Leitthema Med Klin Intensivmed Notfmed 2014 · 109:504–508 DOI 10.1007/s00063-013-0343-y Eingegangen: 16. Juli 2014 Angenommen: 19. August 2014 Online publiziert: 16. Oktober 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Redaktion
A. Kaltwasser, Reutlingen C. Dodt, München
W. Plücker DKI GmbH, Wuppertal
Personalberechnung in der Pflege Intensivstationen und Intermediate-care-Einheiten
Die Personalbedarfsberechnung in der Pflege für Intensivstationen und spezialisierte Intermediate-care-Einheiten kann auf eine nunmehr über 40-jährige Geschichte verweisen. Dabei sind trotz vieler Aktualisierungen und unter Beachtung der ständig sich wandelnden Rahmenbedingungen in diesem Bereich die wesentlichen Aspekte gleich geblieben: Die ständig zunehmende Arbeitsintensität und die aktuelle Personalausstattung wird von den dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als unzureichend angesehen. Gibt es Berechnungsformeln, die dies ausgleichen können? Kann man eine gerechte Personalausstattung erreichen? Das Thema, gerne auch mit dem Schlagwort Personalbedarf bezeichnet (wobei durch das Wort Bedarf bereits eine quasi rechtskonforme Bewertung unterstellt werden könnte), ist seit nunmehr über 63 Jahren im deutschen Krankenhauswesen ein ständiger Begleiter. Seit dem Jahr 1951 gibt es in unterschiedlicher Intensität von vielen Protagonisten im Krankenhauswesen hierzu Äußerungen in schriftlicher und mündlicher Form in allen möglichen Publikationen. Jetzt also hier auch? Vorab muss festgestellt werden, dass es in Deutschland mit Ausnahme von 2 Verordnungen des Gesetzgebers bzw. der Vertragsführer im Krankenhaus (Deutsche Krankenhausgesellschaft, DJV, und
504 |
gesetzliche Krankenversicherung, GKV) keine offizielle Festlegung zur Personalausstattung aus quantitativer Sicht gibt. Im Verlauf der Jahre hat es sowohl Empfehlungen der DKG, einzelner Landeskrankenhausgesellschaften (z. B. in Baden-Württemberg und Hessen), Forderungen einzelner Fachgesellschaften und Diskussionen mit den Kostenträgern (also den Krankenversicherungen) gegeben, um nur die Wichtigsten zu nennen. Aber diese Empfehlungen – das sagt bereits der Name – sind nicht rechtsverbindlich und nur situationsabhängig zu nutzen. Auch die in der Krankenhausplanung (z. B. die in Nordrhein-Westfalen ab dem Jahr 2015) aufgeführten Vorgaben zur personellen Besetzung in Pflege und Medizin [1] sind derzeit nicht budgetrelevant, also je Ausgestaltung zwischen Kosten- und Krankenhausträgern zu verhandeln. Welche Auswirkungen sich daraus ergeben können, wird im weiteren Verlauf aufgezeigt.
Definition der Intensivpflege und -medizin Insbesondere im Bereich der Intensivpflege – sowohl in der Behandlung als auch in der Überwachung – gab es die ersten Empfehlungen, herausgegeben vom Berufsverband für Anästhesie und Intensivmedizin in Kooperation mit dem Deutschen Krankenhausinstitut, seit Anfang
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2014
der 1970er-Jahre. Dabei wurde die nachfolgende Definition zugrunde gelegt [2]: F Intensivmedizin ist die Intensivüberwachung und Behandlung. F Intensivüberwachung ist die Über wachung und Pflege von Frischoperierten nach schwierigen Eingriffen sowie von Schwerverletzten und Schwerkranken bis zur Überwindung der kritischen Phase der Erkrankung. F Intensivbehandlung ist die Behandlung und Pflege von Schwerkranken, Schwerverletzten und Vergifteten, deren vitale Funktionen (Atmung, Herz-/Kreislauffunktionen,
Infobox 1 Beispielberechnung für den Personalbedarf in einem Frühdienst Der Jahrespersonalbedarf für einen Frühdienst errechnet sich wie folgt: Bruttojahresarbeitszeit in Stunden =7,8 h × 2 Arbeitsplätze ×365 Tage/Jahr =5694 h/Jahr Die Nettojahresarbeitszeit pro Arbeitskraft in Stunden wird wie folgt berechnet: Nettojahresarbeitszeit in Stunden =250 Ar beitstage ×8 h =2000 Bruttoarbeitsstunden abzüglich 400 Fehlstunden (=20% Fehlzeit von 2000 Bruttoarbeitsstunden) =1600 Nettojahresarbeitsstunden Basierend auf 1600 Nettojahresarbeitsstunden sind bei entsprechender angenommener Fehlzeit in einer 38,5-Stunden-Woche 3,56 Vollkräfte im Jahr für den Frühdienst zu kalkulieren.
