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Mögliche Beteiligung der Phospholipase A2 an der Pathogenese der Schizophrenie W. F. Gattaz'. T J. Nn·alainen 2• P. K. J. Kinnunen 3 Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim (Direktor: Prof. Dr. Dr. H. Häfner) Department of Pathology, U niversity ofTurku, Finland , Department of Medical Chemistry, University of Helsinki, Finland I

Possible Involvement of Phospholipase A2 in the Pathogenesis ofSchizophrenia

Phospholipase A2 (PLA2) is a key enzyme in the metabolism of phospholipids. PLA2 is enriched in neuronal membranes and plays an essential role in the functioning of membrane structures in the brain. Because a disordered phospholipid metabolism has been postulated in schizophrenia we started in 1985 aseries of exploratory studies in an attempt to c1arify the role of PLA2 in schizophrenie disorders. Our results can presently be summed up as folIows: I. Drug-free schizophrenics showed significantly higher PLA2 activity in serum and in plasma as compared with healthy controJs as weil as with nonschiz0phrenie psychiatrie patients; the latter dill not differ from the control group with regard to PLA~ activity. These findings suggest that increased PLA2 activity might be specific for schizophrenia. 2. The possibility that increased PLA2 activity is an artifact due to prior neuroleptic treatment could be ruled out as improbable by the findings that a) neuroleptic treatment significantly reduced PLA2 activity, and b) increased PLA2 activity was also found in first-on set, nevertreated schizophrenie patients. 3. Increased PLA2 activity in schizophrenie patients was not caused by the entry of pancreatic enzyme into circulation. Our findings in serum rather suggest that the increment reflects increased intracellular enzyme activity. We speculate that our results might reflect an increment of the intraneuronal PLA2 activity in the brain. The activation of PLA2 in the brain was found to result in changes in neuronal function due to alterations in receptor sensitivity as weil as in neurotransmitter metabolism. The possibility that such PLA2-induced mechanisms are involved in the pathology of schizophrenia should be investigated in further experiments.

Fortschr. Neurol. Psychial. 58 (1990) 148-153 © Georg Thieme Verlag Stullgart· New York

Zusammenfassung

Phospholipase A2 (PLA2) ist ein SchJüsselenzym im Stoffwechsel der Phospholipide. PLA2 reichert sich in neuronalen Membranen an, wo sie den Phospholipidumsatz kontrolliert. Der Phospholipidumsatz in der Zellmembran ist vor allem für die Aufrechterhaltung der Membranfluidität und -funktion von Bedeutung. Da bei der Schizophrenie bereits eine Störung sowohl der neuronalen Funktion als auch des Phospholipidumsatzes in der Literatur postuliert wurde, begannen wir 1985 eine Reihe von explorativen Studien mit dem Ziel, eine mögliche Beteiligung der PLA2 bei solchen Störungen zu erforschen. Unsere bisherigen Befunde lassen sieh wie folgt zusammenfassen: I. Medikamentenfreie schizophrene Patienten zeigten im Plasma und im Serum signifikant höhere PLA2-Aktivität im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen, wie auch im Vergleich zu nicht-schizophrenen psychiatrischen Patienten. Die letztgenannte Gruppe unterschied sich bezüglich der Enzymaktivität nicht von den Kontrollen; das kann als Hinweis auf eine mögliche Spezifität der Befunde für die Schizophrenie gewertet werden. 2. Es ist unwahrscheinlich, daß diese Befunde ein Artefakt aufgrund früherer psychiatricher Behandlungen darstellen, weil eine erhöhte PLA2-Aktivität auch bei ersterkrankten, nicht vorbehandelten Patienten gefunden wurde. 3. Neuroleptische Behandlung reduziert die PLA2-Aktivität signifikant. 4. Die Erhöhung der PLA2-Aktivitüt bei Schizophrenen ist nicht eine Folge erhöhter Konzentrationen pankreatischer PLA2. Unsere Befunde im Serum weisen eher darauf hin, daß die Erhöhung bei schizophrenen Patienten eine erhöhte Aktivität der intrazellulären PLA2 widerspiegelt.

