Klinische Wochenschrift

Klin. Wochenschr. 57, 1169-1175 (1979)

~© Springer-Verlag I979

Polyvinylpyrrolidon-gebundenes H~imoglobin als ein Sauerstoff iibertragender Blutersatzstoff K. Schmidt Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universitfit Ttibingen, Forschungslaboratorien (Direktor: Prof. Dr. L. Koslowski)

Polyvinylpyrolidone-Fixed Hemoglobin as an Oxygen Carrying Blood Substitute Summary. The development of blood substitute oxygen carriers has branched off into several directions: stroma-free hemoglobin solutions, modelling of hemoglobin by fixation of heine or hemopeptides to polymers, filling of microcapsules with hemoglobin solution, crosslinking of hemoglobin. However, the application as blood replacement fluids in patients has not been possible so far because of several disadvantages. In this paper synthesis and properties of an oxygen carrying blood substitute are described in which the hemoglobin molecule is covalently bound to polyvinylpyrrolidone. In aqueous solution the preparation fulfills some basic requirements such as high solubility, only slightly increased oxygen affinity, and low viscosity. Normothermic perfusion experiments with isolated pig kidneys demonstrate that the solution provides an adequate oxygen supply to the organ, has no toxic side effects on kidney function, and has a significantly lower elimination rate compared to an unmodified hemoglobin solution. Key words: Oxygen carrier ney perfusion

Blood substitute- Kid-

Zusammenfassung. Die Entwicklung Sauerstoff tibertragender Blutersatzstoffe hat sich in mehrere Richtungen aufgespalten: stromafreie tt~imoglobinl6sung, Nachbildung yon H~imoglobin dutch Bindung von Hfim bzw. Hfimopeptiden an Polymere, Mikroverkapselung von Hfimoglobinl6sung, Quervernetzung von H/imoglobin. Dennoch war es bis heute nicht m6glich, eine bei Patienten anwendbare Infusionsl6sung zu pr/iparieren, da verschiedene Schwierigkeiten dies verhindern. In der vorliegenden Arbeit werden Synthese und Eigenschaften eines Sauerstoff fibertragenden Bluter-

satzes beschrieben, bei dem das Hfimoglobinmolekfil kovalent an Polyvinylpyrrolidon gebunden ist. In wfiBriger L6sung erftillt das Syntheseprodukt einige grundlegende Erfordernisse wie z.B. hohe L6sIichkeit, nur geringffigig gesteigerte Sauerstoffaffinitfit und niedrige Viskositgt. Normotherme Perfusionsexperimente an isolierten Schweinenieren zeigen, dab die L6sung eine hinreichende Sauerstoffversorgung des Organs gewfihrleistet, keine toxischen Nebenwirkungen auf die Nierenfunktion hat und im Vergleich zu einer unmodifizierten H~imoglobinl6sung wesentlich langsamer ausgeschieden wird. Schliisselwiirter: Sauerstofftrfiger - Blutersatz - Nierenperfusion

Die Entwicklung von Blutersatzstoffen erfolgte frfiher mit der Tendenz, spezifische, monofunktionelle Prfiparate herzustellen. Dabei wurden die Schockbek~mpfung durch Volumenersatz, die Regulation der BlutviskositS, t und die Ern~ihrung als wichtigste Funktion der Ersatzstoffe herausgestellt. In den letzten Jahren war sowohl die Forschung als auch die klinische Praxis mehr auf multifunktionelle Blutersatzstoffe gerichtet, die neben den Eigenschaften eines Plasmaexpanders weitere therapeutische Wirkungen besitzen [18]. In Tabelle 1 sind einige pharmakologische Wirkungen derartiger Pr~iparate mit den entsprechenden polymergebundenen Wirkgruppen angegeben. In die Reihe dieser Prgparate ist auch ein Teil der Sauerstoff fibertragenden Blutersatzstoffe einzuordnen, l~ber Versuche, w/il3rige Hfimoglobinl6sungen ohne gr6Bere Vorbehandlung als Blutersatz zu verwenden, wurde schon in den DreiBigerjahren [9] berichtet, doch muBten die Versuche wegen auftretender Nierenfunktionsst6rungen wieder eingestellt werden. Dies lag vorwiegend an den fehlenden M6glichkeiten,

1170

K. Schmidt: Hfimoglobin als ein Sauerstoff tibertragender Blutersatzstoff

-cH2-fH-

Tabelle 1

Wirkung

Polymergebundene Gruppe

H~imopoietisch H~mostatisch Antibakteriell Antiviral Antiheroin Antistrahlung Antimmor6s Gerinnungshemmend

Eisenkomplexe, Vit B~2, Erythropoietin Vit K Tetracyclin, Ampicillin u.a. Adamantan

-cH2-f.(..

oo.

