344 Z. Orthop . 128 (1990)

Pathomorphologische Entwicklung des dysplastischen Hüftgelenkes Walter M . Dörr

Zusa mme nfassung

Patholomorphologic Developm ent of lhe Dysplastic Hip Joint

Die von uns beobachteten Form veränderungen wurden in Anlehnung an die Literatur in anthro-

pologische und teratologische Luxationen unte rteilt. Bei den ant hropologischen Luxat ionen wurde eine vierfache Unterteilung vorgenommen. Sie wurd en mit Dysplasie, Sub luxat ion, hoher Subluxation und Luxation bezeichnet. Ihre anatomischen Besonderheiten wurden beschrieben und abgebildet. Wichtig erscheint uns die Beobach tung , die auch scho n von anderen Autoren mitgeteilt wur-

de , daß der Limbu s kein eingeschlagen er fre ier Gelenkrand ist. Und daß auch bei hohen Luxationen der Hüftkopf den weit nach oben verlagerten Gelenk lippen rand oft nicht über schreitet. Für da s therapeutische Handeln erscheinen un s einige Besonderheiten bedeut sam . Die hohe Sub luxation verhält sieh gelenkmechanisch wie eine Subl uxation. Bei-der Reposition ist kein Repositionsman över erforderlich. Au f den normalen Röntgenbildern wird sie oft mit einer Luxation verwechselt. Bei der Luxation shüfte liegt die Sehne des Muskulus iliopsoas zwischen dem vor deren Pfannenanteil und dem Hüftkopf. Bei gestrecktem Bein stellt die Psoassehne ein Reposition shindernis dar . Das eigentliche ar tiku läre Repositionshinderni s ist nieht der Limbu s (Pr imärlimbus), sondern die zu enge primäre Gelenk höhle. Der Limbu s ist nur ein Hindernis auf dem Weg zur P rim ärpfanne.

Zur Reifun g des Neugeborenen Hüft gelenkes Hüftgelenke von Neugeborenen , die in ihrer Ausformung der Norm ent sprechen , werden allgemein als reif bezeiehnet. Diese "reifen" Hü ftgelenke unterscheiden sich jedoch in Form und Funktionsfähi gkeit von denen der Geh- und Stehphase. Sie hab en eine andere Stellung der Hüftgelenkspfanne im Raum und andere Größen der Schenkel halswinkel (Scholbach, v. Lanz), Alle gesunden Hüftgelenke unterliegen also auch nach der Geburt noch einem Formwandel. Selbstverständlich ist die Gehunfähigkeit des menschlichen Neugebor enen nieht vorrangig durch die Form des Hüftgelenkes verur sacht, sondern Ausdruck des noch nicht vollentwieke lten neuro-motorischen Systems. Z.On hop . 128 (1990) 344-350 © 1990 F. Enke Verlag St uttgan

On the ba sis of findings publi shed in the literature, morphologie cha nges seen among th e author's pati ent s were classified as anthropologic and terato logic dislo cations. The anthropologie dislocat ions were subclassified into fou r groups, identified as dysplasia , subluxation, severe subluxation and Iuxation . Thei r anatornie peculiariti es were described and illustrated. One observation whieh appears important, and whieh has already been reported by ot her authors, is that the limbus is not an infolded free jo int border ; also, that even in cases of severe luxation the femoral head often does not go beyond the acetabular labru m, which is displaced far upward . A number of special features appear to be of rnajor irnport ance for therapy. Mechanieally, a severe subluxation behave s in the same manner as a subluxation. No reduction man euver is needed to repos ition the joint. On plain radi ographs, subluxation are often mistaken for luxations. In dislocated hips the tendon of the iliopsoas muscle lies between the anterior portion of the acetab ulum and th e femoral head . When the extremity is extend ed, the psoas tendon is an obstacle to reduction. The real articular obstaele to reduction is not the limbus (primary limbus) but the primary joint cavity, which is too narrow. The limbu s is only an obstaele on the way to the pr imary aceta bulum,