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2

Fortschr. Neurol. Psychiat. 58 (1990)

Mögliche Beteiligung der PllOspholipase A2 an der Pathogenese der Schizophrenie

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PlA I

Auf der neuronalen Ebene bewirkt die Aktivierung der intrazellulären PLA2-Veränderungen in den physikochemischen Charakteristika synaptosomaler Membranen, welche Alterationen sowohl der Rezeptorensensitivität als auch der Synthese und Freisetzung von Neurotransmittern zur Folge haben. Die Beteiligung von Alterationen der Rezeptorsensitivität wie auch des Neurotransmittermetabolismus an der Pathogenese der Schizophrenie wurden wiederholt in der Literatur diskutiert.

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I. Einleitung

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Phospholipase A2 (PLA2) ist ein Schlüsselenzym im Stoffwechsel der Phospholipide. Die extrazelluläre PLA2 wird im Pankreas synthetisiert. Die intrazelluläre PLA2 wurde in allen bisher untersuchten Zellen gefunden. PLA2 reiehert sich in neuronalen Membranen an, wo sie den Phospholipidumsatz kontrolliert. Dcr Phospholipidumsatz in der Zellmembran ist vor allem für die Aufrechterhaltung der Membranfluidität und -funktion von Bedeutung (Van den Bosch 1980). Während der letzten Jahre konzentrierte sich das wissenschaftliche Interesse zunehmend auf die experimentelle Untersuchung des zerebralen Phospholipidumsatzes (Rotrosen und Paul 1986). Neuere Ergebnisse der Arbeitsgruppe von J. Axelrod belegen die neuronale Schlüsselrolle des PLA2-abhängigen Arachidonsäurestoffwechsels (Burch et al. 1986a, 1986b; Russell et al. 1987): "It is becoming increasingly apparent that PLA2 is involved in signal transduction of neurotransmitters and hormones; also, that arachidonic acid and its many metabolite products of PLA2 have important biological efiects. Several investigators have already shown that the nervous system is rich in PLA2, arachidonic acid and its metabolites, as weil as lipocortin, an inhibitor of PLA2. I believe that studies on the interactions of neurotransmitters, neuropeptides, PLA2, and lipocortin would be a fruitful area of research in neurobiology" (J. Axelrod. persönliche Mitteilung, 1986).

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Abb. 1 Plasma-Phospholipase-A2-Aktivität bei gesunden Kontrollen (C). medikamentenfreien Schizophrenen (S) und medikamentenfreien nicht-schizophrenen Patienten (NS). Die Pfeile deuten auf die ersterkrankten Schizophrenen. PU I 100

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20

Da bei der Schizophrenie bereits eine Störung sowohl der neuronalen Funktion als auch des Phospholipidumsatzes in der Literatur postuliert wurde, begannen wir 1985 eine Reihe von explorativen Studien mit dem Ziel, eine mögliche Beteiligung der PLA2 bei solchen Störungen zu erforschen.

15 10

Abb.2 Plasma-Phospholipase-A2-Aktivität bei 13Schizophrenen vor (A) und nach (8) 3wöchigerHaloperidoltherapie.

2. Experimentelle Befunde

2./ Erste Studie (Gattaz et al. /987) In der ersten Studie der PLA2 bei psychiatrischen Patienten untersuchten wir die Enzymaktivität im EDTA-Plasma von 20 Schizophrenen und 21 alters- und geschlechtsangeglichenen Kontrollpersonen. Die Schizophrenen waren mindestens eine Woche medikamentenfrei, 8 Patienten waren zum ersten Mal erkrankt und nicht vorbehandelt.

Schizophrene zeigten eine signifikant höhere PLA2-Aktivität als Kontrollpersonen (p < 0,00 I). 70 % der Patienten hatten eine höhere PLA2-Aktivität als der höchste Wert der Kontrollgruppe. 7 der 8 ersterkrankten Schizophrenen lagen innerhalb der höchsten Werte (Abb. I). Die PLA2Aktivität wurde bei 13 Patienten noch einmal nach 3wöchiger Haloperidolbehandlung untersucht. Die Haloperidolbehandlung reduzierte die PLA2-Aktivität bei allen Patienten außer bei einem (Abb. 2). Um die mögliche Spezifität unserer Befunde für die Schizophrenie zu untersuchen, bestimmten

