Leitthema Z Rheumatol 2014 · 73:890–896 DOI 10.1007/s00393-014-1399-7 Online publiziert: 5. Dezember 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Redaktion

H.-I. Huppertz, Bremen

Der systemische Lupus erythematosus (SLE) ist eine komplexe Autoimmunerkrankung, die multiple Organsysteme betreffen kann. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch [1] F  einen Verlust der immunologischen Toleranz gegenüber nukleären Antigenen, F  abnorme B- und T-Zellantworten und F  Autoantikörperproduktion. Die Prävalenz des SLE liegt in Europa bei etwa 40 Patienten pro 100.000, kann aber entsprechend der ethnischen Herkunft z. B. bei afrokaribischen Menschen bis zu 150/100.000 betragen [2]. In den 1950er Jahren betrug die 5-Jahresüberlebensrate lediglich 50%. Derzeit wird die 10-Jahresüberlebensrate bei etwa 70–92% geschätzt [2]. Dieser Fortschritt liegt sicherlich an einem besseren Verständnis der Pathogenese, das in der Vergangenheit bessere Therapiemöglichkeiten eröffnet hat und neue Perspektiven für zukünftige Therapieansätze erwarten lässt.

Diagnose des SLE Derzeit beruht die Diagnose des SLE auf der Erfüllung von mindestens 4 von 11 klinischen und laborchemischen Kriterien, die durch das American College of Rheumatology definiert wurden. Damit erreicht man für die Diagnose des SLE eine Sensitivität und Spezifität von 0,96, wenn man die Patienten nach diesen Kriterien einteilt [3]. Allerdings führen die Komplexität der Erkrankung und die Notwendigkeit, mindestens 4 Kriterien zur Diagnosestellung zu erreichen, oft zu einer Verzögerung der

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Pathogenese und neue Therapieansätze beim systemischen Lupus erythematosus Diagnose. Eine Studie aus dem Jahr 2003 konnte zeigen, dass das Intervall zwischen ersten Symptomen und Diagnosestellung im Mittel 21,8 Monate betrug [4].

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Die Diagnose SLE wird häufig verzögert gestellt

Eines der diagnostischen Kriterien des SLE sind antinukleäre Antikörper (ANA). Bei 98% aller SLE-Patienten werden ANA gefunden. Sie kommen jedoch auch oft bei anderen Autoimmunerkrankungen und bei bis zu 25% aller Gesunden vor. Dies macht einen positiven ANA-Titer allein zu einem unzureichenden Kriterium für die Diagnose des SLE [5]. Es wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Studien durchgeführt, um neue SLE-relevante Gene zu definieren. Dies hatte die Ziele, F  Patienten zu einem früheren Zeitpunkt zu diagnostizieren und F  Risikofaktoren für spezifische Organ­ pathologien zu identifizieren, um langfristige Organschäden zu vermeiden. Die wesentlichen Studien der letzten Jahre waren v. a. DNA-Assoziationsstudien, RNA-Studien (Transkriptomanalysen) und Studien zur Proteinexpression (Proteomik).

Genetische Assoziationen und deren Funktion beim SLE Eine starke genetische Komponente wurde bereits früh auf dem Boden von Zwillings- und Geschwisterassoziationsstudien angenommen. Außerdem gibt es

sehr seltene monogene Erkrankungen, die zu einem SLE führen, wie beispielsweise das Fehlen von C1q und C4 des Komplementsystems. Zudem scheint beim SLE ein Gen-Dosis-Phänomen vorzuliegen. Patienten mit einem Klinefelter-Syndrom (XXY-Kariotyp) zeigen ein 14-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines SLE im Vergleich zur männlichen Normalpopulation. Die meisten Einzelnu­ kleotidpolymorphismen („single nucleotide polymorphisms“, SNP), die mit einem SLE assoziiert sind, kommen in nichtkodierenden Regionen von Genen der Immunantwort vor. Einige von diesen sind auch bei anderen Autoimmunerkrankungen zu finden, z. B. sind STAT4 und PTPN22 vergesellschaftet mit der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA), der rheumatoiden Arthritis (RA) und dem Diabetes mellitus. Andere sind spezifischer für den SLE. Verschiedene SNP sind auch spezifisch für eine abnormale T-Zellfunktion beim SLE (CD3-ζ und PP2Ac). Einige dieser Gene werden im Folgenden exemplarisch diskutiert (. Abb. 1). Apoptose und insbesondere die verminderte Beseitigung („clearance“) von apoptotischem Material spielen eine wesentliche Rolle beim SLE, weil hierdurch vermehrt und verlängert Autoantigene exponiert werden und entsprechend das Risiko für die Autoantikörperbildung steigt [6]. Gene, die eine Rolle in der Beseitigung spielen und deren Assoziationen hierfür belegt wurden, sind u. a. ITGAM, PRDM1 und die FcΥ-Rezeptoren ([7], . Abb. 1). Ubiquitinierung ist ein Prozess der posttranslationalen Modifikation, der

