Deutsche Medizinische Wochenschrift

Jacobi u. a.: Plasminogenbestimmung als Routinetest

Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 1220-1222 © Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Plasminogenbestimmung als Routinetest

Plasminogen estimation as a

E. Jacobi, H. E. Karges und N. Heimburger

A simple

II. Medizinische Klinik

und Poliklinik der Universität Düsseldorf und Behringwerke AG, Marburg/Lahn

Es wird über eine einfache Methode zur routinemäßigen Bestimmung

von Plasminogen über die Gerinnungszeit berichtet: 0,2 ml Plasminogenreagenz und 0,1 ml Probenpiasma, 1 : 200 vorverdünnt, werden 3 Minuten bei 37 oc inkubiert, dann wird 0,05 ml verdünntes Testthrombin zugesetzt und die Gerinnungszeit gemessen, die mit Hilfe einer Eichkurve in Normprozent umgerechnet wird. Der Test korreliert mit einer immunologischen Methode bei gesunden Spéndern (r = 0,96), und erste Messungen an Patienten (n = 160) zeigen, daß die Kenntnis des Plasminogentiters auch außerhalb rein hämostaseologischer Fragestellungen von Interesse sein könnte. Gerinnselbildungen werdeñ durch das proteolytische Enzym Plasmin, welches im Blut in einer enzymatisch inaktiven Vorstufe als Plasminogen kreist, abgebaut. Seine Enzymaktivität wird durch Inhibitoren begrenzt, die in einem etwa 30fachen Uberschuß vorliegen. Bei der Plasminaktivierung unterscheidet man die direkt am Plasminogen angreifenden Gewebsaktivatoren in Prostata, Lunge, Uterus und Nebennieren und einen sich im

routine test method for the routine determination of plasminogen using the coagulation time is described. 0.2 ml of plasminogen reagent and 0.1 ml of sample plasma, prediluted 1 200, are incubated for 3 minutes at 37 °C. 0.05 ml of diluted test thrombin are then added and the coagulation time is measured. It is converted into percent of normal using a standard curve. The test correlates with an immunological method in healthy probands (r = 0.96). Initial measurements in 160 patients show that knowledge of the plasminogen titre may also be of interest outside the problems of haemostasis.

Blut. formierenden Aktivator, der ebenfalls in einer in-

aktiven Vorstufe als Proaktivator vorkommt. Aufgabe der Aktivatoren ist es, den Fluß in den Gefäßen und Kanälen zu gewährleisten. Wie vor kurzem gezeigt wurde, sind alle diese Aktivatoren verwandt, wenn nicht identisch (1). Bei Erkrankungen solcher Organe, insbesondere bei Neoplasmen, kann die Kenntnis des Plasminogenspiegels

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

I 2.2,0

Nr. 33, 13. August 1976, 101. Jg.

eine zusätzliche diagnostische Information bringen. Notwendig erscheint uns die Bestimmung von Plasminogen bei Verdacht auf hyperfibrinolytische Blutungen und Verbrauchskoagulopathien. Eine weitere Anwendung könnte die Plasminogenbestimmung auch bei der Dosierung von Antifibrinolytika finden. Für diese und ähnliche Fragestellungen wurde ein einfacher Routinetest entwickelt, der in jedem Laboratorium ohne besonderen Aufwand durchgeführt werden kann, weil er über die Bestimmung der Gerinnungszeit erfolgt (3).

40

Streptokinase + Plasmaprobe (Humanpiasminogen)

Aktivator Rinderplasrnin

Fibrinogen

Fibrin

Antithrombin Vt

30

20.

0

12,5

25

50 Plasminogen (% Norm)

100

Abb. 2. Eichkurve für Humanplasminogen. Verdünnungsreihe eines Plasmapools von 15 Normalpersonen (1 : 100-Verdünnung = 1000/o Norm). Die Gerinnungszeiten werden von einer Eichkurve (Abbildung 2), die mit Verdünnungen von gepooltem Plasma gesunder Spender erstellt wurde, in Prozent der Norm abgelesen. Wegen des gewählten Verdünnungsmodus müssen die von der Eichkurve abgelesenen Werte mit dem Faktor 2 multipliziert werden.

