Leitthema Hautarzt 2015 · 66:583–588 DOI 10.1007/s00105-015-3649-2 Online publiziert: 16. Juni 2015 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

O.N. Horváth1 · J. Jankásková1,2 · A. Walker1 · M. Sárdy1 1 Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Ludwig-Maximilians-Universität,

München, Deutschland 2 Klinik für Dermato-Venerologie, 3. Medizinische Fakultät der Karlsuniversität, Vinohrady Lehrkrankenhaus,

Prag, Tschechische Republik

Pemphigoiderkrankungen Autoimmunerkrankungen des Alters Zur Gruppe der Pemphigoiderkrankungen zählen mehrere Entitäten (. Tab. 1). Im Alter treten typischerweise das bullöse Pemphigoid (BP) und das Schleimhautpemphigoid (MMP) auf, wobei das BP die häufigste bullöse Autoimmundermatose darstellt. Durch die steigende Lebenserwartung in den Industriestaaten nimmt die Anzahl der Erkrankten und somit die Bedeutung dieser Erkrankungen immer stärker zu. In der nachfolgenden Übersicht werden die wichtigsten Fakten zur optimalen Versorgung dieser Patienten zusammengefasst.

pathogen. Ihre Bindung an BP180 löst eine Sekretion der Entzündungsmediatoren Interleukin 6 und 8 aus den basalen Keratinozyten sowie eine Komplementaktivierung aus. Die Entzündungsreaktion wird durch zusätzliche Bindung von IgE und Mastzelldegranulation verstärkt. Die Mediatoren locken neutrophile und eosinophile Granulozyten in die obere Dermis. Diese wiederum setzen Proteasen frei (z. B. Matrixmetalloproteinase 9, neutrophile Elastase), die die Ankerproteine der Basalmembran direkt abbauen und dadurch Blasen erzeugen [11, 15]. Der Verlauf ist meist selbstlimitierend.

Bullöses Pemphigoid

Zwischen BP und einigen neurologischen und/oder psychiatrischen Erkrankungen, wie z. B. Morbus Parkinson, multipler Sklerose, Apoplex und Demenz, wurde eine Assoziation gefunden [3, 4, 16]. Das BP kann sowohl vor als auch während oder nach Beginn dieser Erkrankungen erstmals in Erscheinung treten [16]. Die Neurone exprimieren BP180 und BP230, sodass eine Kreuzreaktivität der Autoantikörper zwischen Haut und Gehirn vermutet wird. Die Vermutung, dass das BP ein fakultativ paraneoplastisches Syndrom sei, konnte in den aktuellen Studien nicht bestätigt werden [13].

Das BP, der wichtigste Vertreter aus der Gruppe der Pemphigoiderkrankungen, wurde 1953 von Walter F. Lever beschrieben [10]. Die Inzidenz liegt zwischen 2,5 und 42,8 Fällen pro 1 Mio. und ist bei Frauen geringfügig höher (Frauen/Männer 1,1–1,5; [1]). Der Inzidenzgipfel liegt in Europa zwischen dem 70. und 80. Lebensjahr [1].

Pathomechanismus Blasenbildung

Die Blasenbildung beim BP wird von autoreaktiven T-Helferzellen ausgelöst, die über die Aktivierung von B-Zellen die Produktion von IgG- (seltener IgA und IgE) Autoantikörpern gegen die hemidesmosomalen Proteine BP180 (Kollagen XVII oder BP-Antigen 2) und BP230 (BP-Antigen 1) stimulieren [11, 15]. Die Anti-BP180-Autoantikörper sind direkt

Assoziierte Erkrankungen

Diagnostik Klinik

Die Diagnose des BP basiert auf Anamnese, körperlicher Untersuchung und Laboruntersuchungen. In der Anamnese sollten insbesondere das Vorhandensein von (meistens quälendem) Pruritus, ein