Lymphozytenentwicklung und -differenzierung Die Lymphozytenentwicklung und -differenzierung ist beim SLE ebenfalls gestört. Es finden sich dabei F  eine fehlgesteuerte Lokalisation von Lymphozyten im Gewebe, F  eine vermehrte Sekretion von proinflammatorischen Zytokinen und F  eine Aktivierung von dendritischen Zellen (DC). Eine Reihe von Genen wurde identifiziert, die hiermit assoziiert sind. Die Transkriptionsfaktoren ETS1 und IKZF1 regulieren die Lymphozytendifferenzierung und -entwicklung; die Genprodukte von ETS1 supprimieren u. a. die TH17-Differenzierung und sind bei SLE-Patienten vermindert. STAT4 ist ein TH1-abhängiger Transkriptionsfaktor, der von den TH1-Zytokinen Interleukin(IL)-12 und IL-23 aktiviert wird und das IFN-γ-Signal verstärkt [9]. Die vermehrte Expression von IFN-γ ist bedeutsam für Organpathologien wie u. a. die der Niere, die zu chronischer Inflammation führt. PTPN22 kodiert für das „lymphoid tyrosine phosphate protein“ (LYP), das für die Hemmung der TZellaktivierung durch Interaktion mit zytoplasmischen Tyrosinkinasen (CSK) und die Suppression von regulatorischen TZellen wichtig ist [10]. TNFSF4 wird exprimiert auf der Oberfläche von antigenpräsentierenden Zellen (APC), B-Zellen und Makrophagen. Der Ligand CD123 (OX40) ist exprimiert auf aktivierten CD4+- und CD8+-T-Zellen. OX40L inhibiert die Entwicklung von IL-10-produzierenden regulatorischen T-Zellen (Tregs), die bedeutsam für die periphere Toleranz sind. Mutationen in diesem Signalweg führen zu

einem Verlust von Toleranz und zu Autoimmunität ([11], . Abb. 1).

Überaktivierte B-Zellen Überaktivierte B-Zellen spielen eine wesentliche Rolle in der Pathogenese des SLE. Als Produzenten von Antikörpern sind B-Zellen ein zentrales Element in der Homöostase des immunologischen Gleichgewichts. In der Form von Plasmazellen im Knochenmark zeichnen sie sich durch eine besonders lange Lebenszeit aus. Beim SLE F  produzieren sie Autoantikörper, F  präsentieren sie Autoantigene, F  induzieren sie CD4+-T-Helferzellen (TH1/TH2), F  inhibieren sie regulatorische T-Zellen und F  sezernieren sie proinflammatorische Zytokine [12]. Die Genprodukte von BANK1, BLK und LYN beeinflussen die B-Zellrezeptorsignalwege und sind mit dem SLE assoziiert [13]. Die vermehrte Expression und Phosphorylierung von BANK führt zu einer schnelleren Ca2+-Mobilisierung und Aktivierung der B-Zelle. Durch das Genprodukt von RasGRP3 wird das Ras-ERKSignaling reguliert, das für die Lymphozytenentwicklung und -aktivität wesentlich ist, und die B-Zellproliferation und Immunglobulin(Ig)-Produktion beeinflusst [14]. Das Protein NCF2 ist eine zytosolische Untereinheit der NADPH-Oxidase, die in B-Zellen aktiv ist. Sie spielt eine Rolle in der Produktion und der Freisetzung von Radikalen, die eine B-Zellaktivierung vereinfachen.

