Leitthema Orthopäde 2015 DOI 10.1007/s00132-015-3082-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

A. Keshmiri · G. Maderbacher · C. Baier · H.-R. Springorum · J. Grifka · J. Schaumburger Orthopädische Klinik der Universität Regensburg, Asklepios Klinikum, Bad Abbach, Deutschland

Vermeidung periprothetischer Infektionen Nicht evidenzbasierte Maßnahmen Nach Angaben des statistischen Bundesamts wurden im Jahr 2011 ca. 15,4 Mio. operative Eingriffe in Deutschland vorgenommen [1]. In Deutschland wurde 1994 bei einer durchgeführten Prävalenzuntersu­ chung der Anteil nosokomial verur­ sachter postoperativer Wundinfekti­ onen mit 15,8 % beziffert [2]. Ebenso zeigte sich in einer europäischen Prä­ valenzerhebung im Jahr 2011 ein An­ teil von 24,7 % an nosokomialen In­ fektionen [3]. Neben dem Leid der Pa­ tienten bedingt eine Wundinfektion zusätzlich eine Verlängerung des sta­ tionären Aufenthalts um bis zu 18 Ta­ ge und erhöhte Kosten von bis zu 20.000 € [4]. Es wird angenommen, dass ca. 25–30 % der postoperativen Wundinfektionen durch evidenzbasierte perioperative Maßnahmen verhindert werden könnten. Die Mehrheit der Infektionen wird jedoch durch die patienteneigenen Risikofaktoren, wie die endogene bakterielle Flora des Patienten, verursacht.

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Viele postoperative Wundinfektionen werden durch patienteneigene Risikofaktoren verursacht Verschiedene Maßnahmen zur Vermeidung postoperativer Wundinfektionen werden in den Empfehlungen der „Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“ (KRINKO, [5]) und von den „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC, [6]) mit unterschied-

lichen Evidenz- und Empfehlungsgraden gelistet. Die Empfehlungen der KRINKO wurden letztmalig 2007 [5] und die der CDC 2011 überarbeitet ([7], . Tab. 1).

Surveillance Die Erfassung nosokomialer Infektionen wurde erstmals 2001 durch das Infektionsschutzgesetz § 23 gesetzlich gefordert. Mit Hilfe eines Benchmarksystems werden in Deutschland (z. B. Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System, KISS) und vielen anderen Ländern postoperative Wundinfektionen erfasst und die daraus resultierende Infektionsrate zeitnah präsentiert. Mittlerweile konnte für Deutschland eine Reduktion postoperativer Wundinfektionen von bis zu 25 % durch Anwendung evidenzbasierter Präventionsmaßnahmen nachgewiesen werden. In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass besonders Kliniken die über 2 Jahre an einem Surveillancesystem wie dem KISS teilgenommen haben von einer deutlichen Reduktion der postoperativen Wundinfektion profitieren [8–10].

Sanierung bakterieller Besiedelungen Evidenzbasierte Maßnahmen Die KRINKO als auch die CDC bewerten die präoperative Sanierung von Infektionen sowohl im Operationsgebiet, als auch außerhalb des Operationsgebiets vor elektiven Operationen mit hohem Evidenzgrad. Hier ist als Beispiel die Leistenpilz­ eradikation vor elektiven Hüftoperationen zu nennen.

Nicht evidenzbasierte Maßnahmen Nicht evidenzbasiert ist jedoch die Annahme, dass Laborparameter wie Leukozyten oder C-reaktives Protein (CRP) vor operativer Versorgung immer im Normbereich liegen müssen, bevor der Eingriff durchgeführt werden kann. Eine Erhöhung von Leukozyten oder CRP kann u. a. durch Malignome, Krankheiten aus dem rheumatoiden Formenkreis oder medikamentenbedingt verursacht sein und muss nicht zwangsläufig durch eine bakterielle Infektion oder Besiedelung bedingt sein. In solchen Fällen sollte auf jeden Fall eine Infektfokussuche bei ausbleibend erkennbarer Ursache erfolgen. Ist jedoch keine Infektion nachzuweisen, kann eine Operation trotz erhöhter Entzündungsparameter durchgeführt werden. Häufig werden in solchen Situationen fälschlicherweise und meist ohne die gewünschte Reduktion der Entzündungsparameter zu erreichen Antibiotika gegeben.

