Neues aus der Forschung Schmerz 2014 · 28:184–187 DOI 10.1007/s00482-014-1400-z Online publiziert: 9. April 2014 © Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg - all rights reserved 2014

J. Tesarz1 · A. Gerhardt1 · R.-D. Treede2 · W. Eich1 1 Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg 2 Lehrstuhl für Neurophysiologie, Zentrum für Biomedizin und Medizintechnik Mannheim

(CBTM), Universitätsmedizin Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim

Schmerzwahrnehmung bei Sportlern Besonderheiten in der Schmerzverarbeitung bei Sportlern im Vergleich zu Nichtsportlern

Basierend auf eindrucksvollen Anekdoten von Athleten, die ihren Sport trotz Schmerz fortsetzen, wird häufig angenommen, dass sich die Schmerzwahrnehmung zwischen Sportlern und „Nichtsportlern“ unterscheidet. Betrachtet man die Zusammenhänge von körperlicher Aktivität und Veränderungen der Schmerzwahrnehmung genauer, so ergibt sich jedoch ein komplexeres Bild. Denn obwohl körperliche Aktivität in zahlreichen Leitlinien zur Behandlung von chronischen Schmerzen empfohlen wird, ist Schmerz bei Sportlern paradoxerweise ein häufiges Phänomen [1, 7, 8, 11, 15]. Körperliche Aktivität hemmt das Schmerzempfinden „akut“ und für einen begrenzten Zeitraum (sog. „acute exercise-induced analgesia“; [9]). Durch körperliche Aktivität werden unterschiedliche endogene schmerzmodulierende Mechanismen angeregt, beispielsweise das System der „diffuse noxious inhibitory con­trol“ [DNIC, auch als Prinzip der konditionierten Schmerzmodulation (CPM) bezeichnet], das System der sog. baroreflexvermittelten Analgesie oder auch das System der stressinduzierten Analgesie [9]. Darüber hinaus sind verschiedene psychologische Faktoren, wie Charaktereigenschaften, Coping-Fähigkeiten und Katastrophisierungsneigung von Bedeutung [3, 4]. Welche Auswirkungen eine chronischrepetitive Aktivierung dieser Systeme, wie es etwa bei Leistungssportlern der Fall ist,

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Der Schmerz 2 · 2014

langfristig auf die Schmerzverarbeitung hat, ist unklar. In einer kürzlich von uns publizierten Metaanalyse zur Schmerzwahrnehmung bei Sportlern konnten wir zeigen, dass sich die Schmerzwahrnehmung in Ruhe zwischen Sportlern und Nichtsportlern signifikant unterscheidet [14]. Die Auswertung von 15 internationalen Studien zeigte, dass Sportler im Vergleich zu Nichtsportlern insgesamt schmerztoleranter sind, d. h., schmerzhafte Stimuli wurden von den Sportlern länger ertragen als von Nichtsportlern. Interessanterweise hatten Ballsportler die größte Schmerztoleranz, gefolgt von Ausdauer- und Kraftsportlern. Mit einer mittleren Effektstärke (ES) von Hedges’ g =0,87 war die Schmerztoleranz der Sportler vergleichbar hoch wie die Wirkung von starken Opiaten bei Akutschmerz. Hinsichtlich der Schmerzschwellen zeigte sich dagegen ein sehr heterogenes Ergebnis. Ursächlich war eine starke Abhängigkeit der Schmerzschwellenwerte von den in den einzelnen Studien verwendeten Schmerzstimuli (Eiswasserbad, Druckklemmen, Temperatursonden). Bisher ist jedoch noch keine vergleichende Untersuchung unter systematischer Verwendung unterschiedlicher Stimulusarten durchgeführt worden, sodass eine klare Aussage hierzu bisher nicht möglich war. Die hier vorgestellte Studie [12] hatte daher zum Ziel, nun erstmals bei Sportlern funktionelle Veränderungen inner-

halb der endogenen schmerzmodulierenden Systeme mittels quantitativer sensorischer Testung (QST) und „cold pressor task“ systematisch zu erfassen und den DNIC-Effekt in dieser Population zu untersuchen.

Studiendesign Die untersuchte Stichprobe umfasste insgesamt 25 Ausdauersportler und 26 in Bezug auf den Body-Mass-Index und das Alter gematchte „normal“ aktive Kontrollprobanden, die pro Woche weniger als 30 min körperlich aktiv waren und nicht an Wettkämpfen teilnahmen. Die Ausdauersportler (14 Triathleten, 10 Läufer und ein Radfahrer) waren charakterisiert durch eine mittlere Trainingszeit von 9,6±3,5 h pro Woche, eine mittlere Trainingsfrequenz von 5,4±1,6 Trainingseinheiten pro Woche sowie eine regelmäßige Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen. Bei allen Teilnehmern erfolgte zunächst eine QST-Messung der Wahrnehmungsschwellen für Temperatur (Wärme, Kälte), sowie für Vibration und leichte Berührungsreize. Weiterhin wurden die thermischen Schmerzschwellen (Wärmeschmerz, Kälteschmerz), die Druckschmerzschwelle sowie die Schmerzschwelle und Schmerzhaftigkeit für spitze Nadelreize („pinprick“) untersucht. Im Anschluss erfolgte bei allen Teilnehmern eine Testung des DNIC-Effekts nach dem Prinzip der konditionierten

1

*

0 *

-1

Schmerzreduktion (∆ NRS0/100 ± SEM)

z-score

Besserung der Funktion Verlust der Funktion

a

*

-12

2

-9

-6

-3 Sportler

Sportler -2

CDT WDT TSL CPT HPT PPT MPT MPS WUR MDT VDT Sensorische Testparameter

0

Kontrollen DNIC-Effekt

b

a

hoch

CEILING EFFEKT

DNIC

post

Gesteigerte Schmerztoleranz

pre DNIC

Gesteigerte „baseline“ Aktivität

Schmerzprävalenz

post

niedrig

Deszendierende Schmerzmodulation Maximal möglicher Effekt

Abb. 1 8 a Quantitative sensorische Testprofile vom Handrücken von Sportlern im Vergleich zu Nichtsportlern. Die Werte der Athleten sind z-transformiert dargestellt unter Verwendung der Mittelwerte und Standardabweichungen der Nichtsportler. *p

[Pain perception in athletes: characteristic features in pain processing by athletes compared to non-athletes].

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