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Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014) xxx, xxx—xxx

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ScienceDirect journal homepage: http://journals.elsevier.de/zefq

SCHWERPUNKT

Periodische Gesundheitsuntersuchungen im internationalen Vergleich Periodic Health Examinations — an international comparison Catarina Steinkohl ∗, Norbert Donner-Banzhoff Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin der Philipps-Universität Marburg, Marburg Eingegangen/submitted 9. Oktober 2013; überarbeitet/revised 3. April 2014; akzeptiert/accepted 4. April 2014

SCHLÜSSELWÖRTER Periodische Gesundheitsuntersuchungen; Primärprävention; kardiovaskuläre Erkrankungen; internationaler Vergleich; Fallstudie; Versorgungsforschung



Zusammenfassung Hintergrund: Periodische Gesundheitsuntersuchungen dienen dem Vorbeugen von Krankheiten durch frühe Intervention und durch die Stratifizierung des Gesundheitsrisikos von Patienten. Die deutsche Gesundheitsuntersuchung nach §25 SGB V erscheint in vielen Belangen als veraltet. Um jedoch eine fundierte Alternative entwickeln zu können, ist eine internationale Bestandsaufnahme von Gesundheitsuntersuchungen in anderen, aber doch vergleichbaren Gesundheitssystemen von Nutzen. Fragestellung: Diese Arbeit untersucht die Angebote zur Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen in sieben verschiedenen Ländern. Die Inhalte, die Umsetzung und die Organisation der Programme werden dargestellt und miteinander verglichen. Methodik: Die vorliegende Studie wurde als qualitative, multiple Fallstudie konzipiert. Daten zu den kardiovaskulären Früherkennungsprogrammen in sieben verschiedenen Gesundheitssystemen wurden per Internetrecherche über öffentlich zugängliche Informationen erhoben. Die Daten wurden in eine zuvor erstellte Matrix eingepflegt, die relevante Punkte zu Früherkennungsuntersuchungen abdeckt. Abschließend wurden die Daten durch Leitfaden-gestützte Schlüsselinformanteninterviews trianguliert. Dazu wählten wir je einen Hausarzt pro Land aus. Die jeweiligen Angebote wurden anschließend analysiert und miteinander verglichen. Ergebnisse: Die Angebote zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind heterogen aufgebaut. Die Strukturen reichen von Leitlinien-Empfehlungen (Castilla y León, Schweiz, Norwegen) über Anreizzahlungen für Ärzte (British Columbia) zu opportunistischen und bevölkerungsbasierten Programmen (Deutschland bzw. England und Group Health, USA). Die amerikanische Health Maintenance Organization Group Health bietet ein etabliertes, evidenzbasiertes Angebot an, wohingegen die deutsche Gesundheitsuntersuchung aus einer Zeit stammt, in der die Frage nach Evidenz noch nicht gestellt wurde und daher vergleichsweise veraltet wirkt.

Korrespondenzadresse: Ms. Catarina Steinkohl, Philipps-Universität Marburg, Präventive und Rehabilitative Medizin, Karl-von-FrischStrasse 4, 35043 Marburg, Germany. E-Mail: [email protected] (C. Steinkohl).

http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.04.003 1865-9217/

Please cite this article in press as: Steinkohl C, Donner-Banzhoff N. Periodische Gesundheitsuntersuchungen im internationalen Vergleich. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014), http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.04.003

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C. Steinkohl, N. Donner-Banzhoff Diskussion: Trotz des Wissens um wissenschaftliche Evidenz bei der Früherkennung von HerzKreislauf-Erkrankungen, ist diese nicht in allen hier betrachteten Gesundheitsuntersuchungen verankert. Als mögliche Einflussfaktoren werden soziokulturelle und politische Aspekte diskutiert.

KEYWORDS Periodic health examination; primary prevention; cardiovascular disease; international comparison; case study; health services research

Summary Background: The purpose of periodic health examinations is to prevent disease through early intervention and through stratifying individual patients’ health risk. The German health examination as defined in section 25 of the Social Code Book V (Sozialgesetzbuch V) seems to be outdated in many respects. In order to develop an alternative to the current German system an international comparison of periodic health examinations in other healthcare systems is useful. Objective: The study investigates the measures taken for primary prevention of cardiovascular disease in seven countries. Content, implementation and organisation of the various programmes are analysed in the present paper. Methods: The present study was designed as a qualitative multiple case study. The collection of data on cardiovascular screening programmes in the seven different healthcare systems in this study relies on information publicly available on the Internet. The data were entered into a matrix which had been created prior to the data collection and which covers the relevant points of screening. Finally, the data were triangulated using guided telephone interviews with key informants. One general practitioner (GP) was interviewed per country. The measures taken in the respective healthcare systems were then compared and analysed. Results: The measures taken in the countries studied for the primary prevention of cardiovascular disease are heterogeneous. The structures range from guideline recommendations (Castilla y León, Switzerland, Norway), and incentive payments for doctors (British Columbia), to opportunistic and population-based programmes (Germany and England, and Group Health in the US). The American health maintenance organisation Group Health offers an established, evidence-based programme whereas the German health examination dates back to a time when evidence-based medicine was not yet established and is therefore relatively outdated. Discussion: Despite scientific evidence of primary prevention of cardiovascular disease, evidence-based measures cannot be found in all the healthcare systems analysed. The paper discusses sociocultural and political aspects as influencing factors on prevention programmes.