Staphylococcus aureus Als eine der häufigsten Wundinfektionserreger ist Staphylococcus aureus in der Orthopädie und Unfallchirurgie ein gefürchteter Keim. In einer doppelblind randomisierten multizentrischen Studie konnte gezeigt werden, dass durch eine 5-tägige Anwendung von MupirocinNasensalbe kombiniert mit einer täglichen antiseptischen Körperwaschung mit Chlorhexidin die Wundinfektionsrate bei 500 Patienten auf 3,4 % und im Vergleich dazu in der Placebogruppe lediglich auf 7,7 % reduziert werden konnte [11].

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Leitthema Tab. 1  Empfehlungsgrade der CDC und der KRINKO Empfehlungsgrade von CDC und KRINKO Maßnahmen Therapie von Infektionen vor elektiver Operation Sanierung von nasaler Staphylococcus-aureus-Besiedlung Antiseptik des Operationsgebiets Perioperative Antibiotikaprophylaxe LAF-Anlage im Operationssaal Durchführung einer Surveillance Drainagen so früh wie möglich entfernen Aseptischer Verbandswechsel Steriler Wundverband für 24–48 h

CDC Ia Keine Angaben Ib Ia II Ib Ib Ib Ib

KRINKO Ia III Ib Ia Ib Ia Ib Ib Ib

KRINKO Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention, CDC „Centers for Disease Control and Prevention“.

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Staphylococcus aureus ist in der Orthopädie und Unfallchirurgie ein gefürchteter Keim Es hat sich außerdem gezeigt, dass eine solche Sanierung von Staphylococcus aureus v. a. bei der Implantation großer Fremdkörper (z. B. Knie- oder Hüftendoprothesen), vor längeren Operationen (> 2 h) und bei großem Operationssitus äußerst zielführend ist.

Präoperative Haarrasur Evidenzbasierte Maßnahmen Lange Haare oder Haarstoppel im Operationsgebiet verursachen keine erhöhte Wundinfektionsrate. Die Haare können daher entweder ungekürzt bleiben oder wenn gewünscht mit einem elektrischen Haarschneider bis auf wenige Millimeter gekürzt werden. Der Zeitpunkt der Durchführung der Rasur nimmt ebenso keinen Einfluss auf die Infektionsrate. Diese Empfehlung ist von der KRINKO und den CDC mit dem höchsten Evidenzgrad IA bewertet worden.

Nicht evidenzbasierte Maßnahmen Sehr häufig werden nach wie vor scharfe Rasuren mit Einwegrasierern durchgeführt. Sie werden in der Regel am Vortag der Operation veranlasst und führen zu Mikroläsionen der Haut. Diese führen

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dann häufig zu Mikroabszessen mit Erregern der physiologischen Hautflora im Operationsgebiet. Die präoperative scharfe Rasur stellt einen hohen Risikofaktor für eine perioperative Wundinfektion dar und ist obsolet.

Präoperative Antiseptik Die physiologische Hautflora des Patienten stellt ein wesentliches Risiko für perioperative Wundinfektionen dar. Deshalb ist die präoperative Antiseptik des Operationsgebiets von hoher Bedeutung. Am häufigsten wird die Kombination aus einem sofortwirksamen Antiseptikum und einem Antiseptikum mit Remanenzeffekt verwendet. (z. B. Alkohol + Jod). Häufig wird anstelle einer Jod-Alkohol-Kombination eine Chlorhexidin-Alkohol-Kombination verwendet. Ein direkter Vergleich beider Kombinationen liegt bislang nicht vor. Jedoch konnte in einer Vergleichsstudie zwischen Alkohol-Chlorhexidin mit einem reinen Jodpräparat ein Vorteil zu Gunsten der Kombinationsvariante gezeigt werden [12].

