Operative Techniken Oper Orthop Traumatol 2014 DOI 10.1007/s00064-014-0301-8 Eingegangen: 31. August 2013 Überarbeitet: 21. Dezember 2013 Angenommen: 1. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

R. Fuhrmann, Bad Neustadt Zeichner

J. Hamel1 · M. Nell2 1 Zentrum für Orthopädische Fußchirurgie, München 2 Klinik Josephinum, München

Kombinierte Schrauben-ClawplateOsteosynthese zur Stabilisierung der talonavikularen Arthrodese

J. Kühn, Mannheim

Vorbemerkungen Das Talonavikulargelenk nimmt innerhalb des peritalaren Gelenkkomplexes (Talokalkanealgelenk, Talonavikulargelenk, Kalkaneokuboidgelenk) biomechanisch insofern eine Schlüsselstellung ein, als dass es einerseits den größten Bewegungsausschlag zeigt und andererseits nach isolierter Versteifung die Beweglichkeit der beiden anderen Teilgelenke besonders stark einschränkt wird. Die Indikationen zur häufig durchgeführten Talonavikularversteifung sind vielfältig [1, 5]. Die idiopathische Arthrose ist nicht selten. Im Rahmen rheumatischer Erkrankungen gehört das Talonavikulargelenk häufig zu den bereits früh beteiligten Gelenken. Die Behandlung der erworbenen Deformitäten im Erwachsenenalter (z. B. Erwachsenen-Plattfuß mit Tibialis-posterior-Dysfunktion, Cavovarus-Deformitäten) erfordert oft die korrigierende Versteifung unter anderem des Talonavikulargelenks. Auch posttraumatische Zustände und tarsale Koalitionen gehören zu den Indikationen. Häufig ist die talonavikulare Arthrodese nur Teil ausgedehnterer Versteifungen im Rückfußbereich (z. B. Chopard-Arthrodese, TripleArthrodese, mediale Doppel-Arthrodese des Talonavikular- und Talokalkanealgelenks), so z. B. bei dem ErwachsenenPlattfuß mit Tibialis-posterior-Dysfunktion. Die funktionellen Ergebnisse der isolierten Talonavikulararthrodese sind nach der Literatur überwiegend gut; allerdings wird die verminderte Anpassungsfähigkeit des Fußes nicht selten vom Patienten als störend empfunden [1]. Offenbar wegen seiner großen biomechanischen Bedeutung und den hier wir-

kenden Kräften ist die Pseudarthrosenrate gerade am Talonavikulargelenk nicht gering [1, 2]. Daher erscheint eine sichere und reproduzierbare Technik mit guter Kompressionsmöglichkeit von besonderer Bedeutung. Ältere Osteosynthesetechniken arbeiteten mit Kirschner-Drähten und Knochenklammern [3]. In der neueren Literatur werden meist Klein- oder Großfragmentschrauben entweder nur medial [2, 4] oder medial und dorsolateral [1, 5, 6], eine Kombination aus nichtwinkelstabiler Platte und Schraube [7] oder auch dorsal angelegte winkelstabile Platten [8, 9] ohne Kompressionswirkung empfohlen. Die hier vorgestellte, bisher nicht beschriebene Technik verwendet zwei zur Kompression geeignete und an zwei gegenüberliegenden Seiten des Talonavikulargelenks eingebrachte Implantate.

Operationsprinzip und -ziel Versteifung des Talonavikulargelenks von einem dorsalen Zugang aus mit Kompressionsosteosynthese durch eine perkutan eingebrachte medioplantare Zugschraube und eine dorsolateral angelegte Charlotte® Claw® 3,5 mm Compression Plate (Fa. Wright Medical Technology, Memphis, USA).

F Kontrollierte Kompression intraoperativ auch nach Durchführung der Osteosynthese F Implantatlage biomechanisch günstig auf zwei gegenüberliegenden Seiten des Gelenks, damit kein einseitiges „Aufklappen“ der Arthrodese möglich F Stabile, teils winkelstabile Osteosynthese. Gegenüber den früher üblichen Staple-Osteosynthesen [3] erscheint die vorgestellte Technik sowohl hinsichtlich der Stabilität als auch der Möglichkeit der Kompression überlegen; die vielfach empfohlene [1, 5] reine Schraubenarthrodese ist aus anatomischen Gründen medial gut möglich, auf der lateralen Seite des Talonavikulargelenks jedoch nicht unproblematisch, da das Os naviculare hier nur mit wenig Substanz gefasst werden kann [7].