~

(I)

(2)

-CH2-CH" 0

-CH2-CH- 0

Uenzomorphan

-CH3 - - I CKN-C' I OOH

Antikoagulantien

Aktivierung des Trfigerpolymers

Homocysteinthiolacton Cytostatica

gerinnungsaktive Lipide aus den L6sungen zu entferhen. Erst Rabiner gelang 1967 [10] der Nachweis, dab die schweren Funktionsst6rungen der Niere nach Entfernung der Lipide dutch spezielle Filtrationsverfahren nicht auftreten. Die Sauerstofftr/igerfunktion konnte anhand isovolfimischer Austauschtransfusionen beim Hund nachgewiesen werden. In der klinischen Praxis konnten sich diese stromafreien Hfimoglobinl6sungen bisher vorwiegend deswegen nicht durchsetzen, weil das H/imoglobin rasch durch die Glomerula filtriert und so eliminiert wird. Um die Filtration des Hfimoglobins dutch die Basalmembranen der Glomerula zu verz6gern, wurden bisher im wesentlichen drei Wege eingeschlagen: einmal die Synthese makromolekularer Sauerstofftr/iger durch Bindung yon H~m oder Hgmopeptiden an Polymere [1, 16], zum anderen die Nachbildung yon Erythrocyten durch Einbringen von H/imoglobinl6sung in gas permeable Polymerkapseln geeigneten Durchmessers [13] oder Lipidvesikel [7] und schliel3lich die Quervernetzung von H/imoglobin [3]. Alle diese Syntheseprodukte haben sich jedoch aus verschiedenen Grfinden nicht in die Praxis einffihren lassen. Besser geeignet erscheinen Sauerstoff fibertragende Blutersatzstoffe auf der Basis von polymergebundenem Hfimoglobim wortiber allerdings in der Literatur nur spS~rliche Untersuchungsergebnisse vorliegen [11, 15, 17]. Es soll in dieser Arbeit fiber die Synthese, Eigenschaften und biologische Wirkung eines Blutersatzstoffes auf der Basis eines an Polyvinylpyrrolidon gebundenen Hfimoglobins berichtet werden. Dieser polymere Trfiger wurde ausgewfihlt, da seine physiologischen, toxikologischen und immunologischen Eigenschaften weitgehend bekannt sind [14]. Material und Methodik

(3)

.

I

.

~N-C~CH3 .CO~~O-NC'or~ ]~ (,4)

von Bonhard [21. Dazu werden menschliche Erythrocyten mit Kochsalzl6sung (1,6 g/dl) mehrfach gewaschen und anschlieBend durch Zugabe yon destilliertem Wasser (v/v= 1/4,5) h/imolysiert. Nach Sedimentation des Stromas durch Zentrifugation und Entfernung des Kaliums durch Ionenaustauscher wird die L6sung steritfiltriert und lyophilisert.