Der Zoologe A . Portmann unterteilt die Tiere in Nestflüchter und Nesthocker, Nestflüchter können schon kur z nach Verlassen des Mutterleibes gehen und stehen oder ihrer Art gemäß schwimmen. Die Nesthocker sind dazu nicht fä hig. Sie bedürfen der Nestpflege. Ihre Sinnesorgane sind noch geschlossen. Der Mensch kann nach seiner Geburt nieht gehen und stehen, aber er hat bereits offene Sinnesorgane. Somit ist er weder ein reiner Nesthocker, noch ein Nestflüchte r. Portmann hat ihn deshalb als sekundären Nesthocker bezeiehnet. Wäre der Mensch ein Nestflüchter, so müßte er bis zu seiner Entwicklung wesentlich länger im Mutter leib bleiben . Man hat diesen Zeitraum auf etwa 21 Monate geschät zt.

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Ort bop. Abteilun g Bethlehem-Krankenhaus Stolberg (Leiter: Prof. Dr. W. M. Dörr )

Path amorph ologische Entwicklung des dysp lastischen Hüftgelenkes

z. Orthop. 128 (/ 990) 345 Die Pathomo rphologie des dysp lasti schen Hüftgelenkes

Ortolan i kom mt nicht nu r der Verdien st zu, die klinische Frühdiag nose der Hüftdysplasie weltweit verbreitet zu haben, sonder n er hat auch seine klinische n Erk enntnisse durch um fan greiche, patho logisch anatomische Untersuchu ngen a n übe r 100 Luxa tionspräparaten ergä nzt. (Da die Sektion am eigenen Krankengut vorgeno mmen wurde, liegen a uch die vor dem Tode erho benen klin ischen Hüftbefunde vor .) Die kra nkhaften Verän derun gen finde n wir an de n verschiedenen Gelenka nteilen . Sie werden in ihr em Ausma ß und nach ihrer Lokalisation nach folgend beschrieben.

A bb. 1 Dysplasie trraesuotoveuoru. Seitansic ht Hüftgel. re. Sterbealter 35 Tage . Charakteri stika : Pfann e entrundet a. Gelenklip pe teilweise abgestumpft b

A bb . 2 Sub luxat ion. Seita nsicht Hüftgel. re. Sterbealter 17 Mon. Charakte ristika : Prirnarpfanne ta }, Sekundärpfann e Ibl . Sekundärlimbus (cl

Gelenkpfanne (Acetabulum) und Gelenklippe (Labrum articulare) Die Veränderungen des gesa mte n Gelenkes, aber insbesond ere die der Gelenkpfa nne, besti mmen das Au sma ß der Verrenkun g und dam it die Luxationsst ufe oder den Luxation sgrad . An den Gelenkpfa nnen un d Gelenklippen bestehen charakteristi sche Fo rma bweichungen . Diese For mabweichu ngen können in 5 Gruppen zusa mmengefa ßt werden: I. Gelenkpfanne entrundet und geweitet ohne de utliche Unterscheidung in P rimär- und Sekun därpfanne. Leicht e Verschmälerun g des vor deren Schenkels der Fascies lun ata . Abge stu mpfte Kan te a m ober en und Verschm älerun g am vorderen Anteil der Gelenk lippe (Abb . I). 2. Die Gesa mtpfanne ist durch eine Wallbildung a n der Fascies lunata in eine Primär- und Sekundärp fanne untert eilt. Die Sekundärpfa nne wird im wesentlichen von Teilen der Fascie s lunata gebildet. Sie liegen inn erh alb der Gelenk lippe. Der Boden der P rimär- un d Sekundärpfanne besteht a us hyalin em Kno rpe l. Die Wa llbildung wird nach Ortolani Sekundärlimb us gena nnt. Mit der Bezeichnung Sek undärlimbus erfolgt eine Ab grenzung gegenüber dem von der Gelenk lippe ausgehenden Limbus, der von Orto lani P rimär Iimbu s genannt wird . - Der vordere Ant eil der Fascies lunata ist verschmälert . Die Gelen klippe ist in ihre m obere n Bereich stumpfkant ig und im vorderen Teil höhenverm inder t (Abb . 2 und 3). 3. Deutli che Unterteilung in Pr imär- und Sekundärpfanne. Die P rimärpfanne hat eine koni sche Form un d ist kleiner als die Seku ndärpfanne . Der vordere Anteil der Fascies lunat a ist verschmä lert. Der Boden der Seku ndärpfanne wird ausschließlich von Teilen der fo rmverän dert en Gelenklippe geb ildet. Zur Sek undärpfanne wird der obere, der vordere obe re un d de r hint ere obere Abschnitt der Gelenklippe. Bei seitlicher Betra cht ung ist sie sicheiförmig. Der vordere, un tere Abschnitt der Gelenkl ippe ist höh enverm indert und mit dem hin teren Teil, sowie dem Ligamen tum transversum in Richt ung Pfan nengrun d umgeschlagen (Abb . 5 und 6).