Antigenpräsentation Antigenpräsentation spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Entstehung des SLE. Dies zeigt sich darin, dass die Assoziationen mit dem „major histocompatibility complex“ (MHC) den immer noch stärksten genetischen Effekt zeigen. Diese betrifft insbesondere HLA-DRB1 (OR =1,98; [15]). Aber auch HLA-DQA1, HLADQB und SKIV2L sind relevant.

Motiv auf 4. Umschlagseite

u. a. dafür zuständig ist, Proteine zu markieren, die im Weiteren durch das Proteasom degradiert werden. Zu diesen Ubiquitinierungsproteinen gehört u. a. TNFAIP3 (A20), das eine wesentliche Rolle in der Regulation von NFκB spielt [8]. In diesen Signalweg greifen auch TNIP1 und UBE2L3 ein. Letzteres steuert ebenfalls die Regulation von NFκB und spielt bei der Toll-Like-Rezeptor(TLR)-7 und -9-abhängigen IFN-α-Produktion eine Rolle.

Leitthema

Abb. 1 9 Schema mit den genetischen Assoziationen, die den jeweiligen Zelltypen zugeordnet und deren Funktionen im Text beschrieben sind

Interferonsignatur Einer der wesentlichen Meilensteine bezüglich der Pathophysiologie des SLE war die Identifikation der Interferon(IFN)Signatur. Diese wurde zunächst mittels Transkriptomanalyse postuliert und im Weiteren auch in Proteomikanalysen bestätigt. D Die INF-Signatur besagt, dass

ein wesentlicher Anteil der regulierten Gene beim SLE interferonabhängige Gene sind. Durch den Vergleich der Genexpression von Blutleukozyten bei Patienten mit SLE gegenüber gesunden Kontrollen zeigte sich eine Regulation von Genen, die in den Typ-I-IFN-Signalweg involviert sind [16]. Diese INF-Signatur war bei Patienten mit hoher Aktivität oder schwereren Verläufen des SLE stärker ausgeprägt. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass auch genetische Veränderungen im INF-Signalweg gefunden wur-

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den. Hierzu zählen IRF5, IRF7 und IRF8 ([17], . Abb. 1). Alle gefundenen Polymorphismen führen zu einer verstärkten Transkription dieser Transkriptionsfaktoren und verstärken die IFN-α-Expression. Zudem finden sich F  eine Hochregulation von granulozytenspezifischen Transkripten, F  eine Verminderung von mitochondrialen, DNA-kodierenden und ATPsyntheseabhängigen Genen sowie von DNA-Reparaturgenen und F  eine differentielle Expression von Genen, die in Zellmotilität und Apoptose involviert sind. Eine signalwegbasierte Metaanalyse von vier unabhängigen Genexpressionsstudien in peripheren Blutleukozyten identifizierte eine aus 37 Genen bestehende Metasignatur, die aus Genen bestand, die F  im IFN-Signalweg, F  bei Entzündung, F  Zellproliferation, F  Zelldifferenzierung und F  Proteinfaltung

eine Rolle spielen. Aufgrund dieser Metasignatur kann sicher zwischen Patienten mit SLE und gesunden Individuen unterschieden werden [18].

Epigenetische Modifikationen Die Transkription von RNA wird insbesondere durch epigenetische Mechanismen wie Histon- und DNA-Modifikationen sowie durch microRNA reguliert (. Abb. 2). Posttranslationale Histonmodifikationen wie Acetylierung und Methylierung treten als Reaktion auf biologische Faktoren und Umwelteinflüsse auf und beeinflussen den Transkriptionsapparat und den Zugang von Transkriptionsfaktoren zu Promotoren von Genen. Zudem beeinflusst die Methylierung von Cytosinen durch DNA-Methyltransferasen (DNMT) in sog. CpG-Regionen die Gentranskription [19]. So können bestimmte DNA-methylierende Medikamente lupusartige Symptome hervorrufen, die nach Absetzten der Medikamente reversibel sind.