b) Partielle Hydrolyse yon Polyvinylpyrrolidon (PVP ). 50 g PVP (Merck) Molgew. 25000-35000 werden in t 1 0,25 N NaOH gel6st und 42 h i m Autoklaven unter Stickstoff anf 140° C erhitzt. AnschlieBend wird die L6sung mit konzentrierter Salzs/iure auf pH 5 gebracht und an einem Membranfilter (Amicon UM 10) ultrafiltriert. Auf diese Weise werden alle Salze entfernt. Anschliegend wird aus dem Retendat das Wasser abdestilliert und letzte Spuren nach Benzolzusatz dutch azeotrope Destillation enffernt. Zur Bestimmung des Hydrolysegrades werden die entstandenen sekundfiten Aminogruppen unter pH Kontrolle mit 0,1 N NaOH titriert. c) Blockierung der sekunddren Aminogruppen. 50 g partiell hydrolysiertes Polyvinylpyrrolidon werden in 300 ml Dichlormethan/Dimethylformamid (1 : 1) gel6st und mit 0,5 Mol Essigsfiureanhydrid versetzt. Man lfiBt 1 h bei Ranmtemperatur stehen und kocht danach weitere 4 h am RfickfluB. AnschlieBend engt man die L6sung im Vakuum auf etwa 100 ml ein und tropft die L6sung unter starkem Rfihren in 21 Di/ithylfither. Das ausgefallene acetytierte PVP wird abfiltriert, mit Ather gewaschen und im Vakuum unter Phosphorpentoxid bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. d) Aktivierung der Carboxytgruppen. 50 g des acetylierten Produktes werden in 500 ml Dichlormethan/Dimethylformamid (v/v= 1/1) ge16st und bei 0° C mit 15,47 g N-Hydroxysuccinimid und anschlieBend mit einer L6sung yon 27,75 g Dicyclohexylcarbodiimid in 50 ml Dichlormethan versetzt. Die L6sung wird 14 h bei 0°C gerfihrt und danach der Cyclohexylharnstoff abzentrifugiert. Nun wird die L6sung auf ca. 300 mI eingeengt und unter starkem Rfihren zu 5 1 kaitem Ather zugetropft. Der wei3e Niederschlag wird abfiltriert, mehrmals mit Ather gewaschen und in der Kglte fiber Phosphorpentoxid getrocknet.

e) Bindung yon Hdmoglobin an das aktivierte Polymer. 27 g H~imoglobin werden in 1 I einer 5%igen Natriumcarbonat-L6sung gel6st. Zu dieser L6sung werden bei 4° C 40 g aktiviertes Polymer zugegeben und die Mischung wS.hrend 24 h weitergerfiht. AnschlieBend wird lyophilisiert und erneut in 300 ml destilliertem Wasser gel6st. Nach Diafiltration mit dem 20fachen Volumen wird das retendierte Produkt erneut lyophilisiert.

1. Pr@aration des polymergebundenen Hdmoglobins ( Formelschema)

2. Analytische Methoden

a) Priiparation des Hi#noglobins. Die Pr~iparation des f~ir die Expe-

auf einem Hochdruckflfissigkeitschromatographen (Hewlett-Pakkard) durchgeffihrt. Zur Trennung diente CPG~10-350 TrS.germate-

rimente verwendeten H~imoglobins erfolgte analog einer Vorschrift

a) Chromatographie. Die Gelpermeationschromatographie wurde

K. Schmidt: H~imoglobin als ein Sauerstoff tibertragender Btutersatzstoff

1171

[l

L Abb. 2. Anordnung zur Warmperfusion der Niere mit trfigerfixiertem H~imoglobin: Thermostat; 2 Membranoxygenator; 30xygenatorpumpe ; 4 Perfusionspumpe; 5 Manometer; 6 Niere ; 7 Filter

i Abb. 1. Tonometriergeffil3 mit Me3ktivette

rial mit einem mittleren Porendurchmesser yon 35 mm in einer Stahls/iule (1 m x 4 mm inn. Durchm.). Die mobile Phase bestand aus 50% 2-Propanol in Wasser. Bei 88 bar betrug der Durchflul3 0,95 ml/min. Der Lauf wurde durch UV Detektor fiberwacht.

b) Elektrophorese. Elektrophoretische Untersuchungen am Syntheseprodukt wurden nach der Methode yon Davis [4] und Ornstein [811durchgefiihrt. c) Absorptionsspektren. Zur Aufnahme der Absorptionsspektren wurde ein Zeiss DMR 10 Spektralphotometer verwendet. MeBtemperatur war 37° C. d) Sauerstoffdissoziationskurven. Zur Aufnahme der SauerstoffDissoziationskurven wurden die L6sungen (Hb, PVP-Hb) mit Tonometriergasen ~tquilibriert (Tonometer Hellige) und die Partialdrucke yon 02 und CO2 sowie der pH-Wert mit der Elektrode gemessen (GasCheck AVL). Um Fehler durch spektrale Unterschiede zwischen Hb und PVP-Hb zu vermeiden, wurde die Sauerstoffs~ittigung des Carriers nicht mit dem herk6mmlichen Oximeter sondern im Spektralphotometer bestimmt. Im Falle geringer pH Abweichungen wurden die MeBwerte auf pH 7,4 korrigiert [12]. Es wurde das in Abb. 1 dargestellte Tonometriergef/ig mit Megkiivette verwendet.