Tab. 1 Beispiel für die Mindestbesetzung einer Intermediate-care-Station Dienst Frühdienst Spätdienst Nachtdienst Gesamt
Uhrzeit Von 6:30 14:00 21:30
Bis 14:18 21:48 6:45
Stunden/ Dienst
Arbeitsplätze
Tage/ Jahr
Stunden/ Jahr
Vollkräfte
7,8 7,8 9,15
2 2 2 6
365 365 365
5694 5694 6680 18.068
3,56 3,56 4,17 11,29
© DKI GmbH, Wuppertal.
Tab. 2 Pflegerische Besetzung in der Intensivüberwachung und Intensivbehandlung Bereich Intensivüberwachung Intensivbehandlung Intensivbehandlung bei mehr als 20% Beatmungspatienten Schwerbrandverletzte Stroke Unit In den ersten 48 h Ab der 49. Stunde
Pflegerischer Zeitwert/Fall 915–955 min 2120–2195 min 5190–5275 min 16.685–17.000 min 1750–1900 min 1160–1250 min
© DKI GmbH, Wuppertal.
Tab. 3 Beispiel für die Mindestbesetzung einer Intensivstation Dienst Frühdienst Spätdienst Nachtdienst Gesamt
Uhrzeit Von 6:30 14:30 21:30
Bis 14:18 21:48 6:45
Stunden/ Dienst
Arbeitsplätze
Tage/ Jahr
Stunden/ Jahr
Vollkräfte
7,8 7,8 9,15
4 4 3 11
365 365 365
11.388 11.388 10.019 32.795
7,12 7,12 6,26 20,50
© DKI GmbH, Wuppertal.
Temperatur-/Stoffwechselregulation, Bewusstseinslage) gefährdet oder gestört sind und durch besondere Maßnahmen aufrechterhalten und/oder wiederhergestellt werden müssen.
Leistungsorientierung – erste Anhaltszahlen in der Intensivpflege In der gleichen Publikation hat die DKGt für den Bereich der intensivpflegerischen Einheiten die nachfolgenden Anhaltszahlen empfohlen [2]: F 1–2,32 Krankenpflegekräfte auf 1 Bett je 24 h F bis zu 3 Krankenpflegekräfte auf 1 Bett bei mehr als 20% Beatmungs anteil. Diese Anhaltszahlen galten nur für die allgemeinen Krankenhäuser und beinhalteten 15% Ausfall. Universitätskliniken und Fachkrankenhäuser waren ausgenommen. Nach langen Diskussionen wurden diese Anhaltszahlen Ende der 1970er-
Jahrevon allen Beteiligten, also Krankenhaus- und Kostenträger, akzeptiert. Weitere Veränderungen bzw. Anpassungen dieser veröffentlichten Werte und Berechnungsgrundlagen im Intensivbereich erfolgten bundesweit nicht oder wurden als nicht notwendig angesehen und verhindert (Bund-/Länderkommission 1990). Parallel hierzu entwickelten sich in den einzelnen Bundesländern eigenständige Richtwerte für die allgemeine Personalbemessung im Krankenhaus, die über die Anhaltszahlen der DKG aus den Jahren 1969 und 1974 hinaus reichten. So wurde in Baden-Württemberg die Arbeitsgruppe Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus (WiK) tätig, die für fast alle Bereiche im Krankenhaus eigene Werte entwickelte. Sehr pragmatisch wurden in der Hessischen Krankenhausgesellschaft die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsprüfungen als Maßstab für Hessen herangezogen. Auch die Abschätzungen der GKV aus den Budgetverhandlungen wurden berücksichtigt, bis im Jahr 1993 mit der
Ablösung des Selbstkostendeckungsprinzips durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG, 1993) die DKG ihre Verantwortlichkeit für die Personalanhaltszahlen in Krankenhäusern ablegte und andere Maßstäbe entwickelt werden mussten.