Nachteile F Frakturen des medialen oder lateralen Navikularpols bei schlechter Knochenqualität möglich F Präzise Technik insbesondere bei der Platzierung der medioplantaren Großfragmentschraube F Spezielles Implantat (Clawplate) muss vorgehalten werden

Vorteile

Indikationen

F Gute Übersicht über das Talonavikulargelenk ohne Gefährdung neurovaskulärer Strukturen F Platzierung der Clawplate unter direkter Sicht

Isolierte Talonavikulararthrodese F Idiopathische Arthrose des Talonavikulargelenks

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Operative Techniken F Arthritis des Talonavikulargelenk mit leicht- bis mäßiggradiger Planovalgus-Deformität F Posttraumatische Arthrose des Talonavikulargelenks F Arthrose des Talonavikulargelenks im Rahmen von tarsalen Koalitionen F Erwachsenen-Plattfuß mit Tibialisposterior-Dysfunktion bei mittelgradiger Deformität (häufig Zusatzeingriffe oder auch Einbeziehung weiterer Gelenke in die Versteifung erforderlich)

Talonavikulararthrodese im Rahmen ausgedehnter Rückfußversteifungen F Korrektur schwerer ErwachsenenPlattfuß-Deformitäten (mediale Doppel-Arthrodese des Talonavikularund Talokalkanealgelenks oder Triple-Arthrodese) F Korrektur schwerer neurogener Klumpfuß-Deformitäten (ChopardArthrodese) F Posttraumatische Arthrosen mit Beteiligung des Talonavikulargelenks

Kontraindikationen Isolierte Talonavikulararthrodese F Erhaltung des Talonavikulargelenks durch nichtversteifende Eingriffe möglich F Korrekturbedarf übersteigt das Potential der isolierten Talonavikulararthrodese F Fortgeschrittene Fälle von Tibialisposterior-Dysfunktion, hier ausgedehntere Versteifungen vorzuziehen

Vorgestellte Osteosynthesetechnik F Bei ausgedehnten Korrekturen, z. B. im Rahmen der Lambrinudi-Modifikation der Triple-Arthrodese [10], ist die dargestellte Osteosynthesetechnik in der Regel nicht sinnvoll F Höhergradige Osteopenie des Fußskeletts etwa bei nichtgehfähigen Patienten

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Patientenaufklärung F Allgemeine Operationsrisiken F Aufklärung über den zu erwartenden Beweglichkeitsverlust F Risiko der knöchernen Nichtheilung mit Notwendigkeit von Folgeeingriffen F Mehrbelastung der Nachbargelenke und langfristig Begünstigung der Entstehung einer Arthrose in den Nachbargelenken (Anschlussarthrose) F Infektionsrisiko F Gefahr von Hautnervenverletzung F Lange postoperative Immobilisierung und Entlastung

Operationsvorbereitung F Sorgfältige klinische Untersuchung mit Bestätigung der talonavikular ausgelösten Beschwerden und Ausschluss anderweitiger wesentlicher Schmerzursachen F Röntgenaufnahmen des Fußes im seitlichen und dorsoplantaren Strahlengang unter Belastung des Fußes F Ggf. Dünnschicht-CT oder MRT zur Beurteilung destruktiver Veränderungen und der Nachbargelenke F MRT bei Verdacht auf osteonekrotische Veränderungen

Instrumentarium F Rückfuß-Grundinstrumentarium F Mittelgroße Langenbeck- und Hohmann-Haken F Knochendistraktor, z. B. HintermannDistraktor mit 2,5-mm-KirschnerDrähten F Verschiedene Meißel und Raspatorien F 2,0-mm-Bohrer F Ggf. Kugelfräse F Oszillierende Säge F Löffelset zur Entnahme von Tibiakopf- oder Beckenkamm-Spongiosa F 6,5-mm- oder 7,0-mm-Spongiosaschraube, ggf. Lochschraube mit 16mm- oder 32-mm-Gewinde, ggf. Unterlegscheibe bei schlechter Knochenqualität F 3,5-mm-Clawplate (2-Loch- und 4-Loch-Platte) der Fa. Wright Medical Technologies (Ratingen, Deutschland) mit Spanngerät