Einleitung Kardiovaskuläre Erkrankungen zählen zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Daher sind sie für den einzelnen Patienten, aber auch für Sozialpolitik und Gesundheitsökonomie bedeutsam [1]. Das Vorhandensein von Risikofaktoren spielt ätiologisch eine entscheidende Rolle und bietet Möglichkeiten der Prävention, z.B. im Rahmen von periodischen Gesundheitsuntersuchungen. Diese werden definiert als ein oder mehrere Arztkontakte mit dem primären Ziel, das Gesundheitsrisiko des Patienten zu stratifizieren und durch frühe Intervention die Entstehung von Krankheiten zu verhindern [2]. In Deutschland existiert seit 1989 das Angebot zur Gesundheitsuntersuchung nach §25 SGB V (kurz GU oder check-up 35). Diese richtet sich an gesetzlich Versicherte ab dem 36. Lebensjahr und kann alle zwei Jahre in Anspruch genommen werden. Ziel ist die Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Nierenerkrankungen. Der gemeinsame Bundesausschuss (g-BA), der in Deutschland die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen bestimmt, sieht für die Gesundheitsuntersuchung die Erhebung einer ausführlichen Anamnese vor, die Eigen-, Familien- und Sozialanamnese umfasst und bestimmte Risikofaktoren abfragt (Rauchen, Bewegungsmangel, psychische Belastungsfaktoren, Übergewicht und Alkohol). Neben einer körperlichen Untersuchung (Ganzkörperstatuts) erfolgen außerdem die Bestimmung von Gesamtcholesterin und Glucose im Serum sowie ein

Harnstreifentests auf Eiweiß, Glucose, Erythrozyten, Leukozyten und Nitrit im Urin. Auf einem Berichtsvordruck werden alle Ergebnisse dokumentiert. Dieser verbleibt beim Arzt. Abschließend — oft im Rahmen einer zweiten Konsultation — erhält der Patient eine den Befunden entsprechende Beratung über seine individuellen Risikofaktoren und über sinnvolle vorbeugende Verhaltensänderungen bzw. notwendige Therapiemaßnahmen [3]. In weiten Teilen muss die deutsche GU jedoch als veraltet angesehen und ihr Nutzen kritisch hinterfragt werden. Vielfach kritisiert werden hier der Bewertungsprozess für neue Untersuchungsverfahren, die geringe Partizipationsrate, die fehlende Zielgruppenorientierung und die mangelnde Aktualität einzelner Inhalte [4—7]. Dies legt die Notwendigkeit einer Reform der deutschen GU nahe. Um jedoch eine fundierte Alternative entwickeln zu können, kann ein Vergleich mit Gesundheitsuntersuchungen und Präventionskonzepten anderer Länder eine nützliche Orientierung bieten. Ziel dieser Arbeit ist daher, zu untersuchen, welche Maßnahmen der kardiovaskulären Primärprävention in anderen, aber doch vergleichbaren Ländern/Gesundheitssystemen angeboten werden und wie diese Maßnahmen organisiert und umgesetzt werden.

Methode Die Untersuchung wurde als qualitative Fallstudie konzipiert. Die Fälle bilden sieben verschiedene Länder bzw.

