Das Tumorstroma im Pankreaskarzinom: Freund oder Feind des Onkologen? Pancreatic cancer stroma: oncologist’s ally or foe? Z Gastroenterol 2015; 53: 337–338 A. Neesse, V. Ellenrieder Özdemir BC, Pentcheva-Hoang T, Carstens JL et al. Depletion of Carcinoma-Associated Fibroblasts and Fibrosis Induces Immunosuppression and Accelerates Pancreas Cancer with Reduced survival. Cancer Cell 2014; 25: 719 – 734. Rhim AD, Oberstein PE, Thomas DH, et al. Stromal Elements Act to Restrain, Rather Than Support Pancreatic Ductal Adenocarcinoma. Cancer Cell 2014; 25: 735 – 747.

Hintergrund Das duktale Pankreaskarzinom hat trotz intensiver präklinischer und klinischer Forschungsbemühungen weiterhin eine sehr schlechte Prognose. Hauptgründe dafür sind zum einen die unspezifischen klinischen Beschwerden, eine späte Diagnosestellung und eine besonders aggressive Tumorbiologie, die eine frühzeitige Fernmetastasierung und eine hohe Chemotherapieresistenz bedingt. Mehr als 80 % der Patienten kann keine Operation in kurativer Intention mehr angeboten werden, sodass eine palliative Chemotherapie die einzige Option bleibt. Trotz intensiver klinischer Forschung sind die Erfolge im Vergleich zu anderen soliden Tumoren ernüchternd, die derzeit effektivste Therapieoption ist FOLFIRINOX (Oxaliplatin, Folinsäure, Irinotecan, 5-Fluorouracil), die das mittlere Überleben gegenüber dem Standardchemotherapeutikum Gemcitabin von 6,8 auf 11,1 Monate verlängert, allerdings mit deutlich erhöhter Toxizität (Conroy T et al. N Engl J Med 2011; 364: 1817 – 1825). Histologisch ist das Pankreaskarzinom durch eine ausgeprägte Stromareaktion gekennzeichnet (auch als Desmoplasie bezeichnet), die aus aktivierten Fibroblasten, Immun- und Entzündungszellen und großen Mengen extrazellulärer Matrix mit Kollagen, Hyaluronsäure und Fibronektin besteht. Die biochemische und biologische Komplexität wird durch eine Vielzahl an sezernierten Wachstumsfaktoren, Zytokinen, Zelladhäsionsmolekülen und Transkriptionsfaktoren erhöht und hat den Begriff des Tumormikromilieus

(tumor microenvironment) geprägt (Feig C et al. Clin Cancer Res 2012; 18: 4266 – 4276). Vor fast 50 Jahren wurde in ersten experimentellen Arbeiten gezeigt, dass Fibroblasten das Wachstum von transformierten Hamsterzelllinien der Niere unterdrücken können (Stoker MG et al. J Cell Sci 1966; 1: 297 – 310). Dennoch war die Wissenschaft die letzten Jahrzehnte der Auffassung, dass das Tumormikromilieu das Tumorwachstum und die hohe Therapieresistenz im Pankreaskarzinom fördert und daher eine vielversprechende therapeutische Zielstruktur darstellt (Hanahan D, Weinberg RA. Cell 2011; 144: 646 – 674). Obwohl in einer Vielzahl von experimentellen Arbeiten das synergistische Zusammenwirken einzelner Komponenten des Tumorstromas mit Tumorzellen im Pankreaskarzinom gezeigt werden konnte, scheiterten bisher alle Versuche, eine erfolgreiche „antistromale“ Therapieoption für Patienten zu etablieren. Zuletzt hatte der Abbruch mehrerer klinischen Studien mit Sonic-Hedgehog- (SHH-) Inhibitoren für Aufsehen gesorgt, da eine präklinische Studie an genetisch modifizierten Pankreaskarzinommäusen ein verbessertes Anfluten und Ansprechen des Standardchemotherapeutikum Gemcitabin nach stromaler Depletion durch SHH-Inhibitoren gezeigt hatte (Olive KP et al. Science 2009; 324: 1457 – 1461). Die hier vorgestellten Arbeiten sind gemeinsam 2014 in Cancer Cell erschienen und zeigen erstmalig, dass die Depletion von aktivierten Fibroblasten (genetisch und pharmakologisch) während der Pankreaskarzinogenese und in etablierten Tumoren zu einer Wachstumsförderung und Entdifferenzierung führen, welche sowohl das Versagen vieler Therapieansätze in der Vergangenheit erklärt, aber auch neue Ansatzpunkte für immunmodulatorische Therapien in der Zukunft bieten könnte.

