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Arch. Gynecol. 227, 7-12 (1979)

Gynecology © J. F. Bergmann Verlag i979

Radioimmunologisehe Bestimmung yon Testosteron mit und ohne Chromatographie des Fruehtwassers zur priinatalen Geschleehtsdiagnose* W. Distler 1, U. Boniver-Ollmann 1, U. Claussen 2, J. Tigges 1 und R. Terinde 1 1 Universidits-Frauenklinik Dfisseldorf(Direktor: Prof. Dr. L. Beck), Moorenstral3e 5, D-4000 Dfisseldorf, Bundesrepublik Deutschland 2 Institut fiir Humangenetik und Anthropologie der Universit~it Dfisseldorf (Direktor: Prof. Dr. G. R6hrborn), D-4000 Dfisseldorf, Bundesrepublik Deutschland

Prenatal Sex Determination by Rad|olmmunoassay of Testosterone with and without Chromatography of the Amniotle Fluid Summary. Amniotic fluid testosterone measured by radioimmunoassay (RIA) without chromatography (immunoreactive testosterone) seems not to be a definitive test for prenatal sex determination in all cases. In this study testosterone (T) levels measured by RIA with chromatography of the amniotic fluid samples were compared with immunoreactive testosterone (iT) values, to determine the predictive accuracy of the two methods. In 111 amniotic fluid samples between 15 and 19 weeks of gestation iT and T were measured parallelly. There are significant differences between iT- and T-means of both sexes (p < 0.001). 95%confidence limits of iT-values of the male and female fetuses are largely overlapping. In contrast, the overlap of 95%-confidence limits of the T-values is only minor. The measurement of testosterone with chromatography of the amniotic fluid samples shows for prenatal sex determination in over 90% accuracy. This result is due to the elimination of sex-specific differences in crossreacting steroids within the amniotic fluid of both sexes.

Key words: Prenatal sex diagnosis - Amniotic fluid testosterone - Radioimmunoassay with and without chromatography Zusammenfassung. Die radioimmunologische Bestimmung des immunoreaktiven (nicht chromatographisch separierten) Testosterons im Fruchtwasser erscheint zur fetalen Geschlechtsbestimmung nur bedingt geeignet. Durch Parallelbestimmungen wird fiberpriift, ob die Messung von Testosteron (T) mit Chromatographie der Fruchtwasserproben gegen/Jber der Messung yon immunoreaktivem Testosteron (iT) zu einer Verbesserung bezfiglich der Diagnose des fetalen * Auszugsweise vorgetragen auf der 42. Tagung der Deutschen Gesellschaft fiir Gyn~ikologieund Geburtshilfe, MiJnchen, 12.--16. 9. 1978 Sonderdruckanfragen an: Dr. W. Distler (Adresse s. oben)

0170-9925/79/0227/0007/$ 01.20

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W. Distler et al. Geschlechts f/ihrt. In 111 Fruchtwasserproben aus der 15.-19. Schwangersehaftswoche wurden iT und T parallel bestimmt. Es ergeben sich signifikante Unterschiede der iT- und T-Mittelwerte zwischen beiden Geschlechtern (p < 0,001). Die 95%-Vertrauensbereiche der iT-Werte von m/innlichen und weiblichen Feten fiberschneiden sich betr~ichtlich. In den Uberschneidungsbereich yon 330,0-490,0 pg/ml fallen 32% (n = 19) der m/innlichen und 29% (n = 15) der weiblichen Werte. Im Gegensatz hierzu sind Uberschneidungen der 95%-Vertrauensbereiche bei Messung der T-Konzentrationen nur in geringem Umfang nachweisbar. In den Oberschneidungsbereich von 78,0-90,0 pg/ml fallen 10% (n = 6) der m/innlichen und 5,9% (n = 3) der weiblichen Werte. Durch die Messung von Testosteron nach Chromatographie der Proben konnte in 92% der F/ille eine richtige Geschlechtsdiagnose gestellt werden. Die chromatographische Vorreinigung des Fruchtwassers beseitigt geschlechtsspezifische Unterschiede kreuzreagierender Steroide im Fruchtwasser beider Geschlechter. Sehliisselwiirter: Pr/inatale Geschlechtsdiagnose - Fruchtwasser-Testosteron Radioimmunoassay mit und ohne Chromatographie