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Periodische Gesundheitsuntersuchungen im internationalen Vergleich Regionen und deren Angebote zu Gesundheitsuntersuchungen. Die Auswahl der Fälle erfolgte mit dem Ziel eine relevante Variabilität in der Stichprobe abzubilden, aber auch nach praktischen Gesichtspunkten (Verständnis der Landessprache, Zugänglichkeit zu Informationen). Ob überhaupt eine Gesundheitsuntersuchung in einem der Länder angeboten wurde, war initial nicht bekannt. In den Vergleich aufgenommen wurden die Länder Deutschland, Großbritannien, die Schweiz, Norwegen, Spanien, die USA und Kanada. In Ländern mit betont föderalistischen (aber nach einheitlichen Prinzipien gestalteten) Gesundheitssystemen konnten nur einzelne Regierungsbezirke bzw. einzelne Regionen betrachtet werden. Dies betraf Großbritannien (NHS England), Kanada (British Columbia), die Schweiz (Fribourg) und Spanien (Castilla y León). Aus der Vielzahl der Gesundheitsanbieter der USA wurde die Health Maintenance Organization (HMO) Group Health ausgewählt. Durch ihre integrierte Versorgungsstruktur (payer und provider innerhalb eines Systems) kann ihr ein besonders hohes Interesse an Prävention unterstellt werden. Die Auswahl richtete sich vor allem nach der Zugänglichkeit zu den benötigten Daten. Um herauszufinden, welche Früherkennungsangebote in den Ländern bestanden, wurden öffentlich zugängliche Informationen erhoben (Richt- oder Leitlinien, Gesetzestexte, Patientenbroschüren, Leistungskataloge der Krankenversicherer oder Publikationen zum Thema). Sie waren über das Internet zugänglich oder konnten bei Mitarbeitern der entsprechenden Instanzen telefonisch oder via E-Mail erfragt werden. Die so gewonnenen Daten wurden in einer zuvor erstellten Matrix in entsprechende Kategorien eingeordnet [8]. Die Kategorien waren vor Beginn der Recherche so gewählt worden, dass sie ein umfassendes Bild von Früherkennungsuntersuchungen zeichnen konnten. Sie bezogen sich auf Elemente zu Inhalten (z.B. welche Untersuchungen?/ welche Zielgruppe?), Umsetzung (z.B. Vergütung Leistungserbringer?/ Selbstbeteiligung Patient?/ Versorgungseinrichtung?/ Untersuchungsintervall?/ Einladung zur Teilnahme?/ Teilnehmerquote?/ Dokumentation?/ Konsequenzen aus Untersuchungsbefunden?) und Organisation von Gesundheitsuntersuchungen (Kostenträger?/ Gestaltungsund Aktualisierungsprozesse?). Ein Feld wurde für Kommentare und Anmerkungen eingerichtet, um auch Auffassungen und Ansichten Beteiligter zu berücksichtigen und um Raum für Überlegungen über mögliche Zusammenhänge zu geben. Am Ende der Datenerhebung wurde mit je einem Schlüsselinformanten ein leitfaden-gestütztes Telefon-Interview [9] auf Deutsch oder Englisch geführt; dazu wurde über persönliche Kontakte ein Hausarzt pro Land bzw. Region rekrutiert. Die Interviews wurden digital aufgezeichnet und anschließend schriftlich zusammengefasst. Diese Triangulation diente dazu, die zuvor gewonnenen Informationen abzugleichen und ggf. zu ergänzen. Probleme traten bei den Ländern auf, in denen keine Programme existierten und die damit aus dem Raster der Matrix fielen. Bei diesen Ländern wurde die Matrix so weit wie möglich ausgefüllt, die übrigen Informationen in Textform verfasst und in der Matrix ein Querverweis zu der entsprechenden Datei hinterlegt. Für die Analyse der Daten wurden drei Tabellen erstellt, die nach Untersuchung, Umsetzung und Organisation der Programme unterteilt wurden. So konnten die einzelnen Merkmale der Programme in den verschiedenen Ländern einander gegenüberstellt werden,

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um systemübergreifende Einflussfaktoren auf die Gestalt von Früherkennungsuntersuchungen identifizieren zu können. Zur theoretischen Orientierung diente dabei die ladder of analytical abstraction [8], die das induktive Vorgehen der qualitativen Forschung beschreibt: Nach dem Erheben der ,,Rohdaten‘‘, beginnt schon bei der Darstellung der Daten ein analytischer Prozess, der zum Herstellen von Zusammenhänge zur Identifikation von Einflussfaktoren dient. So kommt es zur Entwicklung eines Erklärungsmusters, das zur Theorienbildung beiträgt. Diese immer abstrakter werdenden Schritte lassen sich mit den Stufen einer Leiter vergleichen, die man nacheinander erklimmt.