chronisch rezidivierender Verlauf, Komorbiditäten und die Einnahme möglicherweise auslösender Arzneimittel (Spironolacton, Phenotiazine, Schleifendiuretika) erfragt werden [7, 13, 15]. Die kutanen Manifestationen können sehr polymorph sein. Bei der körperlichen Untersuchung sind meistens symmetrisch verteilte, pralle Blasen oder Bläschen mit seröser Flüssigkeit auf geröteter oder klinisch unauffälliger Haut zu sehen (. Abb. 1; [7, 15]). Prädilektionsstellen sind die Beugeseiten der Extremitäten, meist ist aber auch der Stamm – vor allem lumbal und abdominal – befallen. Sekundär entstehen verkrustete Erosionen. Zudem sieht man häufig urtikarielle oder ekzemartige Plaques (.  Abb. 2), im Prodromalstadium und bei einigen Formen (.  Tab. 2) zum Teil ohne die typische Blasenbildung [7, 15]. Das BP kann sich auch längerfristig in Form verschiedener klinischer Varianten manifestieren (.  Tab. 2), was die Diagnosestellung erschweren kann (.  Abb. 3). Ein BP kann sich auch hinter dem klinischen Bild eines Pruritus sine materia verbergen [2, 16]. Die Schleimhäute (insbesondere die

O.N. Horváth und J. Jankásková haben zum Artikel gleichermaßen beigetragen.

Infobox 1  Wissenswertes zur direkten Immunfluoreszenz 55Entnahmestelle: periläsional (Biopsie innerhalb von 1 cm neben einer Blase)

55Lagerung der Probe: isotonische NaClLösung oder Michel-Medium (maximal 72 h)

Der Hautarzt 8 · 2015 

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Leitthema Tab. 1  Wichtigste Vertreter der Pemphigoidgruppe Entität BP LAD MMP Pemphigoid gestationis Lineare IgA/IgGDermatose LAD

Wichtige Autoantigene BP180, BP230 BP180 BP180, α6- und β4-Integrin, BP230, Laminin 332 (= Laminin 5) BP180 BP180, BP230 BP180

Ig-Klasse IgG, weniger IgA oder IgE IgA IgG, weniger IgA (Konzentration oft unter der Nachweisgrenze) IgG (Konzentration oft unter der Nachweisgrenze) IgG und IgA, gleich intensive Fluoreszenz in der DIF IgA

BP bullöses Pemphigoid, LAD lineare IgA-Dermatose, MMP Schleimhautpemphigoid, DIF direkte Immunfluoreszenz.

Tab. 2  Wichtige klinische Varianten des bullösen Pemphigoids (BP) Variante Nichtbullöses, kutanes Pemphigoid Lokalisiertes BP Dyshidrosiformes Pemphigoid Vesikulöses Pemphigoid Prurigoform des Pemphigoids Vegetierendes Pemphigoid

Charakteristika Juckende, urtikarielle, ekzemartige Plaques Vereinzelte Blasen an einer umschriebenen Körperstelle (vor allem Unterschenkel, Kapillitium) Bild eines dyshidrosiformen, palmoplantaren Ekzems Nur Bläschen, keine Blasen Klinisches Bild wie Prurigo simplex subacuta oder Prurigo nodularis Vegetierende, erosive Plaques (vor allem intertriginös)

Mundschleimhaut) sind in 10–30 % der Fälle mit betroffen.

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Bei der körperlichen Untersuchung sind meistens symmetrisch verteilte, pralle Blasen oder Bläschen zu sehen Urtikarielle, ekzemartige Plaques ohne Blasen sind möglich.

Labordiagnostik

Bei klinischem Verdacht auf ein BP werden folgende diagnostische Maßnahmen als Basisdiagnostik empfohlen [9, 13, 15] 55Probeentnahme für direkte Immunfluoreszenz (DIF) und traditionelle Histologie (. Infobox 1), 55Autoimmunserologie für indirekte Immunfluoreszenz (IIF) auf Spalthaut und/oder Affenösophagus sowie BP180- und BP230-ELISA. Die Diagnose eines BP lässt sich in der Regel stellen, wenn neben dem passenden klinischen Bild auch 2 verschiedene diagnostische Verfahren positiv sind. Die minimal notwendigen Kriterien zur Diagnosestellung können hier wegen des Umfangs nicht erörtert werden, sind in

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der aktuellen deutschen Leitlinie jedoch detailliert zusammengefasst. Bei schwierigen Befundkonstellationen sollten die Empfehlungen der Leitlinie unbedingt beachtet werden [13]. Der Titer der BP180-Autoantikörper hat prognostische und therapeutische Relevanz [6, 14]. Wenn die Reduktion des Titers in den ersten 60 Tagen weniger als 20 % beträgt, ist die Rezidivgefahr erhöht. Ist jedoch der Titer am 150. Behandlungstag niedrig, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs lediglich 10 % [6].

