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Ausbruch mit Ralstonia pickettii durch kontaminierte Magnesium-Ampullen Outbreak with Ralstonia pickettii caused by contaminated magnesium vials Autoren

B. Ross1 J. Steinmann2 J. Buer2 F. Dusse3 H. Jakob3 H. Schneemann4 S. Hugo-Hanke5 S. Bräutigam5 A. Sanewski5 R. Kundt5 N. Parohl1 K. Weidler6 O. Witzke7 W. Popp1

Institut

1 Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Essen 2 Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universitätsklinikum Essen 3 Klinik für Thorax- und Kardiovaskuläre Chirurgie, Universitätsklinikum Essen 4 Apotheke, Universitätsklinikum Essen 5 Gesundheitsamt der Stadt Essen 6 Stabsstelle Recht, Universitätsklinikum Essen 7 Klinik für Nephrologie, Sektion Infektiologie, Universitätsklinikum Essen

Vorgeschichte: Anfang des Jahres 2013 wurden innerhalb kurzer Zeit 5 Patienten einer Intensivstation mit dem Nachweis von Ralstonia pickettii in der Blutkultur auffällig. Da alle Patienten eine intravenöse Therapie erhielten, wurde zunächst ein unsachgemäßer Umgang mit Infusionen angenommen. Einige Tage später wurde ein 6.  Patient mit einer positiven Blutkultur für Ralstonia pickettii in einer anderen Abteilung des Krankenhauses entdeckt. Untersuchungen: Hygienische Untersuchungen und Beobachtungen der Abläufe ergaben keine Hinweise auf Fehler in der Vorbereitung und Verabreichung der intravenösen Therapie. Alle Patienten hatten verschiedene i. v. Medikamente erhalten, bei allen war 5 % Glucose und Magnesium infundiert worden. Daher wurden im Folgenden

einzelne Medikamente beprobt sowie umfangreiche Umgebungsuntersuchungen durchgeführt. Ergebnisse und weiteres Vorgehen: Die Proben wurden mittels Membranfiltermethode untersucht. In Magnesium-Ampullen wurde dabei Ralstonia pickettii gefunden. Wir schlossen daraus, dass die Kontamination von Magnesium-Ampullen ursächlich für die Bakteriämie der Patienten sein könnte. Apotheker und Behörden wurden informiert. Alle Ampullen wurden gesammelt und durch Präparate eines anderen Herstellers ersetzt. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde das Präparat bundesweit durch den Hersteller zurückgerufen. Nach diesen Maßnahmen waren keine weiteren Ralstonia pickettii in Blutkulturen bei den Patienten unserer Klinik nachweisbar. Folgerung: Bei Nachweis ungewöhnlicher Keime ist immer auch an selten Ursachen wie verunreinigte Medikamente zu denken.

Infektiologie, Krankenhaushygiene Kasuistik | Case Report

Schlüsselwörter Arzneimittelsicherheit Hygiene Kontamination Ralstonia pickettii

q q q q

Keywords drug safety hygiene contamination Ralstonia pickettii

q q q q

Einleitung ▼ In Deutschland und Europa produzierte Arzneimittel gelten im Allgemeinen als sehr sicher, so dass bei Ausbrüchen von Infektionen nicht primär an sie als potenzielle Ursache gedacht wird; als wahrscheinlicher werden Fehler beim Umgang mit intravenös verabreichten Medikamenten angesehen [10]. Für die Produktion steriler Arzneimittel gibt es weitreichende Vorschriften – für Deutschland z. B. die AMWHV (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung, [4]) –, die sowohl die Produktion als auch deren Überwachung umfassend regeln. Gleichwohl kommt es gelegentlich zu Infektionsausbrüchen durch Medikamente, zuletzt z. B. ein Ausbruch invasiver Pilzinfektionen in den USA (1,4), verursacht durch kontaminierte Chargen einer Methylprednisolonzubereitung.