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Unsere folgende n Ausf ühru ngen stütze n sich auf Mitteilungen aus der Literatur und auf eigene makroskopische Untersuc hungen. Diese wurden a n de r Sammlung von M . Ortolani in Ferrara gewo nnen .

346 Z. Orthop. /2 8 (/990)

Walter M . Dörr Abb. 4



Beckenü bersicht

mit Hüftgel. re.

zur Sek undärpfanne befind et sich an der ver bre iter ten Gelenklippe eine Wul stbildung. Sie reicht von oben und hinten ob en in die Gelenkhöhl e. Diese Bildung entspricht dem Lim bu s bzw. P rimärlimbus. Der Limbus oder Prim ärlimbus ist so mit der unt erste, frei in die Gelenkh öhl e ragende Teil des zur Sekund ärp fanne gewordenen Ab schnitte s der Gelenklippe. Er ist a lso ke in um oder eingeschlage ner Gelenk lippenrand . Der vor de re , unt ere Teil der Gelenklippe ist deutlich höh envermin den und mit dem hint eren unteren Teil und dem Ligame ntu m t ran sversu m zum P fannengrund hin umgebegen (Abb . 7). Der Limbu s wur de mehrfa ch histologisch unt ersuch t. Er ist au s Bindegeweb e a ufgeba ut. An diesem Gewe be wurde n a uch pathologische Veränderungen beobacht et (Bernbeck, Oelkers, Ogden, Ponsetti u . a.) . 5. Unter teilung in P rimär- und Sekundä rpfanne: Die Primä rp fanne ist deutli ch kleine r als die Sekundärpfanne. Ihre vordere Wand - Verlau f der Sehne des M . iliopsoa s - weist eine starke Einde llung a uf. Die Sekundärp fanne liegt oberhalb un d etwas hinter der Primä rp fann e an der äußeren Wand der Darmbein schaufel. Ein Limbus (P rim ärlimbus) ist nicht vorha nden . An einem Präp a rat die ser Gruppe ist die Gelenkl ippe au sgewal zt und um greift die Sekundä rpfa nne (Abb, 9). Am zweiten Pr äpara t dieser Gruppe ist eine Gelenk lippe nicht na chweisba r.

Ligamentum capitis fe moris Da s Ligam entum ca pitis femo ris ist a n allen Pr ä parat en vor ha nden . Es ist regelmä ßig verdickt und in Abh än gigkeit zur Luxationsstufe ver längert (Abb . 7).

A bb . 3 Frontalschnitt durch das Gelenk von Abb. 2 mit Hüftkopf Abb. 3a Hüftkopf in Primärpfanne Abb. 3b Hüftkopf in Sekundärpfanne . Zwischen Primär- und Sekundä rpfanne deutlicher Sekundärlimbus

4 . Deutliche Unter teilung in P rimär- und Sekun dä rpfa nne . Die Prim ärpfanne ist klein und koni sch . Der vordere Schenkel der Fascies lun ata ist versc hmä lert. Der Boden der Sekundärp fanne wird von der form verändert en Gelenklippe gebilde t. Am Übergang von der P rim är-

(Da s regelmä ßige Vorhanden sein des Kopfp fannenb and es ste ht im Wider spruch zu vielen älteren Mitteilungen. Bei operativen H üfteinrenkun gen wurde sehr häu fig ein Fehlen des Kop fpfannen bandes festges tellt. Diesen Luxati onen ging jedoch meistens eine kon servati ve Behandlung voraus un d es darf a ngenomme n werde n, daß es da durc h zur Zers töru ng des Ligam entum cap itis femo ris ka m). Pul vlnar

Das Pulvinar überr agt regelmäßig die Inci sura acetabuli. Eine Verwachsung zwischen Pu lvina r und Fascies lunata ist nicht nach weisbar (Abb. I, 2, 5).