Ergebnisse Von den sieben untersuchten Ländern werden in vier Gesundheitsuntersuchungen im weitesten Sinne angeboten. In den übrigen, d.h. Castilla y León, der Schweiz und in Norwegen, finden sich Leitlinienempfehlungen zur Früherkennung kardiovaskulärer Krankheiten. In Tabelle 1 werden die Inhalte der Gesundheitsuntersuchungen in Deutschland, England, British Columbia und bei ‘‘Group Health’’ dargestellt. Das Angebot in British Columbia richtet sich in erster Linie an Hausärzte, da die sog. personal health risk assessment fee einen finanziellen Anreiz zur kardiovaskulären Primärprävention bei Patienten mit definierten Risikofaktoren (Rauchen, körperliche Inaktivität, ungesunde Ernährung, Fettleibigkeit) setzt. Eingesetzte Untersuchungen, deren Zeitintervall und weiterführende Maßnahmen bei positiven Befunden sind nicht festgelegt. Ziel ist, dem Patienten sein individuelles Gesundheitsrisiko bewusst zu machen und ihm Hilfen zur Lebensstiländerung mitzugeben. Damit hebt sich das Angebot deutlich von den anderen Programmen ab, die engere Vorgaben machen. Bei ‘‘Group Health’’ werden sog. well-care visits für alle Versicherungsnehmer über 18 Jahren angeboten. Die vorgegebenen Untersuchungen sind sehr umfassend und abhängig von Altersgruppe und Geschlecht. In unserer Analyse konzentrieren wir uns auf die Angebote zu HerzKreislauf-Erkrankungen. Die Zielgruppe für den NHS Health Check in England sind die 40-74-jährigen, welche die Untersuchung alle fünf Jahre in Anspruch nehmen können. Bei ‘‘Group Health’’ und beim NHS Health Check sind weiterführende Diagnostik und Therapie bei pathologischen Befunden festgelegt (Beispiel NHS Health Check: Vorstellung beim Diabetologen bei bestimmten Nüchtern-Blutzucker-Werten oder Durchführung eines oralen Glucose-Toleranz-Tests beim Hausarzt). In Deutschland bietet die gesetzliche Krankenversicherung ihren Versicherten ab 35 Jahren die GU alle zwei Jahre an. Deutschland ist das einzige Land, das eine Ganzkörperuntersuchung und die Bestimmung des Gesamt-Cholesterins ohne HDL-Fraktion sowie einen Harnstreifentest auf Eiweiß, Glucose, Erythrozyten, Leukozyten und Nitrit im Urin vorsieht. Tabelle 2 zeigt umsetzungsbezogene Aspekte der Gesundheitsuntersuchungen. In allen vier Ländern ist sie Domäne der Hausärzte, in England wird der NHS Health Check z.T. auch von Apothekern und in vielen Hausarztpraxen von sog. practice nurses (spezialisierte Krankenschwestern) durchgeführt. Einladungen zur Teilnahme werden nur in England und bei ‘‘Group Health’’ verschickt. Die Daten, die zur Darstellung der Inanspruchnahme gesammelt werden

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C. Steinkohl, N. Donner-Banzhoff Tabelle 1

Untersuchungsbezogene Elemente von Gesundheitsuntersuchungen.

Angebots- bezeichnung Zielgruppe Differenzierung nach Geschlecht Eingesetzte Untersuchungen: -Anamnese -Körperliche Untersuchung - Labor

-Apparative Untersuchung Häufigkeit

Deutschland

UK England

Kanada British Columbia

USA Group Health

Gesundheitsuntersuchung ab 35 J.

NHS Health Check

well-care-visit

×

×

health risk assessment fee Vorhandensein v. Risikofaktoren ×





Ganzkörperunters., Blutdruck Ges.-Cholesterin, Glucose, Harnstreifentest × alle 2 J

BMI, Blutdruck

40-74 J.

Ges.-Cholesterin, HDL, ggf. Glucose, HbA1c × alle 5 J

nicht festgelegt nicht festgelegt

Group-HealthVersicherte √

√ Blutdruck

nicht festgelegt

Ges.-Cholesterin, HDL

nicht festgelegt Abrechnung 1×/Jahr/Patient

Ultraschall für AAA abh. von Alter & Geschlecht, Test*

Zeichenerklärung √ ja; × nein; AAA Abdominelles Aortenaneurysma * Frauen 45-75 Jahre: Cholesterin alle 5 Jahre, Blutdruck alle 2 Jahre; Männer 35-75 Jahre: Cholesterin alle 5 Jahre, Blutdruck alle 2 Jahre; Frauen und Männer > 65 Jahre: jährlich Blutdruck; Männer und Frauen zwischen 55-75 Jahren, die eine positive Familien-Anamnese oder mehr als 100 Zigaretten geraucht haben: einmalig Ultraschall auf ein abdominelles Aortenaneurysma (AAA)

konnten, variierten je nach Erhebungstechnik und untersuchter Region im jeweiligen Land stark. In British Columbia lagen noch keine Daten zur Partizipationsrate vor, da das Angebot erst wenige Jahre besteht und noch nicht evaluiert wurde. Werbung für die Gesundheitsuntersuchung fand nur statt beim NHS Health Check in England, z.B. in Form von Werbespots im Fernsehen und Radio oder als Plakatwerbung. Dokumentationsvordrucke für Ärzte fanden sich in Deutschland und bei ‘‘Group Health’’. Konkrete Maßnahmen, die sich aus auffälligen Untersuchungsbefunden ergeben sollen, sind nur in England, bei ‘‘Group Health’’ und in relativ allgemeiner Form in British Columbia festgelegt. Tabelle 3 führt die organisationsbezogenen Elemente der Gesundheitsuntersuchungen auf. Anreize für