Personelle pflegerische Besetzung Intermediate-care-Bereich Seit vielen Jahren ist in den Krankenhäusern festzustellen, dass der verfügbare Bedarf intensivpflegerischer Betten ständig zunimmt und damit die Nutzung dieser vorhandenen Intensivbetten immer problematischer wird. Dies führte u. a. mit der Entwicklung der „intermediate care“ auch zu einer Entlastungseinheit zwischen Allgemein- und Intensivstationen, wobei durch die Etablierung von Intermediate-care-Stationen (IMC) gleichzeitig eine personelle Umverteilung einherging. Da die personelle Ausstattung der IMC im Pflegedienst analog zwischen der Allgemeinpflege und der Intensivpflege angesiedelt ist, wird bei Anwendung der IMC-Werte berücksichtigt, dass mit der Einrichtung einer IMC gleichzeitig ein Entlastungspotenzial in der Allgemeinpflege wirksam wird, das je nach Intensität den pflegerischen Minutenwert pro Patient und Tag um bis zu 20% reduziert. Ähnlich wird dies auch im Umkehrschluss für die Intensivstationen gesehen. Eine weitere Differenzierung der IMC (z. B. Chest Pain Unit, Holding Area, Weaning-Einheit) ist im Rahmen der Personalbedarfsanalyse nicht vorgesehen; losgelöst von möglichen durchaus nachvollziehbaren zeitlichen Mehraufwendungen. Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI) soll für den IMC-Bereich eine Kennzahl von 1 Pflegekraft für 4 Patienten (=120 min/Patient) bis 1 Pflegekraft für 6 Patienten (=80 min/ Patient) pro Schicht herangezogen werden (Berechnung: 4 Patienten ×120 min =480 min bzw. 8 h oder 6 Patienten ×80 min =480 min bzw. 8 h). Die Definition einer Schicht ist je nach Dienstplan mit einer Zeitspanne zwischen 7 und 10 Stunden anzusetzen, wobei die 30-mi-
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2014
| 505
Zusammenfassung · Abstract nütige Pause nicht in den Personalbedarf eingerechnet wird, da Pausenzeiten keine Arbeitszeit sind. Hier muss erneut angemerkt werden, dass diese Empfehlungen keinen Rechtscharakter haben und somit nicht verbindlich sind. Die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege empfiehlt entsprechend eine Personalbelastung von 1 Kraft zu 3 Patienten, wobei sichergestellt sein soll, dass 2 Pflegekräfte pro Schicht ständig anwesend sind (. Tab. 1). Berücksichtigt wird dabei die bereits erwähnte Entlastungsfunktion der IMC für die Allgemein- und Intensivpflegebereiche. Etabliert haben sich die nachfolgenden Zeitwerte für die Personalbesetzung auf der IMC, wobei auch hier die Patientenstruktur, die Größe der Einheit und die konkrete Zielsetzung der IMC entscheidend sind: IMC: 246–368 min/Fall Festzuhalten bleibt, dass eine rechtsverbindliche Festlegung auf diese Minutenwerte von den o. g. Rahmenbedingungen abhängt und der Anteil der Entlastungszeiten für die Allgemein- und Intensivpflege individuell zu berücksichtigen ist.