Vonberg und Gastmeier [10] publizierten 2007 eine Literaturübersicht über 128 Ausbrüche durch kontaminierte Arzneimittel. Dabei waren in einer relevanten Anzahl bereits beim Herstellungsprozess verunreinigte Arzneimittel beteiligt. Die Autoren weisen darauf hin, dass die umgehende Meldung von Verdachtsfällen unabdingbar ist, um Ausbrüche zu erkennen und Kontrollmaßnahmen einzuleiten. Wir berichten über ein gehäuftes Auftreten von Bakteriämien mit einem seltenen Erreger, die letztlich auf kontaminierte Magnesium-Ampullen zurückgeführt werden konnten.

Kasuistik ▼ Vorgeschichte Anfang des Jahres 2013 wurde die Krankenhaushygiene vom Institut für Medizinische Mikrobiologie darüber informiert, dass bei fünf Patienten

n

eingereicht 26.07.2013 akzeptiert 19.11.2013 Bibliografie DOI 10.1055/s-0033-1360059 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 0:323–326 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. med. Birgit Ross Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie, Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55 45122 Essen eMail [email protected]

Korrekturexemplar: Veröffentlichung (auch online), Vervielfältigung oder Weitergabe nicht erlaubt! n

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Zusammenfassung ▼

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Tab. 1

Patientencharakteristika.

Nr.

Fieberanstieg/ Abnahmedatum Blutkulturen

Anzahl entnommener Blutkulturpärchen/ davon positiv (n)

Zeit bis zur Positivität der Blutkulturen (h)

Befunddatum

Station

Untersuchte Materialien während Bakteriämie und ohne Nachweis von Ralstonia pickettii

1

03.02.2013

1/1

97

11.02.2013

Station A

ZVK-Spitze, Urin

2

07.02.2013

2/2

41

12.02.2013

Station A

Rachenabstrich, Gefäßkatheter

3

07.02.2013

2/1

17

12.02.2013

Station A

Trachealsekret

4

07.02.2013

2/1

25

12.02.2013

Station A

Analabstrich

5

08.02.2013

1/1

33

12.02.2013

Station A

Analabstrich

6

11.02.2013

1/1

33

14.02.2013

Station B

Urin

Tab. 2

Antibiogramm Ralstonia.

Zeitgleich durchgeführte Literaturrecherchen erbrachten, dass in Einzelfällen mit Ralstonia kontaminierte Blutkulturflaschen und auch iv-Medikamente beschrieben waren [3, 9, 10]. Damit rückten auch diese in den Fokus weiterer Ermittlungen.

Antibiotikum

MHK (μg/ml)

Interpretation

Ampicillin

 4

R

Imipenem

≤ 4

S

Meropenem

≤ 1

S

Gentamicin

8

I

Amikacin

32

I

Trimethoprim/Sulfamethoxazol

≤ 2/38

S

Tetracyclin

≤ 4

S

Ciprofloxacin

≤ 1

S

Auf den Stationen A und B wurden Blutkulturflaschen eingesammelt, um einen Pseudo-Ausbruch auszuschließen. Proben von Hautdesinfektionsmitteln und einzelnen Ampullen mit Spurenelementen – darunter auch zwei Magnesium-Ampullen – wurden ebenfalls zur mikrobiologischen Untersuchung asserviert. Auf eine Untersuchung der Glucose 5 %-Infusionsflaschen wurde zunächst verzichtet, da diese als einheitliche Charge in unserem Krankenhaus weit verbreitet eingesetzt werden und sie angesichts der Konzentration auf zwei Stationen als Ursache des Ausbruchs kaum in Frage kommen konnten. Magnesium und andere Spurenelemente werden hingegen nur an wenigen Stellen eingesetzt und rückten damit in den Focus der Untersuchungen.

