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Sinus-piriformis-Fistein als seltene Hypopharynxmillbildung Klinik, Diagnostik und Therapie J. Md/Icr1, H. Aydin2, F X Brunner1 Klinik ffir Hals-, Nasen- und Ohrenkranke der Universität Wtlrzburg (Dircktor: Univ-Prof. Dr. J. Helms) Klinik fOr Strahientherapie (Direktor: Univ-Prof Dr. W Bohndorf)

Zusammenfassulig Es wird flber drei Patienten mit rezidivierenden Schwellungen und Abszesseri am Hals berichtet, die zum Teil mehrfach voroperiert waren. Bei der Diagnostik bewährten sich der Osophagus-Breischluck mit zusätzlicher Hypopharynxdarstellung (Pharyngographie). Computertomographie und Sonographie ergänzten die präoperative Diagnostik und lieferten weitere Informationen. Die Therapie bestand in

der Drainage des Abszesses und der Sanierung der Fistein nach Abklingen der alcuten Entzundung. Neben den klinischen

und radiologischen Befunden des Krankheitsbildes wird andie fir die Klinik hand der Literatur em kurzer Uberblick relevante Entwicklungsgeschichte gegeben.

Einleitung

Sinus Piriformis Fistulas as Rare Hypoparyngeal Malformation — Clinical Aspects, Diagnosis and Treatment

We report on the history, clinical findings, diagnostic examinations and the therapy of three patients with

a left piriform sinus fistula, probably a fourth pharyngeal pouch. Our patients show recurrent inflammation and abscesses of the left lateral neck. X-ray (gastrografin swallow) showed the fistula originating from the floor of the left piriform sinus. CT-scan was helpful in the previously operated area, although the fistula could be shown by ultrasonic examination. Recurrent abscesses of the lateral neck may be caused by sinus piriform fistula. It is important to search for this rare inalformation of the lateral neck.

Kasuistiken

In der 3. 5.Embryonalwoche kommt es zur

Em l5jhriger Knabe litt unter seit einem Jahr auf-

Differenzierung des Kiernenbogenapparates. Die Entstehung der lateralen, branchiogenen Halsfisteln wird auf Fehler in der Genese des Kiemendarmes und der Kiementasche zuriickge-

tretenden schrnerzhaften Schwellungen der linken Halsseite. Unter der Verdachtsdiagnose einer eitrigen Tyrcoiditis erfolgte alio loco die Hemitbyreoidektomie. Postoperativ kam es noch zweimal zu Abszessen irn ehemaligen Schilddrusenlager. Nach radiologischer Sicherung der vom linken Sinus piriformis ausgehenden Fistel und anschlieBender operativer Sanierung war der Patient beschwerdefrei.

fiThrt (13).

In den meisten Fallen handelt es sich urn FisteIn, die aus der 2. Schlundtasche hervorgegangen sind. Weni-

ger hdufig sind die Fisteln, die ihren Ausgang von der 1. Schlundtasche nehmen, die sogenannten Ohr-Hals-Fisteln.

Sehr selten werden die Fistein der 3. und 4. Schlundtasche beobachtet. 1973 beschrieb Tucker erstmals eine soiche, vom Sinus piriformis ausgehende Fistel. Die Fistein der 4. Schlundtasche öffnen sich im Sinus piriformis, verlaufen neben dem Larynx und der Trachea hinter der Schilddrflse und können bis ins Mediastinum reichen.

In der Praxis ist die Unterscheidung der Fisteln der 3. und 4. Schiundtasche schwierig (2).

An der Wurzburger HNO-Klinik wurden drei Patienten mit rezidivierenden Abszessen der linken Haisseite beobachtet, deren Ursache eine vom Sinus piriformis ausgehende Fistel war. Laryngo-Rhino-Otol. 71(1992) 337—340 f) Georg Thieme Verlag Stuttgart New York

Bei einer 35jahrigen Patientin bestand sell einer Woche em Abszess der linken Halsseite parathyreoidal, der alio loco gespalten wurde. Die Endoskopie bestätigte die radiologisch dargestellte, vom linken Sinus piriformis ausgehende Fistel. Nach operativer Sanierung blieb die Patientin heschwerdefrei.