Tabelle 2

Leistungserbringer, z.B. durch extrabudgetäre Abrechnung oder Prämienauszahlungen, finden sich in Deutschland, British Columbia und bei ‘‘Group Health’’. Anreize zur Teilnahme für den Patienten finden sich derzeit in Deutschland und bei ‘‘Group Health’’. In Deutschland werden von den Krankenkassen Bonuspunkte für gesundheitsbewusstes Verhalten vergeben, die beispielsweise in Geldoder Sachprämien eingelöst werden können. Bei ‘‘Group Health’’, bzw. in den USA, übernehmen z.T. die Arbeitgeber einen Anteil der Krankenversicherungskosten für gesundheitsbewusste Arbeitnehmer. Die Institutionen, die die Gestaltungsrichtlinien der Gesundheitsuntersuchungen festlegen, sind eng mit deren Kostenträgern (Krankenversicherungen oder staatlichen Institutionen, je nach

Umsetzungsbezogene Elemente von Gesundheitsuntersuchungen. Deutschland

UK England

Kanada British Columbia

USA Group Health

Berufsgruppen -Hausärzte -andere Gesundheitsberufe









×

×

×

Aufforderung zur Teilnahme Inanspruchnahme Werbung Dokumentationsvordruck definierte Konsequenzen

× 30-50% × √

Practice nurse, Apotheker √

×

30-80% √ × √

× × × √ ( )

√ 50% × √ √

Zeichenerklärung √ √ ja; × nein; ( ) teilweise; - keine Daten

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Periodische Gesundheitsuntersuchungen im internationalen Vergleich Tabelle 3

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Organisationsbezogene Elemente von Gesundheitsuntersuchungen. Deutschland

Anreize f. Leistungserbringer Anreize f. Patienten Gestalter Aktualisierung wird angeboten seit

√ √ g-BA × 1989

UK England

Kanada British Columbia √

× × Department of Health √ 2009, noch nicht landesweit

× GPSC √ 2011, davor: health risk assessment fee

USA Group Health √ √ GHRI, Dpt. for Preventive Care √ 1970er Jahre

Zeichenerklärung √ ja; × nein g-BA gemeinsamer Bundesausschuss GPSC General Practitioners Service Committee GHRI Group Health Research Institute

Systemstruktur) verbunden. Einzig bei ‘‘Group Health’’ findet sich mit dem Group Health Research Institute (Abteilung des Department for Preventive Care) eine vorwiegend aus Wissenschaftlern bestehende Instanz. Das General Practitioners Service Committee in British Columbia nimmt eine gewisse Sonderstellung ein, da es u.a. zur Förderung des Fachs Allgemeinmedizin und zur Verbesserung der Primärversorgung in British Columbia gegründet wurde. Integrierte Aktualisierungsprozesse finden sich in allen Programmen außer in Deutschland. Hier könnte erst nach Stellung eines qualifizierten Beratungsantrags an den gemeinsamen Bundesausschuss (g-BA) oder durch ein unparteiisches Mitglied eine zeitlich aufwändige Prüfung und Anpassung des Programmes erfolgen. Die untersuchten Früherkennungsuntersuchungen existieren unterschiedlich lange. Die deutsche GU wird seit 1989 angeboten und wurde seither nur wenig modifiziert. Damit stellt sie das älteste Programm dar. (Bei ‘‘Group Health’’ existieren well-carevisits schon seit den 1970er Jahren, wurden aber seither häufig geändert, so dass das Angebot insgesamt aktueller ist als die deutsche GU). Das kanadische Programm ist das jüngste Präventionskonzept in dieser Studie. Bei der amerikanischen Health Maintenance Organization ‘‘Group Health’’ hat Prävention im Versorgungsalltag seit ihrer Gründung eine wichtige Rolle eingenommen. Entscheidend dafür ist, dass in Managed Care Organizations gegen feste Beiträge die medizinische Versorgung gesichert werden muss. Dadurch entsteht ein unmittelbares ökonomisches Interesse am Gesundheitserhalt der betroffenen Population. In British Columbia und in England bestehen die Maßnahmen zur Früherkennung kardiovaskulärer Erkrankungen in der hier betrachteten Form erst seit kurzer Zeit. In British Columbia existierte bereits ein Anreizsystem für Hausärzte und in die bestehenden Strukturen wurde die personal health risk assessment fee als weiteres Element eingebettet. In England hingegen war der NHS Health Check die Reaktion auf die Forderung des UK National Screening Committee nach einem kardiovaskulären Risiko-Management-Programm aufgrund der Zunahme lebensstilbezogener Erkrankungen. Im