Fosfomycin

≤ 32

S

Colistin

> 4

R

einer Station innerhalb weniger Tage Ralstonia pickettii in Blutkulturen nachgewiesen worden war (q Tab. 1). Dieses Bakterium ist in Blutkulturen eher selten, weshalb der Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen den Fällen sehr naheliegend war. Intensive Beobachtungen auf der betreffenden Station durch das Hygienepersonal gaben keinen Hinweis auf Hygienefehler im Umgang mit Parenteralia. Einen Tag später wurde erneut Ralstonia pickettii in einer Blutkultur gefunden, diesmal bei einem Patienten, der in einem anderen Gebäude untergebracht war. Das Resistogramm des Erregers war dabei identisch (q Tab. 2). Es bestand kein Zusammenhang zu den anderen Betroffenen. Die retrospektive Analyse zeigte bei allen Patienten einen einmaligen kurzen Fieberanstieg über wenige Stunden, der zur Entnahme von Blutkulturen führte. In den folgenden Laboruntersuchungen ließ sich bei vier der sechs Betroffenen eine Leukozytose nachweisen. Die Patienten erhielten als empirische antibiotische Therapie Piperacillin/Tazobactam. In allen Fällen handelte es sich um schwerkranke Patienten mit multiplen Begleiterkrankungen. Die Auswertung der Krankenakten lässt keine Erkrankungsfolgen erkennen, die mit der einmaligen Fieberepisode in Zusammenhang stehen könnten. Ralstonia pickettii war ausschließlich im Blut und in keinem anderen Untersuchungsmaterial nachweisbar. Vier der sechs Patienten befanden sich zum Zeitpunkt des Fieberanstieges in intensivmedizinischer Behandlung und hatten verschiedene Medikamente intravenös erhalten. Die Substanzen der iv-Gaben wurden aus den Krankenakten erfasst. In allen Fällen waren Magnesium und Glukose 5 % intravenös verabreicht worden.

Methoden zur Untersuchung der Gebinde: Die Proben wurden gemäß einer auf dem Europäischen Arzneibuch basierenden laboreigenen SOP im Hygienelabor mit einem geschlossenen System zur Sterilitätstestung pharmazeutischer Produkte basierend auf der Membranfiltermethode unter Verwendung von Flüssigmedium (Thioglykolat-Boullion) untersucht (System Steritest, Merck KGaA, Darmstadt ). Alle Arbeitsschritte wurden unter einer zuvor mit Alkohol desinfizierten Sterilbank mit zuvor mit Terralin® (Schülke&Mayr GmbH, Norderstedt) desinfizierten Materialien und sterilen Handschuhen durchgeführt. Die Bebrütung erfolgte bei 32° +/- 1 °C über 14 Tage bei täglicher Kontrolle auf Trübung. Aus positiven Flüssigkulturen wurden zum Zweck der Differenzierung feste Nährmedien beimpft. Um Zeit zu gewinnen wurden parallel zur Anlage der Flüssigkulturen auch ColumbiaBlutagar-Platten mit je 1 ml des unter sterilen Bedingungen entnommenen Inhaltes der Ampullen beimpft und bei 37 °C +/- 1 °C inkubiert. Die Keimidentifizierung erfolgte mittels Vitek MS und VITEK II (bioMérieux, Nürtingen). Methoden zur Untersuchung der Blutkulturflaschen: Die leeren asservierten Blutkulturflaschen der zwei Stationen wurden mittels BACTEC 9240 (Becton Dickenson, Heidelberg, Deutschland) sieben Tage bei 36 °C +/- 1 °C inkubiert. Die Deckel der Blutkulturflaschen wurden auf Kochblutagar (Oxoaid, Wesel, Deutschland) 48 Stunden bei 36 °C +/- 1 °C bebrütet.

Ergebnisse Die Aufarbeitung verschiedener Ampullen mit Magnesium, die von den Stationen A und B stammten, zeigten Rasenwachstum von Ralstonia pickettii. Alle anderen Untersuchungsmaterialen einschließlich der Blutkulturflaschen und -deckel waren steril

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Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen vom 15.02.2013.

