KNP/BMBF-Förderschwerpunkt Präventionsforschung – Transfer S137
Primärprävention in der Interaktion zwischen Schülern und Lehrern – Ein interdisziplinäres modulares Programm für psychische und psychosomatische Beeinträchtigungen im Setting Berufsschule Ziel war die Entwicklung, Erprobung und Evaluation eines modularen primärprä ventiven Programms zur Vorbeugung psychischer und psychosomatischer Be einträchtigungen im Setting Berufsbil dende Schule. Dies umfasste die Entwick lung praxisorientierter Strategien für die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften so wie ein Konzept für deren betriebsärzt liche Betreuung. Diese langfristig wir kenden Strategien wurden ergänzt durch Interventionen für Gesundheitsförde rung und Kompetenzentwicklung sozial benachteiligter Schüler vor Ort. Schlüsselwörter ▶ Primärprävention ● ▶ Lehrer-Schüler-Interaktion ● ▶ Setting-Ansatz ● ▶ Berufsbildende Schule ●
Wesentliches Projektziel
Berufsschullehrkräfte weisen im Vergleich zu Lehrer/innen anderer Schultypen ein überdurchschnittlich hohes Maß psycho somatischer Beschwerden auf. Vor diesem Hintergrund befasste sich das Projekt mit der Primärprävention von psychi schen und psychosomatischen Beein trächtigungen im Setting Berufsbildender Schulen. Dies bedeutet zum einen, bereits in die Ausbildung zukünftiger Lehrer und zukünftiger Arbeitnehmer (derzeitiger Schüler) Module zur Vermeidung psychi scher und psychosomatischer Erkrankun gen zu integrieren. Zum anderen sollten präventive Strategien für die Aus- und Fortbildung von Berufsschullehrern, für Schüler berufsvorbereitender Klassen so wie für die betriebsärztliche Betreuung von Lehrkräften entwickelt werden. Neben der Integration aller Bereiche des Zyklus Ausbildung-Berufstätigkeit-Fortbil dung von Berufsschullehrer/innen stellt die Einbeziehung sowohl von Lehrern als auch von Schülern im schulischen Inter aktionsfeld eine Besonderheit des vorlie genden Projektes dar.
Vorgehensweise/Methodik
Die Betonung der Interaktion führte zu einem umfassenden methodischen An satz, in dem zwischen explorierender, vertiefender, integrierender und erpro bender Bearbeitungsebene unterschie
den wurde [1]. Dadurch wurden die Pers pektiven aller am Unterrichtsprozess be teiligten Gruppen integriert und eine hohe Ergebnisvalidität und Methodenakzeptanz in den Zielgruppen erreicht. In der Phase der Entwicklung, Erprobung und Evaluation der Module zur Gesund heitsförderung im Setting waren 4 Modell schulen mit insgesamt 12 Klassen im Be rufsvorbereitenden Jahr (BVJ) involviert. Grundlage für die Modulentwicklung bil deten insgesamt 6 Vorstudien.
Wesentliche Ergebnisse
Der Lehrberuf ist durch hohe sozial-kom munikative Anforderungen bestimmt. Klare organisationale Strukturen, Kom munikationskultur und eine gelungene Interaktion können dazu beitragen, psy chosomatische Beschwerden und psychi sche Fehlbelastungen zu reduzieren [2]. Besonders schwierig ist die Situation für Lehrpersonen, die im BVJ Berufsbilden der Schulen mit sozial benachteiligten Jugendlichen ohne Schulabschluss und daher verminderten Arbeitsmarktchan cen arbeiten. Berufstypische Belastungen wie große Klassen, Lärm und Zeitdruck treten für Lehrer im BVJ gegenüber Ver haltensdefiziten der Schüler, verbaler bzw. körperlicher Gewalt und Aggressivi tät in den Hintergrund. Mangelnde Leis tungsbereitschaft bei den Schülern wer den ebenso wie geringe soziale Kompe tenz in Form von Unhöflichkeit und schlechten Umgangsformen berichtet. So tritt für die Lehrkräfte über den Arbeits tag neben körperlicher Erschöpfung ein signifikanter Motivationsverlust ein [3]. Für Schüler im BVJ sind das Erkennen ei gener Interessen und Stärken und das Training sozialer Kompetenzen ebenso von Bedeutung wie die Prävention ris kanter Lebensstilfaktoren und zukünftig zu erwartender Arbeitsplatzrisiken. Aus den Resultaten der Vorstudien wur den fünf Module abgeleitet:
Modul 1: Konfliktbewältigungstraining für Lehramtsstudierende. Modul 2: Bausteine für die Lehrerfortbil dung: Ressourcen stärkendes Training für angehende und berufstätige Lehrkräfte an Berufsbildenden Schulen, das sowohl zur Vermeidung von Konflikten als auch
zum Umgang mit konfliktreichen Situa tionen beiträgt [4] und Bedingungskonstel lationen wie divergierende innere Modelle, emotionale Anforderungen sowie persönli che Angriffe auf Personen berücksichtigt.
