, R. G. Michels, W. R. Green: Clinical features, laboratory investigations, and survival in

2. Therapie Ubereinstimmend wird als erste MaBnahme die Bestrahiung beider Orbitae und ggf. des ZNS angegeben. Da sich beide Felder uberlappen, ist ihre sukzessive Bestrahiung wegen Uberdosierung kaum moglich.

ocular reticulum cell sarcoma. Ophthalmology 94 (1987) 1631—1639 6

Gonzales, D. G., A. L. 3. Schuster: Primary Non-Hodgkin's Lyrnphoma of the central nervous system. Cancer 51(1983) 2048—2052 Kaplan, H. J., T. A. Meredith, T. M. Aaberg, R. U. Keller: Reclassification of intraocular reticulum cell sarcoma (histiocytic lymphoma). Arch. Ophthal. (Chicago) 98 (1980) 707—710 Lennert, K.: Malignant lymphomes, 1. Aufi. Springer, Berlin-Heidelberg-New York t978 Margolis, C., R. Fraser, A. Lichter, D. H. Char: The role of radiation therapie in the management of ocular reticulum cell sarcoma. Cancer

Die besten Resultate werden nach Dosen 8 zwischen 5000 bis 6000 rad beschrieben. Eine Beziehung 45(1980) 688—692 zwischen Strahiendosis und Uberlebensrate besteht offenRappaport , H.: Tumors of the hematopoietic system. Atlas of tumor bar nicht (5). Nach der Bestrahiung kommt es innert Wopathology, section 3, fascile 8. Armes Forces Institute of Pathology, chen zu einer starken Remission der Augenbefunde. Die Washington DC 1966 '° Langzeitprognose für die Augen und quoad vitam ist leiRosenbaum, T. J., C. S. Mac Carty, H. Buettner: Uveitis and cerebral reticulum cell sarcoma (large-cell lymphoma): case report. J. Neuroder ungünstig. surg. 50 (1979) 600—7

Die Chemotherapie wird weniger einheitlich beurteilt. Moglicherweise ist em Vorteil mit intrathekaler Applikation von Chemotherapeutikum in Kombination mit Radiotherapie zu erwarten (1, 2). Bei unseren Pa- Dr. P. Meyer tienten im 2. und 4. FaIl mul3te em Versuch mit intratheUniversitats-Augenklinik kaler Chemotherapie wegen Unvertraglichkeit schon nach Mittlere Strasse 91 der 1. Applikation abgebrochen werden. CH-4056 Basel

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Birdshot-Retinopathie und Aderhautmetastasen gleichen OZMNHL-Infiltraten unter dem Pigmentepithel. Em atypisches Verhalten soicher Affektionen im Verlauf und auf Therapie muB an em OZMNHL denken und als erstes eine neuroradiologische, wenn notig zytologische Abklarung einleiten lassen.

[Oculocerebral malignant non-Hodgkin lymphoma. A report of 5 cases].

Five patients, age 35 to 77, with histologically proven malignent ocular non-Hodgkin's lymphoma (previously known as reticulum cell sarkoma) are prese...
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