Aspekte Radiologe 2014 · 54:1217–1219 DOI 10.1007/s00117-014-2755-y Online publiziert: 1. November 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

C. Herold Univ.-Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Medizinische Universität Wien, Allgemeines Krankenhaus

Zum 20. Europäischen Radiologenkongress in Wien  Infobox Prof. Dr. C. Herold habilitierte sich 1993 im Fach Radiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, seit 1996 ist er Ordentlicher Professor für Radiologie, seit 2008 Leiter der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien an der Medizinischen Universität Wien. Seit 2013 ist er Sprecher des Forschungsclusters „Medical Imaging“. Christian Herold gehört zahlreichen Fachgesellschaften an, denen er auch größtenteils als Präsident vorstand. Herold war als Gastprofessor u. a. an der Stanford University, der Cornell University, der Cambridge University und der Duke University tätig. Er ist Mitglied des Obersten Sanitätsrates in Österreich.

Der European Congress of Radiology (ECR) wurde bereits 1967 von Boris Rajewski und Charles Marie Gros angestoßen, aber nur alle 4 Jahre in wechselnden Städten abgehalten. Durch die Initiative von Josef Lissner wurde 1991 der „neue ECR“ in Wien gegründet und fand dort bis 1999 im 2-Jahres-Rhythmus und danach in einjährigen Abständen statt. Durch den Zusammenschluss des ECR mit der Europäischen Vereinigung für Radiologie (European Association of Radiology, EAR) im Jahr 2005 entstand die European Society of Radiology (ESR) mit Sitz in Wien.

1. Mit knapp 20.000 Teilnehmern ist der ECR nach dem RSNA in Chicago heute der zweitgrößte Radiologie-Kongress der Welt. Wie verteilen sich die Teilnehmerzahlen auf die ver-

schiedenen Länder in Europa bzw. die übrigen Kontinente? Prof. Dr. Christian Herold: Ein Großteil der ECR-TeilnehmerInnen kommt aus Europa, gefolgt von Asien, Nordamerika, Afrika und Südamerika. Die Top-3Länder aus Europa waren beim ECR 2014 Deutschland, Italien und Österreich.

2. Ein Kongress dieser Größenordnung ist für die Industrie ein sehr wichtiges Fenster, um die neuen technischen Entwicklungen präsentieren zu können. Ist die Resonanz der Industrie zu den Ausstellungsmöglichkeiten positiv oder bestehen ernstzunehmende Wünsche der strukturellen oder räumlichen Verbesserung? Lässt sich beurteilen, ob durch den ECR die Industriepräsenz auf den verschiedenen nationalen Radiologie-Kongressen abgenommen hat? Prof. Dr. Christian Herold: Die Resonanz der Industrie ist und war in all den Jahren durchweg positiv. Was man über die Jahre sehen kann, ist, dass die Beteiligung der Industrie stagniert, dies aber auf einem hohen Niveau. Der ECR hat es aber immer geschafft, etwaige Veränderungen bei Industriepartnern oder das Wegfallen von Unterstützung durch Neuzugänge in der Ausstellung zu kompensieren. Auch erzeugt diese anhaltende Stagnation keine Ängste, sondern motiviert dazu, sich nach neuen Kooperationsmöglichkeiten mit der Industrie abseits der klassischen Ausstellung umzusehen.

Die Annahme, dass der ECR die Industriebeteiligung auf nationaler Ebene schmälert, ist nicht nachzuvollziehen, da z. B. in Österreich der Markt einfach nur eine gewisse Größe hat, und ob es jetzt einen ECR gibt oder nicht, auch nicht mehr Produkte in dem jeweiligen Land verkauft werden können. Die Beteiligung am ECR ist ganz einfach aus dem Grund so hoch, da sich hier TeilnehmerInnen aus 130 Ländern versammeln und die Industrie Kunden aus mehreren Märkten auf einem Fleck ansprechen kann.