Modul 3: Moderierte Kleingruppendiskus sionen (MKD) als Methode der Schulorgani sationsentwicklung wurden in den Modell schulen in Anlehnung an die Methode des Aufgabenbezogenen Informationsaus tauschs [5] durchgeführt. Es gelang, die er arbeiteten verhaltens- und verhältnisprä ventiven Maßnahmen in den Schulalltag nachhaltig zu implementieren. Als Ergebnis wurden von den Teilnehmern der MKD Än derungen des sozialen Klimas und der Schulorganisation beschrieben [6]. Modul 4: Instrumente für die betriebsärzt liche Betreuung von Lehrkräften: Das Dresdner Modell der Lehrerbetreuung ist ein sachsenweit einheitliches Konzept des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für Lehrkräfte aller Schultypen. Im Rahmen des Projekts erfolgten die Spezifizierung der Gefährdungsanalyse für die Bedin gungen Berufsbildender Schulen, die Ent wicklung berufsschultypischer arbeits medizinisch-psychologischer Vorsorgeunter suchungen und die Unterstützung der Betriebsärzte durch schultypspezifische Weiterbildungsangebote [7]. Modul 5: Selbstmanagement der Jugend lichen: „Ich und meine Zukunft“ – Kompetenztrai ning für BVJ-Klassen: Die Jugendlichen werden befähigt, durch Erkennen eigener Stärken und Schwächen berufliche Ent scheidungen bewusst zu treffen. In Zu sammenarbeit mit Lehramtsstudieren den der TU Dresden sowie Lehrkräften der BVJ-Initiative wurde die unter Lei tung von Lang-von Wins [8] entstandene Kompetenzenwerkstatt weiterentwickelt und für den Einsatz im BVJ adaptiert [9]. Gesundheitsförderung für Schüler: Rah menkonzept zur Integration von Lehrin halten, die sich mit Themen der arbeits bezogenen sowie auf Körperbewusstsein ausgerichteten Prävention und Gesund heitsförderung auseinandersetzen, in den Unterricht. Den Pädagogen wurde ein Leitfaden mit regionalen Ansprechpart nern sowie den von ihnen angebotenen
Haufe E et al. Primärprävention in der Interaktion … Gesundheitswesen 2015; 77 (Suppl. 1): S137–S138
Heruntergeladen von: University of Pennsylvania Libraries. Urheberrechtlich geschützt.
Zusammenfassung
S138 KNP/BMBF-Förderschwerpunkt Präventionsforschung – Transfer
Interviews/Gruppendiskussionen Lehrer
Interventionen
Schüler
Gesundheitsförderung für BVJ-Schüler
Körperwahrnehmung und gesunde Lebensweise (z.B.)
UE 1: Heben und Tragen
UE 8: Ernährungsprogramme
UE 2: Lärmschutz
UE 9: Sport und Bewegungsprogramme
UE 3: Arbeitsplatzgestaltung/Ergonomie
UE 10: Konfliktbewältigung und Gewaltprävention
UE 5: Feuchtarbeit UE 6: Hautschutz UE 7: Stressbewältigung
Externe Partner (z.B.)
Agentur für Arbeit
,,Ich und meine Zukunft‘‘ Kompetenztraining für BVJ-Klassen
Arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren (z.B.)
