Biut, Band 30, Seite 299-301 (1975)

KURZE

MITTEILUNG

Robert Koch-Institut Berlin, Laboratoriumsgruppe ftir Blutgruppenforschung und Blutspendewesen (Leiter: Dr. W. Weise)

Polymorphismus der menschlichen ErythrozytenEsterase D Ph~notypenverteilung und Genfrequenzen in Berlin (West) Wolfgang Martin und Angelika Ott Zusammenfassung Esterase-D-Phiinotypen einer Stichprobe aus der Berliner Bev61kerung wurden mit Hilfe der Agarosegel-Hochspannungs-Elektrophorese bestimmt. Die Genfrequenzen betragen 0,8835 ftir Es D 1 und 0,1165 fiir Es D 2, was mit den bisher bekannten Genfrequenzen aus verschiedenen Gegenden Deutschlaeds gut tibereinstimmt. Summary Esterase D phenotypes were determined in a population sample of Berlin (West) by means of high voltage agarosegel electrophoresis. The gene frequencies were calculated with 0.8835 for Es D 1 and 0.1165 for Es D 2. This is consistent with other results obtained in German populations.

Mit der Verwendung neuer fluorogener Substrate for Esterasen entdeckten

I-Iopkinson et al. [3] ein neues Isoenzymsystem, das sie Esterase D (Es D) genannt haben. Durch Anf~irbung mit Umbelliferrylestern k6nnen die Phfinotypen der Esterase D nach elektrophoretischer Auftrennung schnell und leicht nachgewiesen werden. Bisher wurden vier verschiedene Ph~tnotypen gefunden, die durch drei Allele (gs D 1, Es D 2, Es D a) einea autosomalen locus [1] gesteuert werden. Die Darstellung der einzelnen Phfinotypen ist mit verschiedenen elektrophoretischen Methoden m6glich; in der bei uns durchgeftihrten Untersuchungsreihe wurde die Technik der Agarosegel-Hochspannungsetektrophorese [4] verwendet. Gleich gute Ergebnisse lassen sieh mit der St{irkegel- oder der Acetatfolienelektrophorese erzielen. I m Rahmen unserer Untersuchungen der Erythrozyten-Esterase D wurden 545 nichtverwandte Personen und 58 Mutter/Kind-Paare aus der West-Berliner Bev/51kerung untersucht. Material und Methoden

Material: Frisch hergestellte stromafreie H~imolysate, bei --80 ~C eingefroren, wurden zum Gebrauch nach h6chstens 4 Wochen bei Zimmertemperatur aufgetaut, Herstellung der H~imolysate [5]: 3mal in 0,9proz. NaC1-L6sung gewaschenes Erythrozytensediment; 1 Teil Eingegangen am 17.2. 1975

W. Martin und A . Otl

300

Sediment -~ 1,5 Teile aqua bidest. 30 min bei + 4 ~ C zur vollst~indigen H~imolyse stehen lassen; 1 ml Tetrachlorkohlenstoff wurde dazugegeben nnd mit der Hand 1 rain krfiftig geschtittelt, dann 10 min hochtourig zentrifugiert. Das stromafreie H~imolysat bildet die oberste Schicht im R6hrchen.

Eleklrophorese: Angewandt wurde die horizontale Agarosegel-Hochspannungselektrophorese [4] in der Desaga-DE-Kammer, Spannungsabfall ca. 13 V/cm, Schichtdicke ca. 0,15 cm, Laufzeit 75 min. Elektrodenpuffer: Tris-Zitrat-Puffer, p H 7,5; Herstellung: 12,114 g Tris wurden in 800 ml aqua bidest, gel6st und mit 1 M Zitronensiiurel6sung auf p H 7,5 eingestellt (ca. 25 bis 30 ml) und auf 1000 ml aufgefiJlt. Gdpuffer: 1 : 3 verdtinnter Elektrodenpuffer. Aufgetragen wurden ca. 5 bd H~imolysat in 10 mm breite Schlitze, 6 und 12 cm vom kathodischen Ende der Platte mit Deckglfischen gestanzt.

Abb. 1: Es-D-Phfinotypen. Es-D-Ph~inotyp

beobachtet

erwartet

Genfrequenzen

1-1 2-1 2-2

428 107 10

78,53 19,63 1,84

425,4 112,2 7,4

78,05 20,59 1,36

535

100,00

545,0

100,00

Es D 1 Es D ~

2 = 1,1719 0,6 > p(df2) > 0,5

Tab. 1 : Es-D-Phiinotypen- und Genfrequenzen in Berlin (West). Mutter

Kind 1-1

2-1

2-2

n

1-1 2-1 2-2

39 6 .