Die Chromosomenanalyse an kultivierten Zellen aus dem Fruchtwasser gilt als die zuverlgssigste Methode zur pr/inatalen Geschlechtsdiagnostik (Mfiller, 1973). Dieses Verfahren erfordert einen hohen technischen sowie zeitlichen Aufwand und bleibt damit auf Institute mit zytogenetischen Speziallaboratorien beschr/inkt. Aus diesen Gr/inden wurde yon einigen Arbeitsgruppen untersucht, inwieweit durch die Bestimmung des Fruchtwasser-Testosterons eine Voraussage des kindlichen Geschlechts m6glich sei (D6rner et al., 1973; Giles et al., 1974; Judd et al., 1976; K/inzig et al., 1977; Belisle et al., 1977). Theoretische Grundlagen dieser Untersuchungen sind die Erkenntnisse yon Jost (1973) fiber die Geschlechtsdifferenzierung beim m/innlichen Feten. Die radioimmunologische Bestimmung des immunoreaktiven (nicht chromatographisch separierten) Testosterons im Fruchtwasser erscheint zur fetalen Geschlechtsbestimmung nur bedingt geeignet (Pirani et al., 1977; Tigges et al., 1978). In der vorliegenden Arbeit wird anhand yon Parallelbestimmungen gepr/ift, inwieweit die Messung yon Testosteron (T) mit Chromatographie der Fruchtwasserproben gegenfiber der Messung yon immunoreaktivem Testosteron (iT) eine genauere Vorhersage des fetalen Geschlechts erm6glicht.

Methodik In 111 Fruchtwasserproben aus der 15.--19. Schwangerschaftswochewurden iT und T parallel bestimmt. Die Proben wurden durch transabdominale Amniozenteseunter Ultraschallsicht im Rahmen der pr/inatalen Diagnostik gewonnen (Terinde u. Claussen, 1976). Nach Zentrifugation wurde der Uberstand der Proben his zur Messung bei -20 ° C aufbewahrt.

Testosteron im Fruchtwasser Tabdle 1. Spezifit/it des Antiserums gegen Testosteron-3(0-Carboxy-methyl)-oximeBSA. Die Kreuzreaktionen der getesteten Steroide gegeniiber Testosteron wurden bei einer 40%igen Bindung an den Antik6rper gepr/ift

9 Getestetes S t e r o i d

Kreuzreaktion (%)

Testosteron Dihydrotestosteron Androstendiol Androsteron Epitestosteron Dehydroepiandrosteron Testosteronglueuronid Testosteronpropionat 11-Desoxycorticosteron Cortisol

100,00 68,00 1,50 1,10 0,85 0,16 0,05 0,05 0,03 0,02 0,01 0,01 0,01 0,01 0,01

17-OH-Progesteron Ostradiol Ostriol Ostron Testosteronsulfat

Die radioimmunologische T-Bestimmung erfolgte nach der Methode yon Nieschlag u. Loriaux (1972) unter Verwendung von Anfi-T3-BSA. Die Spezifit~it des Antiserums ist aus Tabelle 1 ersichtlich. In gleicher Weise erfolgte die iT-Messung, jedoch unter Verzicht auf die chromatographische Vorreinigung der Fruchtwasserproben. Die Intra-assay- und Inter-assay-Variationskoeffizientenf/Jr beide Methoden lagen unter 10%. Das genetische Geschlecht aller Feten wurde durch Chromosomenanalysean kultivierten FruchtwasserzeUen ermittelt. Die Unterschiede der iT- und T-Mittelwerteim Fruehtwasser bei weibliehenund m~innlichen Feten wurden mit dem t-Test auf Signifikanz gepr/ift und die 95%-Vertrauensbereichemit der Probit-Analyse ermittelt.