F Bildwandler zur intraoperativen Kontrolle

Anästhesie und Lagerung F Allgemein- oder Spinalanästhesie F Ischiadikuskatheter zur postoperativen Schmerztherapie F Leitungsanästhesie des N. saphenus F Rückenlagerung mit Oberschenkelblutleere und Abdeckung bis oberhalb des Kniegelenks, so dass dieses intraoperativ gebeugt werden kann F Single-shot-Antibiose

Zusammenfassung · Abstract Oper Orthop Traumatol 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]  DOI 10.1007/s00064-014-0301-8 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 J. Hamel · M. Nell

Kombinierte Schrauben-Clawplate-Osteosynthese zur Stabilisierung der talonavikularen Arthrodese Zusammenfassung Operationsziel.  Es wird eine bisher nicht beschriebene Form der Osteosynthese bei talonavikularer Arthrodese vorgestellt. Indikationen.  Idiopathische und posttraumatische talonavikulare Arthrose, talonavikulare Destruktion bei rheumatischer Grunderkrankung, Erwachsenen-Plattfuß, CavovarusDeformität, talonavikulare Degeneration bei tarsaler Koalition. Kontraindikationen.  Ausgeprägte Rückfußdeformitäten oder -instabilitäten, höhergradige Osteopenie des Fußskeletts. Operationstechnik.  Die Stabilisierung einer Talonavikulararthrodese wird von einem dorsalen Hauptzugang aus über eine von medioplantar applizierte 6,5-mm-Spongiosaschraube in Kombination mit einer dorsolateral angebrachten Charlotte® Claw® 3,5 mm Compression Plate (Fa. Wright Medical Technology, Memphis, USA) bewerkstelligt. Weiterbehandlung.  Entlastung im Gipsverband oder Walker für 6 Wochen, danach bei

radiologisch günstigem Befund sukzessive Aufbelastung. Ergebnisse.  Bei 44 mit dieser Technik behandelten Patienten, davon 31 isolierte talonavikulare Arthrodesen, konnte in 42 Fällen eine vollständige Durchbauung nach einer mittleren Beobachtungszeit von 13,3 Monaten beobachtet werden. Alle 19 Fälle isolierter talonavikularer Arthrodesen ohne Vorliegen einer Tibialis-posterior-Dysfunktion heilten aus. Bei den 12 Patienten mit isolierter Talonavikulararthrodese bei Tibialis-posterior-Dysfunktion traten 2 Pseudarthrosen auf. Schlüsselwörter Fußdeformitäten ·   Kompressionsosteosynthese ·   Rückfußarthrodese · Tibialis-posterior-  Dysfunktion · Talonavikulare Arthrodese

Osteosynthesis of talonavicular fusion with a claw plate and compression screw Abstract Objective.  A new method of osteosynthetic stabilization of talonavicular fusion is presented. Indications.  Idiopathic and posttraumatic talonavicular arthritis, talonavicular destruction in rheumatoid arthritis, adult acquired flatfoot deformity, cavovarus deformity, talonavicular degenerative disease in tarsal coalition. Contraindication.  Major hindfoot deformity or instability, severe osteopenic conditions of tarsal bones. Surgical technique.  Talonavicular fusion is stabilized with a medioplantar 6.5-mm lag screw in combination with a dorsolateral 3.5mm claw plate (Charlotte® Claw® compression plate; Fa. Wright Medical Technology, Memphis, USA) by a dorsal surgical access. Postoperative management.  Nonweightbearing in a cast or walker for 6 weeks; after

radiologic control increasing weight-bearing is allowed. Results.  The technique was used in 44 patients, among them 31 cases of isolated talonavicular fusion. Complete bony healing was observed in 42 cases after medium followup time of 13.3 months. All 19 cases of isolated talonavicular fusion without posterior tibial tendon dysfunction healed uneventfully; two cases of non-union were observed in 12 patients with posterior tibial tendon dysfunction. Keywords Foot deformities · Compression   osteosynthesis · Hindfoot fusion ·   Posterior tibial tendon dysfunction ·   Talonavicular fusion

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Operationstechnik (. Abb. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8)

Abb. 2 9 Darstellung des Talonavikulargelenks. Längsinzision in die Gelenkkapsel und Umfahren des Taluskopfs mit kleinen Hohmann-Haken. Breites Darstellen des gesamten Talonavikulargelenks durch Abtragen sämtlicher Osteophyten. Anbringen des Hintermann-Distraktors mit 2,5-mm-Kirschner-Drähten dorsolateral und breites Aufspreizen des Gelenks