Zusammenfassung Özedmir et al. haben in ihrer Arbeit ein genetisch modifiziertes Pankreaskarzinommausmodell (KrasG12 D/+; Tgfbr2fl/) benutzt, welches endogen nach wenigen Wochen Tumoren entwickelt, die histologisch dem humanen Pankreaskarzinom sehr ähnlich sind. Diese Mäuse wurden mit einer transgenen Mauslinie gekreuzt (α-SMA-tk), die es den Autoren erlaubte, durch Behandlung mit Ganciclovir selektiv aktivierte α-SMA positive Fibroblasten in den Maustumoren genetisch abzuschalten. Die Behandlung

mit Ganciclovir erfolgte zu unterschiedlichen Zeitpunkten der murinen Karzinogenese und resultierte in undifferenzierten, hochproliferativen und invasiven Tumoren, deren Stromareaktion signifikant reduziert war. Immunhistologisch zeigte sich zudem die Aktivierung von Stammzellmarkern und Merkmalen der epithelialen-mesenchymalen Transformation (EMT) als Ausdruck des aggressiven Tumorwachstums, welches sich auch in einer verkürzten Überlebensspanne der Mäuse zeigte. Neben diesen Beobachtungen konnten die Autoren zudem fundamentale Veränderungen der lokalen Immunantwort der Tumoren identifizieren. Die Zusammensetzung der infiltrierenden Immunzellen zeigte eine Abnahme von CD4+-Effektorzellen and zytotoxischen CD8+-Zellen, wohingegen regulatorische CD3+/Foxp3+-TZellen erhöht waren. Die histologische Analyse von einer kleinen Anzahl an unbehandelten humanen Pankreaskarzinomen zeigte überraschenderweise, dass Patienten mit hohem Stromaindex (α-SMA positive Fibroblasten) ein signifikant verbessertes Überleben zeigten. Rhim et al. benutzte ein anderes, jedoch verwandtes genetische Pankreaskarzinommausmodell (Pdx1-Cre; KrasLSL-G12 D/+; p53flox/+; Rosa26LSL-YFP/+) und kreuzte dieses mit Mäusen, bei denen die stromafördernde SHH-Signalkaskade genetisch abgeschaltet werden kann. Wie erwartet entstanden murine Pankreaskarzinome mit signifikant reduziertem Tumorstroma. Im Einklang mit der Arbeit von Özdemir et al. zeigten die stromadepletierten Tumoren sowohl eine Zunahme an frühen Vorläuferläsionen, den sog. azinär duktalen Metaplasien (ADM) und pankreatisch intraepithelialen Neoplasien (PanIN), als auch hochproliferative und metastasierende Tumoren. Zudem wurde auch die Hochregulation von EMT-Markern wie Zeb1 und Slug, eine erhöhte Vaskularisierung und eine verminderte Anzahl an CD45+-positiven Immunzellen beobachtet. Die Autoren konnten ihre Beobachtungen auch nach pharmakologischer Behandlung mit einem SHH-Inhibitor (IPI-926) reproduzieren, der zuvor in der klinischen Anwendung zu einem vorzeitigen Studienabbruch geführt hatte. Neben den murinen Daten untersuchte die Arbeitsgruppe eine Reihe an humanen Pankreaskarzinomgeweben und zeigte, dass die Aktivität des SHH-Signalwegs mit der Differenzierung von Pankreaskarzinomen positiv korreliert. Obwohl die stromale Depletion ein aggressives Tumorwachstum förderte, konnten beide Arbeitsgruppen zeigen, dass eine pa-

Neesse A, Ellenrieder V. Das Tumorstroma im … Z Gastroenterol 2015; 53: 337–338 · DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1398955

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rallel dazu durchgeführte Therapie mit vascular endothelial growth factor (VEGF-) Antikörpern (Rhim et al.) oder Antikörper gegen cytotoxic T-lymphocyte-associated Protein 4 (CTLA-4) (Özdemir et al.), ein deutlich verbessertes Therapieansprechen der murinen Pankreaskarzinome bewirkte.