Perioperative Antibiotikagabe Evidenzbasierte Maßnahmen Die perioperative Antibiotikaprophylaxe richtet sich i. Allg. nach der Art der operativen Versorgung (z. B. Knie- oder Hüftprothesenimplantation), der Länge des Eingriffs sowie den patientenspezifischen Risikofaktoren wie Diabetes mellitus oder Adipositas und wird von der

KRINKO und der CDC mit dem höchsten Evidenzgrad bewertet. Die präoperative Antibiotikaprophylaxe soll 30–60 min vor Beginn des operativen Eingriffs erfolgen. Bei Eingriffen, die länger als 3 h dauern oder bei Eingriffen mit hohem intraoperativen Bluterlust sollte eine Zweitgabe des Antibiotikums erfolgen. In einer prospektiven Untersuchung konnte außerdem gezeigt werden, dass bei der Verabreichung des Antibiotikums 2 h vor operativem Eingriff die Rate der postoperativen Wundinfektionen am niedrigsten ausfällt [13]. Die entsprechenden Indikationen zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe werden durch die betreffenden Fachgesellschaften gelistet [14].

Nicht evidenzbasierte Maßnahmen Eine Verlängerung der perioperativen Antibiotikaprophylaxe auf 3 bis 7 Tage postoperativ zeigte in keiner Studie eine Verbesserung der postoperativen Infektionsrate, führte jedoch in vielen Fällen zu Nebenwirkungen und Resistenzentwicklungen.

Händedesinfektion Evidenzbasierte Maßnahmen Diverse Hersteller empfehlen eine Dauer der Händedesinfektion von mindestens 1,5 min. Nach Empfehlungen der KRINKO kann auf das Waschen der Hände zwischen den Operationen verzichtet werden, hier ist lediglich die erneute Händedesinfektion notwendig. Entsprechend den Vorgaben der „World Health Organization“ (WHO) sollte vor jeder aseptischen Tätigkeit im Operationssaal (OP) eine Händedesinfektion durchgeführt werden [15]. Jedoch scheint die Compliance für die regelmäßige Händedesinfektion sehr gering zu sein, wie dies in einer Beobachtungsstudie über 60 h mit einer niedrigen Compliance von nur 8 % gezeigt werden konnte [16]. Durch eine Optimierung von Arbeitsabläufen in einer Klinik konnte bei initial ebenso geringer Compliance von 10 % eine Steigerung auf 60 % erzielt werden [17].

Zusammenfassung · Abstract

Nicht evidenzbasierte Maßnahmen Das Bürsten der Hände vor einem operativen Eingriff soll gegensätzlich häufiger Annahme lediglich bei sichtbarer Verschmutzung der Fingernägel erfolgen, um eine Kolonisation der Hände mit Hautkeimen aus tieferen Schichten zu vermeiden. Das alleinige Tragen von Handschuhen ohne jegliche Händedesinfektion ist obsolet.