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von Abb. 2. Obere Hüftgelenkanteile mit Kontrast mittel markiert

Pathom orph ologische Entwicklun g des dysplastischen Hüf tgelenkes

Z. Orth op. 128 (/990) 347 Abb .7



Abb. 5 Hohe Subluxation. Seitan sicht Hüftg el. re. Sterbealter 3 Tage. Charakte risti ka: Primärpfanne {al. Sekund ärpf anne (bI. Der Bod en der Sekundärpf anne w ird von der forrnverändert en Gelenklippe gebildet. Rinn e des M . ileops oas Icl

Abb . 7 Luxation. Sterbealter 24 Tage. Huft qet. li. Charakteris tika: Primärpfanne lal . Sekundä rpfanne Ibl , Lim bus bildung tc) . Trot z Limbu sbi ldung ist der obere Anteil der Gelenk lippe abgr enzbar ldl. !Das Präparat stammt von einem Pat. mit Stina bifid a. Es w urde au sgew ählt , da sich die Limbus verhaltnisse beson ders deutli ch darstellen. I

Abb.8 Rö Beckenübersich t m it Hüftgel. Ii. von Abb . 7 . Obere Pfann enanteile m it Kontrastmittel markiert

Abb . 6 Gleiches Gelenk wie Ab b. 5 von oben seitlich . Das Bild so ll die Bildun g der Sekundärpf anne aus der Gelenklippe verdeutlichen

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Beckenüb ersich t mit Hüftgel. re, von Abb. 5 . Sekundärp fann e un d oberer Anteil der Prim ärp fanne m it Kont rastm ittel ma rkiert

348 Z. Orlhop. 128 (1990)

Waller M . Dörr Abb . 11 Rinne der M. ileo- psoas sehne bei einer ec hten Luxation n. Marc hietti. a Sehne des M. ileopsoas, b Sehnen rinne, c primäre Gelenk höh le, d Hüft kopf

c

Abb.9 Terato logisc he Luxation. Sterbealter 3 Tage. Grundkrankheit Ärt hrogry posis m ult iplex cong. Charakteristik a: Primä rpfan ne (a). Sekun därpfan ne [bl . Gelenklippe Icl . Lig. capitis ternor ts Idl. Hüft kopf Ie} , nac h crania! geschlagener Fem ur lfl

Abb .12

Re.

Hüftbein eines Luxatio nsbeckens m it ausgep rägter lIeoPsoasrinne Iel (nac h Fairbankl

A bb . 10 Präparat einer echten Luxatio n von Rohlede rer. Der Hüft kopf ist entf ernt. a Der untere Gelenk kapselante il spannt

sich über die Primärpfanne. b Die Sekundä rpfanne ist einsehba r

Gelenkkapsel, primäre und seku ndäre Gelenkhöhle

Am normalen Gelenk ents pringt die Gelenkkapsel an der Basis des äußeren Randes der Gelenklippe. Die im Schnitt keilförmige Gelenklippe hat einen ä ußeren und einen inneren Rand . An unseren Präparaten sind regelmäßi g Verwachsungen zwischen dem äußeren Rand der Gelenklippe und der Gelenkkapsel zu finden. Fast regelmä ßig bestehen sie im ob eren Bereich der Gelenk lippe. Weiterhin sind häu fig Verwachsungen am vorderen und am unteren Teil des Labrum aceta bular e vorhanden. Ebenso finden sich Verk lebungen mit dem Ligamentum transversum. Der hint ere Bereich der Gelenklippe ist nur ausnahmsweise verwachsen (Abb . 2, 5, 7).