Differenzialdiagnose Vor allem müssen andere blasenbildende Autoimmundermatosen [z. B. lineare IgADermatose (LAD), Epidermolysis bullosa acquisita, Dermatitis herpetiformis, Pemphigus] ausgeschlossen werden [9]. Zudem muss bei älteren Patienten, bei denen z. B. ein Ekzem, eine Prurigo simplex subacuta oder nodularis, eine Urtikariavaskulitis oder Skabies vermutet wird, eine BP-Variante ausgeschlossen werden [7]. Die häufigsten Fehldiagnosen sind das allergische und das irritative Kontaktekzem (Trockenheitsekzem) sowie das atopische Ekzem, da – anders als bei Auftritt von Blasen – von diesen nicht automatisch

eine Biopsie für DIF entnommen wird. Sollten diese Krankheitsbilder jedoch erst im hohen Alter auftreten, sollte in jedem Fall eine Biopsie entnommen werden, um ein BP auszuschließen. Grundsätzlich gilt: Chronisch juckende, entzündliche Hautveränderungen (oder Pruritus sine materia) im Alter: BP ausschließen! Zumindest sollte eine Autoimmunserologie erfolgen [2, 7–9, 13, 16].

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Bei chronisch juckenden Läsionen im Alter muss das bullöse Pemphigoid ausgeschlossen werden Bei einem Herpes simplex oder zoster treten gewöhnlich starke Schmerzen auf. Ein BP kann sich auch hinter dem Bild eines dyshidrosiformen, palmoplantaren Ekzems, eines bullösen Arzneimittelexanthems, eines Erythema exsudativum multiforme, einer Impetigo contagiosa oder einer Insektenstichreaktion verbergen [9].

Therapie Geriatrische Aspekte

Das größte Problem bei der Behandlung älterer Patienten sind die Komorbiditäten, die den Verlauf des BP ändern, eine optimale Behandlung verhindern und die Therapie durch höhere Chancen für Medikamentenneben- oder -wechselwirkungen erschweren können. Ein demenzielles Syndrom beeinträchtigt z. B. die Medikamenteneinnahme und Compliance. Durch den Hygienemangel z. B. bei Incontinentia alvi oder eingeschränkter selbstständiger Pflege werden Superinfektionen begünstigt. Ältere Patienten sind oft immobil und indolent, ihr Durstgefühl ist reduziert. Bei Hautatrophie ist auch der transepidermale Wasserverlust größer als im jüngeren Lebensalter, was zu einer signifikanten Exsikkation führen kann.

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Das größte Problem bei älteren Patienten sind die Komorbiditäten Zudem muss man häufig mit einer eingeschränkten Leber- und Nierenfunktion rechnen. Begleiterkrankungen, wie

Zusammenfassung · Abstract z. B. Diabetes mellitus, Glaukom, bösartige Tumore, stellen eine (zumindest relative) Kontraindikation für die Immunsuppression dar. Durch die Immobilität und Komorbidität sind eine korrekte Diagnostik, die Durchführung wichtiger Kontrolluntersuchungen oder eine Umstellung der Therapie oft schwierig.

Ergänzende Maßnahmen

Über die immunsuppressive Therapie hinaus besteht bei Notwendigkeit, auf eine adäquate Schmerzlinderung, Wasserund Elektrolytgabe sowie Infektionsprophylaxe zu achten. Auslöser wie verdächtige Medikamente [13], UV-Strahlung und Neoplasien sollten – soweit möglich – beseitigt werden. Da das BP nach aktuellem Kenntnisstand kein paraneoplastisches Syndrom darstellt, kann auf eine zeit- und kostenintensive Tumorsuche verzichtet werden [13]. Es ist jedoch ratsam, die Anamnese hinsichtlich vorhandener Symptome für Neoplasien sorgfältig zu erheben bzw. die Durchführung einfacher Screeninguntersuchungen (z. B. Thoraxröntgenaufnahme, Oberbauchsonographie, Hämokkult, Serum-PSA) zu erwägen. Vor Einleitung einer systemischen Immunsuppression müssen zusätzlich die Routinelaborparameter (Differenzialblutbild, Leber- und Nierenfunktionsparameter, Blutzucker, Urinstatus) zum Ausschluss von Kontraindikationen (. Tab. 3) bestimmt werden. Während einer systemischen Behandlung müssen diese Laborparameter regelmäßig kontrolliert werden.