Intensivüberwachung und -behandlung Ebenfalls weiterentwickelt haben sich die pflegerischen Zeitwerte für die Intensivüberwachung und -behandlung mit entsprechenden Beatmungsanteilen ([2]; . Tab. 2). Zusätzliche Zeitwerte sind für die Bereiche Schwerbrandverletzte und Stroke Unit üblich. Die aufgezeigte Bandbreite spiegelt die Verweildauerschwankungen wider.
Mindestbesetzung in der Intermediate-care-Station und im Intensivpflegebereich Grundsätzlich ist die Intensivstation als voll zentralisierte Pflegeeinheit zu bewerten. Dies setzt allerdings eine fachliche und ökonomische Größe voraus. Bei nur anteiligen oder nichtzentralisierten pflegerischen Versorgungsdiensten sind Zuschläge zu diskutieren, deren Höhe je nach Intensität der notwendigen Abwesenheiten individuell zu bestimmen ist.
506 |
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die personelle pflegerische Besetzung über die Ermittlung durch Zeitwerte im Rahmen einer Leistungseinheitsrechnung dort an ihre Grenzen stößt, wo die errechnete Personalzahl keiner pflegerischen und arbeitszeitrechtlichen Prüfung standhält. Eine ausreichende Schichtbesetzung an 365 Tagen und Nächsten im Jahr setzt sowohl eine Mindestzahl zu versorgender Patienten also auch Betten und Pflegekräfte voraus. Hier muss schon aus rechnerischen Gründen von einer Mindestanzahl von 12, besser 14, Intensivbetten in einer Einheit ausgegangen werden. In kleineren Einheiten muss ansonsten statt der Leistungseinheitsrechnung (d. h. Personalberechnung nach Leistungsmengen und -häufigkeiten) die Mindestbesetzungsberechnung (d. h. die Arbeitsplatzrechnung) als Grundlage für die erforderliche Personalmenge je Schicht und Tag angewendet werden (. Tab. 1). Grundlage bei der Berechnung der Mindestbesetzung nach Arbeitsplatzrechnung sind die Anzahl der Dienststunden pro Dienst, die Anzahl der Arbeitsplätze, die Tage des Jahrs und die Nettojahresarbeitszeit in Stunden. Eine Beispielrechnung ist in . Infobox 1 gegeben. Als Erfahrungs- und Rechnungswert für eine Mindestvorhaltung ist je nach Größe der Einheit eine Intensivschichtbesetzung denkbar (. Tab. 3). Die Berechnung der belegten Betten im Intensivpflegebereich berücksichtigt die Kurzlieger (Fälle unter 24 h) durch folgenden Korrekturfaktor:
Leistungserfassung und Personalsteuerung Wesentliche Voraussetzung bei der Anwendung des Berechnungsverfahrens Leistungseinheitsrechnung ist die Dokumentation und Nutzung entsprechender Leistungsdaten. Bei gleichbleibenden bzw. geringer werdenden Krankenhausbudgets und bei gleichzeitiger Zunahme des intensivmedizinischen Bedarfs ist in diesen Bereichen die Notwendigkeit einer internen Leistungssteuerung in Verbin-
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2014
Med Klin Intensivmed Notfmed 2014 · 109:504–508 DOI 10.1007/s00063-013-0343-y © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 W. Plücker
Personalberechnung in der Pflege. Intensivstationen und Intermediate-care-Einheiten Zusammenfassung Hintergrund. Personalberechnung ist in der Intensivpflege seit über 63 Jahren ein Konfliktthema. Ziel dieser Anmerkungen ist es, in erster Linie den aktuellen Stand der Diskussionen aufzuzeigen. Methode. Es werden die in der Praxis üblichen arbeitswissenschaftlichen Berechnungsverfahren mit ihren jeweiligen Faktoren dargestellt. Ergebnis. Es wird deutlich, dass eine gerechte Personalberechnung sowohl durch die knappen finanziellen Ressourcen begrenzt ist als auch an politischen Vorgaben scheitern kann. Schlüsselwörter Medizinisches Personal · Arbeitsintensität · Finanzierung · Gesundheitsökonomie und Organisation · Personalbesetzung und Ablaufkoordination
Personnel calculation in health care. Intensive care and intermediate care units Abstract Background. Personnel calculation in intensive care has been a subject of conflict for over 63 years. The aim of these remarks is primarily to indicate the current state of the discussions. Method. The methods of working-scientific analyses in practice with the respective factors are shown. Result. It seems clear that a fair personnel calculation is limited by scarce financial resources and political policy. Keywords Medical staff · Workload · Financing · Health care economics and organizations · Personnel staffing and scheduling
dung mit einer effektiven Personaleinsatzplanung von großer Bedeutung. Insbesondere in Krankenhäusern der Maximalversorgung mit oftmals mehreren Intensivstationen und entsprechend hohen Vorhaltekosten ist ein effizienter und flexibler Personaleinsatz auf Basis der anfallenden Leistungen erforderlich.