Zusammenfassung · Abstract Die regulatorischen Regionen von einigen Genen, die in der Pathogenese der Erkrankung eine Rolle spielen (ITGAL, CD40LG, CD70 und PPP2CA), sind beim SLE hypomethyliert. Die Bindung von Histondeacetylase 1 (HDAC1) an den IL2-Promotor vermindert die Expression von IL-2 durch Deacetylierung von Histonen [20]. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass eine Inhibition der Deacetylasen zu einer Rekonstitution der IL-2-Produktion in vitro führt und zu einer verminderten Krankheitsaktivität im Lupus-Mausmodell in vivo. Des Weiteren wird die Bindung von HDAC1 und DNMT1 an verschiedenste Promotoren durch den Transkriptionsfaktor CREMα erleichtert. Der Transkriptionsfaktor CREMα selbst wird gesteuert durch die Calciummodulin-Kinase 4 (CamKIV). Die CamKIV-Inhibition verringert im Mausmodell die Lupusaktivität und erhöht die Expression von regulatorischen T-Zellen (Tregs), die eine immunsuppressive Potenz haben und wichtig für die Toleranzentwicklung sind [21].

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DNA-methylierende Medikamente können lupusartige Symptome hervorrufen

In dem dritten epigenetischen Mechanismus reguliert microRNA Genexpression durch F  die Degradierung von Ziel-mRNA oder F  die Inhibition von deren Translation. Hierzu gehört u. a. miRNA 155, die eine Rolle bei der B-Zelldifferenzierung spielt [22].

Regulatorische T-Zellen und IL-2 Neben der Interferonsignatur zeigt sich, dass IL-2 als ein Schlüsselzytokin insbesondere für die Funktion von T-Zellen von Bedeutung ist. T-Zellen von SLEPatienten weisen eine verminderte IL2-Produktion auf, die durch verschiedene Mechanismen induziert wird, u. a. die Suppression der IL-2-Produktion durch PP2A oder durch den Transkriptionsfaktor CREM. Neben der Expansion von THelferzellen, die insbesondere bei der Ab-

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Pathogenese und neue Therapieansätze beim systemischen Lupus erythematosus Zusammenfassung Hintergrund.  Der systemische Lupus erythematosus (SLE) ist eine komplexe Autoimmunerkrankung. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch einen Verlust der immunologischen Toleranz gegenüber nukleären Antigenen, durch abnorme B- und T-Zellantworten und durch Autoantikörperproduktion. Während in den 1950er Jahren die 5-Jahresüberlebensrate lediglich 50% betrug, wird die 10-Jahresüberlebensrate derzeit auf etwa 70–92% geschätzt. Dieser Fortschritt liegt sicherlich an einem besseren Verständnis der Pathogenese, das in der Vergangenheit bessere Therapiemöglichkeiten eröffnet hat und neue Perspektiven für zukünftige Therapieansätze erwarten lässt. Ziel der Arbeit.  Das derzeitige Wissen um die Pathogenese sowie der aktuelle Stand

neuer Therapieansätze des SLE werden dargestellt. Ergebnisse und Diskussion.  Durch die Verbesserung des Verständnisses der Pathophysiologie haben sich auch die therapeutischen Optionen verbessert, die in Zukunft eine Verbesserung der Prognose der Patienten bei Reduktion der Krankheitslast erwarten lassen. Es befinden sich aktuell mehrere Medikamente im Zulassungsverfahren und vor Kurzem wurde erstmalig seit über 50 Jahren ein neues Medikament für den SLE zugelassen, ein monoklonaler Antikörper gegen BAFF/BLyS. Schlüsselwörter Interferon · Interleukin-2 · Belimumab · Antikörper · genomweite Assoziationsstudie

Pathogenesis and new therapeutic approaches for systemic lupus erythematosus Abstract Background.  Systemic lupus erythematosus is a complex autoimmune disease that can affect multiple organs and is characterized by a loss of peripheral tolerance against nuclear antigens, pathogenic B and T cell responses and production of autoantibodies. The prevalence is estimated to be 40 per 100,000 in the population in Europe but can be as high as 150 patients per 100,000 among the AfroCaribbean population. Although the 5-year survival rate in the 1950s was estimated to be only 50%, the 10-year survival rate is currently estimated to be 70–92%. This progress is particularly due to a better understanding of the pathogenesis that opened up better therapeutic possibilities in the past and now raises new perspectives for future therapy approaches. Objective.  The current knowledge on the pathogenesis and the current situation of new therapeutic approaches for SLE are presented.