Raumluftanlagen Evidenzbasierte Maßnahmen Eine Reduktion der Wundinfektionsrate durch Verwendung von Raumluftanlagen mit einem Bakterienfilter (RLT-Anlage, HEPA-Filter), durch die eine keimarme Raumluft erzeugt werden kann, konnte bei Knie- und Hüftprothesenimplantationen bereits vor 30 Jahren nachgewiesen werden [18]. Die Aussagekraft dieser Untersuchung wird jedoch durch die ungerichtete Verwendung von perioperativer Antibiose gemindert. Vergleichende Untersuchungen rein zwischen gefilterter und nicht-gefilterter OP-Raumluft liegen bislang nicht vor. Zwischenzeitlich wurde u. a. die initial turbulenzreiche Luftströmung durch die Verwendung von laminar ausgerichteter Strömung ersetzt („laminar air flow“, LAF). Die neueste Innovation stellt die Verwendung einer turbulenzarmen Verdrängungsströmung (TAV) dar. Die KRINKO empfiehlt die Verwendung von Raumluftanlagen v. a. bei Eingriffen mit besonders hohem Infektionsrisiko (z. B. Knie-oder Hüftprothesenimplantation) mit hohem Evidenz- und Empfehlungsgrad [5].

Nicht evidenzbasierte Maßnahmen Der tatsächliche Einfluss der LAF-Strömung auf das postoperative Wundinfektionsrisiko wurde mit dem herkömmlicher RLA-Strömung bei Knie- und Hüftprothesenimplantationen verglichen. Hierbei konnte kein signifikanter Vorteil der LAF-Anlagen gezeigt werden [19]. Eine Untersuchung zeigte sogar ein tendenziell erhöhtes Infektionsrisiko bei Verwendung von LAF [20]. Eine Metaanalyse zeigte signifikant schlechtere Wundin-

Orthopäde 2015  DOI 10.1007/s00132-015-3082-3 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 A. Keshmiri · G. Maderbacher · C. Baier · H.-R. Springorum · J. Grifka · J. Schaumburger

Vermeidung periprothetischer Infektionen. Nicht evidenzbasierte Maßnahmen Zusammenfassung Hintergrund.  Postoperative Wundinfektionen gehören zu den häufigsten nosokomialen Infektionen. Aufgrund der hohen Inzidenz postoperativer Wundinfektionen kommen Strategien zur Vermeidung nosokomialer Infektionen höchste Bedeutung zu. Fragestellung.  Evidenzbasierte Maßnahmen, wie die korrekte Gabe einer perioperativen Antibiose, Händehygiene, die Vermeidung einer präoperativen scharfen Rasur oder die Sanierung einer Kolonisation mit Staphylococcus aureus sind in nationalen und internationalen Empfehlungen gelistet. Doch nach wie vor existieren zahlreiche wissenschaftlich nicht bestätigte Maßnahmen im Rahmen der perioperativen Infektionspro-

phylaxe, wie die Fortführung einer perioperativen Antibiotikagabe über mehrere Tage oder die Verwendung von OP-Helmen. Diese Maßnahmen sind nicht wissenschaftlich belegt und sollten daher nicht zur Anwendung kommen. Schlussfolgerung.  Nur die konsequente Anwendung von evidenzbasierten Maßnahmen ist nachweislich infektionspräventiv. Schlüsselwörter Infektprävention, periprothetische · Wundinfektionen, postoperative · Antibiotikatherapie · Infektionen, nosokomiale · Staphylococcus aureus

Prevention of periprosthetic joint infections. Not evidence-based strategies Abstract Background.  Surgical site infections are the most common nosocomial infections in orthopedic surgery. Strategies to prevent these infections are of enormous relevance. Objectives.  Evidence-based procedures such as hand disinfection, prophylactic antibiotic application, hair removal with electric clippers, or preoperative treatment of Staphyloccus aureus are listed in national and international guidelines. Beside these measures, several scientifically not confirmed methods, e.g., the administration of antibiotic prophylaxis for several days or the usage of helmets

fektionsraten nach Verwendung von LAFStrömung [21].