Eine 27jahrige Patientin, die wegen rezidivierender Abszesse der linken Halsseite auswärts mehrfach operiert worden war, wurde wegen persistierender Schluckschmerzen und einer emeut aufgetretenen Schwellung der linken Halsseite in unserer Klinik vorstellig.

Nachdem sich bei der Punktion Eiter entleerte, wurde zunächst der Abszess drainiert. Die weitere Diagnostik nach Abheilung der akuten Entzundung erbrachte eine vom linken Sinus piriformis ausgehende Fistel. Es erfolgte die endgOltige operative Sanierung.

Diskussion

Die Entstehungsgeschichte der laleralen Halszysten und Halsfisteln wurde von verschiedenen Anioren (6,14)

erneut belebt und konträr diskutiert. Für laterale I lalsfisteln bleibt die branchiogene Genese unbestritten.

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2

.1 Müiler H. Aydin, F X Brunner

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ebenfalls in das Mesenchym einschnüren.

Die weitere Entwicklung ist durch unterschiedliche Wachstumstendenzen und Proportionsveränderungen des Kopthereiches gekennzeichnet. Durch Einkrummung des vorderen Korpererides wird das Gebiet der Kiementaschen 1, 2 und 3 in die Tiefe versenkt. So kommt es zur Entstehung des Sinus cervicalis. Er obliteriert schlie]Ilich und bildet die Vesicula cervicalis, die sich beim Menschen vollständig zurückbildet. Die Entwicklungsvorgange an der dritten und vierten Schlundtasche sind sehr ähnlich. Sie bringen die Epithelkörperchen hervor, die sich zu einem späteren Zeitpunkt der Schilddrüse anlageni.

Das Aussehen eines 5 Wochen alten Embryos wird in charakteristischer Weise von den Kiemenbogen geprägt (8,13) (Abb. 1).

Das spätere Schicksal der einzelnen Kiemenbogen und der Schlundtaschen ist in der Tab. 1 und 2 zusammengesteilt.

Obeielero

Tab. 1 Spates Schicksal der Kiemenbogen: nach Lyall et al.,

In der 3. his 5. Embryonalwoche vollzieht sich die Differenzierung des Kiemenbogenapparates. Jeder der fUnf Kiemenbögen enthält eine Knorpeispange, eine Kiemenbogenarterie, einen Kiemenbogennerv und die entsprechende Muskulatur. Während dieser Zeit haben sich vom Schlunddarm ffinf Aussackungen, die Schlundtaschen, gebildet. Sie wölben sich

von innen gegen das umgebende Mesenchym vor. Auf der Oberfläche des Embryos erscheinen gegenüber den ersten vier

Schlundtaschen vier Furchen, die Kiemenfurchen, die sich

Lan gman, Starck.

1. Kiemenbogen:

Meckel'scher Knorpel Melleus, Incus, N. mandibularis

2. Kiemenbogen:

Proc. styloideus, Lig. stylohyoideum, Stapes, Teile des Zungenbeines (kleines Horn), N. facialis, sens. Nerv, Arterie

.3. KIemenbogen:

Teile des Zungenbeines (groBes Horn) Teile des Pharynx, N. glossopharyngeus, A. carotis

communi

Abb. 1 Schema eines Embryo zur Darstellung der Kiemenbogen (aus Lan gman und Starck).

Schematische Darstellung der Entwicklung der Kiemenfurchen und -taschen. Der 2. Kiemenbogen Uberwächst den 3. und 4., so dalI die 2., 3. und 4. Kiemenfurche zugedeckt werden. Deren Uberreste bilden den sinus cervicalis. Die weitere Differenzierung ist angedeutet.

Abb. 2 Fisteln der einzelnen Kiemenbdgen (nach Widstrom et al. und Starck).

cTh\ /

4. Kiemenbogen.

Teile des Pharynx und des Larynx, N, laryngeus sup., M. crico thyroideus, Ii: Teile des Aortenbogens, re: A. subdavia

5. Kiemenbogen:

Teile des Pharynx und des Larynx, N. laryngeus recurrens, innere Kehlkopfmuskeln, Pulmonalarterien

Tab. 2 Spateres Schicksal der Schlundtaschen (nach LyaII et al., Langman, Starck).