Immunsuppressive und immunmodulatorische Therapie

Das BP soll je nach Schweregrad therapiert werden. Nach der Ende 2014 publizierten deutschen Leitlinie werden 3 Schweregrade festgelegt [5]. Abhängig von der betroffenen Körperoberfläche wird das BP als mild (; 30 %) bezeichnet. Topische Therapie.  Bei einem milden BP wird generell eine topische Monotherapie mit Clobetasolpropionat, bei einem mittelschweren oder schweren BP dagegen eine Kombination von systemischer und lokaler Therapie empfohlen [5, 9]. Der

Hautarzt 2015 · 66:583–588  DOI 10.1007/s00105-015-3649-2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 O.N. Horváth · J. Jankásková · A. Walker · M. Sárdy

Pemphigoiderkrankungen. Autoimmunerkrankungen des Alters Zusammenfassung Hintergrund.  Die Inzidenz und dadurch auch die Bedeutung der Pemphigoiderkrankungen im Alter haben deutlich zugenommen. Methode.  Es erfolgt eine Übersicht über klinisches Bild, Diagnostik und Therapie von Pemphigoiderkrankungen unter besonderer Berücksichtigung der kürzlich publizierten deutschen Leitlinie sowie Expertenempfehlungen. Ergebnisse.  Die Diagnostik basiert weiterhin auf Anamnese, klinischem Bild, Histologie und Autoimmunserologie. Die Therapie ist von der Diagnose und der Ausdehnung der Hautveränderungen abhängig. Hierfür ge-

eignet sind sowohl topische als auch systemische immunsuppressive bzw. immunmodulatorische Maßnahmen. Schlussfolgerungen.  Bei allen chronischen, juckenden, entzündlichen Dermatosen, die im höheren Lebensalter auftreten, muss an ein Pemphigoid gedacht werden. Die Prognose ist meist günstig. Bei Einleitung einer (lokalen und/oder systemischen) immunsuppressiven Therapie müssen die gerontologischen Aspekte unbedingt beachtet werden. Schlüsselwörter Bullöses Pemphigoid · BP180 · BP230 · Lineare IgA-Dermatose · Schleimhautpemphigoid

Pemphigoid diseases. Autoimmune diseases in the elderly Abstract Background.  The incidence and thereby also the relevance of pemphigoid diseases have significantly increased in elderly patients. Methods.  The clinical features, diagnostic workup, and therapy of pemphigoid diseases based on the recently published German guidelines and expert opinions are described. Results.  The diagnosis is based on medical history, clinical manifestations, histopathology, and autoimmune serology. Treatment options depend on the diagnosis and disease severity. Both local and systemic immunosuppressive or immunomodulatory strategies have been proven to be effective.

Vorteil einer topischen Therapie ist die Vermeidung systemischer Nebenwirkungen, wenn die behandelte Körperoberfläche 20 % nicht übersteigt. Ein Nachteil hierbei ist jedoch der pflegerische Mehraufwand. Eine 2-mal tägliche, großflächige, langfristige topische Anwendung ist bei älteren Patienten meist aus psychosozialen Gründen nicht durchführbar. Zudem führt eine Langzeitanwendung auf der Altershaut relativ rasch zu einer schweren Hautatrophie (. Abb. 4), die zu weiteren Komplikationen führen kann. Die Umstellung auf eine konsequente Basispflege mit einem geeigneten Pflegeprodukt ist notwendig, da gerade die Altershaut zu Austrocknung und Juckreiz neigt. Dies kann wiederum ein Rezidiv vortäuschen.

Conclusions.  Chronic, itchy, inflammatory skin disorders in elderly patients are generally suspicious for pemphigoid diseases. The prognosis is usually good. For decisions about (local or systemic) immunosuppressive therapy, gerontological aspects should be taken into consideration. Keywords Bullous pemphigoid · BP180 · BP230 · Linear IgA bullous dermatosis · Mucous membrane pemphigoid

Systemische Therapie.  Eine systemische Therapie sollte in der Regel mit maximal 0,5 mg/kg/Tag Prednisolonäquivalent oral begonnen werden [5, 8, 9]. Die Autoren empfehlen aufgrund des günstigen Wirkungs-/Nebenwirkungs-Profils Methylprednisolon als Wirkstoff (Dosis: maximal 0,4 mg/kg/Tag p.o.). Das Glukokortikoid sollte mit einem weiteren steroidsparenden Immunsuppressivum kombiniert werden, um Nebenwirkungen zu reduzieren [5, 8, 9]. Die Dosisreduktion der Glukokortikoide sollte ausschleichend (durch „logarithmische Reduktion“) erfolgen [5, 8, 9]. Bei Ausbleiben neuer Läsionen, Abheilung bestehender Läsionen und sistierendem Juckreiz kann die Dosis um jeweils 25–30 % in 7- bis 14-tägigen AbstänDer Hautarzt 8 · 2015 