Tab. 5

Zeitlicher Ablauf.

Station 1

Selen i. v. Ch Nr. 214993

Kein Wachstum

11.02.2013

Erstmalig Nachweis von Rastonia pickettii in einer Blutkultur

Station 1

Selen i. v. Ch Nr. 214993

Kein Wachstum

12.02.2013

Station 1

Selen i. v. 100 Ch Nr. 237125

Kein Wachstum

Nachweis von R. pickettii in der Blutkultur bei 4 weiteren Patienten (alle Station A)

Station 1

NaCl-Lösung (100 ml) Bronchoskopturm

Kein Wachstum

13.02.2013

Station 1

NaCl-Lösung (100 ml) Bronchoskopturm

Kein Wachstum

Überprüfung hygienischer Abläufe auf der Station, Sammlung der Daten der Patienten

Station 1

Clonidin-HCl Mehrdosisbehältnis

Kein Wachstum

14.02.2013

Station A

Ampulle Magnesium Ch Nr. 120009 Medikamentenschrank

Kein Wachstum

Nachweis von R. pickettii in der Blutkultur bei einem weiteren Patienten einer anderen Abteilung (Station B)

15.02.2013

Station A

Ampulle Magnesium Ch Nr. 120009 Medikamentenschrank

Rasenwachstum Ralstonia pickettii

Krisensitzung des Ausbruchmanagementteams, anschließend Probennahme auf den betroffenen Stationen

17.02.2013

Station A

Ampulle Magnesium Ch Nr. 120008 Medikamentenschrank

Kein Wachstum

erstmaliger Nachweis von R. pickettii in einer Ampulle Magnesium; Austausch aller Ampullen am Klinikum

18.02.2013

Meldung an BfARM

Station A

Ampulle Magnesium Ch Nr. 120008 Medikamentenschrank

Kein Wachstum

18.02.2013

Meldung an Hersteller durch die Apotheke

18.02.2013

Meldung an das Gesundheitsamt/die Amtsapotheke

Ampulle Selen i. v. 100 Ch Nr. 127820 Medikamentenschrank

Kein Wachstum

19.02.2013

Nachweis von R. pickettii in weiteren Ampullen Magnesium

20.02.2013

Ampulle Selen i. v. 100 Ch Nr. 127820 Medikamentenschrank

Kein Wachstum

Anfrage der Bezirksregierung Düsseldorf (auf Betreiben der Regierung von Oberbayern als zuständig für die Überwachung der Herstellerfirma) an die Klinik

21.02.2013

Beantwortung der Anfrage durch die Klinik

21.02.2013

Meldung an Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft

22.02.2013

Rückruf der betroffenen Charge durch den Hersteller

08.03.2013

Rückruf der gesamten Produktion durch den Hersteller

Station A Station A

Tab. 4 Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen: Proben Magnesium Ampullen Ch Nr. 120009 bis 7/17 Untersuchung vom 19.02.2013. Kontrolle 1*