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so .5

Fortsehr. Neurol. Psychiat. 58 (1990)

W F. Gattaz, T 1. Nevalainen, P. K. 1. Kinnunen

Tab. 1 Phospholipase-A2-Aktivität (in pmol/min/ml) im EDTAPlasma von Schizophrenen, gesunden Kontrollen und nicht-schizophrenen psychiatrischen Patienten

total Männer Frauen

schizophrene Patienten (n=20)

gesunde Kontrollen (n=21)

psychia!rische Kontrolle (n=6)

42±27 39±27 44±29

17±6 18±6 16±6

22±6

PLA2-Aktivität (in pmol/min/ml) und pankreatische PLA2Konzentrationen (in ng/ml) im Serum (" =p < 0,005)

Tab. 2

Schizophrene (14) Kontrollpers. (20) nicht-schizophr. Patienten (8)

PLA2Aktivität

pankreatische PLA2

68±63' , 35±18 24±17

6,9±1,3 6,4 ± 1,9 6,6±1,0

22±6

wir die PLA2-Aktivität bei einer kleinen Gruppe (n = 6) von nicht-schizophrenen psychiatrischen Patienten. Zwischen dieser Gruppe und den Kontrollen wurde kein signifikanter Unterschied gefunden (Tab. 1). Diese ersten Befunde waren von Interesse, weil sie eine Erklärung für eine Anzahl von Ergebnissen aus der Literatur über den Phospholipidumsatz bei Schizophrenen lieferten (darauf werden wir noch näher eingehen). Jedoch bedurften die Ergebnisse der experimentellen Replikation. Insbesondere sollte der Frage nachgegangen werden, ob die erhöhte PLA2-Aktivität bei Schizophrenen a) eine Folge erhöhter pankreatischer PLA2-Konzentrationen darstellt (d. h. peripheres Phänomen) oder b) eine Erhöhung der intrazellulären PLA2-Aktivität widerspiegelt; eine Bestätigung hiervon könnte Rückschlüsse auf eine Erhöhung der intraneuronalen PLA2-Aktivität zulassen.

2.2 Replikationsstudie Die o. g. Frage haben wir in einer zweiten, unabhängigen Stichprobe überprüft. Dabei wurden 14 Schizophrene (mindestens I Woche medikamentenfrei), 20 gesunde Kontrollpersonen und 8 nicht-schizophrene psychiatrische Patienten untersucht. Um einen möglichen Einfluß von EDTA auf die Ergebnisse auszuschließen, untersuchten wir in der 2. Studie die PLA2-Aktivität im Serum. Wir konnten nachweisen, daß die PLA2-Aktivität im Serum sehr hoch mit der Aktivität im EDTA-Plasma korreliert (n=20, r=.84, p < 0,000 I); jedoch werden im Serum im Durchschnitt höhere Werte für die Enzymaktivität und somit eine höhere Empfindlichkeit des Assays erzielt. Die Ergebnisse neuerer "In-vivo"- und "In-vitro"-Untersuchungen weisen darauf hin, daß höhere PLA2-Aktivität im Serum eine Folge der Freisetzung des Enzyms aus aktivierten Thrombozyten ist (van den Bosch, persönliche Mitteilung, 1988). Somit erlaubte uns dieser Ansatz, indirekt den Beitrag der intrazellulären PLA2 zur erhöhten Enzymaktivität bei Schizophrenen zu überprüfen. Ferner, um auch den Beitrag der pankreatischen PLA2 zur erhöhten Aktivität bei Schizophrenen zu untersuchen, bestimmten wir bei denselben Probanden die Konzentrationen des pankre,itisehen Enzyms mittels eines spezifischen Fluoroimmunoassays (Eskola et al. 1983). Die Ergebnisse der 2. Studie bestätigten weitgehend die I. Studie: schizophrene Patienten zeigten signifikant höhere PLA2-Aktivität als Kontrollpersonen (p < 0,003) und als nicht-schizophrene psychiatrische Patienten (p < 0,004). Wenn die PLA2-Aktivität bei den 6 ersterkrankten Schizophrenen getrennt ausgewertet wurde, lag sie eben-