wehr von viralen Infekten eine Rolle spielen, ist IL-2 auch wichtig für das Überleben und die immunsuppressive Kapazität von regulatorischen T-Zellen (Tregs). In der Literatur finden sich widersprüchliche Informationen bezüglich des Stellenwerts der Tregs für SLE. Es gibt Berichte über eine Verminderung von Tregs, kürz-

Results and discussion.  This progress in the therapeutic options was made possible by a better understanding of the pathophysiology, which leads to the expectation of an improvement in the prognosis of patients due to reduction in the burden of the disease in the future. Several new therapeutic medications are currently awaiting approval and recently for the first time in more than 50 years a new medication for SLE was approved, a monoclonal antibody to the tumor necrosis factor (TNF)-like ligand, B-cell activating factor (BAFF) belonging to the TNF family also named B-cell lymphocyte stimulator (BLyS), BAFF/BLyS. Keywords Interferon · Interleukin 2 · Belimumab · Antibody · Genome-wide association study

lich veröffentlichte Publikationen weisen aber eher auf eine erhöhte Anzahl von Helios+-Foxp3+-Tregs hin, die einem funktionell aktiven Treg-Subtyp entsprechen, der aber offenbar die Toleranz nicht wieder herzustellen vermag [23]. Zwar konnten Lupus-Mausmodelle durchaus zeigen, dass der adoptive Transfer von Tregs zu Zeitschrift für Rheumatologie 10 · 2014 

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Leitthema de hierfür waren mögliche falsche Zielpunkte der Studien und auch die zugelassenen Komedikationen während der Studien. Insbesondere der Einsatz von Kortikosteroiden kann den Studienausgang erheblich beeinflussen. Dennoch ergab eine Subgruppenanalyse von Patienten mit therapieresistenter Lupusnephritis einen Therapievorteil [26]. Bei einem weiteren Anti-CD20-Antikörper wurde die Studie wegen schwerer Nebenwirkungen (Infektionen) abgebrochen.

IFN-α-Antikörper

Abb. 2 8 Schema der epigenetischen Mechanismen, die eine Rolle bei der Genexpression spielen. DNA-Methylierung und Histonacetylierung haben einen Einfluss auf die Transkription von mRNA, die dann durch miRNA posttranskriptionell degradiert werden kann. AC Acetylierung, DNA Desoxyribonukleinsäure, DNMT DNA-Methyltransferase, HAT Histonacetyltransferase, HDAC Histondeacetylase, Me Methylierung, mRNA Boten-RNA, miRNA microRNA, RNA Ribonukleinsäure

einer Verbesserung der Krankheitsaktivität und Reduktion der Mortalität führte. Daten aus weiteren Mausmodellen stellen aber in Frage, ob selbst funktionell vollständig aktive Tregs in einem hochinflammatorischen Milieu Entzündung kontrollieren können. Der Ansatz, Tregs zu expandieren und in Menschen zu transferieren, ist jedoch technisch schwierig, daher ist die Zukunftsfähigkeit dieses Modells unklar. Hingegen wird der Einsatz von IL2 bei SLE-Patienten durchaus diskutiert und war in ersten Einzelfällen erfolgreich. Insbesondere die Balance zwischen Effektor-T-Zellen und Tregs scheint beim Lupus gestört und wird durch Gabe von IL2 wieder verbessert.

Neue Therapieansätze Antikörper gegen BAFF/BLyS Im Jahr 2013 wurde erstmalig seit über 50 Jahren ein Antikörper gegen BAFF/ BLyS (Belimumab) als Therapie für den SLE zugelassen [24]. Dies ist erfreulich, denn es ist inzwischen klar, dass die kumulative Dosis von Kortikosteroiden, die immer noch eine Hauptsäule der Therapie darstellen, mit dem Ausmaß des „disease damage“ korreliert und langfristig mit einer hohen Rate an Nebenwirkun-

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gen verbunden ist [25]. BLyS ist ein Überlebensfaktor von B-Zellen und anti-BLyS bewirkt einen Verhinderung der Ausreifung von B-Zellen und den Ig-Klassenwechsel.