3. Normotherme Nierenperfusion F-fir die Experimente wurden Hausschweine (ca. 20 kg) nach Pr~medikation mit 200 mg Stresnil i.m. in Hatothan/Lachgas/SauerstoffNarkose beidseits nephrektomiert. Zur Thromboseprophylaxe wurden kurz vor der Organentnahme 200 mg Procain und 500 IE Liquemin intraaortal injiziert.

Die schonend prfiparierten und entnommenen Nieren wurden sofort mit kalter (4° C) Sackscher L6sung durch Schwerkraftperfusion yon Blut freigesptilt, unter sterilen Kautelen gewogen und nach Kaniilierung der Gefgge an die Perfusionsmaschine angeschlossen. Die Warmisch~imiezeit betrug ca. 1 rain. Als Perfusionssystem kam eine modifizierte Gambro-Maschine zum Einsatz (Abb. 2). Auf der arteriellen und ven6sen Seite konnten fiber Dreiwegehfthne Proben abgenommen werden. Der Urin wurde in einen Fraktionensammler abgeleitet. Die Oxygenierung erfolgte in einem Membran-Oxygenator (Travenol 5 MO 326) mittels eines Gasgemischs 95% Oz und 5% COz. Es wurde bei einem Perfusionsdruck yon konstant 110 mm Hg und einer Temperatur yon 37 + 0,2 ° C gearbeitet. Unter diesen Bedingungen stellte sich ein Perfusionsflow yon 1 rot/rain eim bezogen auf 1 g Nierengewebe, der nach 60 min Perfusion geringfiigig abgefallen war. W~ihrend der Perfusion wurde der Partialdruck des Sauerstoffs an der Nierenoberfl/iche mittels einer Platin-Mehrdraht Elektrode kontinuierlich gemessen [6].

Ergebnisse und Diskussion Molekulare und spektrale Eigenschaften Bei d e r u n s p e z i f i s c h e n K u p p l u n g des a k t i v i e r t e n P o l y m e r s a n t e r m i n a l e A m i n o g r u p p e n des H f i m o g l o b i n s k o n n t e ein m o l e k u l a r e i n h e i t l i c h e s P r o d u k t n i c h t erw a r t e t w e r d e n . D a z u d e m das e i n g e s e t z t e P o l y v i n y l p y r r o l i d o n selbst s c h o n e i n e n b r e i t e n M o l e k u l a r g e wichtsbereich aufwies, ergaben Disk-Elektrophoresen und Gelpermeationschromatographie breite Substanzpeaks. Aus diesem Grund waren auch Molekulargewichtsbestimmungen durch analytische Gleichgewichtszentrifugation nicht m6glich. D a s g e r e i n i g t e S y n t h e s e p r o d u k t w a r frei v o n n i c h t u m g e s e t z t e m H f i m o g l o b i n , z e i g t e j e d o c h eine w e i t g e hende 1Jbereinstimmung der spektralen Daten mit nat i v e m H f i m o g l o b i n ( A b b . 3). D i e s g a l t s o w o h l ftir die o x y g e n i e r t e als a u c h fiir die s a u e r s t o f f f r e i e F o r m . E i n e O x y d a t i o n des z w e i w e r t i g e n H / i m e i s e n s in die d r e i wertige Form war auch nach zweijfihriger Lagerung

1172

K. Schmidt: H/imoglobin als ein Sauerstoff ~bertragender Blutersatzstoff

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b ~oo

5bo

6o0 [nml I

Abb. 3. Absorptionsspektren yon H~moglobin und PVP-Hfimoglobin im oxygenierten Zustand