Abb. 1 8 Zugang über einen etwa 6 cm langen Hautschnitt im Verlauf und leicht lateral des distalen Abschnitts der Tibialis-anterior-Sehne. Direktes Eingehen auf die Gelenkkapsel des Talonavikulargelenks durch die unteren Anteile des Retinaculum extensorum und das lockere Fettgewebe

Abb. 3 9 Vorbereitung der Arthrodese. Sorgfältige Entfernung sämtlicher Knorpelreste mit scharfen Raspatorien, Küretten und Kugelfräse

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Abb. 4 8 In-situ-Arthrodese: Multiple Anbohrung der subchondralen Kortikalis an beiden Gelenkflächen mit 2,0-mm-Bohrer, etwa im Abstand von 3–4 mm der Einzelbohrungen. Weitere Anfrischung der Gelenkflächen je nach Ausprägung der Subchondralschicht mit Kugelfräse, scharfen Meißeln und oszillierender Säge insbesondere in der Kavität der Navikulargelenkfläche. Ein Längenverlust der medialen Fußsäule sollte dabei möglichst vermieden werden. Fakultativ Einlagerung von spongiösem Material aus dem vorderen Beckenkamm oder dem anterolateralen Tibiakopf (letzterer Entnahmeort nicht empfehlenswert bei Z. n. Knie-TEP oder absehbarer Indikation zur Knie-TEP-Versorgung) und Entfernung des Hintermann-Distraktors. Alternatives Vorgehen bei korrigierender Arthrodese: Bei Korrekturbedarf z. B. im Rahmen von Planovalgus-Deformitäten ist ein gewisser Längenverlust der medialen Fußsäule dagegen erwünscht. Das Vorgehen wird in folgender Weise modifiziert: Möglichst sparsame, die Navikulargelenkfläche aber voll erfassende Resektion mit der oszillierenden Säge; nachfolgend wird der Fuß in die Korrekturstellung verbracht, soweit bereits möglich. Zur Navikularosteotomie parallele Osteotomie des Taluskopfs, je nach erforderlicher Verkürzung der medialen Säule mehr oder weniger sparsam, so dass die planen Osteotomieflächen aufeinandergesetzt werden können

Abb. 5 8 Temporäre Fixation in der gewünschten Stellung. Zwei Kirschner-Drähte der Stärke 1,6–2,0 mm werden von distal perkutan vorgelegt, so dass ihre Spitzen in der angefrischten Navikulargelenkfläche erscheinen. Diese Drähte sollten nach Möglichkeit die vorgelagerten Gelenke (Naviculo-Cuneiforme-Gelenkreihe, Tarsometatarsalgelenke) nicht mit fixieren, da sonst die Stellung nach temporärer Fixierung nicht realistisch zu beurteilen ist. Der Operateur stellt die gewünschte Korrekturstellung ein, wobei besonders auf eine ausreichende Mittel-VorfußPronation und bei Planovalgus-Deformitäten auf eine korrekte Einstellung in der Transversalebene zu achten ist. Hierbei hilft eine forcierte Dorsalextension der großen Zehe, die eine Plantarisierung des medialen Fußstrahls über die dann stark gespannte Plantarfaszie (WindlassMechanismus) bewirkt. Dies ist insbesondere bei Planovalgus-Ausgangszuständen von großer Bedeutung, da ansonsten eine Überlastung des lateralen Fußrands resultieren kann. Bei der Positionierung der Arthrodese ist besonders auf die Stellung und Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks zu achten. In der gewünschten Stellung wird das zur Arthrodese vorbereitete Gelenk mit den zwei vorbereiteten KirschnerDrähten temporär fixiert. Der Operateur kontrolliert danach die Stellung in den drei Ebenen des Raums klinisch und radiologisch. Dabei ist besonders auf eine ausreichende Mittel-Vorfuß-Pronation zu achten und in Fällen von vorbestehender Mittel-Vorfuß-Abduktion auf eine günstige Ausrichtung des Fußes in Relation zur Kniegelenkbeugeachse. Dies ist in Kniebeugung und Kniestreckung (mit Schlussrotation) zu überprüfen