Vergleich zu den anderen Programmen stammt die deutsche GU aus einer Zeit, in der die Frage nach Evidenz noch nicht gestellt wurde. Nur unter großem bürokratischem Aufwand kann dies angemessen revidiert werden. In Norwegen, der Schweiz und in Spanien (Castilla y Léon) existieren keine dezidierten Programme, sondern lediglich Leitlinienempfehlungen zur kardiovaskulären Primärprävention. Daher wurden im Rahmen dieser Studie die gesundheitspolitischen, wissenschaftlichen und hausärztlichen Einflussfaktoren sowie deren Wechselbeziehungen untersucht, auf die spezielle Situation in diesen Ländern kann an dieser Stelle nur kurz eingegangen werden: Norwegen hat sich auf der Basis epidemiologischer Daten gegen ein organisiertes Screeningprogramm entschieden [10]. In der Schweiz bestehen derzeit keine klaren Strukturen für oder gegen kardiovaskuläre Screeningmaßnahmen. Eine Stärkung der Prävention wird aber angestrebt. Im staatlichen Gesundheitssystem Spaniens erfolgt die Herz-Kreislauf-Prävention ebenfalls nicht als organisiertes, staatliches Programm, sondern opportunistisch im Rahmen des sog. ‘‘Programms für Prävention und Gesundheitsförderung’’ (PAPPS), beruhend auf Empfehlungen von Fachgesellschaften, die nicht bindend sind.

Diskussion Der hier vorgenommene Vergleich von Früherkennungsangeboten zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen verdeutlicht die Heterogenität von Umsetzungs- und Organisationsstrukturen sowie Untersuchungsinhalten in den verschiedenen Ländern. Die Strukturen reichen von Leitlinienempfehlungen (Castilla y León, Schweiz, Norwegen) über opportunistische Angebote (British Columbia, Deutschland) bis hin zu bevölkerungsbasierten Programmen (‘‘Group Health’’, England). Um die Hintergründe der strukturellen Unterschiede zu beleuchten, bezieht sich die Diskussion auf mögliche Einflussfaktoren, die die Gestalt von Früherkennungsuntersuchungen prägen. Zunächst folgen jedoch ein Abschnitt zur Reflexion über die angewandte Methodik sowie ein kurzer Literaturüberblick.

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Die Untersuchung wurde als qualitative, multiple Fallstudie (multiple case study) konzipiert. So konnten die verschiedenen Präventionsmaßnahmen in ihrem jeweiligen Kontext untersucht und ein umfassendes Bild der Inhalte, Organisationsformen und Umsetzungsarten von Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen in sieben verschiedenen Gesundheitssystemen gezeichnet werden. In die Stichprobe wurden Gesundheitssysteme eingeschlossen, deren Organisationsformen, Finanzierungsmodelle und Ausprägung des Primärarztsystems eine recht große Vielfalt widerspiegeln. Dadurch kommt eine heterogene Stichprobe zustande, die einerseits viele Informationen zu Früherkennungsmaßnahmen liefert, andererseits jedoch die Entschlüsselung übergreifender Bestrebungen und Trends, die evtl. mit dem Gesundheitssystemkontext in Zusammenhang stehen, erschwert. Neben der Datenerhebung mittels Internetrecherche kamen auch Schlüsselinformanteninterviews zum Einsatz. Diese Triangulation der Datenquellen trägt zur internen Validität der Studie bei. Allerdings wurde nur ein Interview pro Land geführt. Ein Gegenlesen der Ergebnisse durch die Schlüsselinformanten wäre vorteilhaft gewesen. Aufgrund der sprachlichen Unterschiede war dies aber nicht praktikabel. Zu unterschiedlichen Anteilen mischen sich in dieser Arbeit Daten aus Selbst- und Fremddarstellungen. Eine dadurch möglicherweise entstandene Verzerrung ist nicht auszuschließen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass nur ein Untersucher für das Zusammentragen der Daten in allen sieben Ländern zuständig war. Die Informationen lagen zumeist in Landessprache vor, manchmal zusätzlich auf Englisch. Es kann zu einem Selektionsbias gekommen sein, da beispielsweise nur einfach geschriebene, übersichtliche Texte berücksichtigt worden sein könnten. Andererseits konnten durch die Schlüsselinformanteninterviews eventuelle Missverständnisse aufgedeckt und unklare Sachverhalte geklärt werden. Trotz stärkster Bemühungen war es nicht in allen Fällen möglich, die entsprechenden Daten zu finden bzw. Zugang zu ihnen zu erlagen, hier waren die Schlüsselinformanteninterviews die einzige Datenquelle (z.B. bei ,,Vergütung Leistungserbringer‘‘ und ,,Anreize Patient‘‘ bei ‘‘Group Health’’ und z.T. auch bei den Ländern ohne Programme zur kardiovaskulären Primärprävention). In den anderen Fällen stimmten die Angaben aus Interviews und den Quellen stets überein. Abschließend ist noch der lange Zeitraum der Datenerhebung über 16 Monate als kritischer Aspekt zu betrachten. Ein langes Datenerhebungsverfahren in einem dynamischen Feld wie der Versorgungsforschung könnte unvorteilhaft sein. Allerdings wurden am Ende der Erhebung alle verwendeten Daten auf ihre Aktualität überprüft. Insgesamt bedingt die hier gewählte Kombination von Forschungsfrage und Studiendesign ein stark interpretatives Vorgehen bei der Auswertung und Analyse der Daten. Dies erhöht das Risiko eines bias. Diese Arbeit stellt erstaunlicherweise eine der wenigen Untersuchungen zum Thema kardiovaskulärer Gesundheitsuntersuchungen im internationalen Vergleich dar. Van Lishout et al. (2008) beschreiben kardiovaskuläre Präventionsprogramme in zehn europäischen Ländern und Israel [11]. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Zusammenhang zwischen Hausarztsystem und der Primär- und Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen und weniger auf inhaltlichen Programmmerkmalen. Eine weitere