falls signifikant höher als die Werte der Kontrollgruppe (86 ± 96 gegenüber 35 ± 18, p < 0,05). Diese erhöhte PLA2Aktivität bei Schizophrenen war nicht eine Folge erhöhter Konzentrationen der pankreatischen PLA2, da wir in dieser Hinsicht keinen signifikanten Unterschied zwischen den 3 Probandengruppen feststellen konnten (Tab. 2). Bei 9 schizophrenen Patienten untersuchten wir die PLA2-Aktivität noch einmal nach 3wöchiger Haloperidolbehandlung. Die Haloperidolbehandlung reduzierte die PLA2-Aktivität bei allen Patienten außer bei zweien. Wir fanden eine positive Korrelation zwischen dem Ausgangswert der PLA2 und dem psychopathologischen Befund der Patienten gemessen mit der Brief Psychiatrie Rating Scale (BPRS) (r=.68, p=0,07). Ebenfalls fanden wir eine nicht signifikante Korrelation zwischen Reduktion der PLA2-Aktivität und Abnahme der Psychopathologie (BPRS-Score) nach 3wöchiger Behandlung (r= .31, n. s.). Sicherlich bedürfen solche Korrelationen der Bestätigung an einer größeren Stichprobe.

2.3 Wirkung von Neuroleptikatherapie Die Wirkung der neuroleptischen Behandlung auf PLA2-Aktivität haben wir in einer weiteren Stichprobe bei 24 schizophrenen Patienten untersucht, bei denen die Enzymaktivität vor und nach einer Haloperidoltherapie von 3wöchiger Dauer bestimmt wurde. Die Behandlung mit Haloperidol führte zu einer Reduktion der PLA2-Aktivität bei 79''/0 (19/24) der Patienten (p < 0,001). Gemeinsam zeigen die Ergebnisse unserer drei Studien, daß Haloperidoltherapie bei schizophrenen Patienten zu einer deutlichen Abnahme der PLA2-Aktivität führt. Diese Daten stehen in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von "In-vitro"-Studien wie auch von " In-vivo"-Tierexperimenten, die ebenfalls eine Reduktion der PLA2-Aktivität nach Behandlung mit verschiedenen Neuroleptika zeigten (Schröder et al. 1981, Aarsman et al. 1985, Taniguchi et al. 1988). Inwieweit ein solcher Effekt mit der therapeutischen Wirksamkeit der Neuroleptika im Zusammenhang steht, muß in weiteren Studien abgeklärt werden.

2.4 Intraindividuelle Stahilität der PLA2Aktivität Wir untersuchten die Plasma- und die SerumPLA2-Aktivität bei 9 gesunden Probanden wöchentlich über einen Zeitraum von bis zu 6 Wochen. Die Enzymaktivität zeigte sich bei diesen Probanden als ein zeitstabiler Parameter; die intraindividuellen PLA2-Werte an den verschiedenen Zeitpunkten korrelierten signifikant miteinander (r zwischen .60 und .85).

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Fortschr, Neuro!' Psychiat. 58 (1990)

Mögliche Beteiligung der Pho,lpholipase A 2 an der Pathogenese der Schizophrenie

total Männer Frauen

schizophrene Patienten (n=14)

gesunde Kontrollen (n=20)

psychiatrische Kontrollen (n=8)

68±63 87±95 54±23

35±18 31±10 43±27

24±17 28±23 21±14

Tab. 4 Phosphatidylcholin (PC)-Gehalt in Erythrozyten (Ery) und in Thrombozyten (Thr) schizophrener Patienten (modifiziert nach Rotrosenund Wo/kin, 1987)

Autor

Jahr

Schiz. (n)

Kontr. Gewebe (n)

Stevens Henn Sengupta Sengupta Hitzeman Hitzeman Hitzeman To/bert Buchman Buchman

1972 1980 1981 1981 1982 1984 1985 1983 1985 1985

101 20 26 26 23 33 20 17 13 13

20 15 34 34 15 35 12 31 8 8

Ery Ery Ery Thr Ery Ery Ery Ery Thr Ery

PC -10% - 9% +61% +31% -13% -10% -11% - 4% -10% - 9%

Schiz. =schizophrene Patienten; Kontr. ~ gesunde Kontrollpersonen - xx%~Schiz. < Kontr. (in %); + xx%=Schiz. > Kontr. (in %)

-PLA2

len, weil eine erhöhte PLA2-Aktivität auch bei ersterkrankten, nicht vorbehandelten, Patienten gefunden wurde.