Bereits bei den leichtesten Gelenk veränderungen ist der vordere und obere Kapselanteil verdickt (Abb . 4, 5, 7). 1m Gebiet der Pr imärpfan ne ist der Kapselschla uch verengt und zwar von vorne nach hinten, sowie auch von der Pfanne zur Seite . Die von der Pri märpfa nne und der hier ansetzenden Kapsel gebildete leere Gelenkhöh le kann als Prim ärh öhle bezeichnet werden (Abb. 7, 9, 10). Der Hüftkopf hat seinen Platz in der Sekundärhöhle. Bei au sgepr ägten Luxation en ist das Lumen der Primärh öhle kleiner als der Hü ft kop f (Abb . 10).

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a

Z. Orthop. 128 (1990)

Pathomorphologische Entwicklung des dysplastischen Hüftgelenkes

349

Schema 1 Gegenüberstellung der Gelenkpfannenveränderungen Anthropologische Luxation

Luxationsgrade

Dysplasie (Praesubluxation) Subluxation

hohe Subluxation

Luxation

Schema 2

Gegenüberstellung der Benennungen Luxationsart 1

Hass

Korvin Le Damany Lorenz Putti

Luxationsart II

atypische typische konstitutionelle teratologische anthrologische teratologische sog. angeborene genuine foetale embryonale

Teratologische Luxation Gelenkpfanne entrundet Primär- und Sekundärpfanne, beide werden von Hyalinknorpel gebildet. Sie liegen innerhalb der Gelenklippe, Sekundärlimbus Primär- und Sekundärpfanne, Boden der Sekundärpfanne wird von der Gelenklippe gebildet Primär- und Sekundärpfanne, Limbusbildung (= Primärlimbus)

bei Geburt vorhanden, oft mit weiteren Fehlbildungen kombiniert, Primär- und Sekundärpfanne, Boden der Sekundärpfanne wird nicht von der formveränderten Gelenklippe gebildet, Sekundärpfanne liegt an der Darmbeinaußenseite

iliopsoas zwischen dem vorderen Abschnitt der Primärp fanne un d dem vor d eren T eil d es Hüftko p fes (Abb . 5 , 7 , 8, 11, 12). Diese Verhältnisse müssen bei Längsextensionen oder bei Anwendung der Langestellung mitbedacht werden.

Schenkelhalswinkel

Im Verlaufsbereich der Sehne des M. iliopsoas wird der Kapselschlauch nach hinten oben gedrängt. Der Grad der Verdrängung steht in Relation zur Luxationsstufe (Abb. 5, 7, 11). Ist ein Limbus (Primärlimbus) vorhanden, dann liegt er an der Grenze zwischen primärer und sekundärer Gelenkhöhle. An der Isthmusbildung ist er beteiligt. Für den luxierten Hüftkopf stellt er nur ein Hindernis auf dem Weg zur Primärhöhle dar. Das eigentliche Repositionshindernis ist jedoch die zu enge primäre Gelenkhöhle. Diese primäre Gelenkhöhle muß bei einer Reposition neben dem Hüftkopf auch das verlängerte Lig. capitis femoris aufnehmen (Abb. 9, 11). Alle theoretischen Begründungen über Wirkungsweisen konservativer Behandlungsmethoden, sollten daher darlegen, wie die Aufweitung der primären Gelenkhöhle erfolgt.

Beckenskelett und Rinne der Sehne des Musculus iliopsoas Auf der Seite des veränderten Gelenkes ist die Gleitrinne der Sehne des M. iliopsoas regelmäßig vertieft. Diese Rinne verläuft über den vorderen und vorderen unteren Gelenkrand. Sie bewirkt die schon vorher beschriebene Abflachung des Gelenkrandes und die sich hier findenden Verwachsungen zwischen Gelenklippe und Kapsel. Bereits bei weniger ausgeprägten Veränderungen liegt am gestreckten Hüftgelenk die Sehne des M.