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Abb. 6 8 Definitive Osteosynthese. Über eine Stichinzision in Höhe des Os cuneiforme mediale wird eine Schraubenosteosynthese mit einem 3,2-mm-Bohrer vorbereitet, wobei die Bohrung direkt am Naviculo-Cuneiforme-Gelenk den medioplantaren Navikularpol fasst und die Bohrrichtung möglichst senkrecht auf die Arthrodesefläche aufwärtsgerichtet in die medialen Anteile des Taluskopfs gewählt wird. Dies kann mit einem Kirschner-Draht und nach Bildwandlerkontrolle mit einem Lochbohrer, mit einiger Übung und bei guter Übersicht über die zu fixierenden knöchernen Strukturen aber auch ohne Bildwandlerkontrolle durchgeführt werden. Nach dem Gewindeschneiden wird eine etwa 50 mm lange Spongiosaschraube mit 16-mm- oder 32-mm-Gewinde und fakultativ einer Unterlagscheibe eingebracht, aber noch nicht unter Kompression gesetzt. Hierbei ist besondere Aufmerksamkeit auf die exakte Lokalisation des Schraubeneintritts in das Os naviculare zu legen, um später eine gute Kompression der Arthrodese zu ermöglichen. Der Schraubenkopf soll ganz nah am Naviculo-Cuneiforme-Gelenk zu liegen kommen, um ausreichende Stabilität im medialen Navikularpol zu gewährleisten. Bei mangelhafter Knochenqualität kann eine Unterlegscheibe ein Einsinken des Schraubenkopfs verhindern. Damit sich diese nicht an der Medialfläche des Os cuneiforme abstützt und dadurch keine ausreichende Kompression der Talonavikulararthrodese resultiert (vgl. . Abb. 10), kann eine knöcherne Nut in das Cuneiforme mediale gefräst werden. Dorsolateral wird eine 2-Loch-Clawplate (oder 4-Loch-Platte, Länge 20 mm) angelegt und in winkelstabiler Technik mit aufgesetzter Bohrhülse zunächst im zentralen oder lateralen Navikularbereich verankert. Die knöcherne Substanz und Dicke des Os naviculare in diesem Bereich erschwert diesen Schritt gelegentlich, so dass sich die Kontrolle der Schraubenlage mit dem Bildwandler im Zweifel empfiehlt. Danach wird die Platte auch talarseitig fixiert. Bei der Bohrung können die bereits gesetzte Spongiosaschraube oder auch die temporär eingebrachten Kirschner-Drähte stören, so dass ggf. die Plattenposition leicht verändert oder ein KirschnerDraht neu gesetzt werden muss. Wenn beide Implantate angelegt sind, werden die Kirschner-Drähte entfernt. Überprüfung der Implantatlage durch Bildwandlerkontrolle in 2 Ebenen

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Abb. 7 8 Herstellen der Kompression. Durch wechselseitiges Tieferdrehen der Spongiosaschraube und Komprimieren der Clawplate mit der hierfür vorgesehenen Spreizzange kann die Arthrodese unter Sicht unter Kompression gesetzt werden. Durch die Art der Osteosynthese wird ein unerwünschtes einseitiges Aufspreizen der Arthrodese oder eine Stellungsveränderung vermieden. Sollte medial eine Kompressionswirkung nicht erkennbar sein, ist die Position der Schraube und ggf. der verwendeten Unterlegscheibe zu überprüfen

F Einsinken des Schraubenkopfs der Großfragmentschraube (Verwendung einer Beilagscheibe erforderlich) F Abstützung einer Unterlegscheibe am Os cuneiforme mediale, hierdurch fehlende Kompression talonavikular (Anlegen einer knöchernen Nut im Os cuneiforme mediale) F Fraktur des medialen Navikularpols durch randständige Lage der Großfragmentschraube (Verfahrenswechsel der Osteosynthese, z. B. Verwendung einer zweiten Clawplate auch medial) F Fehlplatzierung der 3,5-mm-Schrauben im lateralen Navikularpol (Umpositionierung) F Fehlpositionierung der Arthrodese (Stellungskorrektur erforderlich) Abb. 8 8 Wundverschluss. Soweit möglich werden die talonavikulare Gelenkkapsel und das lockere Fettgewebe durch Naht readaptiert. Hierbei dürfen die benachbarten neurovaskulären Strukturen (A. dorsalis pedis, N.-peroneus-profundus-Äste, N. saphenus, V. saphena magna) nicht mitgefasst werden. Wichtig ist ein sorgfältiger Verschluss des Retinaculum extensorum, um ein bogensehnenartiges Vorspringen der Tibialis-anterior-Sehne zu vermeiden. Hautverschluss in fortlaufender Technik oder durch Einzelknopfnähte