Kommentar Beide Arbeiten zeigen erstmalig an etablierten und validierten genetischen Mausmodellen, dass die Depletion von Tumorstroma einen tumorfördernden Einfluss haben kann. Diese Ergebnisse stellen somit einen Paradigmenwechsel in der translationalen Pankreaskarzinomforschung dar, da bisher die therapeutische Reduktion der Desmoplasie als vielversprechender Therapieansatz gewertet wurde. Das deutlich verbesserte Überleben von Patienten mit hohem Stromaindex von Özedmir et al. wurde kürzlich auch von einer anderen Arbeitsgruppe berichtet (Wang WQ et al. PLoS ONE 2013; 8: e71 189), steht jedoch im Gegensatz zu anderen Arbeiten, die genau das Gegenteil zeigen, nämlich eine Prognoseverschlechterung mit zunehmenden Stromaanteil der Pankreastumoren (Erkan M et al. Clin Gastroenterol Hepatol 2008; 6: 1155 – 1161). Diese gegensätzlichen Beobachtungen mögen aufgrund unterschiedlicher Patientenkollektive (z. B. Vortherapien) entstanden sein, sollten jedoch nun an großen und möglichst homogenen Gruppen wiederholt untersucht werden, um die Bedeutung des Tumorstromas als prognostischen Marker neu bewerten zu können. Auch ist es aufgrund der präsentierten Daten prin-

zipiell vorstellbar, dass Patienten mit einem hohen Stromaproliferationsindex zunächst keine Chemotherapie erhalten sollten, da die protektive Stromabarriere sonst vorzeitig durch Apoptoseinduktion der Fibroblasten aufgehoben werden könnte. Somit könnten möglicherweise gestaffelte Therapiealgorithmen mit Stromamodulatoren, Chemotherapie und Immunmodulatoren in der jeweilig individuell festgelegten Reihenfolge (abhängig von histologischen Kriterien vor Therapiebeginn) zukünftig einen Versuch der personalisierten Therapie bei Pankreaskarzinompatienten darstellen. Die Arbeit von Rhim et al. liefert zudem mögliche Erklärungsansätze, warum mehrere klinische Studien mit SHH-Inhibitoren erfolglos geblieben sind. Obwohl beide Arbeiten zeigen, dass die Ablation von Tumorfibroblasten in entdifferenzierten und hochproliferativen Tumoren resultieren, kann eine parallel durchgeführte, ansonsten ineffektive Therapie mit Immunmodulatoren (anti-CTLA-4) oder VEGF-Antikörpern einen Therapieerfolg bewirken. Diese Erkenntnisse sind in Einklang mit anderen Arbeiten, die bereits gezeigt haben, dass aktivierte Fibroblasten in Pankreastumoren das lokale Immunsystem kontrollieren und supprimieren und dadurch eine effektive T-Zell-Antwort gegen Tumorzellen verhindern (Feig C et al. Proc Natl Acad Sci USA 2013; 110: 20 212 – 20 217). Die experimentellen Daten dieser 2 Arbeiten sollten daher zu großer Vorsicht hinsichtlich relativ ungezielter antistromaler Therapieansätze aufrufen; dennoch stellt das Tumorstroma weiterhin eine vielversprechende therapeutische Zielstruktur dar. In der Tat haben erste präklinische Arbeiten gezeigt,

dass die Modulation oder „Reprogrammierung“ des Tumorstromas, im Gegensatz zur reinen Depletion, zu einem verbesserten Ansprechen auf Chemotherapie führen kann (Neesse A et al. Proc Natl Acad Sci USA 2013; 110: 12 325 – 12 330. Sherman MH. Cell 2014; 159: 80 – 93). Laufende und geplante klinische Studien werden die Relevanz dieser Erkenntnisse jedoch erst noch bestätigen oder widerlegen müssen. PD Dr. Dr. Albrecht Neesse Abteilung Gastroenterologie II, AG für Translationale Gastrointestinale Onkologie, Universitätsmedizin Göttingen Robert-Koch-Str. 40 37075 Göttingen Tel.: ++ 49/5 51/39 63 26 Fax.: ++ 49/5 51/39 69 21 [email protected]

Kommentierte Referate können von jedem interessierten Kollegen verfasst werden. Sie sollten zuvor beim Koordinator angemeldet werden. Die formale Gestaltung orientiert sich an den publizierten Referaten (Kurzzitate im Text!). Einreichung nicht über die Online-Manuskripteinreichung des Thieme Verlags, sondern via E-mail an den Koordinator der Kommentierten Referate. Prof. Dr. Stefan Müller-Lissner Park-Klinik Weißensee Schönstraße 80, 13086 Berlin Tel. + 49 30 96 28 36 00, Fax 36 05, [email protected]

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