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Belimumab ist der erste zugelassene Antikörper gegen SLE Derzeit befinden sich zwei weitere Antikörper gegen BAFF/BLyS in der Zulassung (Blisibimod, Tabalumab) und ein weiterer, der April als ein aktivierendes Signalmolekül von BLyS sowie BLyS selbst angreift (Atacicept; . Abb. 3). Letzterer hat aber zu einer erheblichen Reduktion der IgG-Spiegel und in der Folge zu schweren Infektionen der betroffenen SLE-Patienten geführt. Die Zwischenfälle haben zu einem Stopp der Zulassungsstudien geführt.

Anti-CD20-Antikörper Daneben wird seit einiger Zeit Rituximab als Off-label-Therapie eingesetzt. Rituximab ist ein Anti-CD20-Antikörper und führt zur Apoptose von B-Zellen. Zwei randomisierte kontrollierte Zulassungsstudien für Rituximab erreichten jedoch nicht den primären Endpunkt. Grün-

Die Bedeutung der INF-Signatur wurde bereits diskutiert und es ist bekannt, dass eine Therapie mit Interferonen SLE-artige Symptome in genetisch prädisponierten Individuen induzieren kann. Zudem konnte gezeigt werden, dass SLE-Patienten, bei denen Anti-IFN-α-Autoantikörper nachweisbar sind, eine schwächere IFN-Signatur hatten und klinisch weniger Krankheitsaktivität zeigten [27]. Zwei monoklonale Antikörper gegen IFN-α, Rontalizumab und Sifalimumab, befinden sich derzeit in klinischen Studien für die Zulassung zur Behandlung von SLE. Ergebnisse der ersten Phase-I- und Phase-II-Studie von Sifalimumab zeigten eine signifikante dosisabhängige Inhibition der IFN-Signatur im Vergleich zum Placebo ohne schwere Nebenwirkungen. Allerdings gab es auch keinen signifikanten Rückgang der Krankheitsaktivität.

Signalwege in plasmazytoiden dendritischen Zellen Weitere Angriffspunkte sind Signalwege in plasmazytoiden dendritischen Zellen, die ihrerseits Hauptproduzenten von IFN-α sind. Das lang eingeführte Medikament Chloroquin, das in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren hat, verändert den pH-Wert in endozytotischen Vesikeln, die gleichzeitig Expressionsorte von TLR 7 und TLR 9 sind. Diese Toll-like-Rezeptoren sind wichtig für die Erkennung von RNA und DNA und damit zur antiviralen Abwehr. Die Bindung von (Eigen-) DNA-enthaltenden Immunkomplexen an TLR7 und TLR 9 verstärken die Bildung von IFN-α und damit die Ausreifung von

Abb. 3 9 Schema mit alten und neuen Therapieansätzen (rot) bezogen auf die molekularen Ziele und Zielzellen

dendritischen Zellen. Diese Bindung wird durch die pH-Änderung in den Vesikeln erschwert. Daneben wurden spezifische Oligonukleotide, die TLR 7 und TLR 9 blockieren erfolgreich in Lupus-Mäusen getestet (. Abb. 3).

Einsatz beim SLE wird geprüft. Daneben wird der Einsatz von Antikörpern gegen IL-6 oder den IL-6-Rezeptor, die ebenfalls für die RA und die JIA zugelassen sind, seit einiger Zeit geprüft und zeigen offensichtlich Wirksamkeit [29].

Abatacept

Proteasominhibitoren

Als weiteren Antikörper wurde Abatacept in einer Studie getestet. Abatacept ist ein Analogon von CTLA4 auf der T-Zelloberfläche, bindet an B7 auf antigenpräsentierenden Zellen und führt dadurch zu einer Verminderung der T-Zellaktivität. Eine Zulassungsstudie erreichte nicht den gewünschten Endpunkt, jedoch zeigte sich Wirksamkeit von Abatacept in einer Untergruppe von SLE-Patienten mit schwerer Lupusnephritis [28].