3 Ampullen Magnesium Ch Nr. 120009 bis 07/17

Kein Wachstum

Kontrolle 2*

3 Ampullen Magnesium Ch Nr. 120009 bis 07/17

Rasenwachstum Ralstonia pickettii

Kontrolle 3*

3 Ampullen Magnesium Ch Nr. 120009 bis 07/17

Rasenwachstum Ralstonia pickettii

Kontrolle 4+

1 Ampulle Magnesium Ch Nr. 120009 bis 07/17

Kein Wachstum

Kontrolle 5+

1 Ampulle Magnesium Ch Nr. 120009 bis 07/17

Kein Wachstum

Kontrolle 6+

1 Ampulle Magnesium Ch Nr. 120009 bis 07/17

Kein Wachstum

Kontrolle 7+

1 Ampulle Magnesium Ch Nr. 120009 bis 07/17

Rasenwachstum Ralstonia pickettii

Kontrolle 8+

1 Ampulle Magnesium Ch Nr. 120009 bis 07/17

Rasenwachstum Ralstonia pickettii

Kontrolle 9+

1 Ampulle Magnesium Ch Nr. 120009 bis 07/17

Kein Wachstum

Kontrolle 10+

1 Ampulle Magnesium Ch Nr. 120009 bis 07/17

Rasenwachstum Ralstonia pickettii

* aus den insgesamt eingesammelten Ampullen (Herkunft aus dem Gesamtklinikum) + von Station A eingesammelte Ampullen

ausgetauscht. Unmittelbar erfolgte die Verdachtsmeldung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfARM), das Gesundheitsamt (Amtsapothekerin) und (über die Apotheke) an den betreffenden Hersteller. Der Hersteller startete einen ersten Rückruf der betreffenden Charge nach zwölf Tagen mit dem Hinweis auf Informationen durch eine Klinik. Es lägen zu diesem Zeitpunkt nur vorläufige Ergebnisse vor, „die keine Hinweise auf eine mikrobiologische Kontamination“ gäben. Trotzdem habe man sich zu einem Rückruf der betreffenden Charge „als reine Vorsichtsmaßnahme“ entschlossen. Ein weiterer Rückruf des Herstellers erfolgte nach 26 Tagen. Man habe in der betreffenden Charge eine mikrobiologische Kontamination festgestellt und „bis zur abschließenden Klärung rein vorsorglich den Vertrieb des Arzneimittels ab sofort“ eingestellt. Gleichzeitig wurden „aufgrund des analogen Herstellungsverfahrens“ zwei weitere Arzneimittel zurückgerufen. Über den Text des Rückrufes hinausgehende Informationen des Herstellers liegen uns nicht vor. Nach Austausch der MagnesiumAmpullen konnten an unserer Klinik keine Ralstonia pickettii in Blutkulturen mehr nachgewiesen werden. Eine Zusammenstellung des zeitlichen Verlaufs findet sich in

(q Tab. 3). Aufgrund dieses Befundes wurden weitere Untersuchungen von Magnesium-Ampullen verschiedener Chargen (Ch), die auf den betroffenen Stationen vorhanden waren, veranlasst. Dabei fand sich am Tag 9 in fünf von zehn Ampullen erneut Ralstonia pickettii (q Tab. 4). Die R.-pickettii-Isolate aus den Blutkulturen der Patienten waren von den Isolaten aus den Gebinden in einem molekulargenetischen Typisierungsverfahren (DiversiLab, bioMerieux, Nürtingen) genotypisch nicht zu unterscheiden.

Weiteres Vorgehen Nachdem zwei Tage nach Ansetzen der Proben in einer Ampulle Magnesium Ralstonia pickettii nachgewiesen werden konnte, wurden wegen des Verdachtes auf eine mögliche Kontamination am selben Tag alle in der Klinik vorhandenen Magnesium-Ampullen eingesammelt und gegen das Präparat eines anderen Herstellers

q Tab. 5. Per Email wurden weitere Krankenhaushygieniker in Deutschland nach ähnlichen Beobachtungen befragt. Es antworteten zehn, von denen zwei (auch aus Universitätskliniken) ebenfalls Ralstonia-pickettii-Nachweise in Blutkulturen beobachtet hatten. In einem Fall waren es drei positive Blutkulturen, im anderen Fall eine. Ein direkter Zusammenhang mit der Infusion von Magnesium-Ampullen war in beiden Fällen zum damaligen Zeitpunkt vermutet worden, aber nicht bewiesen.