Unter den von uns gemessenen Antetorsionswinkeln war nur ein Winkel um 4 Grad größer und bei den Neigungswinkeln ein Winkel um 1 Grad als die von v. Lanz und seinen Schülern gefundenen altersentsprechenden, mittleren Durchschnittswerte.

Zur Einteilung und zur Benennung der Luxationsstufen und Luxationsarten

Die morphologischen Veränderungen der Gelenke wurden unter Vernachlässigung der vorhandenen Übergangsformen in 5 Gruppen zusammengefaßt. Bei Betrachtung der Gruppen 1 bis 4 läßt sich ohne Schwierigkeiten ein allmählicher Übergang von der einen zu anderen Luxationsstufe ableiten. Für die Gruppe 5 trifft dies nicht zu. Da sie bereits bei Geburt als echte Luxation vorhanden ist, muß die Verrenkung schon in einem frühen Embryonalstadium entstanden sein. Sie ist auch häufig, wenn auch nicht regelmäßig, mit anderen Mißbildungen kombiniert. Wir betrachten sie deshalb als eine eigene Luxationsart. Die Gruppen 1 bis 4 reihen wir nach üblichem Sprachgebrauch bei den anthropologischen Luxationen und die Gruppe 5 bei den teratologischen Luxationen ein (Schema 2). Die Einteilung von Hass, der in typische und atypische Luxationen unterscheidet, scheint uns die bessere Klassifizierung zu sein. Allgemeingut ist sie jedoch nicht geworden (Schema 2). Die Benennung der Gruppen 1-4 erfolgt vor allem nach den beschriebenen Veränderungen der Pfannen und der Gelenklippen. Sie sind auf einem Schema (Schema 1) noch einmal gegenübergestellt.

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Luxationsarten

Walter M . Dörr: Pathomorphologische Ent wicklung des dysplastischen Hüftgelenkes

Ih re Bezeichnungen sind : Gruppe I Dysplasie (Präsubluxation) Wir sind un s bewußt, daß Dyspla sien einerseits a ls Kennzeichnung der leichtesten Vorstufe des Leiden s verwa ndt und andererseits als Über begriff benutzt werde n. Um diesem zu ent gehen , würden wir die Bezeichnun g P räsubluxation (M ichele) für sinnvoller halten . Gr uppe 2 Subluxation G ruppe 3 hohe Subluxati on (Forme inte rrnediare)

Bettrand hat a nhand art hrog raphischer Studien eine zwischen der Sub luxation und Luxation liegende Luxationsstufe hera usgea rbeitet, beschrieben und sie als Forme int errnediare bezeichne t. Sie wird auf dem norm alen Röntgenbild oft mit einer Luxat ion verwechselt. Gelenkmechanisch besteht unte r ihnen jedoch ein bedeutender Unterschied. Bei der hohen Subluxation wird bereits durch eine Beugung und Ab spreizbewegung der Hüftkopf in Richtung Primärpfanne gebr acht. Ein e Reposition ist nicht erfo rder lich . G ruppe 4 Luxatio n Die echte Luxation zeichnet sich durch die hoh e Lage des Hüftkopfes und durch eine Limbusbildung (= Primärlimbus) au s. Der Hüftkopf überschreitet aber den oberen Rand der umgewandelten Gelenklippe nich t. Nach klassische r Definition läge hier keine ech te Luxat ion vor. G ruppe 5 a nt hropo logische Luxation Bei einem Präparat dieser Gruppe war die a n de r seitlichen Darmbeinwand gebildete Sekundärpfanne ebenfa lls von einer Gelenklippe umgeben. Trot z der ausgeprägten hohen Luxation hat auch hier der Hüftkopf die Gelenklippe nicht überschritt en . Die üb liche Vorstellun g, daß nur eine Luxation vo rliegt, wenn der Hüftkopf den ob eren Rand der Gelenklippe überschritten hat , ist nicht haltbar.

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Prof. Dr. med. W. M . Dörr Bethleh emkrankenhau s 0 -5190 Sto lberg

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350 Z. Orthop. 128 (/990)

[Pathomorphologic development of the dysplastic hip joint].

On the basis of findings published in the literature, morphologic changes seen among the author's patients were classified as anthropologic and terato...
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