Besonderheiten

Postoperative Behandlung

Die medioplantar eingesetzte Spongiosaschraube kann mit einer Unterlegscheibe armiert werden, um ein Einsinken des Schraubenkopfs in das Os naviculare bei weichem Knochen zu vermeiden. Dies muss allerdings so erfolgen, dass trotzdem eine – sichtbare – Kompression am Talonavikulargelenk resultiert. In allen Fällen wurde eine 2-LochClawplate verwendet; nachdem diese auch in der 4-Loch-Ausführung zur Verfügung steht, wird diese in letzter Zeit alternativ vermehr eingesetzt. Das Hinzufügen einer Spongiosaplastik ist fakultativ, im Zweifel aber zur Verbesserung der Knochenheilung empfehlenswert. Bei Defekten können auch kortikospongiöse Blöcke eingefügt werden. In diesen Fällen kann alternativ statt der Schraube auch mit 2 Clawplates gearbeitet werden, die zur Erhöhung der Stabilität möglichst in einem Winkel zueinander platziert werden.

F Postoperativ wird 6 Wochen im Cast oder Walker vollständig entlastet, bei gesicherter Compliance ist eine primäre Belastung mit 10 kg gestattet („Sohlenkontakt“) F Bei unveränderter Arthrodesestellung ohne einsehbaren Spalt zunehmende Aufbelastung ab 7. postoperativer Woche, beginnend mit 20 kg und Steigerung um 10 kg/Woche F Nach Ablegen von Cast oder Walker Verordnung einer Einlagenversorgung mit suffizienter Stützung der medialen Längswölbung bis zur vollständigen knöchernen Konsolidierung

Fehler, Gefahren, Komplikationen Intraoperativ F Unzureichende knöcherne Anfrischung (erneute mehrfache Perforation der subchondralen Sklerosa bzw. Resektion derselben erforderlich)

Postoperativ F Wundheilungsstörung mit Hautnekrose (engmaschige Verbandwechsel, ggf. Vorstellung beim Plastischen Chirurgen) F Nichteintreten der knöchernen Heilung, z. B. durch unzureichende Adaptation, Kompression oder durch vorzeitige Belastung (Rearthrodese mit Spongiosaplastik erforderlich)

Ergebnisse Von Februar 2010 bis Februar 2013 wurden 31 konsekutive Patienten mit isolierter Talonavikulararthrodese vom erstgenannten Autor in der dargestellten Technik behandelt. Eine Spongiosaplastik wurde 12-mal durchgeführt. Dies erfolgte insbesondere zum Längenerhalt des medialen Strahls und bei schlechter Knochenqualität. In 15 Fällen wurde zusätzlich zur Spongiosaschraube eine Unterlegscheibe verwendet. Es handelte sich um 25 Frauen und 6 Männer im mittleren Alter von 57,6 Jahren (Spanne 15–85 Jahre). Bei weiteren 14 Patienten wurde das Talonavikulargelenk im Zusammenhang ausgedehnterer versteifender Eingriffe im Fußwurzelbereich in gleicher Osteosynthesetechnik versorgt, davon 9 mit Spongiosaplastik. Ein Patient verstarb einige Monate postoperativ ohne Zusammenhang mit der operativen Fußkorrektur, damit konnten 44 Patienten einbezogen werden. Da Operative Orthopädie und Traumatologie 2014 

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Abb. 9 9 Zustand nach Ausheilung einer isolierten talonavikularen Arthrodese mit der Kombination aus Schrauben- und ClawplateOsteosynthese