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Leitthema

Abb. 1 8 Pralle Blasen und Erosionen auf roten Plaques am Bein

Abb. 2 8 Exkoriierte, urtikarielle, schuppende Papeln und Plaques am Arm

Abb. 3 9 Prurigoform eines bullösen Pemphigoids mit vielen lividroten, exkoriierten Papeln

den reduziert werden [5]. Unterhalb von 20 mg/Tag Prednisolonäquivalent wird eine langsamere Reduktion um 5 mg/Tag in 2- bis 4-wöchigen Schritten (bis 10 mg/ Tag) empfohlen. Anschließend sollte die Dosis mit 2,5 mg/Tag in 1- bis 3-monatigen Schritten noch langsamer reduziert werden, bis das Glukokortikoid schließlich abgesetzt werden kann. Im Falle eines milden Rezidivs kann die Dosis für längere Zeit beibehalten werden, bei einem ausgeprägten Rezidiv sollte die Dosis um 2 Schritte gesteigert werden [5]. Systemische Medikamente als steroidsparende Adjuvanzien oder als Monotherapie. 55Doxycyclin: 200 mg/Tag p.o. als Monotherapie oder in Kombination mit Nicotinsäureamid (bis zu 2 g/Tag) p.o. [5, 8, 9]. Cave: Phototoxizität! 55Methotrexat: 10–20 mg/Woche p.o. oder s.c., am Folgetag Gabe von 5–10 mg Folsäure [5, 8, 9]. Anfangs sind monatliche, später 2- bis 3-monatliche Laborkontrollen notwendig, bei schwereren Begleiterkrankungen

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ggf. auch häufiger. Cave: Eine tägliche (statt wöchentliche) Einnahme von Methotrexat kann letale Folgen haben, Vorsicht bei Demenz! 55Dapson: Wegen des ungünstigen Nebenwirkungsprofils (hohes Risiko durch schlechte Compliance, Anämie, Schwindel, Adynamie, Neutropenie) wird Dapson von den Autoren nicht für die Therapie des BP bei älteren Personen empfohlen. Dosierung s. unten bei der LAD. Medikamente als rein adjuvante Therapie zur Kortikosteroidtherapie. 55Azathioprin: 1,5–3 mg/kg/Tag p.o. bei normwertiger Thiopurinmethyltransferase-Aktivität [5, 8, 9]. Wegen der sehr häufigen Lebertoxizität im Alter werden 2-wöchentliche Kontrollen in den ersten 2 Monaten (danach alle 2 bis 3 Monate) empfohlen. 55Mycophenolat-Mofetil: Im Allgemeinen 2 g/Tag (oder alternativ Mycophenolsäure 1,44 g/Tag) p.o. bei Kaukasiern [5, 8, 9]. Cave: Große individuelle Unterschiede im Metabo-

lismus! Die Dosis sollte generell aus pharmakogenetischen Gründen bei Ostasiaten reduziert (1 g/Tag), bei Afrikanern und Afroamerikanern erhöht (3 g/Tag) werden. Anfangs, vor allem bei Patienten mit gemischtem genetischem Hintergrund oder Zeichen für eine Nebenwirkung (Lymphopenie!) empfiehlt sich die Bestimmung des Blutspiegels des wirksamen Metabolits (Mycophenolsäure), der direkt vor Einnahme der Morgenmedikation zwischen 3 und 6 µg/ml liegen sollte. Mögliche Kombinationen systemischer Immunsuppressiva.  Die Auswahl sollte sich nach den anamnestisch oder durch Screeninguntersuchungen erfassten Komorbiditäten (.   Tab. 3), dem Wunsch des Patienten (tägliche Tablettenanzahl, Nebenwirkungen) und den Möglichkeiten (zu erwartende Compliance) richten. Wenn keine Kontraindikationen vorliegen, wird von den Autoren als erste Wahl eine Kombination von Glukokortikoiden (in ausschleichender Dosierung) mit entweder Methotrexat oder Azathioprin (in schrittweise erhöhter Dosierung) empfohlen. Die Ersteinstellung einer systemischen Immunsuppression sowie ein Therapiewechsel sollten sich auf die Empfehlung eines in der Autoimmunologie erfahrenen Dermatologen stützen. Weitere Behandlungsmöglichkeiten.  Sollten BP-Patienten auf die oben empfohlenen Induktionstherapien kein