CHOLINE

1

ACETYLCHOLINE Abb.3

Abbau von Membran-Phosphatidylcholin durch Phospholi-

paseA2.

2.5 Einflüsse I'on Geschlecht und Alter auf der PLA2-Aktivitüt Wir fanden keinen Unterschied in der PLA2Aktivität zwischen männlichen und weiblichen Probanden. Dies gilt sowohl für die Patienten- als auch für die Kontrollgruppe. Wie aus den Tab. 1 und 3 zu entnehmen ist, bleiben die Unterschiede zwischen den Gruppen auch dann bestehen, wenn die Daten getrennt nach Geschlecht analysiert werden. Ebenfalls konnte in unseren Stichproben keine signifikante Korrelation zwischen PLA2-Aktivität und dem Alter nachgewiesen werden (n=44, r=-.19, p>0,20).

3. Zusammenfassung und Diskussion der Befunde

Die Befunde unserer obengenannten Studien lassen sich somit wie folgt zusammenfassen: I. Medikamentenfreie schizophrene Patienten zeigten im Plasma und im Serum signifikant höhere PLA2-Aktivität im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen, wie auch im Vergleich zu nicht-schizophrenen psychiatrischen Patienten. Die letztgenannte Gruppe unterschied sich bezüglich der Enzymaktivität nicht von den Kontrollen; das kann als Hinweis auf eine mögliche Spezifität der Befunde für die Schizophrenie gewertet werden. 2. Es ist unwahrscheinlich, daß diese Befunde ein Artefakt aufgrund früherer psychiatrischer Behandlungen darstel-

3. Neuroleptische Behandlung reduziert die PLA2-Aktivität signifikant. 4. Die Erhöhung der PLA2-Aktivität bei Schizophrenen ist nicht eine Folge erhöhter Konzentrationen pankreatischer PLA2. Unsere Befunde im Serum (2. Studie) weisen eher darauf hin, daß die Erhöhung bei schizophrenen Patienten eine erhöhte Aktivität der intrazellulären PLA2 widerspiegelt. Die intrazelluläre PLA2 ist für den Abbau von Phosphatidylcholin (PC) an der Zellmembran verantwortlich (Abb. 3). Von 8 Untersuchungen über den PC-Gehalt in peripheren Blutzellen bei Schizophrenen fand sich in 7 Studien ein erniedrigter PC-Gehalt (Tab. 4). Erhöhte PLA2-Aktivität, wie von uns bei Schizophrenen gefunden wurde, führt zu einem beschleunigten Abbau von PC (van den Bosch 1980). Dies wiederum könnte die Berichte von erniedrigtem intrazellulären PC-Gehalt bei schizophrenen Patienten erklären. Auf welche Weise könnte eine gesteigerte PLA2-Aktivität die Hirnfunktion beeinflussen und zur Entstehung einer schizophrenen Psychose führen? Die SchlüsselrolJe von PLA2 bei zentralnervösen Funktionen darf als gesichert angesehen werden. Auf der neuronalen Ebene führt ein gesteigerter Abbau membranaler Phospholipide durch PLA2 zu Veränderungen des Membranaufbaus und zu einer Reduktion der gesamten Membranoberfläche; solche Veränderungen können sowohl die neuronale Funktion als auch die neuronale Lebensdauer beeinträchtigen (Blusztajn et al. 1986). Erin et al. (1985, 1986) fanden, daß PLA2 zu ausgeprägten' Veränderungen der Oberflächenspannung synaptosomaler Membranen führt. Diese Modifikationen gehen mit einer Verminderung der Membran-Mikroviskosität einher. Membranassoziierte Rezeptoren reagieren sensibel auf diese Veränderungen der Lipidzusammensetzung (Loh und Law 1980). PLA2-induzierte Veränderungen der Membranstruktur werden als Regulationsmechanismen der Rezeptorfunktion diskutiert (Hiratta et al. 1979, Mal/orga et al. 1980). Ferner besitzen PLA2-abhängige Veränderungen der physikochemischen Eigenschaften synaptosomaler Membranen einen direkten