Ergebnisse Der iT-Mittelwert im Fruchtwasser betr~igt bei m/innlichen Feten 565,8 + 129,0 pg/ml (95%-Vertrauensbereich 330,0-920,0 pg/ml) und bei weiblichen Feten 298,2 __%77,1 pg/ml (95%-Vertrauensbereieh 160,0-490,0 pg/ml). Die iT-Mittelwerte bei beiden Geschlechtern sind signifikant unterschiedlich (p < 0,001). Die 95%-Vertrauensbereiche der iT-Werte yon m~innlichen und weiblichen Feten/iberschneiden sieh betr~ichtiich (Abb. 1). In den Uberschneidungsbereich von 330,0-490,0 pg/ml fallen 32% (n -- 19) der m~innlichen und 29% (n = 15) der weiblichen Werte. Der T-Mittelwert betr/igt bei m~innlichen Feten 170,6 +_ 60,2 pg/ml (95%-Vertrauensbereich 78,0-330,0 pg/ml) und bei weiblichen Feten 41,9 _+ 20,3 pg/ml (95%-Vertrauensbereich 18,0--90,0 pg/ml). Die T-Mittelwerte bei beiden Geschlechtern sind signifikant unterschiedlich (p < 0,001). Ubersehneidungen der 95%-Vertrauensbereiche bei Messung der T-Konzentrationen sind in geringem Umfang nachweisbar (Abb. 2). In den Uberschneidungsbereich von 78,0-90,0 pg/ml fallen 10% (n = 6) der mfinnlichen und 5,9% (n = 3) der weiblichen Werte. Der Anteil von T am iT betr/igt bei m/innlichen Feten 30,2 + 8,3% und bei weiblichen Feten 14,1 ___6,5% (Tabelle 2). Die Werte sind signifikant unterschiedlich (p < 0,001).

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W. Distler et al. 3000-

R|A ohne C h r o m a t o g r a p h i e

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LI.

Abb. 1. Testosteronwerte (iT) ohne Chromatographie des Fruchtwassers zwischen der 15. und 19. Schwangerschaftswoche bei weiblichen (n = 51) und m~innlichen (n = 60) Feten. Eingezeichnet sind die 95%-Vertrauensgrenzen und arithmetischen Mittelwerte beider Kollektive

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RIA mit C h r o m a t o g r a p h i e

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Abb. 2. Testosteronwerte (T) mit Chromatographie des Fruchtwassers zwischen der 15. und 19. Schwangerschaftswoche bei weiblichen (n = 51) und m~innlichen (n = 60) Feten. Eingezeichnet sind die 95%Vertrauensgrenzen und arithmetischen Mittelwerte beider Kollektive

2. Prozentualer Anteil von Testosteron (T) mit Chromatographie des Fruchtwassers am immunoreaktiven Testosteron (iT) Tabelle

Fetales Geschlecht

T (pg/ml)

iT (pg/ml)

T --

iT

x

100 (%)

M~innlich (n = 60)

170,6 + 60,2 a

565,8 + 129,0

30,2 + 8,3 b

Weiblich (n = 51)