%

o2s~tt,iTu,,g

6O

~

Hb 6 % Hb -L61sung

37oc pH 7,4

~0 20

°o

" 2o

go

" Sb

" sb

To~

;0 2--

Abb. 4. Sauerstoff Dissoziationskmven von Hb- und PVP-Hb-L6sung unter Standardbedingungen

des Sauerstoffs an das Gewebe wichtig. Dabei interessiert in erster Linie die Frage, wie niedrig der Gewebssauerstoffdruck liegen muB, damit der oxygenierte Carrier seinen Sauerstoff abgibt. Im Fatle des Blutes wird durch kooperative Effekte der vier Polypeptidketten des Hfimoglobins und Adiuvantien wie 2,3Diphosphoglycerat oder Pyridoxalphosphat der steilste Teil der O2-Dissoziationskurve in gfinstige Partialdruckbereiche gelegt. Bei H~imoglobinl6sung ist die Hb-Konzentration wesentlich geringer als im Erythrocyten und es fehlt die Kompartimentierung, so dab niedermolekulare Adiuvantien rasch eliminiert werden. Dies hat eine Verschiebung des Dimer-Tetramer Gleichgewichts und damit der Dissoziationskurve zu niedrigeren Partialdrucken zur Fotge. Bei modifizierten Hfimoglobinen, insbesondere bei Quervernetzung der einzelnen Ketten durch relativ starre Brfikken, besteht zus~tzlich die Gefahr, dab die kooperatiyen, allosterischen Effekte verlorengehen. Die in Abb. 4 dargestellten Dissoziationskurven lassen erkennen, dab durch die Kupplung an Polyvinylpyrrolidon zwar der Halbsfittigungsdruck weiter absinkt, die sigmoide Bindungscharakteristik jedoch nicht vollkommen aufgehoben wird. Aufgrund dieser Bindungskurve erscheint das Syntheseprodukt ffir eine Verwendung als Sauerstoff-Carrier durchaus geeignet. Von grol3er Bedeutung ist neben der Sauerstofftransportfunktion des Blutersatzes auch die hfimodynamische Wirkung, die sich auf zwei entscheidende Parameter der verwendeten L6sung reduzieren lfil3t. Dies ist einmal die Viskosit~it und zum anderen die intravaskul~ire Persistenz des h/imodynamisch aktiven Bestandteils. Beide beeinflussen entscheidend die Rheologie des Blutes, die kapillfire Perfusion und das Herzzeitvolumen. Im Vergleich zur reinen Hb-L6sung mug durch die Fixierung des Hfimoglobins an das Polymer ein gewisser Viskositfitsanstieg in Kauf genommen werden, doch liegen die Verhfiltnisse immer noch wesentlich giinstiger als bei Blut.

Nierenpelfusion des lyophilisierten Produktes ohne Sauerstoffausschlul3 nicht festzustellen. Auch in w/il3riger L6sung erwies sich das PVP-Hb als vergleichsweise oxydationsstabil gegen Sauerstoff. Meth/imoglobinbestimmungen nach Evelyn und Maltoy [5] ergaben Werte um 1%.

Dissoziationskurven Fiir die Sauerstofftransportfunktion ist neben der Sauerstoffkapazitfit des Carriers vor allem die Abgabe

Zur Gesamtbeurteilung eines Blutersatzstoffes sind in vivo Untersuchungen der Wirkung auf die H/imodynamik, Mikrozirkulation und Gerinnung, sowie des Abbaus, der Elimination oder eventueller Speicherung im RES durchzuffihren. Dabei reichen sukzessive Austauschtransfusionen am gesunden Versuchstier nicht aus, da es in der Regel bei klinischer Anwendung darum geht, die Mikrozirkutation im Schock wieder zu restituieren. Wir beschrfinkten uns bei dieser Basisuntersuchung auf normotherme Nierenperfusionen, die es erlauben, einen entscheidenen Teil der Eigenschaften des potentiellen Blutersatzstoffs, nfim-

K. Schmidt : Hfimogiobin als ein Sauerstoff fibertragender Blutersatzstoff Tabelle 2. Sauerstoff-Pardaldrucke des PVP-Hb-Mediums im Verlauf der Perfusion (Gerundete Mittehverte aus 6 Messungen)