Tab. 4 Personalkostenäquivalente
Tab. 5 Mindestbesetzung einer Intensivtherapieeinheit (Beispiel: 12 Betten) nach Kranken-
Durchschnittliche Pflegepersonalkosten Personal nach Leistung Personal nach Mindestbesetzung Personal nach Erlösen Differenz Personalkostenäquivalent
hausplan Nordrhein-Westfalen 2015
51.000
Dienst 4,50 11,50 5,20 7,00 357.000
© DKI GmbH, Wuppertal.
Frühdienst Spätdienst Nachtdienst Gesamt
Uhrzeit Von 6:30 14:00 21:30
Bis 14:18 21:48 6:45
Stunden/ Dienst
Arbeitsplätze
Tage/ Jahr
Stunden/ Jahr
Vollkräfte
7,8 7,8 9,15
6 6 6
365 365 365
17.082 17.082 20.039
10,68 10,68 12,52
18
54.203
33,88
© DKI GmbH, Wuppertal.
Hierzu ist es notwendig, intensivmedizinische Leistungen und die damit einhergehende Personalbindung fachübergreifend vergleichbar zu machen. Im Gegensatz zum allgemeinen Pflegebereich gibt es für den Bereich der Intensivpflege bisher kein einheitliches Leistungserfassungssystem. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hat hier in den letzten Jahren viele unterstützende Hinweise gegeben. So gibt es bereits einige Neuerungen, die insbesondere die pflegerische Arbeitssituation genauer widerspiegeln: F INPULS (Intensivpflege und Leistungserfassungssystem) Univer sitätsklinikum Heidelberg, 2001; F TISS (Therapeutic Interventions Scoring System), 1974; F SAPS (Simplified Acute Physical Score); F PZE (Pflegezeiterfassung) Regensburg/München; F WIPP (Wiener Intensivpflege personalplanung), 1990; F LEP (Leistungserfassung für die Gesundheits- und Krankenpflege), Schweiz.