Operationshelme Nicht evidenzbasierte Maßnahmen In manchen Kliniken kommen sterile Operationshelme („sterile surgical helmet system“, SSHS) zum Einsatz. Eine Untersuchung des „New Zealand Joint Registers“ 2011 untersuchte das Auftreten postoperativer Wundinfektionen nach Knieund Hüfttotalendoprothesenimplantationen unter Verwendung von LAF-Belüftungsanlagen, herkömmlicher Belüftungsanlagen sowie unter Verwendung

during surgery, are still practiced. These measures are not evidence-based and should not be performed anymore. Conclusion.  Only the consequent implementation of evidence-based procedures can help prevent surgical site infections. Keywords Prevention of periprosthetic infections · Surgical wound infection · Antibiotics · Infections, nosocomial · Staphylococcus aureus

von sterilen Operationshelmen und ohne Operationshelme. Es zeigte sich eine signifikant erhöhte Infektionsrate in der Gruppe mit Verwendung von LAF-Anlagen verglichen mit herkömmlichen Belüftungsanlagen. Ebenso konnte eine signifikant erhöhte postoperative Infektionsrate unter Verwendung von Operationshelmen im Vergleich zu herkömmlicher operativer Versorgung nachgewiesen werden [22]. In einer weiteren Studie konnte unter Verwendung von sterilen Operationshelmen ebenso eine erhöhte Infektionsrate unter LAF-Belüftungsanlage verglichen mit herkömmlicher Raumluftanlage gezeigt werden[23]. Aufgrund fehlender Empfehlungen von Seiten der GeDer Orthopäde X · 2015 

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Leitthema sellschaften und Hinweisen aus der Literatur, wobei demnach sogar ein erhöhtes Infektionsrisiko bei Verwendung steriler Operationshelme nachgewiesen werden konnte, sollte u. a. auch aufgrund der Mehrkosten auf die Verwendung derselben verzichtet werden.

Inzisionsfolie Nicht evidenzbasierte Maßnahmen Der Benefit der Verwendung einer Inzisionsfolie ist kritisch zu betrachten. Untersuchungen haben ergeben, dass am Ende des operativen Eingriffs gleich viele Keime auf der Inzisionsfolie wie auf der Haut ohne Folienverwendung zu finden sind. Außerdem sind unter der Folie wesentlich mehr Keime zu finden als auf der Haut ohne Folie [24].

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Der Benefit der Verwendung einer Inzisionsfolie ist kritisch zu betrachten Bis auf das vermehrte Auftreten von αhämolisierenden Streptokokken bei Folienverwendung und vermehrtes Auftreten von Mikrokokken bei ausbleibender Folienverwendung zeigt sich das Keimspektrum ausgeglichen. In einem aktuellen Chochrane-Review [25] konnte keine Evidenz für eine Wundinfektreduktion durch Verwendung von Inzisionsfolien gefunden werden. Der einzige Vorteil der Folienanwendung scheint im Abgrenzen von keimbesiedelten Problemzonen wie der Urogenitalzone zu sein. Eine Empfehlung von der KRINKO oder den CDC hinsichtlich der Verwendung von Inzisionsfolien liegt nicht vor.

Trennung aseptisch/septisch Nicht evidenzbasierte Maßnahmen Grundsätzlich wird keine Trennung von aseptischen und septischen operativen Eingriffen von der KRINKO empfohlen. Dennoch gibt es in manchen Kliniken eine strenge Trennung mit eigenem OP und eigener Schleuse mit eigenem Zugang für septische Eingriffe. Dadurch sollen Erregerübertragungen an nachfolgend zu ope-

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rierende Patienten vermieden werden. Um dies wirklich umsetzten zu können, müsste man allerdings für jeden Patienten mit einem Infektionserreger einen eigenen OP zu Verfügung stellen. Dies ist jedoch aus krankenhaushygienischer Sicht nicht umsetzbar. Des Weiteren kommt es häufig zur Durchführung von Ritualen wie beispielsweise das Auslegen von eigens mit Desinfektionsmittel getränkten Matten vor der OP-Schleuse mit neuer OP-Bereichskleidung vor dem OP oder die Verwendung von Desinfektionsmittel mit erhöhter Konzentration. Für diese Maßnahmen liegen keinerlei Empfehlungen vor und sind unnötige Vergeudung von Ressourcen.