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Tab. 3 PLA2-Aktivität (in pmol/min/ml) im Serum von Schizophrenen, gesunden Kontrollen und nicht-schizophrenen psychiatrischen Patienten

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Fortsehr. Neuro!' Psychiat. 58 (1990) Tab. 5 Zusammenhänge zwischen erhöhter Phospholipase A2 und verschiedenen experimentellen Theorien der Schizophrenie erhöhte PLA2-Aktivität

Schizophrenie-Hypothesen

1. PLA2 istfür den Abbau von Phosphatidylcholin (PC) verantwortlich. Erhöhung der PLA2-Aktivitätführt zu erniedrigtem PC-Gehalt auf der Zellmembran.

1. Von 8 Untersuchungen über den PC-Gehalt in peripheren Blutzellen bei Schizophrenen fand sich in 7 Studien ein erniedrigter PC-Gehalt (Rotrosenund Wo/kin, 1987).

2. PLA2isteinSchlüsselenzym in der ArachidonsäureKaskade. Sie metabolisiert membrangebundene Linolensäure in Arachidonsäure. Erhöhung der PLA2-Aktivitätführt somit zu erniedrigtem Linolensäure- und erhöhtemArachidonsäuregehalt.

2. HitzemanundGarver(1981) fanden einen extrem niedrigen Linolensäure- und einen extrem hohen Arachidonsäuregehalt in Erythrozyten schizophrener Patienten.

3. Erhöhte PLA2-Aktivitätführt zur vermehrten Synthese der .2.-Serien-Prostaglandine" (PGE2) und zur verhältnismäßig niedrigen Synthese der • ,. -Serien-Pros tag/andine" (PGE1).

3. Bei Schizophrenien besteht eine erhöhte Synthese der PGE2 und ein Defizit der PG E1 (Horrobin 1979; Garver 1982; Kafkaund vanKammen1983; Kanofetal. 1987).

4. PGE1 hemmtdieDopamin 4. Dopamin-Hypothese der (DA)-Freisetzung.Erniedrigte Schizophrenie. PGE1 kann die DA-Neurotransmission (mangels Hemmung) aktivieren (Rotrosenund Wo/kin, 1987). 5. Die Aktivierung der PLA2 in Neuronen verursacht morphologische Veränderungen der synaptischen Membran und daraus folgend erhöhte Freisetzungvon Noradrenalin (Sun, 1985).

5. Erhöhte noradrenerge Aktivität bei Schizophrenen wurde oft in der Literatur postuliert (Lakeet al. 1980, Gomesetal. 1980).

6. Die Aktivierung der PLA2 in Neuronen verursacht eine vorübergehende Erhöhung, gefolgt durch eine komplette Blockade der Acetylcholin (Ach)Freisetzung (F/etcherund Midd/ebrook, 1986). Diese Blockadewird auf Ausschöpfung der Ach-Vorstufe Phosphatidylcholin zurückgeführt.

6. Eine erniedrigte Ach-Aktivität bei Schizophrenen wird postuliert (Friedhoffund A/pert, 1973). DafUrsprechen die Befundevon erniedrigtemzyklischen GMP im Liquor schizophrener Patienten (Ebsteinetal. 1976; Gattazetal. 1983). cGMP ist ein se co nd messenger bei cholinergen Neuronen. Die Liquorkonzentrationen von cGMP spiegeln die cholinerge Aktivität im ZNSwider (Schind/eret al. 1981).

7. Neuroleptikareduzieren signifikant die PLA2-Aktivität (Schröderet al. 1981, Aarsman etal. 1985, Gattazetal. 1987).

7. Neuroleptika wirken antipsychotisch.

Einfluß auf die zerebrale Neurotransmittersynthese und -freisetzung (Sun 1985, Fleteher und Middlehrook 1986). Alterationen der Rezeptorsensitivität wie auch des Neurotransmittermetabolismus als pathogenetische Faktoren bei der Schizophrenie wurden in der Literatur wiederholt diskutiert.