Erlösorientierte Personalausstattung im Intensivbereich Die Einführung der „diagnosis related groups“ (DRG) im Jahr 2004 hat in den letzten 10 Jahren zu einer veränderten Sichtweise geführt, die nach einigen Jahren der Praxiserfahrung die Personalberechnung unter dem Gesichtspunkt der Erlösdeckung in den Fokus rückt. Unabhängig von der Diskussion über die Frage, ob eine Erlösorientierung der richtige Weg ist, muss konstatiert werden, dass sich die Frage nach dem ausreichenden
Personal in den Leistungsbereichen im Krankenhaus letztendlich auch nach dem zur Verfügung stehenden Geld richtet, das man hier einsetzen kann. Wenn also im Intensivbereich trotz fundierter Leistungserfassung die erforderliche Personalmenge nicht aus den Anteilen der DRG-Erlöse bezahlt werden kann, um alle Dienste im Jahr patientensicher abzudecken, ist die Frage nach Rationalisierung und/oder Rationierung ebensozu stellen wie eine mögliche Finanzierung des Personals aus anderen Quellen. In der Praxis erfolgt bekanntlich bereits seit Jahren – insbesondere bei kleinen Leistungseinheiten – eine Quersubventionierung dieser leistungs- und erlösorientiert nicht abzubildenden Personalausstattung durch Einheiten, die bei einer ausreichenden Größe personell sich nicht einschränken müssen. Dann kommt es aber fast zwangsläufig zu der Frage: Wer bezahlt den Rest (. Tab. 4)? Verschärft wird die betriebswirtschaftlich problematische Situation, wenn kein „Quersubventionierer“ aufzufinden ist, durch äußere Einflussfaktoren, die in ihrer Konsequenz eine personelle Aufstockung auslösen, diese aber nicht finanziell ermöglichen. So ist im Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen 2015 [2] explizit eine Mindestausstattung im pflegerischen und ärztlichen Intensivbereich vorgegeben. Danach sollen von einer Pflegekraft 2 Behandlungsplätze pro Schicht versorgt werden. Zusätzlich ist eine Leitungsstelle mit entsprechender Qualifikation ebenso vorzuhalten wie die Vorgabe, dass 30% des Pflegeteams der Intensivtherapieeinheit mit entsprechender Qualifikation ausgestattet ist (. Tab. 5). Inwieweit diese Vorgabe rechtlich umzusetzen ist, bleibt abzuwarten. In der
derzeitigen Konstellation ist nicht davon auszugehen, dass dies in den Krankenhäusern kleiner und mittlerer Größe (bis 300 Betten) erfüllt werden kann.
Fazit für die Praxis F Es zeigt sich, dass die vorherrschenden Rahmenbedingungen im Krankenhaus nicht erst in neuester Zeit eine angespannte Personalsituation bedingen. Bereits seit dem Jahr 1951 ist das Thema Personalausstattung in der Fachpresse immer wieder kontrovers diskutiert worden. F Die ständige Leistungsverdichtung, immense Fortschritte in der Medizin und Pflege, aber auch die dort anzutreffenden vielfältigen neuen Möglichkeiten der Patientenversorgung führen dazu, dass eine als gerecht und ausreichend empfundene Personalausstattung aus quantitativer Sicht immer seltener zu erkennen ist. F Der zunehmende Druck auf die finanziellen Ressourcen führt in der Folge zu der Notwendigkeit, das Angebot an intensivpflegerischen Überwachungs- und Behandlungsplätzen immer mehr zu konzentrieren. Die Zeit der kleinen und häufig autonomen Intensivbehandlungseinheiten ist wohl vorbei.
Korrespondenzadresse W. Plücker DKI GmbH 42204 Wuppertal
[email protected] Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2014
| 507
Buchbesprechungen
Einhaltung ethischer Richtlinien
Christoph Herrmann-Lingen, Christian Albus, Georg Titscher (Hrsg.)