Ergebnisse

Thrombin

Abb. 1. Prinzip der Bestimmung von Humanpiasminogen im Koagulometer: Verlängerung der Gerinnungszeit durch Verminderung von Fibrinogen und die Bildung von Spaltprodukten (FDP), beides Wirkungen des durch den Aktivator induzierten Rinderplasmins. lösung, die definierte Mengen Rinderplasminogen und Streptokinase enthält (Plasminogenreagenz), wird mit verdünntem Plasma inkubiert (3 min 37 °C). Nach Zusatz von Thrombin wird die Gerinnungszeit bestimmt. In Abhängigkeit vom Plasminogengehalt der Probe ist die Gerinnungszeit gegenüber dem 0-Wert (Puffer statt Plasmaverdünnung) verlängert (3). Ursachen für die Verlängerung sind die als Folge der Plasminwirkung auftretende Verminderung der Fibrinogens und die Bildung hochtnolekularer Spaltprodukte, die die Gerinnung hemmen (Antithrombin VI). Die Fibrinogenolyserate hängt nur von der Menge des durch den Aktivator gebildeten Rinderplasmins ab. Da ein Aktivatormolekül mindestens zehn Rinderplasminogenmolekule aktiviert (Verstärkerreaktion), kann das Plasma so weit ausverdünnt werden, daß die bekannten Hemmstoffe, Proteinase-Inhibitoren und Antikörper gegen Streptokinase, die Bestimmung nicht stören. Material. Tris-Puffer pH 8,0, Testthrombin und M-PartigenPlasminogenpiatten waren Reagenzien der Behringwerke. Das Plasminogenrcagenz besteht aus einer 0,4°/oigen Rinderfibrinogenlösung mit konstantem Rinderplasminogengehalt und 2000 lE Streptokinase/mi, gelöst inTris-Puffer pI-1 8,0. Es ist nach einem bestimmten Verfahren stabilisiert und lyophilisiert. Durchführung der Bestimmung. Entsprechend dem Reaktionsprinzip hat sich folgender Testansatz für die Bestimmung im automatischen Gerät (Koagulometer nach Schnitger und Gross, Fa. H. Amelung, Lemgo-Brake) bewährt: 0,2 ml Plasminogenrea-genz 0,1 ml Probenplasma (1 : 200 mit Tris-Puffer pH 8,0 vorYerdünnt) 3 min Inkubation bei 37 oc 0,05 ml Testthrombin (3 NIH E/mI) und Gerinnungszeit messen. Die Bestimmung kann auch im Kugelkoagulometer der Behringwerke durchgeführt werden, hierzu empfiehlt es sich jedoch, die Volumina des obigen Ansatzes zu verdoppeln.

1. Eichkurve. Ein Mischplasma von 15 Normalpersonen wurde zur Erstellung der Eichkurve in einer geometrischen Verdünnungsreihe, beginnend mit 1 : 100 (100°"o), 1 : 200 (500/0) usw., in den Test eingesetzt. Die Mittelwerte der Gerinnungszeiten der einzelnen Verdünnungen ergeben in einem linearen Koordinatensystem mit der Gerinnungszeit als Ordinate und dem Plasminogengehalt als Abszisse eine Gerade (Abbildung 2), die bei Verwendung der obengenannten Reagentien die Zeitachse zwischen 30 und 40 s schneidet (Puffer anstelle Probenpiasma). Von jeder Verdünnung wurden Doppelbestimmungen durchgeführt, und bei Unterschieden in den Gerinnungszeiten von mehr als 5% wurde die Bestimmung wiederholt. Vergleich des koagulometrisch bestimmten Piasminogens mit immunologisch bestimmtem. Zur Prüfung der Zuverlässigkeit der koagulometrischen Plasminogenbestimmungsmethode wurde Plasminogen mit einer immunchemischen Methode nach dem Prinzip der radialen Immundiffusion auf M-Partigen-Plasminogenplatten bestimmt. Plasmaproben von 40 gesunden freiwilligen Spendern wurden in verschiedenen Verdünnungsstufen untersucht. Die ermittelten Wertepaare ließen sich auf linearem Millimeterpapier zur Geraden approximieren; der Korrelationskoeffizient der Regressionsrechnung betrug 0,96. Plasminogenbestimmung an Patienten. Ein verminderter Plasminogengehalt wird außer bei der Verbrauchskoagulopathie (n = 5) und der fibrinolytischen Therapie (n = 3) bei der Leberzirrhose gefunden. Bei der Verbrauchskoagulopathie streuten die Werte stark,

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

Rinderplasminogen

1

60

a)

Prinzip. Das Humanplasniinogen (PP) in der Probe wird mit einem Überschuß an Streptokinase (SK) in Aktivator (PP-SK-Komplex) überführt, der über die Umwandlung von Rinderplasminogen in Plasmin bestimmt wird. Beide Reaktionen laufen im gleichen Testansatz in Gegenwart von Rinderfibrinogen ab. Die Testung erfolgt analog dem Prinzip der Fibrinogen- bzw. Thrombinzeitbestimmung (Abbildung 1): Eine standardisierte Rinderflbrinogen-

I

70

w

Methode

FDP

1221

Jacobi u. a.: Plasminogenbestimmung als Routinetest

Deutsche Medizinische Wochenschrift

Jacobi u. a.: Plasminogenbestimmung als Routineteat

der niedrigste lag unter 5%, der höchste um 60%. Bei der Leberzirrhose (n = 15) fanden wir einen Mittelwert von 57%. In diese Gruppe wurden nur Patienten einbezogen, bei denen die Diagnose histologisch gesichert war. Bei Patienten mit einem Diabetes mellitus (n = 98) lag der Plasminogenspiegel fast immer über 100%, im Mittel bei 124,6%, die Streuung betrug 18,4. Die höchsten Plasminogenspiegel wiesen Patienten mit einem Prostatakarzinom (n = 15) auf, sie hatten im Mittel 173% Plasminogen; Patienten mit malignen Lungenund Blasentumoren hatten im Mittel 132% Plasminogen (n = 24).