Compliance Die Compliance zur Umsetzung genannter präventiver Hygienemaßnahmen scheint einen wesentlichen Stellenwert einzunehmen. In einer 4-jährigen prospektiven Kohortenstudie („Dutch Hospital Patient Safety Programm“, DHPSP) wurden 10 Compliancebeobachtungen hinsichtlich diverser evidenzbasierter Hygienemaßnahmen durchgeführt [26]. Die Zwischenergebnisse wurden zeitnah präsentiert und entsprechende Optimierungen der Abläufe vorgeschlagen. Durch die Interventionen und die verbesserten Abläufe konnte die initial niedrige Compliance wesentlich gesteigert werden. Die Wundinfektionsrate bei über 1500 durchgeführten Operationen konnte durch die Verbesserung der Compliance im Vergleich zum Anfang um 36 % reduziert werden [27].

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Präventiven Hygienemaßnahmen kommen höchste Bedeutung zu Aufgrund der dramatischen Auswirkung postoperativer Wundinfektionen (v. a. bei der Implantation von Endoprothesen) kommen präventiven Hygienemaßnahmen zur Vermeidung nosokomialer Infektionen höchste Bedeutung zu. Die empfohlenen Hygienemaßnahmen vorliegender Leitlinien sollten unter Berücksichtigung aktueller Literatur umgesetzt und durch regelmäßige Compliancebeob-

achtungen überwacht werden, da die tatsächliche Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen den wesentlichsten Stellenwert in der Infektionsprävention darstellt [28]. Die genannten Praktiken sollten im Gegensatz dazu vermieden werden, um wertvolle Ressourcen unseres Gesundheitssystems einzusparen.

Fazit für die Praxis 55Postoperative Wundinfektionen sind die häufigsten nosokomialen Infektionen in der Endoprothetik mit dramatischen Verläufen und weitreichende Konsequenzen für die Patienten, Ärzte und das Gesundheitssystem. 55Die Infektionsprävention sollte sich ausschließlich auf evidenzbasierte Maßnahmen aus nationalen (KRINKO) und internationalen Empfehlungen (CDC) stützen und sollte durch aktuelle Literatur regelmäßig hinterfragt werden. 55Durch eine Surveillance kann eine starke Reduktion postoperativer Wundinfektionen erzielt werden und ist durch § 23 des Infektionsschutzgesetzes gefordert. 55Wichtige Maßnahmen mit hoher Evidenz umfassen z. B. die präoperative Sanierung bakterieller Besiedelungen, die Vermeidung einer scharfen Haarrasur, adäquate Händedesinfektion und präoperative Antiseptik des Operationsgebiets sowie die den Richtlinien entsprechende Gabe einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe. 55Die Compliance der beschriebenen Maßnahmen nimmt den wichtigsten Stellenwert in der Infektionsprävention ein und kann durch regelmäßige Beobachtung und Optimierung der Arbeitsabläufe deutlich gesteigert werden. 55Die präoperative CRP-Sanierung mit Antibiotika, die Fortführung einer antibiotischen Prophylaxe über mehrere Tage, die Verwendung steriler Operationshelme oder verschiedene Hygienerituale zur Trennung septischer und aseptischer Patienten sind nicht evidenzbasiert und sollten zur Einsparung wertvoller Ressourcen abgeschafft werden.

Korrespondenzadresse Dr. A. Keshmiri Orthopädische Klinik der Universität Regensburg Asklepios Klinikum, Bad Abbach [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt.  A. Keshmiri, G. Maderbacher, C. Baier, H.-R. Springorum, J. Grifka und J. Schaumburger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder Tieren.

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[Prevention of periprosthetic joint infections : Not evidence-based strategies].

Surgical site infections are the most common nosocomial infections in orthopedic surgery. Strategies to prevent these infections are of enormous relev...
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