3. In wie weit haben die neuen Medien der Informationsvermittlung die Abläufe und die Atmosphäre des Kongresses beeinflusst? Prof. Dr. Christian Herold: Um noch mehr TeilnehmerInnen Zugang zum Kongress zu ermöglichen, werden nahezu alle Vorträge in Echtzeit per Webstream auf der Plattform ECR live übertragen. Am ECR 2014 waren dies über 1500 Vorträge, welche von 5500 Teilnehmern auf der Plattform gesehen wurden. Durch die ECR Live Social Media Wall ist es möglich, dass sich Benutzer von zuhause aus mit TeilnehmerInnen und ReferentInnen, die am Kongress vor Ort sind, in Echtzeit austauschen können. Somit können Ärzte weltweit direkt an den Diskussionen, welche nach jedem Vortrag stattfinden, teilnehmen und auch Fragen an die Vortragenden stellen. Dieses Service war 2014 ein großer Erfolg, mit über 4000 Nachrichten über Facebook, Twitter, Instagram Der Radiologe 12 · 2014 

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Aspekte oder durch die integrierte Kommentarfunktion. Social Media macht es möglich, dass der Kongress keine in sich geschlossene Veranstaltung an einem klar definierten Ort ist, sondern sich RadiologInnen aus aller Welt in Echtzeit daran beteiligen können.

4. Vor etlichen Jahren wurde laut darüber nachgedacht, ob der ECR zumindest zeitweise in eine andere europäische Großstadt wie z. B. Barcelona, Paris oder Rom verlagert werden könnte. Nachdem inzwischen die European Society of Radiology (ESR) und die Gesellschaften der radiologischen Subspezialitäten ebenso wie das European Institute of Biomedical Imaging Research in Wien ihren Sitz haben, dürfte diesen Überlegungen wohl keine Bedeutung mehr zukommen? Oder anders gefragt: Ist Wien zur Europäischen Radiologie-Hauptstadt geworden? Prof. Dr. Christian Herold: Wien ist derzeit sicherlich die Hauptstadt der europäischen Radiologie, was allerdings nicht heißt, dass dies immer so bleiben wird oder muss. Zurzeit gibt es keine attraktive oder vor allem finanzierbare Alternative, und Wirtschaftlichkeit steht immer im Vordergrund der ESR-Bestrebungen.

5. Die Überlegung ist naheliegend, dass neben dem RSNA in Chicago und dem ECR in Wien ein drittes großes radiologisches Zentrum im asiatischen Raum entsteht. Wäre das u. U. sogar zu begrüßen, um ein weiteres Anwachsen der Zahl der Kongressteilnehmer zu bremsen auch im Hinblick auf die gegebenen Räumlichkeiten des Austria Center Vienna? Aus ähnlichen Gründen im Hinblick auf den RSNA mit bis zu 60.000 Teilnehmern sollen angeblich die US-Amerikaner den Aufbau des ECR begrüßt und teilweise unterstützt haben. Prof. Dr. Christian Herold: Es gilt sowohl für den ECR als auch für die RSNA, dass hier in den letzten Jahren kein so großes Wachstum stattgefunden hat, dass es zu einem Problem mit den verfügba-

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ren Räumlichkeiten geführt hätte. Darüber hinaus werden Onlineangebote wie das Livestreaming des gesamten ECR sehr gut angenommen, sodass in Zukunft mit einem verstärkten Zulauf zum Virtual Congress zu rechnen ist. Für den Erfolg einer Destination sind sehr viele unterschiedliche Faktoren entscheidend. Inwiefern und ich welcher Form diese auf Asien bzw. die einzelnen asiatischen Länder zutreffen, ist sehr schwierig zu beurteilen. Grundsätzlich setzt sich aber immer jene Destination bzw. jener Kongress durch, der ein intelligentes Gesamtkonzept anbietet. Dieses Rezept funktioniert auf der ganzen Welt.