10 3

---

49 9

--

58

45

.

. 13

0,8835 0,1165

.

Tab. 2: Phanotypenverteilung bei 58 Mutter-Kind-Paaren aus Berlin.

Polymorphismus der menschlichen Erythrozyten-Esterase D

301

Fdrbung: 7,5 mg 4-Methyl-Umbelliferryl-Acetat wurden in 2,25 ml Aceton gel6st und mit 5,25 ml Acetatpuffer (pH 5,2) aufgeftillt, mit der Substratl6sung ein Filterpapier getrSnkt und auf das Gel gelegt. Ablesung erfolgte nach 2 bis 5 min Inkubation bei q-37 ~ C unter UV-Licht (350 nm). Die Enzymbanden zeigten sich hellblau leuchtend auf dunklem Untergrund ca. 2 cm anodenw~irts von den Auftragungsstellen. Ergebnisse und Besprechung Abb. 1 zeigt die drei bei uns bisher gefundenen Ph~inotypen. Das Dreibandenmuster des heterozygoten P M n o t y p s 2-1 l~igt auf eine dimere Struktur des Enzymmolekiils schlieBen. Tab. 1 zeigt die Verteilung der Phitnotypen im Vergleich zu den erwarteten Werten sowie die Gens ftir das Es-D-System. Die Ubereinstimmung zwischen den gefundenen und den erwarteten H~tufigkeiten ist gut. Die bei uns gefundenen Genfrequenzen stimmen mit den y o n anderen A u t o r e n [1-4,6] mitgeteilten gut iiberein. In Tab. 2 ist die Ph~inotypenverteilung bei den Mutter/ Kind-Paaren dargestellt; A b w e i c h u n g e n zum formalgenetischen Modell sind bei unseren und anderen uns bekannten Untersuchungen bisher nicht gefunden worden. Die relativ gtinstigen Genfrequenzen lassen das System der Esterase D fiir die Abstammungsbegutachtung geeignet erscheinen, zumal die Darstellung besonders einfach ist. N e b e n dem Phfinotyp Es D 3-1 [1] wurden bisher keine weiteren Varianten gefunden, die Zahl der durchgefiihrten Untersuchungen ist jedoch noch relativ klein. Mit dem Auftreten von Defekttypen ist, wie auch in anderen Enzymsystemen, zu rechnen, Informationen hieriiber liegen bisher nicht vor. A u f die routinemiil3ige Verwendung dieses Systems in der A b s t a m m u n g s b e g u t a c h t u n g sollte bis zum Vorliegen von Untersuchungen einer geniigend g r o g e n Zahl kritischer Erbg~inge abgesehen werden.

Lileratur: 1 Bender K. & Frank R. : Esterase D-Polymorphismus : Darstellung in der Hochspannungselektrophorese und Mitteilung von Allelhiiufigkeiten. Humangenetik 23, 315 (1974). - - 2 Benkmann H.-G. & Goedde H. W.: Esterase D-Polymorphism: Gene Frequencies and Family Data. Humangenetik 24, 325 (1974). - - 3 Hopkinson D. A., Mestriner M. A., Cortner J. & Harris H." Esterase D: a new human polymorphism. Ann. Hum. Genet. 37, 119 (1973). - - 4 Ktihnl P., Nowicki L. & Spielmann W. : Untersuchungen zum Polymorphismus der intraerythrozytiiren Esterase D (Es D) mittels Hochspannungselektrophorese auf Agarosegel. Z. Rechtsmed., im Druck. - - 5 Marti H.: Normale und anomale menschliche H~imoglobine, S. 51. Springer Verlag, Berlin-G6ttingen-Heidelberg, 1963. - 6 Welch S. & Lee J. : The Population Distribution of Genetic Variants of Human Esterase D. Humangenetik 24, 329 (1974). Anschr. d. Verf. : Dr. med. W. Martin, Robe,t Koch-Institut, D-1000 Berlin 65, Nordufer 20.

[Polymorphism of human erythrocyte esterase D. Phenotype distribution and gene frequencies in Berlin (West)].

Esterase D phenotypes were determined in a population sample of Berlin (West) by means of high voltage agarosegel electrophoresis. The gene frequencie...
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