Diskussion ▼ Ralstonia pickettii ist ein gramnegatives Stäbchenbakterium, das früher als Burkholderia pickettii (Pseudomonas pickettii) bezeichnet wurde. R. pickettii findet sich sowohl in Umweltproben

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 323–326 · B. Ross et al., Ausbruch mit Ralstonia …

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Tab. 3

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(Wasser-, Boden-, Pflanzen-) als auch physiologisch in der Standortflora der menschlichen Mundhöhle. Außer invasiven Infektionen sind „Pseudoausbrüche“ bekannt, beispielsweise durch kontaminierte Blutkulturflaschendeckel [3]. Verschraegen et al. [12] beschrieben 1985 eine „Pseudobakteriämie“ bei 19 Patienten einer chirurgischen Station. Obwohl R. pickettii in Blutkulturen nachgewiesen worden war, waren alle Patienten asymptomatisch. Diese Beobachtung führte zu der Annahme, dass es sich hier nicht um eine Infektion, sondern um eine Pseudobakteriämie handelte: Es konnte eine Kontamination in destilliertem Wasser, das für die mikrobiologischen Tests verwendet wurde, sowie in einer 0.5 %igen Chlorhexidinlösung, mit der die Arbeitsfläche desinfiziert worden war nachgewiesen werden. R. pickettii ist in der Lage Filter mit einer Porengröße von 0,45 und 0,2 mm zu passieren, die häufig in der Sterilisation medizinischer Produkte verwendet werden [9]. Aus diesem Grund wurde der Erreger wahrscheinlich auch in Laborsystemen mit ultrareinem Wasser [8] und im Wassersystem des Space Shuttle gefunden [7]. Außer Verunreinigungen sind bei Patienten auch invasive Infektionen möglich: Es gibt Beschreibungen von Osteomyelitiden, Meningitiden und Septikämien mit R. pickettii [2, 6, 11, 13]. Eine Übersichtsarbeit von 2006 [9] umfasst 55 Fallberichte, davon 15 Bakteriämien, 5 Fälle von Sepsis, 11 respiratorische Infektionen (davon 6 Pneumonien), je 2 Fälle von Osteomyelitis und Meningitis, außerdem Spondylitis, septische Arthritis, Samenganginfektion, Peritonitis und Endokarditis. In 14 der 55 Fälle (25 %) waren Wasser (WFI, Aqua ad injectabilia) bzw. Medikamente zur intravenösen Verabreichung ursächlich. Bei den von uns beschriebenen 6 Patienten lag „nur“ ein kurzzeitiger Fieberanstieg mit Bakteriämie ohne weitergehende Komplikationen vor. Da in unserem Krankenhaus die intravenöse Magnesiumsubstitution nur bei wenigen Indikationen erfolgt, konnten die MagnesiumAmpullen rasch als möglicher Verursacher identifiziert und mikrobiologisch überprüft werden. Die Ergebnisse der Typisierungsuntersuchung untermauern den Zusammenhang. Ein Pseudoausbruch ließ sich durch die Überprüfung der leeren Blutkulturflaschen und deckel aus der gleichen Charge, die ebenfalls von den betroffenen Stationen stammten, ausschließen. In der Zusammenschau war in unserem Fall die frühzeitige Entdeckung der Ausbruchursache der Aufmerksamkeit vieler Einzelpersonen zu verdanken. Darüber hinaus hat die enge abteilungsübergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit insbesondere zwischen Medizinischer Mikrobiologie, Krankenhaushygiene und Apotheke zur schnellen Erkennung der Ursache geführt. Dieses Beispiel belegt auch die Wichtigkeit direkter, patientennaher Versorgung durch Mikrobiologie und Krankenhaushygiene im Ausbruchsfall. Mit einer schnellen Reaktion konnte so die Gefährdung weiterer Patienten vermieden werden.