6. Für die Annahme oder Ablehnung eines eingereichten Abstracts sollte nur die Qualität entscheidend sein. Da die medizinischen Strukturen sich in einigen europäischen Ländern noch im Aufbau befinden, ist die Überlegung naheliegend, dass in guter Absicht ein Proporzdenken greift, um den Vertretern der kleinen oder noch in der Entwicklung befindlichen Ländern eine Chance zu geben. Wie kann man diesem Problem gerecht werden? Prof. Dr. Christian Herold: Ein solches Eingreifen ist beim ECR von vornherein völlig ausgeschlossen, da Abstracts von den Reviewern „blind“ bewertet werden. Die eingereichten Abstracts werden nach Überthemen sortiert und dem entsprechenden Subkomitee weitergeleitet, wo dann jedes einzelne Abstract von im Schnitt fünf Experten bewertet wird. Alle Informationen, welche einen Rückschluss auf den Autor bzw. auf das Ursprungsland des Abstracts zulassen, werden nicht mitübermittelt. Somit ist für den ECR alleine die wissenschaftliche Qualität des eingereichten Abstracts entscheidend und auch nur diese fließt in die Bewertung ein.

7. Die praktischen Qualitätsstandards für diagnostische Radiologie sind in den einzelnen europäischen Ländern im statistischen Mittel sicherlich verschieden hoch. Der ECR trägt entscheidend dazu bei, dass sich europaweit eine zuverlässige Qualitätsnorm entwickelt. Es gibt noch keinen „Euro-

päischen Facharzt für Diagnostische Radiologie“. Seit 2011 kann man jedoch ein „European Diploma in Radiology (EDiR) auf dem ECR in Wien oder andernorts in Zusammenarbeit mit den nationalen Fachgesellschaften erwerben [1, 2]. Wie groß sind das Interesse und die Nachfrage für dieses Diplom? Prof. Dr. Christian Herold: Das European Diploma ist mittlerweile zu einer Erfolgsgeschichte der ESR geworden. Für 2014 sieht es so aus, also ob die TeilnehmerInnenzahl die Gesamtzahl aus den letzten drei Jahren übersteigen wird. Für den ECR 2015 werden 200 Plätze angeboten werden, da hier jedes Jahr mehr Anfragen gestellt werden als Plätze vorhanden sind. Aber auch abseits des ECR wird das Diploma sehr gut angenommen, so werden auch unsere Angebote auf nationalen Kongressen wie z. B. dieses Jahr im Herbst auf dem französischen und türkischen Radiologie-Kongress sehr stark nachgefragt.

8. Die ECR-Organisatoren haben im Sinne einer Werbung für das eigene Fachgebiet Medizinstudenten einen kostenlosen Zugang zum ECR angeboten. Wie wird dieses großzügige Entgegenkommen angenommen? Prof. Dr. Christian Herold: Der große Ansturm war sogar für die Betreiber des ECR überraschend und mehr als erfreulich. Mittlerweile wurde, um den Ansturm zu regulieren, ein geringer Unkostenbeitrag eingeführt, welcher aber bei unter 10 EUR pro Kongresstag liegt. Wir haben Informationen, dass diese minimale Kongressgebühr von einzelnen Kliniken bereits finanziert wird, um Nachwuchs zu rekrutieren. Es ist für jeden Kongress und für jede Disziplin ein großes Kompliment, wenn die nächste Generation ein so großes Interesse zeigt.

9. Welche bedeutenden Höhepunkte gab es beim ECR 2014? Prof. Dr. Christian Herold: Ein organisatorisches Highlight war sicher die erfolgreiche Integration des M-Gebäudes in den Kongressablauf und die hervorragen-

Fachnachrichten de Zusammenarbeit mit den United Nations, die diesen Schritt ermöglicht haben. Mit EuroSafe Imaging wurde die Kampagne der ESR zum Thema Radiation Protection gestartet, welche das ALARAPrinzip, die Einhaltung von Strahlungsdosen und eine genaue Beurteilung der Angemessenheit in der medizinischen Bildgebung in den Vordergrund rückt. Die offizielle Eröffnungsveranstaltung der Kampagne war bis weit über den letzten Platz hinaus belegt. Eine weitere Innovation, die sehr gut angenommen worden ist, war der Multimedia Class Room, in welchem die Radiologen an Workstations direkt mit Kollegen medizinische Abläufe trainieren konnten. Ein zukunftsweisender Erfolg dürfte auch die hohe Beteiligung am Livestreaming-Service ECR Live sein. Mit 5500 Zusehern spricht dies eine ganz klare Sprache, dass das Interesse an alternativen Möglichkeiten an einem Kongress teilzunehmen immer größer wird.

tet, direkt am Ende der Session über die beste Präsentation abzustimmen.