Poz arteriell Po2 ven6s Arterio-ven6se Differenz

1173 g

lO--LHb Orn:

vor

3 rain

30 min

60 min

3

400

300 120 180

300 200 100

300 (Tort) 200 (Torr) 100 (Tort)

2

lich die renale Elimination des Carriers, der Messung zugfinglich zu machen. Die ftir die in vitro Untersuchungen verwendete 6%ige Hb- bzw. PVP-Hb-L6sung wurde ffir die Perfusionsexperimente mit kommerzieller 5%iger tlumanalbuminl6sung im Verhfiltnis 1 : 1 (v: v) versetzt. Die Elektrolytkonzentrationen sowie die Osmolaritfit der Perfusionsl6sung wurden danach auf Serumbedingungen eingestellt. Wfihrend der gesamten Perfusionszeit (60 min) wurde der Perfusionsdruck (110 mm Hg) durch Regulation der FIuBrate konstant gehalten. Die dazu erforderlichen FluBfinderungen waren sehr gering (ca. 2 3% nach 60 min).

I/At

i

0

! i oT

20

Hb

[_

i

iT

~'0

Perfusion 50 Min~

~

Abb. 5. Konzentrationsansdeg yon Hb und PVP-Hb im Urin im Verlauf der Nierenperfusion (Mittelwerte und Standardabweichungen aus 6 Messungen)

Po 2

Torr 100

0 2- V e r s o r g u n g

Tabelle 2 zeigt das Verhalten der Sauerstoff-Partialdrucke bzw. der arterio-ven6sen Sauerstoff-Differenz im Verlauf der Perfusion. Es wird deutlich, dag der zu Beginn der Perfusion sehr hohe Sauerstoffbedarf sich im Verlauf der Perfusion verringert. Die Urinflul3raten pendelten sich nach einer wenige Minuten dauernden polyurischen Phase bei etwa 1,5 ml/min ein und blieben fiber die gesamte Versuchsdauer konstant. Von besonderem Interesse war natfirlich die Ausscheidungsgeschwindigkeit bzw. der Konzentrationsanstieg des Carriers im Urin. Wfihrend bei unmodifizierter Hfimoglobinl6sung innerhalb weniger Minuten im Urin die Hb-Konzentration des Perfusats erreicht wurde, ergab sich fiir PVP-Hb eine deutlich reduzierte renale Elimination (Abb. 5). Es kann daher angenommen werden, dab die intravasale Persistenz des PVP-Hb gtinstiger liegt als bei unmodifizierter Hb-L6sung, obwohl natfirlich auger der renalen Elimination bei Infusionen auch ein transkapillfirer Verlust in die Lymphspalten zu beriicksichtigen ist, der sich bei der Nierenperfusion nicht ermitteln lfil3t. Wfihrend der Perfusion wurde der Sauerstoff-Partialdruck an der Oberfl/iche der Niere gemessen. Die Megwerte liefern Information fiber die Sauerstoffdiffusion an die Oberflfiche des Organs und erlauben eine Beurteilung seiner Sauerstoffversorgung. Die daffirverwendeten Mehrdraht-Elektroden gestatten Messungen an mehreren definierten Stellen. Abb. 6 zeigt an einem Einzelbeispiel den Verlauf des pO2

50

Oo . . . .

ilP_Hb

I5

30

~s

m~

PERFUSION5ZEIT

Abb. 6. Sauerstoffdruck an der Nierenoberflfiche im Verlauf der Perfusion (zwei typische Einzelmessungen)

an der Organoberflfiche wfihrend der Perfusion mit Hb- und PVP-Hb Medium, Man erkennt, dab es zunfichst zu einem sehr starken Anstieg der SauerstoffDiffusion in das Gewebe kommt, der sich nach etwa 30 min in einen Abfall umkehrt. Dieses Verhalten dfirfte wahrscheinlich mit Verfinderungen der Mikrozirkutation w~hrend der Perfusion des Organs zusammenhfingen. Es kam hier jedoch weniger auf Absolutwerte des pOa an, da aus Untersuchungen an isolierten Mitochondrien ohnehin bekannt ist, dab ein Gewebssauerstoffdruck von 1 Torr ausreicht, um eine maximale Zellatmungsrate zu gew/ihrleisten. Die Messungen weisen nach, dab die Tr/igerfixierung des Hfimoglobins die Sauerstoffversorgung des Organs nicht wesentlich verschlechtert.