Interessenkonflikt. W. Plücker gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Psychokardiologie – Ein Praxisleitfaden für Ärzte und Psychologen
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
Literatur 1. Krankenhausplan NRW 2015, Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen. https://broschueren. nordrheinwestfalendirekt.de/broschuerenservice/ staatskanzlei/krankenhausplan-nrw-2015/1617. Zugegriffen: 09. September 2014 2. Das Krankenhaus 1974, September 1974, Heft 9 3. Plücker W (2012) Personalbedarfsermittlung im Krankenhaus. Wuppertal
508 |
Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 2014, 2. Auflage, 354 S., (ISBN 978-3-7691-0628-2), 44.00 EUR Die Psychokardiologie ist eine Spezialdisziplin innerhalb der Humanmedizin, die sich mit dem wechselseitigen Zusammenhang biomedizinischer und psychosozialer Faktoren von Herzerkrankungen befasst. Sie befindet sich damit an der Schnittstelle zwischen Kardiologie und Psychosomatik und stellt insofern hohe Anforderungen an die behandelnden Ärzte und Psychologen. Neben einem breiten theoretischen Wissen über somatische Grundlagen der Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird von ihnen die Kenntnis über psychische und soziale Krankheitsaspekte verlangt. Es ist somit ein entscheidender Vorteil für klinisch tätige Ärzte und Psychologen, wenn sie sich einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Informationen verschaffen können. Konzipiert als interdisziplinärer Praxisleitfaden für Ärzte und Psychologen bietet das 2014 in 2. Auflage erschienene Werk von Christoph Herrmann-Lingen et al. einen Überblick über die wichtigsten Schnittstellenthemen der Psychosomatik und Kardiologie. Es wendet sich dabei in erster Linie an die klinisch tätigen Ärzte (Internisten und Kardiologen) und Psychologen, die sich der Behandlung des herzkranken Patienten verschrieben haben. Gegliedert in 10 Kapitel, werden in einem ersten einführenden Teil des Buches Grundlagen der Kardiologie und psychosomatischen Medizin dargestellt. Ergänzt wird dieser Themenblock durch Informationen über ethische, Lebensspannen- und Geschlechtsaspekte. In einem zweiten Teil des Buches wird dann ein Überblick über psychosoziale Risikofaktoren und Folgeprobleme der koronaren Herzkrankheit sowie Psychosomatik weiterer ausgewählter Krankheitsbilder (funktionelle Herzbeschwerden, arterielle Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, angeborene und erworbene Herzfehler) und Behandlungen (Herzkatheter, Koronarinterventionen, Bypass-Operationen) gegeben. Hieran schließen sich Kapitel zur psychokardiologischen Diagnostik und Behandlung
Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 7 · 2014
an. In einem dritten Teil des Buches folgt ein Kapitel über psychokardiologische Fort- und Weiterbildungscurricula. Durch zahlreiche Tabellen und Abbildungen lassen sich dabei wichtige Informationen schnell und anschaulich abrufen. Ein ausführliches Literaturverzeichnis am Ende des Buches ermöglicht die Vertiefung des Dargelegten. Die besondere Herausforderung dieses Buches liegt darin, dem Arzt einen Zugang zu den Grundkonzepten der Psychosomatische Medizin und dem klinisch tätigen Psychologen einen solchen zu den Grundzügen kardialer Erkrankungen zu vermitteln. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben die Autoren des Buches einen interdisziplinären Zugang gewählt und mit außerordentlich viel Mühe das gesamte Spektrum der Psychokardiologie in ein übersichtliches Lehrbuch überführt. Didaktisch geschickt wird der Leser zunächst in die Grundlagen kardialer Erkrankungen und in die Grundkonzepte der psychosomatischen Medizin eingeführt. Basierend auf dieser Grundlage erfolgt dann die interdisziplinäre Auseinandersetzung und Darlegung kardialer Erkrankungen unter Berücksichtigung biomedizinischer und psychosozialer Aspekte. Dabei werden die wichtigsten Informationen durch Tabellen und Abbildungen anschaulich und praxisnah vermittelt und wichtigste Informationen übersichtlich in einem Schaukasten zusammengefasst. Wünschenswert für eine weitere Auflage des Buches wären einzig mehr diagnostisch-therapeutische Pfade, Algorithmen und Abbildungen, die eine schnelle Orientierung und Entscheidungshilfe ermöglichen und erleichtern. Aus der klinischen Praxis für die klinische Praxis geschrieben ist das vorliegende Buch nicht nur ein Einführungs- und Nachschlagewerk auf dem Fundament der neuesten Erkenntnisse klinischer Forschung, sondern kann und sollte der tägliche Begleiter psychokardiologisch tätiger Ärzte und Psychologen sein. Prof. Dr. Raimund Erbel und Dr. Theodor Baars, Essen