Konsequenz für Klinik und Praxis 3Bei Ausbrüchen seltener Erreger sollten früh Literaturrecherchen erfolgen, da sie wichtige Hinweise auf Ursachen (z.B. kontaminierte Blutkulturflaschen bzw. Medikamente) geben können. 3Auch in Deutschland sind grundsätzlich Kontaminationen steriler Arzneimittel nicht ausgeschlossen und müssen in die Überlegungen mit einbezogen werden.

Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in diesem Artikel eine wichtige Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).

Abstract

Outbreak with Ralstonia pickettii caused by contaminated magnesium vials ▼ History: In February 2013, 5 patients in an intensive care unit (ICU) were found to have positive blood cultures with Ralstonia pickettii within one week. Because all patients got intravenous therapy, improper work of a staff member was suspected. Some days later, a 6th patient was found with a positive blood culture of Ralstonia pickettii in another department of the hospital. Investigations: Hygienic investigations showed no evidence of failures in preparation of intravenous therapy. All patients were on different intravenous drugs, but every patient had received glucose 5 % and magnesium. We examined samples of glucose and magnesia as well as samples from environment. Results and course: Glucose and magnesium samples were examined by membrane filter method. Ralstonia pitteckii was detected in some Magnesium vials. We concluded, that contamination of Magnesium vials might have been the reason for blood stream infection of patients. Pharmacists and authorities were informed and all vials were collected and replaced by vials from another company. Later a nationwide recall of Magnesium vials was performed by the producing company. No further Ralstonia pickettii was found in blood cultures in our hospital. Conclusion: Unusual pathogens in blood cultures should lead to reflection of rarer causes such as contamination of medicines. Literatur 1 Bell BP, Khabbaz RF. Responding to the outbreak of invasive fungal infections: The value of public health to Americans. JAMA 2013; 309: 883–884 2 Bonatti H et al. Ralstonia pickettii meningitis in a child with hydrocephalus. Eur J Pediatr Surg 2009; 19: 341–342 3 Boutros N, Gonullu N, Casetta A et al. Ralstonia pickettii traced in blood culture bottles. J Clin Microbiol 2002; 40: 2666–2667 4 Bundesministerium der Justiz. Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen und über die Anwendung der Guten fachlichen Praxis bei der Herstellung von Produkten menschlicher Herkunft. 5 Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Spinal and Paraspinal Infections Associated with Contaminated Methylprednisolone Acetate Injections – Michigan. Morbid Mortal Wkly Rep 2013; 62: 19 6 Degeorges R et al. Ralstonia pickettii osteomyelitis of the trapezium. Chirurgie de la Main 2005; 24: 174–176 7 Koenig DW, Pierson DL. Microbiology of the space shuttle water system. Water Sci Technol 1997; 35: 59–64 8 Kukalov LA et al. Analysis of bacteria contaminating ultrapure water in industrial systems. Appl Environ Microbiol 2002; 68: 1548–1555 9 Ryan MP et al. Ralstonia pickettii: a persistent Gram-negative nosocomial infectious organism. Journal of Hospital infection 2006; 62: 278–284 10 Vonberg RP, Gastmeier P. Hospital-acquired infections related to contaminated substances. Journal of Hospital Infection 2007; 65: 15e23 11 Wertheim WA, Markovitz DM. Osteomyelitis and intervertebral discitis caused by Pseudomonas pickettii. J Clin Microbiol 1992; 30: 2506–2509 12 Verschraegen G et al. Pseudomonas pickettii as a cause of pseudobacteremia. J Clin Microbiol 1985; 21: 278–279 13 Zellweger C, Bodmer T, Täuber MG et al. Failure of ceftriaxone in a intravenous drug user with invasive infection due to Ralstonia pickettii. Infection 2004; 32: 246–248

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 323–326 · B. Ross et al., Ausbruch mit Ralstonia …

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[Outbreak with Ralstonia pickettii caused by contaminated magnesium vials].

In February 2013, 5 patients in an intensive care unit (ICU) were found to have positive blood cultures with Ralstonia pickettii within one week. Beca...
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