10. Kann man schon erkennen, welche Highlights beim ECR 2015 zu erwarten sind?

Literatur

Prof. Dr. Christian Herold: Da die Vorbereitungen für den ECR 2015 bereits voll im Gange sind, lassen sich auch bereits einige Highlights für das nächste Jahr nennen. Das beliebte „ESR meets“ Programm hat dieses Mal Deutschland, Korea und die Türkei als Gastländer sowie die European Association of Urology als Partnerdisziplin. Ebenso wird es eine gemeinsame Session der ESR und der RSNA geben. Eine der größten Neuerungen wird sicherlich die Neugestaltung der Vortragskategorien sein, welche nun nach den Stufen des European Training Curriculum for Radiology strukturiert sind und es den Teilnehmern erleichtern soll, genau die Sessions zu finden, die sie interessieren und die für sie am besten geeignet sind. Zwei der Topthemen am ECR 2015 werden hybride Bildgebung und bildgebungsgesteuerte Interventionen in der Onkologie sein. Weiter ausgebaut wurde auch die Zahl der interaktiven Vorträge, die zentrale Elemente wie ein Voting via Smartphone oder Tablet enthalten soll und beim ECR 2015 zum ersten Mal auch die Möglichkeit bie-

Die Fragen stellte Prof. Dr. Gerhard van Kaick, Heidelberg.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. C. Herold Univ.-Klinik für Radiologie   und Nuklearmedizin,   Medizinische Universität Wien, Allgemeines Krankenhaus, Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien, Österreich christian.herold@  meduniwien.ac.at

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  C. Herold gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

1. Reiser M, Herold CH (2011) Europäisches Diplom für Radiologie. Radiologe 51:1013 2. Breatnach E (2011) Diplom (EDiR) der Europäischen Gesellschaft für Radiologie. Radiologe 51:1058–1059

Neue Leitlinien zur Behandlung von AortenErkrankungen Die European Society of Cardiology (ESC) veröffentlichte neue Leitlinien zur Behandlung von Aorten-Erkrankungen, die standardisierte Hilfestellung zu mehr Aorta-Krankheiten als bisherige Leitlinien umfassen. So berücksichtigen sie auch Bauchaortenaneurysmen, Aorten-Entzündungen, Aorten-Tumoren und angeborene Erkrankungen sowie Erbkrankheiten der Aorta. Erstmals enthalten ist zudem ein Flussdiagramm zur Entscheidungsfindung beim „akuten Aorten-Syndrom“, welches die behandelnden Ärzte bei der Diagnosestellung und Auswahl der Behandlungsschritte unterstützt. Weiterhin empfehlen die Spezialisten der ESC die Einrichtung von eigenen Aorten-Zentren in Krankenhäusern mit Fachärzten aus der Kardiologie, der Radiologie, der Herz- und Gefäßchirurgie, der Kinderkardiologie und der Genetik. Die neuen Leitlinien sind vor allem auch durch die Fortschritte in der Bildgebung wie der Computertomographie und Magnetresonanztomographie möglich, die eine viel detailliertere Untersuchung der Hauptschlagader erlauben. So lässt sich mittlerweile die Aorta bei jedem Patienten mit Hilfe einer Software in 3D nachbilden, so dass auch die Gesamtstruktur der Aorta untersucht werden kann. Literatur: Erbel R, Aboyans V, Boileau C et al (2014) ESC guidelines on the diagnosis and treatment of aortic diseases. European Heart Journal, doi:10.1093/ eurheartj/ehu281 Quelle: Universitätsklinikum Essen, www.uk-essen.de

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[On the 20th European Congress of Radiology in Vienna].

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