vergleichbare Arbeit ist die EuroHeart-Studie von Cowburn et al. (2009) [12]. Diese betrachtet eher Gesundheitsförderungsprogramme aus dem Public-Health-Bereich. Im Folgenden werden verschiedene Gründe diskutiert, die Einfluss auf die Verankerung von Gesundheitsleistungen in einem Gesundheitssystem haben. Denn obwohl das Wissen um Evidenz hinreichend bekannt sein sollte, finden sich evidenzbasierte Früherkennungsmaßnahmen nur unzureichend im Versorgungsalltag wieder (in Deutschland: Erhebung eines Ganzkörperstatus, keine altersund geschlechtsspezifischen Untersuchungen). Die Inhalte von Gesundheitsuntersuchungen stehen im Wechselspiel von Patientenerwartungen und medizinischer Sinnhaftigkeit [13]. Dies trägt u.a. dazu bei, dass teilweise nicht-evidenzbasierte Leistungen in der GU und anderen Programmen angeboten werden. Zusatzleistungen ohne erwiesenen Nutzen (Ruhe-EKG, Kreatinin-Bestimmung, kleines Blutbild) können in Deutschland von Patienten gegen Zuzahlung erworben werden [14]. Weiterhin prägt das soziale System eines Landes die Gestalt von Früherkennungsuntersuchungen: Männer mit geringerem sozioökonomischen Status und niedrigerem Einkommen nehmen weniger häufig an einer check-up-Untersuchung teil als Frauen oder Angehörige höherer sozialer Schichten. Darüber hinaus findet sich bei Nicht-Teilnehmern häufiger gesundheitsschädigendes Verhalten durch Rauchen, Alkoholkonsum und schlechte Ernährung [15]. Zudem korreliert eine mangelnde Teilnahmebereitschaft der Patienten häufig mit gesundheitsschädigendem Verhalten [16]. Die Erreichbarkeit von sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen sollte daher ein Ziel nationaler Früherkennungsprogramme sein [17]. In England scheint das Bestreben zur Chancengleichheit im Gesundheitswesen stärker ausgeprägt als in den anderen Ländern dieser Stichprobe. So werden dort z.B. Einladungen versandt und Werbung für den NHS Health Check gemacht, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Dies verdeutlicht den im NHS stärker ausgeprägten Bevölkerungsbezug. Als ein weiterer Einflussfaktor auf Gesundheitsleistungen können politische Maßnahmen diskutiert werden: Politische Entscheidungen stellen häufig einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Interessensgruppen dar und sind an die Dauer einer Legislaturperiode gebunden [18]. Dadurch werden manche Maßnahmen erst verspätet politisch verankert, auch wenn ihre Evidenzgrundlage bereits nachgewiesen ist. Eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Wissenschaftlern, Politikern und anderen Entscheidungsinstanzen ist daher von zentraler Bedeutung. Neben den Erwartungen der Patienten, dem sozialen System und den politischen Entscheidungsträgern innerhalb eines Gesundheitssystems, spielt auch die Medizin als wissenschaftliche Disziplin ein Rolle für die Gestaltung von Früherkennungsuntersuchungen. Die Medizin stützt sich dabei auf die Grundsätze der evidenzbasierten Medizin (EBM). Systematische klinische Studien hoher Validität und Reliabilität und die Anwendung von strenger Methodik sollen zu einer validen Entscheidungsgrundlage in (präventiv)medizinischen Fragen verhelfen [19]. Doch die Evidenz aus Studien muss interpretiert werden, dabei können Werte und Interessen (z.B. von politischen Parteien, Fachgesellschaften, Berufsverbänden und Pharmaindustrie) die Entscheidungsfindung beeinflussen. Daher ist ein für alle Akteure transparenter und nachvollziehbarer Wissensfluss