Tab. 3  Wichtigste Komorbiditäten, die die Auswahl systemischer Immunsuppressiva erheb-

lich beeinflussen Komorbidität Aktives gastroduodenales Ulkus Anämie Bösartige Neoplasien Diabetes mellitus Hepatopathie Leberinsuffizienz Leukopenie, Lymphopenie Neutropenie Niereninsuffizienz, kompensiert Niereninsuffizienz, manifest

Kontraindikationen Glu Dapson, MTX Alle Immunsuppressiva außer Glu, Rituximab, MTX Glu (relativ) AZA AZA, Dapson, MTX MMF möglich AZA, MMF, MTX Dapson, MTX MMF, MTX, CyA, Dapson (relativ) Dapson, MTX, CyA, MMF (relativ) AZA (nach Dosisreduktion) möglich

AZA Azathioprin, CyA Ciclosporin A, Glu Glukokortikoide, MMF Mycophenolat-Mofetil, MTX Methotrexat.

ausreichendes Ansprechen zeigen, können intravenöse Immunglobuline, Immunadsorption, Rituximab, Cyclophosphamid, Ciclosporin oder Omalizumab erwogen werden [5, 8, 9]. Nur selten werden diese Therapieformen jedoch benötigt. Wichtige Wechselwirkungen der systemischen Medikamente.  Die parallele Verabreichung von hepato-, nephro- oder myelotoxischen Medikamenten mit Immunsuppressiva sollte generell vermieden werden. Ernste Komplikationen können auch Arzneimittel verursachen, die die Elimination der Immunsuppressiva hemmen. Der häufigste Fehler mag die gleichzeitige Gabe von Methotrexat mit Protonenpumpeninhibitoren sein, da Letztere oft parallel mit systemischen Glukokortikoiden verordnet werden. Die dadurch potenzierte Myelo-, Hepato- und Nephrotoxizität von Methotrexat (wegen Hemmung seiner renalen Elimination) kann durch die Gabe von H2-Antihistaminika

Abb. 4 9 Schwere Hautatrophie als Folge einer topischen Langzeittherapie mit Clobetasol-haltiger Creme

(z. B. Ranitidin 300 mg/Tag) statt Protonenpumpeninhibitoren vermieden werden. Eine weitere, potenziell lebensgefährliche Kombination ist Azathioprin mit Allopurinol oder Aminosalizylsäurederivaten wie Mesalazin oder Sulfasalazin (Hemmung der Metabolisierung von Azathioprin). Zudem sollte die gleichzeitige Gabe von Azathioprin und ACEHemmern (erhöhte Myelotoxizität), Mycophenolat und Aciclovir (Konkurrenz um die renale Sekretion) sowie Methotrexat und nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamenten (NSAIDs) über einen längeren Zeitraum (unerwartet starke Knochenmarksuppression, aplastische Anämie und gastrointestinale Toxizität) vermieden werden. Eine Kombination verschiedener Immunsuppressiva wird wegen der höheren Gefahr der Myelo-, Hepato- und Nephrotoxizität nicht empfohlen.

Lineare IgA-Dermatose Die Ätiopathogenese der LAD ist der des BP ähnlich. Bei der LAD dominieren jedoch IgA-Autoantikörper gegen BP180, die für die therapeutischen Unterschiede verantwortlich sind. Auch die LAD kann mitunter durch Medikamenteneinnahme induziert werden. Als häufigste Auslöser gelten Vancomycin und Lithium, aber auch Diclofenac, Captopril und Phenytoin wurden beschrieben. Das klinische Bild ist dem BP ähnlich (Juckreiz, urtikarielle Plaques, pralle Blasen).

DDPrädilektionsstellen der linearen IgA-Dermatose sind der Kopf und der Anogenitalbereich. Die Blasen oder Bläschen sind oft gruppiert, anulär bzw. rosettenartig angeordnet [7, 12]. Eine Schleimhautbeteiligung tritt wesentlich häufiger auf als beim BP.