Diskussion Plasminogen wurde bisher routinemäßig aus mehreren Gründen nicht bestimmt: Die Lysiszeit eines Gerinnsels ist im Gegensatz zur exakt definierten Gerinnungszeit schwer ablesbar, und die immunologische Partigen-Plattenmethode ist zeitaufwendig. Dies gilt auch für die meisten anderen zum Teil sehr empfindlichen Methoden, die häufig darüber hinaus spezielle Apparaturen voraussetzen. In der klinischen Routinediagnostik müssen Tests aber leicht durchführbar sein und in kurzer Zçit gut ablesbare Resultate erbringen. Letzteres ist um so wichtiger, je mehr das Ergebnis der Messung bei der Notfalidiagnostik, zum Beispiel bei der hyperfibrinolytischen Blutung oder der Verbrauchskoagulopathie, für die weitere Therapie herangezogen werden soll. Bei vielen Methoden werden die Antiplasmine und andere störende Proteasen umständlich eliminiert. Christensen (2) löste das Problem am besten, indem er PIasminogen über den Aktivator bestimmte. Dadurch werden hohe Verdünnungen möglich, die die Reaktion zuungunsten der Inhibitoren v.erschiebt. Die Koagulometermethode verbindet das Prinzip der Clot-LysisMethode nach Christensen (2) mit einer Gerinnungszeitmessung: Während der Inkubationszeit wird der Aktiva-

tor gebildet und in einer Verstärkerreaktion das gleichzeitig vorhandene Rinderplasminogen in Rinderplasmin umgewandelt. Die Lyse läuft vor der Gerinnung ab, das heißt, Fibrinogen wird gespalten. Die dadurch hervorgerufene Verzögerung der Gerinnungszeit des Testansatzes ist Meßgröße für den Plasminogengehalt. Da Rinderplasminogen streptokinaseunempfindlich ist, lassen sich Rinderfibrinogen, Rinderpl asminogen und Streptokinase zu einem Reagenz vereinigen, so daß die Bestimmung denkbar einfach wird: Zum Plasminogenreagenz wird verdünntes Probenplasma zugefügt, nach einer kurzen Inkubationszeit wird mit Thrombin die Gerinnungszeit gemessen. Die dazu notwendigen Koagulometer sind heute in fast jedem kliñischen Laboratorium vorhanden. Die ersten Plasminogenbestimmungen an Patienten mit der Koagulometermethode bestätigen, daß bei bestimmten Krankheitsbildern, zum Beispiel Leberzirrhosen und Verbrauchskoagulopathien, mit niedrigen Plasminogenspiegeln gerechnet werden kann und daß es Krankheitsbilder gibt, bei denen Plasminogen über 100% der Norm erhöht ist. Auffällig sind die hohen Plasminogenspiegel bei malignen Tumoren bestimmter Organe, insbesondere beim Prostatakarzinom. So erscheint es uns sinnvoll, Plasminogen in der Routinediagnostik auch außerhalb rein hämostaseologisch-fibrinolytischer Fragestellungen zu bestimmen. Literatur Bernik, M. B., W. F. White, E. P. 011er, H. C. Kwaan: Immunologic identity of plasminogen activator in human urine, heart, blood vessels, and tissue culture. J. Lab, clin. Med. 84 (1974), 546. (1)

Christensen, L. R.: Clin. Invest. 28 (1949), 163.

Jacobi, E., H. E. Karges, N. Heimburger: Bestimmung von Plasminogen mit einer Koagulometermethodç. Med. Welt (Stuttg.) 26 N. F. (1975), 1696.

Dr. E. Jacobi II. Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität 4000 Düsseldorf 1, Moorenstr. .5 Dr. H. E. Karges, Dr. N. Heimnburger Behringwerke AG 3550 Marburg

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

I 2.2.2.

[Plasminogen estimation as a routine test (author's transl)].

Deutsche Medizinische Wochenschrift Jacobi u. a.: Plasminogenbestimmung als Routinetest Dtsch. med. Wschr. 101 (1976), 1220-1222 © Georg Thieme Verl...
123KB Sizes 0 Downloads 0 Views