W. F. Gattaz, T 1. Nel'Ulainen, P. K. 1. Kinnunen In Tab. 5 sind weitere experimentelle Befunde bzw. hypothetische Überlegungen zusammengefaßt, die als Modell die möglichen Zusammenhänge zwischen erhöhter PLA2-Aktivität und anderen Schizophreniehypothesen darstellen sollen. 4. Schlußfolgerungen und Ausblick Unsere Ergebnisse deuten auf eine mögliche pathogenetische Rolle der PLA2 bei der Schizophrenie hin. In weiteren Studien sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit der erhöhten PLA2-Aktivität bei schizophrenen Patienten eine genetische Determinierung zugrunde liegt. Die genetische Determinierung der PLA2 ist in der Literatur ausreichend belegt. Seilhamer et al. (1986) isolierten zum ersten Mal das Gen und das cDNA für die PLA2 bei Menschen. Ferner fanden Gupta und Goldman (1985) bei Mäusen, daß die PLA2-Aktivität durch endogene Proteine (Phospholipase-A2 Inhibitory Proteins = PLI P) gesteuert wird, deren genetische Kontrolle auf einem Locus des H2-Histokompatibilitätskomplexes (Chromosom 17) liegt. Bei Menschen ist der entsprechende Histokompatibilitätslocus (HLA-Locus) auf dem Chromosom 6 lokalisiert. Zusammenhänge zwischen HLALocus und Schizophrenien wurden oft in der Literatur diskutiert (Gattaz und Beckmann 1981, Gattaz et al. 1981, McGliffin und Sturt 1986). Obwohl die schizophrenen Patienten als eine Gruppe gegenüber gesunden Kontrollpersonen eine eindeutige Erhöhung der PLA2-Aktivität aufwiesen, gab es innerhalb dieser Gruppe einige Patienten mit normalen PLA2-Werten. Eine PLA2-Erhöhung scheint offenbar nicht bei allen, sondern nur bei einer bestimmten Subgruppe von Schizophrenen zu bestehen. Von der Schizophrenie wird angenommen, daß es sich um eine biologisch heterogene Gruppe von Erkrankungen handelt. Aufgrund unserer Daten erscheint es denkbar, daß die vermehrte PLA2-Aktivität bei einer Subgruppe von Patienten entscheidende Bedeutung für die Entstehung der Psychose besitzt. Von Interesse wäre daher in weiteren Studien die Erfassung dieser Subgruppe durch die Bestimmung der PLA2-Aktivität und die Untersuchung von weiteren Variablen (psychopathologisch, familiär, katamnestisch), die in möglichem Zusammenhang mit einer erhöhten Enzymaktivität stehen. Innerhalb der von uns untersuchten Patientellgruppen ~ Schizophrenien, Neurosen, Persönlichkeitsstörullgen und affektive Erkrankungen ~ erwies sich eine erhöhte PLA2-Aktivität als spezifisch für die Schizophrenie. Aufgrund der Bedeutung der PLA2 für den neuronalen Membranstoffwechsel ist es jedoch nicht unwahrscheinlich, daß dieses Enzym auch bei anderen, z. B. degenerativen, Hirnerkrankungen eine Schlüsselrolle besitzt. Wir befassen uns derzeit u. a. mit explorativen Untersuchungen der PLA2-Aktivität bei Patienten mit primär degenerativen Demenzen vom AlzheimerTyp, bei denen eine Störung des zentralen Phospholipidstoffwechsels ebenfalls postuliert wird (Blusztajn et al. 19116). Danksagung Herrn Dr. med. H. Fiirsl! (ZISG Mannheim) danken wir herzlich für die wertvollen Anregungen bei der Abfassung dieser Arbeit.

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Fortsehr. Neuro!' Psychiat. 58 (1990)

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[Possible involvement of phospholipase A2 in the pathogenesis of schizophrenia].

Phospholipase A2 (PLA2) is a key enzyme in the metabolism of phospholipids. PLA2 is enriched in neuronal membranes and plays an essential role in the ...
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