41,9 + 20,3

298,2 + 77,1

14,1 + 6,5 b

a Mittelwert + Standardabweichung b p < 0,001, t-Test

Testosteron im Fruchtwasser

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Diskusslon Die Messung von Testosteron nach Chromatographie der Fruchtwasserproben erm/Sglicht gegeniiber der Messung des immunoreaktiven Testosterons eine genauere pr/inatale Geschlechtsbestimmung. In 92% der F~ille kann durch eine T-Bestimmung aus dem Fruchtwasser eine richtige Geschlechtsdiagnose gestellt werden, w/ihrend dies bei Messung von iT nur in 69% der F/ille m6glich ist. Dieses Ergebnis wird durch das Vorliegen geschlechtsspezifischer Unterschiede der kreuzreagierenden Steroide im Fruchtwasser verst~indlich (Tabelle 2), Der Anteil yon T am iT betr~gt bei weiblichen Feten nur 14,1%. Die iT-Werte liegen bei weiblichen Feten disproportional zur T-Konzentration jedoch so hoch, dab im Fruchtwasser dieser Feten ein hfherer Anteil kreuzreagierender Steroide angenommen werden mug. Hierdurch sind Uberschneidungen mit iT-Werten ffir m~innliche Feten zum Teil begrfindet. Damit erscheint eine fetale Geschlechtsbestimmung durch die Messung yon iT nut bedingt m6glich. Dieses Ergebnis bei Messung des immunoreaktiven Testosterons best/itigt unsere frfiheren Beobachtungen (Tigges et al., 1978). Hingegen fanden Giles et al. ~1974) sowie Kfinzig et al. (1977) bei Messung yon iT nur geringe f]berschneidungen der Werte ffir beide Geschlechter. Dies lgBt auf die Verwendung hochspezifischer Antisera gegen Testosteron schliei3en. Die Aussagef'~ihigkeit der Messung yon Testosteron nach Chromatographie der Fruchtwasserproben beurteilen wir wie Judd et al. (1976) und Belisle et al. (1977). Diese Autoren konnten ebenfalls in fiber 90% der F/ille eine richtige pr/inatale Geschlechtsdiagnose stellen. Nach unseren Ergebnissen ist bei T-Werten fiber 90,0 pg/ml mit einer Wahrscheinlichkeit yon 90% ein m/innlicher Fet zu erwarten. TWerte unter 78,0 pg/ml sprechen mit einer Wahrscheinlichkeit yon 94,1% ffir einen weiblichen Feten. Die Bestimmung des Testosterons aus dem Fruchtwasser ist innerhalb von 2 Tagen ohne grol3e Kosten durchffihrbar und in ihrer Genauigkeit mit dem Nachweis der Baarschen K6rperchen und der Y-Chromosomenfluoreszenz vergleichbar (Belisle et al., 1977). Giles et al. (1974) empfehlen die T-Bestimmung aus dem Fruchtwasser als Erg~inzung zu pr~inatalen zytogenetischen Untersuchungen. Kfinzig et al. (1977) zeigten am Beispiel eines pr~inatal diagnostizierten KlinefelterSyndroms, dal3 die Bestimmung des Fruchtwasser-Testosterons eine Erweiterung der Diagnostik bei intrauterinen Geschlechtsentwicklungsst/Srungen sein kann, insbesondere bei Diskrepanzen zwischen dem genetischen Geschlecht und der geschlechtsspezifischen Sexualhormonproduktion. Sinnvoll erscheint die T-Bestimmung aus dem Fruchtwasser aul3erdem zur pr~inatalen Diagnose kongenitaler Steroid-Enzymdefekte des Feten, wenn die Eltern als heterozygote Anlagetr~iger bekannt sind. Literatur Belisle, S., Fencl, M. M., Tulchinsky,D.: Amniotic fluid testosteroneand follicle-stimulatinghormone in the determination of fetal sex. Am. J. Obstet. Gynecol. 128, 514 (1977) D6rner, G., Stahl, F., Rohde,W., Halle, H., R6ssner, P., Gruber, D., Herter, U.: Radioimmunologische Bestimmung des Testosterongehaltsim Fruchtwasser m/innlicherund weiblicherFeten. Endokrinologie 61, 317 (1973)

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W. Distler et al.

Giles, H. R., Lox, C. D., Heine, M. W., Christian, C. D.: Intrauterine fetal sex determination by radioimmunoassay of amniotic fluid testosterone. Gynecol. Invest. 5, 317 (1974) Jost, A., Vigier, B., Prepin, J., Perchellat, J. P.: Studies on sex differentiation in mammals. Recent Prog. Horm. Res. 29, 1 (1973) Judd, H. L., Robinson, J. D., Young, P. E., Jones, O. W.: Amniotic fluid testosterone levels in midpregnancy. Obstet. Gynecol. 48, 690 (1976) Kiinzig, H. J., Meyer, U., Schmidt-Roeckerath, B., Broer, K. H.: Influence of fetal sex on the concentration of amniotic fluid testosterone: Antenatal sex determination? Arch. Gynaekol. 223, 75 (1977) M/.iller, H.: Die pdinatale Diagnostik von Erbkrankheiten in der ersten Schwangerschaftsh/ilfte. Gyn/ikologe 6, 173 (1973) Nieschlag, E., Loriaux, D. L.: Radioimmunoassay for plasma testosterone. Z. klin. Chem. 10, 164 (1972) Pirani, B. B. K., Pairaudeau, N., Doran, T. A., Wong, P. Y., Gardener, H. A.: Amniotic fluid testosterone in the prenatal determination of fetal sex. Am. J. Obstet. Gynecol. 129, 518 (1977) Terinde, R., Claussen, U.: Pr/inataldiagnostik nach ultraschall-kontrollierter Amniozentese bei einer Zwillingsschwangerschaft. Z. Geburtshilfe Perinatol. 180, 300 (1976) Tigges, J., Claussen, U., Distler, W., Herberger, J., Terinde, R.: Testosteron im Fruchtwasser zur Diagnose des fetalen Geschlechts. In: Perinatale Medizin, Bd. VII. Stuttgart: Thieme 1978 Eingegangen am 20. Oktober 1978

[Prenatal sex determination by radioimmunoassay of testosterone with and without chromatography of the amniotic fluid (author's transl)].

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