435 Thoraxchirurgie 25 (1977) 435-437 © Georg Thieme Verlag Stuttgart Fehlmündung der rechten Lungenvenen in den Koronarsinus ohne Vorhof septumdefekt Partial Anomalous Right Pulmonary Venous Return into the Coronary Sinus without Atrial Septal Defect

Abteilung für Spezielle Thoraxchirurgie der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. Dr. h.c. W. Schmitz) und Kardiologische Abteilung der Universitätskinderklinik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. D. Wolf)

Zusammenfassung Eine Fehlmündung der rechten Lungenvenen in den Koronarsinus ohne Vorhofseptumdefekt wurde bei der Operation eines 6 Jahre alten Jungen gefunden. Durch einen Teflonpatch wurden die fehlmünden­ den Lungenvenen der rechten Seite in den linken Vorhof und das Herzvenenblut in den rechten Vor­ hof umgeleitet, so daß postoperativ kein RechtsLinks-Shunt bestand.

Summary Drainage of right pulmonary vein into the coronary sinus. A case of anomalous drainage of the right pul­ monary vein into the coronary sinus in a boy of 6 years is presented. There was no associated atrial septal defect. Flow from the right pulmonary vein was directed into the left atrium by using a teflon patch, while maintaining coronary venous return to the right atrium.

Key-Words: PAPVR into coronary sinus - Patch plasty. Bei einem am 22.4.1970 geborenen Jungen wurde erstmals im Alter von 4 Jahren ein Herzgeräusch festgestellt, kardiale Insuffizienz­ zeichen wurden nicht beobachtet. Außer ge­ häuften Infekten der oberen Luftwege keine besonderen Vorerkrankungen. Im Röntgen­ bild liegt die Herzgröße gering über der Al­ tersnorm, die Herztaille ist verstrichen und die Lungengefäßzeichnung mäßig vermehrt. Im EKG findet sich Sinusrhythmus bei über­ drehtem Rechtslagetyp (QRS 140°) (Abb. 3) und eine geringfügige Störung der Erregungs­ rückbildung rechtsventrikulär, jedoch keine ventrikulären Hypertrophiezeichen (QRSDauer 0,10 sec). Die Herzkatheteruntersu­

chung im Alter von 4 1/2 Jahren (24.9.75) erbringt den Nachweis eines Links-RechtsShunts auf Vorhofebene von 55 % des KleinKreislaufminutenvolumens bei systolischen Druck­ werten im rechten Ventrikel und der Pulmonalarterie von 35 mm Hg. Operation: (11.6.76) Thorakotomie unter medianer Sternotomie, Befund: Hypertrophie und Dilatation des rechten Ventrikels. Dilatation der Pulmonalarterie. Kleiner linker Ventri­ kel und schmale Aorta ascendens. Äußerlich Lungen­ venen rechts unauffällig. Palpatorisch im rechten Vor­ hof ein tiefgelegener "Defekt". Eröffnung des rechten Vorhofes bei totalem Bypass in Normothermie. Es zeigt sich, daß es nicht möglich Abb. 1: Operationssitus: Intaktes Vorhofseptum, insbesondere kein offenes Foramen ovale. Einmündung der rechten Lungen­ venen über einen gemeinsamen Stamm (unterbrochene Linie - Pfeil) in den trich­ terförmigen Koronarsinus, in den ebenfalls die Herzvene mündet. Fig. 1: Operative findings: intact atrial septum, closed foramen ovale. Right pulmonary vein draining into the funnel shaped coronary sinus marked by discontinous arrow. The great cardiac vein also joining the coronary sinus.

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B. Hasper, A. Tanzeem, H. Ulmer

B. Hasper, A. Tanzeem, H. Ulmer

Abb. 2: Operatives Vorgehen: a) Zustand nach Teilresektion des Vorhofseptums und Resektion der Gewebebrücke zwischen Koronarsinus und linkem Vorhof. Die unter­ brochene Linie zeigt den Verlauf der Patch­ naht insbesondere in der Tiefe des Koronarsi­ nus zwischen Einmündung der rechten Lungen­ venen und der Herzvene. b) Zustand nach Beendingung der Patchplastik. Das Lungenvenenblut wird in den linken Vor­ hof, das Herzvenenblut in den rechten Vorhof drainiert. Fig. 2: Operative procedure: a) The position after partial resection of the atrial septum and the tissue between the left atrium and coronary sinus. The interrupted line shows the line of suture of the patch between the right pulmonary vein on one side and the cardiac vein on the other. b) After patch plasty: The pulmonary blood drains into the left atrium and the blood from the cardiac vein into the right atrium. ist, von diesem palpatorisch festgestellten "Defekt", der etwa 2,5 cm Durchmesser hat, zur Mitralklappe zu gelangen. In diesen trichterförmigen Defekt mün­ den die rechten Lungenvenen in einem gemeinsamen Stamm (Abb. 1). Unter dem Verdacht auf Fehlein­ mündung der rechtsseitigen Lungenvenen in den er­ weiterten Koronarsinus wird versucht, über ein offe­ nes Foramen ovale oder einen sonstigen Defekt in den linken Vorhof zu gelangen. Dies ist jedoch nicht möglich, da das Vorhofseptum intakt ist. Deswegen Teilresektion des Vorhofseptums. Man erkennt jetzt durch den künstlich geschaffenen Vorhofseptumdefekt die Einmündung der linksseitigen Lungenvenen und die Mitralklappe. Resektion der Gewebebrücke zwischen Koronarsinus und linkem Vorhof (Abb. 2a).