1174

K. Schmidt: Hfimoglobin als ein Sauerstoff iibertragender Blutersatzstoff / i n d e r u n g e n ffihren ( A b b . 7). W e d e r m i t H b - L 6 s u n g n o c h m i t P V P - H b - L 6 s u n g w a r e n j e d o c h hypoxfimische V e r / i n d e r u n g e n an den p e r f u n d i e r t e n N i e r e n n a c h weisbar. Die P o l y m e r f i x i e r u n g erweist sich als ein taugliches Mittel, u m die A u s s c h e i d u n g , d e s H / i m o g l o bins zu verz6gern, w o b e i der A n s t i e g d e r Sauerstoffaffinit/it u n d d e r Viskositfit in ertrfiglichen G r e n z e n bleibt. Es w/ire wfinschenswert d u r c h V e r w e n d u n g alt e r n a t i v e r P o l y m e r k o m p o n e n t e n mit einer g e r i n g e r e n A n z a h l r e a k t i v e r G r u p p e n eine spezifischere K u p p lung zu erreichen, u n d so ein m o l e k u l a r einheitlicheres u n d chemisch besser c h a r a k t e r i s i e r b a r e s P r o d u k t zu erhalten. D e r a r t i g e U n t e r s u c h u n g e n sind derzeit i m G a n g e . D a r t i b e r h i n a u s ist zur V e r b e s s e r u n g d e r S a u e r s t o f f a b g a b e an das G e w e b e a u c h die K u p p l u n g v o n H / i m o g l o b i n d e r i v a t e n an P o l y m e r e in B e t r a c h t zu ziehen, die o r g a n i s c h e P h o s p h a t e k o v a l e n t g e b u n den enthalten. Herrn Prof. Dr. G.E. Schubert (Wuppertal) sei ffir die morphologische Beurteilung yon Nierenschnitten gedankt.

Literatur

Abb. 7 a und b. Nierenmorphologie nach der Perfusion: ttypoxische

Schgden sind in keinem Fall nachweisbar, a normale Morphologie nach Perfusion b osmotischer Effekt auf die Niere mit Schwellung der Glomerulum Endothelien und weitgestetlten Hauptstiicken

To xizitiit D a N i e r e n k o m p l i k a t i o n e n b i s h e r als ein wesentliches H i n d e r n i s ffir den Einsatz S a u e r s t o f f t i b e r t r a g e n d e r Blutersatzstoffe a u f der Basis y o n H f i m o g l o b i n angesehen w u r d e n , h a l t e n wir die n o r m o t h e r m e N i e r e n p e r f u s i o n ftir ein gtinstiges T e s t m o d e t l d e r a r t i g e r M e dien. W i r h a b e n bei u n s e r e n U n t e r s u c h u n g e n k e i n e Hinweise a u f eine N e p h r o t o x i z i t / i t der v e r w e n d e t e n P V P - H b - L 6 s u n g e n gefunden. Z u r F r a g e f u n k t i o n e l l e r St6rungen der Niere nach Infusion von stromafreier H b - L 6 s u n g sei a u f die M o n o g r a p h i e v o n J a m i e s o n u n d G r e e n w a l t [7] hingewiesen, M 6 g l i c h e r w e i s e erkl/iren o s m o t i s c h e Effekte die u n t e r s c h i e d l i c h e n Befunde zur F r a g e y o n Nierensch/idigungen. N a c h u n s e r e n E r f a h r u n g e n k 6 n n e n relativ geringe o s m o t i s c h e A b w e i c h u n g e n der P e r f u s i o n s l 6 s u n g e n zu m o r p h o l o gisch n a c h w e i s b a r e n glomerul/iren u n d tubul/iren Ver-

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[Polyvinylpyrolidone-fixed hemoglobin as an oxygen carrying blood substitute (author's transl)].

Klinische Wochenschrift Klin. Wochenschr. 57, 1169-1175 (1979) ~© Springer-Verlag I979 Polyvinylpyrrolidon-gebundenes H~imoglobin als ein Sauerstof...
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