Es gibt Einzelfallbericht über erfolgreiche Therapie von SLE-Patienten mit Proteasominhibitoren, die sich gegen Plasmazellen richten. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass diese Therapie die Funktion und das Überleben von plasmazytoiden dendritischen Zellen (pDC) einschränkt und somit ihre TLR-vermittelte Produktion von IFN-α in vitro und in vivo vermindert. Allerdings wurde eine randomisierte Studie wegen zu großer Nebenwirkungen gestoppt (. Abb. 3).

JAK/STAT-Inhibitoren Ein weiterer Therapieansatz sind sogenannte JAK/STAT-Inhibitoren. Ein erster JAK/STAT-Inhibitor (Tofacitinib) wurde im letzten Jahr zur Therapie der RA in den USA zugelassen. Ein möglicher

Statine und ACE-Inhibitoren Neben den hier diskutierten spezifischen Therapiemaßnahmen haben sich in den letzten Jahren auch die adjuvanten, nichtimmunsuppressiven Therapien verbessert.

Darunter zählen insbesondere der Einsatz von Statinen und ACE-Inhibitoren zur Verminderung der kardiovaskulären Komorbiditäten sowie die Verbesserung von Dialyse und Transplantationsverfahren. Alle diese Therapiemaßnahmen reduzieren Morbidität und Mortalität der Patienten [30].

Zusammenfassung In den letzten Jahren gab es eine deutliche Erweiterung des Verständnisses der Pathophysiologie des SLE, was zu einer Reihe neuer potenzieller Therapieansätze geführt hat (IFN-α, IL-2, BLyS, April, antiCD20, JAK-STAT-Inhibitoren, Abatacept, . Abb. 3). Diese Therapieansätze werden möglicherweise langfristig zu einer verbesserten Therapie des SLE führen. Die Erfolge der Biologicals-Therapie, insbesondere bei der RA und JIA, haben Anlass zur Hoffnung auch beim SLE gegeben. In einer Reihe von Zulassungsstudien zum SLE haben leider aber einige Medikamente in den letzten Jahren nicht die gewünschten Endpunkte erreicht. Bei Subgruppenanalysen zeigte sich allerZeitschrift für Rheumatologie 10 · 2014 

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Leitthema dings eine Wirksamkeit, sodass man bei der Heterogenität der Erkrankung möglicherweise die Patienten vor Einschluss in Studien besser selektieren und die primären Endpunkte besser definieren muss. Insbesondere der Einsatz von Kortikosteroiden als Begleitmedikation während der Studien scheint ein wesentlicher Einflussfaktor zu sein. Bei aller Effizienz der Steroide muss es das Ziel bleiben, diese in der Therapie zu reduzieren, weil sie eine erhebliche Langzeittoxizität haben und insbesondere das Infektionsrisiko und das kardiovaskuläre Risiko deutlich erhöhen.

Fazit für die Praxis Die Behandlung von SLE ist weiterhin eine Herausforderung für den Rheumatologen. Der Erkenntnisgewinn hat in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verbesserung des Verständnisses der Pathophysiologie geführt. Daneben ist es zu einer Verbesserung der therapeutischen Optionen gekommen, die in Zukunft eine Verbesserung der Prognose der Patienten bei Reduktion der Krankheitslast erwarten lassen.

Korrespondenzadresse PD Dr. K. Tenbrock Klinik für Kinder und Jugendmedizin, Abteilung Pädiatrische Rheumatologie, Division of Pediatric Pneumology, Allergology and Immunology, Klinikum der RWTH Aachen, RWTH Aachen, University Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  K. Tenbrock hat Vortragsvergütungen von den Firmen Novartis und Abbott erhalten und wird aktuell durch die Novartis Stiftung für Therapeutische Forschung mit einer projektbezogenen Förderung finanziell unterstützt. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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Systemic lupus erythematosus is a complex autoimmune disease that can affect multiple organs and is characterized by a loss of peripheral tolerance ag...
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