Präoperatives EKG

Einnähen eines Dacronpatch zunächst mit Einzelknopf­ nähten unter Nahtbeginn in der Tiefe zwischen der Einmündung der rechten Lungenvenen und der Mün­ dung der Herzvenen bis in Höhe der Hinterwand des rechten Vorhofes bzw. des Vorhofseptums. Sodann Beendigung der Patchplastik durch fortlaufende Naht mit Verschluß des geschaffenen Vorhofseptumdefektes und dadurch Umleiten der rechten Lungen­ venen in den Unken Vorhof (Abb. 2b). Naht der Atriotomie nach Kontrolle des Befundes. Entlüften, Freigabe der Aortenklemme. Abgehen von der Perfusion unter Druckmessung im linken Vorhof. Postoperative Sauerstoffsättigung: re. Vorhof und Pulmonalarterie je 72%.

Postoperatives EKG

Abb. 3: Prä- und postoperatives EKG: Sinus-Rhythmus (Einzelheiten vergleiche Text). Fig. 3: Pre- and postoperative ECG: Sinus rhythm (details in text).

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Druckmessung intraoperativ in mm Hg: vorEKK nach Korrektur linker Vorhof 10/1 16/3 linker Ventrikel 115/0 115/0 arterieller Druck 110/65 100/55

Postoperativer Verlauf: Kreislaufverhältnisse stabil, im EKG SinusRhythmus bei weiterhin überdrehtem Rechts­ lagetyp (QRS 130°). Digitalisbedingte PQVerlängerung auf 0,18 sec, unverändert rechtsventrikuläre Leitungsverzögerung (QRS 0,10 sec.) (Abb. 3). Der Junge wird am 3. postoperativen Tag nach komplikationslosem Verlauf zur weiteren stationären Behandlung in die Universitäts­ kinderklinik verlegt. Diskussion: Die bisher mitgeteilten Operationen betreffen unseres Wissens totale Lungenvenenfehlmündungen in den Koronarsinus bei zugleich vor­ liegendem Vorhof septumdefekt bzw. offenem Foramen ovale oder VSD. Hier handelt es sich jedoch um eine partielle Fehlmündung der rechten Lungenvenen in den Koronarsinus ohne gleichzeitige Verbindung zwischen lin­ kem und rechtem Vorhof. Eine ähnliche Form der Mißbildung haben Goor und Lillehei bei den totalen Lungenvenenfehlmündungen vom gemischt intra- und extrakardialen Typ ange­ geben. Der hier beschriebene Fall stellt inso­ fern eine andere Mißbildung dar, als neben der Fehlmündung der rechten Lungenvenen in den Koronarsinus die linken Lungen­ venen normal mündeten und kein Septumde­ fekt auf Vorhof- oder Ventrikelebene vorlag. Nach dem Kodierungssystem von Snellen wäre dieses Vitium mit GaOS zu bezeichnen (G = rechte Pulmonalvenen → Koronarsinus, a = linke Lungenvenen → linker Vorhof, O =

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keine interatriale Verbindung, S = chirurgisch verifiziert). Bei der totalen Lungenvenenfehlmündung in den Koronarsinus wurde bisher meist die Patchplastik in der Weise vorgenommen, daß durch den Patch gleichzeitig mit dem Ver­ schluß des Vorhofseptumdefektes und der Mündung des Koronarsinus das Blut der Lun­ genvenen und des Koronarsinus in den linken Vorhof umgeleitet wurde {Blake). Damit be­ stand postoperativ ein Rechts-Links-Shunt von wechselnder Größe abhängig von dem Herzminuten volumen bzw. von der Flußmenge in den Herzkranzarterien. Ein hämo dynamisch gleiches Resultat erhält man beim Vorgehen, wie es van Praagh beschrieb. Näht man jedoch nach teilweiser Resektion der Gewebebrücke zwischen Lungenvenenmündung bzw. Koronar­ sinus und dem linken Vorhof den (Kunststoff-) Patch zwischen Mündungsostium der Lungen­ venen und Einmündung der Herzvene ein (Abb. 2b), so läßt sich sowohl der vorher existierende Links-Rechts-Shunt beheben, als auch ein neuer Rechts-Iinks-Shunt durch das venöse Koronarsinusblut vermeiden. Literatur 1 Blake, H.A., R.J. Hall, W.C. Manion: Anomalous Pulmonary venous Return. Circulation 32 (1965) 406 2 Goor, D.A., C.W. Lillehei: Congenital Malforma­ tions of the Heart. Grüne und Stratton, New York-San Francisco-London (1975) S. 386 3 Klint, R., C Weldon, A. Hartmann Jr., N. Schad, A. Hernandez, D. Goldring: Mixed type total ano­ malous pulmonary venous drainage. J. Thorac. Cardiovasc. Surg. 63 (1972) 164 4 Praagh, R. van, A.H Harken, G. Delisle, M. Ando, R.E. Gross: Total anomalous pulmonary venous drainage to the coronary sinus. J. Thorac. Cardiovasc. Surg. 64 (1972) 132 5 Snellen, H.A., H.C. van Ingen, E.ChM. Hoefsmit: Patterns of anomalous pulmonary venous drainage. Circulation 38 (1968) 45

Dr. B. Hasper, Abteilung für Spezielle Thorax Chirurgie, Chirurgische Universitäts-Klinik, Im Neuenheimer Feld 110, 6900 Heidelberg

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Fehlmündung der rechten Lungenvenen in den Koronarsinus ohne Vorhofseptumdefekt

[Partial anomalous right pulmonary venous return into the coronary sinus without atrial septal defect (author's transl)].

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