Therapie Grundsätzlich ist die Behandlung der LAD der des BP ähnlich. Für eine Systemtherapie ist jedoch Dapson Mittel der Wahl (1–1,5 mg/kg/Tag p.o.; [8]). Die Enzymaktivität der Glucose-6-Phosphatdehydrogenase sollte vor Anwendung bestimmt werden. Ein Enzymmangel kann zu potenziell letalen Komplikationen führen. Eine obligate Konsequenz der Therapie sind eine Hämolyse und eine Methämoglobinbildung, die zusammen mit anderen Faktoren (z. B. Nikotinabusus, ischämische Herzerkrankung, Emphysem) ernsthafte ischämische Komplikationen (Schlaganfall, Myokardinfarkt) begünstigen können. Zudem kann die Hypoxie zu Adynamie und Schwindel führen. Laborkontrollen (Differenzialblutbild, Leber- und Nierenwerte) sollten in den ersten 3 Monaten wöchentlich, später alle 2 bis 3 Monate erfolgen. Bei Auftreten eines Dapson-Hypersensitivitätssyndroms, bei schwerer Neutropenie oder Agranulozytose muss Dapson sofort abgesetzt werden. Weitere Details sind unter Referenz [12] zu finden.

Schleimhautpemphigoid Im Gegensatz zum BP befällt das MMP vor allem die Schleimhäute. Nicht selten tritt eine Vernarbung auf, die gefährliche, irreversible und quälende Komplikationen verursachen kann (z. B. Larynxstenose). Am häufigsten ist die Mundhöhle betroffen, aber die Schleimhäute von Augen, Nase, Pharynx, Larynx, Ösophagus und genitoanaler Region können ebenfalls betroffen sein [7]. Die Diagnostik ist durch häufig falsch negative Befunde oft schwierig und sollte ggf. wiederholt werden. DDEssenziell ist eine direkte Immunfluoreszenz periläsionaler Schleimhaut bzw. von der Wangenschleimhaut. Der Hautarzt 8 · 2015 

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Fachnachrichten Der Verlauf des MMP ist im Gegensatz zum BP hochchronisch und aufgrund der Vernarbungen oft ungünstig. Die Therapie ist mit der eines schweren BP im Wesentlichen identisch, meist ist eine systemische Langzeittherapie mit Glukokortikoiden und adjuvanten Immunsuppressiva erforderlich [8, 9].

Fazit für die Praxis 55Bei allen chronisch juckenden, entzündlichen Dermatosen im Alter ist ein BP auszuschließen. 55Die DIF und die Autoimmunserologie sind die wichtigsten diagnostischen Methoden. 55Die Therapie sollte sich nach Schweregrad und Komorbiditäten des Patienten richten. 55Bei geriatrischen Patienten sollten die Medikamente sorgfältig hinsichtlich Interaktionen und Nebenwirkungen überprüft werden.

Korrespondenzadresse Dr. M. Sárdy MD, PhD Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie Ludwig-Maximilians-Universität Frauenlobstr. 9–11 80337 München [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  O.N. Horváth, J. Jankásková, A. Walker und M. Sárdy geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben.

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Verleihung des DDL-LaserInnovationspreises Die Verleihung des Laser-Innovationspreises war eines der großen Highlights der diesjährigen DDL-Jahrestagung. Der mit 3.000 Euro dotierte Preis ging in diesem Jahr an Prof. Dr. Jens Malte Baron, leitender Oberarzt an der Hautklinik der RWTH Aachen. Baron erhielt die Auszeichnung für sein standardisiertes Wundheilungsmodell. Das neu entwickelte Testsystem, in dem die Wirkung von Salben und Cremes auf den Wundverschluss untersucht werden kann, bestätigt den positiven Einfluss von Dexpanthenol auf die Wundheilung. Der Titel seiner Arbeit lautet: „Characterization of a novel standardized human three-dimensional skin wound healing model using non-sequential fractional ultrapulsed CO2 laser treatments”.

Verleihung des Laser-Innovationspreises (v.l.n.r.): DDL-Präsident Dr. G.-M. Kautz, Prof. Dr. J. M. Baron, Vizepräsident Dr. N. Seeber Quelle: ART.media Public Relations

[Pemphigoid diseases. Autoimmune diseases in the elderly].

The incidence and thereby also the relevance of pemphigoid diseases have significantly increased in elderly patients...
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