Abb. 10 8 Z. n. talonavikularer Arthrodese bei Tibialis-posterior-Dysfunktion mit zusätzlicher Verschiebeosteotomie des Kalkaneus und Vorfußkorrekturen. Die talonavikulare Schraube mit Unterlegscheibe hat unzureichende Kompressionswirkung. Es kam in der Folge nicht zur knöchernen Ausheilung und eine Rearthrodese mit Spongiosaplastik wurde erforderlich

es Rahmen dieser Arbeit nicht um die Talonavikulararthrodese an sich geht, sondern um die Darstellung einer neuen Osteosynthesetechnik, wurden in der retrospektiven klinischen und radiologischen Analyse anhand der regulären Kontrollen nur der knöcherne Durchbau, Verzögerung der knöchernen Heilung oder mit der Osteosynthese selbst in Zusammenhang stehende Probleme berücksichtigt. CT-Kontrollen der knöchernen Durchbauung wurden nicht durchgeführt. Eine Arthrodese wurde als gesichert durchbaut gewertet, wenn mindestens 6 Monate postoperativ in zwei Röntgenprojektionsebenen keinerlei Spaltbildung oder Stellungsveränderung im Bereich der Arthrodese, keine Osteolysesäume an den Implantaten oder ein Implantatbruch zu erkennen war und der Patient bei Vollbelastung keine Beschwerden im Bereich der Arthrodese angab. Die Beobachtungszeit

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betrug 6–39 Monate, im Mittel 13,3 Monate. Nach diesen Kriterien war das Talonavikulargelenk in 42 von 44 Fällen knöchern durchbaut (Fallbeispiel . Abb. 9). Die Pseudarthrosenrate der talonavikularen Arthrodese wird in der Literatur mit 0–37% angegeben [1], wobei verwertbare Angaben hierzu für moderne Implantate bisher nicht vorliegen. Bei den Patienten mit isolierter talonavikularer Versteifung handelte es sich um idiopathische talonavikulare Arthrosen (13 Fälle), um eine Planovalgus-Deformität Stadium II mit Tibialis-posterior-Dysfunktion (12 Fälle), eine Rearthrodese wegen Pseudarthrose nach auswärtiger (2 Fälle) oder eigener (1 Fall) Voroperation, um eine tarsale Koalition (2 Fälle) oder eine Arthritis bei rheumatischer Grunderkrankung (1 Fall). Alle 31 Patienten konnten in diese retrospektiv erhobene Analyse einbezogen werden und erteil-

ten ihr Einverständnis. In 2 Fällen kam es nicht zur knöchernen Ausheilung: Einmal handelte es sich retrospektiv betrachtet um einen technischen Fehler, indem die medioplantar eingebrachte Schraube sich mit ihrer Unterlegscheibe am Os cuneiforme mediale abstützte und eine ausreichende mediale Kompression der Arthrodese hierdurch offenbar nicht gegeben war (. Abb. 10). Der zweite Patient nahm direkt nach der 6-Wochen-Kontrolle gegen ärztlichen Rat Vollbelastung auf und es kam wenig später zu einem Implantatversagen. Beide genannten Patienten wiesen eine Tibialis-posterior-Dysfunktion mit bereits erheblicher Fehlstellung auf und es wurde neben der Talonavikulararthrodese (ohne Spongiosaplastik) zusätzlich eine Verschiebeosteotomie des Kalkaneus durchgeführt. Retrospektiv betrachtet wäre in diesen Fällen eine mediale Doppel-Arthrodese des Talonavikular- und Talokalkanealgelenks einer isolierten talonavikularen Versteifung vorzuziehen. Auch in der Literatur zur Tibialis-posterior-Dysfunktion findet sich eine insgesamt kritische Bewertung zum Stellenwert der isolierten talonavikularen Arthrodese bei diesem Krankheitsbild. Eine Vollbelastung nach bereits 6 Wochen ist für zumindest diese Patienten nicht zu empfehlen. Bei allen 19 Fällen isolierter talonavikularer Arthrodese ohne Vorliegen einer Tibialis-posterior-Dysfunktion wurde eine sichere Durchbauung beobachtet. Bei den 14 Patienten mit ausgedehnterer Rückfußversteifung handelte es sich um Chopart-Arthrodesen (6 Fälle), mediale Doppel-Arthrodesen (6 Fälle) und je eine Triple-Arthrodese bzw. Talonavi-

kular-/Naviculo-Cuneiforme-­Arthrodese. In allen Fällen konnte eine Ausheilung der Talonavikulararthrodese beobachtet werden.

Korrespondenzadresse Prof. Dr. J. Hamel Zentrum für Orthopädische Fußchirurgie Schützenstr. 5, 80335 München [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  J. Hamel ist seit Juni 2013 als Consultant der Fa. Wright Medical Technologies registriert. Zuwendungen im Rahmen dieser Publikation erfolgten jedoch nicht. M. Nell gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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A new method of osteosynthetic stabilization of talonavicular fusion is presented...
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