1. Schlundtasche: Cavum tympani, tuba auditiva 2. Schlundtasche:

Tonsillarbucht

3. Schlundtasche:

dorsal: untere Epithelkorperchen, ventral: Thymus

4. Sch/undtasche:

obere Epithelkorperchen ultimobranchialer KOrper, er wird spater mit in die SchilddrUse einbezogen

5. Sch/undtasche:

Abweichungen von der Norm in der Entwicklung des Kiemenbogenapparates können zur Ausbildung von lateralen Haisfistein flibren. Weglowski entwickelte 1913 eine

Theorie, nach der laterale Haisfistein Resten des Duktus thymopharyngeus zuzuordnen seien (18). Die verschiedenen Möglichkeiten, die sich aus der Entwicklungsgeschichte für den Verlauf lateraler Haisfistein ergeben, sind in Abb. 2 dargesteilt.

Für die Klinik ergibt sich die Konsequenz, dalI bei Patienten mit rezidivierenden Halsabszessen und persistierenden Schluckbeschwerden an das Vorliegen einer Sinus pin-

formis-Fistel gedacht werden mull Die HypopharynxBreischluckuntersuchung/Pharyngographie (Bud 3a—3c) ffihrt schnell und zuverlässig zur Diagnose.

Durch weitere bildgebende Verfahren ist die Diagnostik sinnvoll zu ergänzen.

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338 Laryngo-Rhino-Otol. 71(1992)

Sinuspinformis-Fistein als seltene Hypopharynxrn/3bildung

Laryngo-Rhino-Otol. 71(1992) 339

p

Abb.3a—c Osophagus-Breischluck mit Hypopharynxdarstellung (Pharyngographie). Blind endende Sinus piriformis-Fistel (—') Aus-

trittspunkt im Sinus piriformis (I).

Abb.4 Scan Stimmbandparallel vollstandige Entlaltung beider Sinus piriformis (0) Ausgangspunkt der Fistel (c), b CT-Scan in HOhe des 2. Trachealringes. Darstellung der Fistel als JuftgefUilter Hohiraum beim VaIaIvachen

PreEversuch (). c Koronarer CTSchnitt des Halses.

Zungenbein (A), aryepiglottische Falte (—i), Sinus piriformis (0), Fistel (*).

Eine Darstellung der Fistel im CT (Bud 4abis c) ist für die Operationspianung von Vorteil, insbesondere im

mehrfach voroperierten Weichteilgebiet. Durch eine stimmbandparallele SchnittfIThrung ist nach Valsalva'schem Manöver der gesamte Hypopharynx mit beiden Sinus piriformes entfaltet. So konnte der Abgang der Fistel im linken sinus piriformis dargesteilt werden.

Sogar sonographisch gelang es, die blind endende Fistel mit teils flüssigem, teils solidem Irthalt darzustel-

len (Bild5aund b).

Die Therapie besteht in der endoskopischen Identifikation der Fistel und Abtragung Uber einen Zugang von auI3en, nachdem em primär bestehender Abszess drainiert wurde und die akute Entzundung abgeheilt ist.

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c

a CT des Hypopharynx. 6 mm

J Müllei; H. Aydin, F X Brunner

340 Laryngo-Rhino-Otol. 71(1992) 10 1

12

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Dc J Mailer Universitätsklinik und Poliklinik fur Hals-, Nasen- und Ohrenkranke Josef-Schneider-Stral3e 11 8700 Wurzburg

Abb. 5b Sonographischer Langsschnitt: M. sternocleido mastoideus (SCM), Ii. SchilddrUsenlappen (SL), Fistelende (a), luftbed. Schallschat-

ten (*).

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Abb. 5a Sonographie des Halses mit 7,5 MHz Sektorschallkopf

[Piriform sinus fistulas as rare hypopharyngeal abnormalities, diagnosis and therapy].

We report on the history, clinical findings, diagnostic examinations and the therapy of three patients with a left piriform sinus fistula, probably a ...
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