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Periodische Gesundheitsuntersuchungen im internationalen Vergleich von Fachleuten zu politischen Entscheidungsträgern und zur Öffentlichkeit wichtig [20]. Eine so initialisierte öffentliche Meinungsbildung kann Entscheidungen in Richtung wissenschaftlich fundierter Maßnahmen lenken. Eine Entkopplung der Aktualisierungsprozesse von intransparenten technokratischen oder kommerziellen Entscheidungsprozessen kann diesen Vorgang darüber hinaus beschleunigen. Dass in der allgemeinen Öffentlichkeit die Sinnhaftigkeit und die Gefahren von Screening- oder Früherkennungsuntersuchungen oft unkritisch gesehen werden, soll hier kein Gegenargument sein. Wir sollten hier auf die Lernfähigkeit der Betroffenen setzen.

Fazit Ausgehend von der deutschen Gesundheitsuntersuchung wurden sieben verschiedene Länder in Hinblick auf ihre Angebote zur Primärprävention von Herz-KreislaufErkrankungen untersucht. Es hat sich eine große Spannbreite an Präventionsmaßnahmen gezeigt. Für die Heterogenität der jeweiligen Untersuchungskonzepte wurden Einflussfaktoren diskutiert. Regelmäßige Aktualisierungsprozesse, Verfahren zur Qualitätssicherung und fortlaufende Programmevaluation sind Maßnahmen, die noch nicht überall als feste Strukturen verankert sind, die aber für einen verantwortungsvollen Umgang mit Gesundheit und Ressourcen notwendig sind. Für die Gesundheitsuntersuchung (check-up 35) in Deutschland ist eine umfassende Überarbeitung wünschenswert. Die Untersuchungsinhalte sollten auf ihre Evidenzgrundlage überprüft und alters- und geschlechtsadaptiert angewandt werden. Außerdem sollten die Erwartungen und Ängste des Patienten stärker als bisher berücksichtigt werden, um durch eine ,,individualisierte‘‘ Gesundheitsberatung auch eine langfristige Verhaltensänderung bei den Betroffenen erreichen zu können. Eine fortlaufende Evaluation sollte ermöglicht werden und so strukturierte zukünftige Revisionen erleichtern. Grundsätzlich sind Änderungen der GU in Deutschland auf zwei Arten denkbar: Zum einen könnte über einen Beratungsantrag beim Gemeinsamen Bundesausschuss ein Prozess in Gang gesetzt werden, der langfristig zu einer Überarbeitung der GU führen könnte. Zum anderen könnte eine politisch initiierte, neue Gesetzgebung den Anstoß zu einer Reform bringen. Zusätzlich wäre ein ergänzendes Forschungsprogramm sinnvoll, um künftige Entscheidungen auf eine fundierte wissenschaftliche Basis stellen zu können [7]. Ein ganz eigener Weg wurde im März 2010 im Bundesland Bremen für eine neue GU eingeschlagen: Im Rahmen der Verträge zur Hausarzt-zentrierten Versorgung wurde mit der AOK Bremen/Bremerhaven eine regionale, altersadaptierte, neue Gesundheitsuntersuchung eingeführt, die oben genannte Kritikpunkte an der bisherigen GU in Deutschland berücksichtigt [21]. Dies könnte einen Anknüpfungspunkt für eine bundesweite Erneuerung der Gesundheitsuntersuchung nach §25 SGB V bilden.

Interessenkonflikt Hiermit erkläre ich, dass kein Interessenkonflikt im obigen Sinne vorliegt, d.h. kein Interessenkonflikt gemäß Uniform Requirements for Manuscripts Submitted to Biomedical Journals (Stand Oktober 2004).

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Please cite this article in press as: Steinkohl C, Donner-Banzhoff N. Periodische Gesundheitsuntersuchungen im internationalen Vergleich. Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh. wesen (ZEFQ) (2014), http://dx.doi.org/10.1016/j.zefq.2014.04.003

[Periodic health examinations - an international comparison].

The purpose of periodic health examinations is to prevent disease through early intervention and through stratifying individual patients' health risk...
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