UE 4: Erste Hilfe am Arbeitsplatz
Hospitationen
UE 11: AIDS-Beratung und Sexualerziehung
Externe Partner (z.B.)
Maschinenbau und Metall BG
AOK, Unfallkassen
Steinbruchs-BG (jetzt BG Rohstoffe und chem. Industrie)
Aids-Hilfe e.V., Gesundheitsamt
RAG-Bildung/Institut für Gesundheitsbildung
Örtl. Polizeidirektion/Abt. Prävention
Deutsches Hygiene-Museum
Faktoren sozialer Kompetenzen
Fertigkeitsbereiche
Soziale Kognition
Kommunikation
Sozialmotivationale Aspekte Selbsteinschätzung
Amtsgericht (Region)
Training sozialer Kompetenz
Übungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Konfliktlösung Perspektivübernahme Selbstkontrolle
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x
x x
x
Planungsverhalten Kooperation Selbstkonzept Eigene Ziele und Werte
x
x
x x
x x
x
x
x
x
x
Abb. 1 Vorstudien und entwickelte Interventionen: Lehrer-Schüler-Interaktion.
Themen und Vermittlungsmethoden zur Verfügung gestellt [10]. Training sozialer Kompetenz: Ziel sind eine Auseinandersetzung mit der Frage nach angemessenem Verhalten, die Verbesse rung der Schüler-Lehrer-Interaktion und die Vermittlung von Handlungsalternati ven zu dysfunktionalem Verhalten. Das Training ist als Gruppentraining konzi piert, in den Unterricht integrierbar und durch Lehrkräfte im BVJ durchführbar [11]. ▶ Abb. 1 fasst Methoden und Ergebnisse ● des Projekts für den Bereich der LehrerSchüler-Interaktion zusammen. Die Erprobung und Evaluation der entwi ckelten Techniken und Strategien zeigten eine positive Resonanz bezogen auf die vermittelten Inhalte und die antizipierte Anwendbarkeit in der Berufspraxis. Alle Module wurden deshalb den Trägern der Lehreraus- und -fortbildung, dem Kultus ministerium und den öffentlichen Schul trägern sowie den beteiligten Berufsschu len, Verbänden und Kooperationspart nern zur Nachnutzung, Adaption und Wei terentwicklung zur Verfügung gestellt.
chungsgünstigen Lehren und Lernen bei. Sie sollten so früh wie möglich ansetzen, um dem Entstehen und den Folgen kriti scher Belastungen entgegenzuwirken. Als geeignete Anknüpfungspunkte sind die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte (Stu dierende und Lehrer/innen), die Schüler/ innen, die Berufsschule als Organisation und die betriebsärztliche Betreuung iden tifiziert worden. Alle einbezogenen Akteure sind grund sätzlich offen für die entwickelten allge meingültigen oder schulspezifisch anzu passenden Empfehlungen. Allerdings er lauben die Rahmenbedingungen und die unterschiedlichen Probleme in den Schu len nicht immer den angezielten Transfer. Entscheidend für den Erfolg und die Nachhaltigkeit der Präventionsmaßnah men sind Motivation und Engagement von Schulträgern, Schulleitungen und Lehr kräften sowie die Öffnung des Systems Schule nach außen. Hinzu kommt die Not wendigkeit, die Lehreraus- und -fortbil dung noch stärker an den Erfordernissen der beruflichen Praxis zu orientieren.
Schlussfolgerungen
Interessenkonflikt: E. Haufe gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die entwickelten primärpräventiven Maßnahmen tragen zu einem arbeitsle benslangen gesunden und beanspru
Haufe E et al. Primärprävention in der Interaktion … Gesundheitswesen 2015; 77 (Suppl. 1): S137–S138
Literatur Literatur finden Sie im Internet unter http:// dx.doi.org/10.1055/s-0032-1331735. Förderkennzeichen 01EL0404 Projektlaufzeit 03/2005–07/2008 Autoren E. Haufe1, C. Winkelmann2, W. Hacker3, K. Scheuch1 Institute 1 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät der TU Dresden 2 Professur für Gesundheitspsychologie, BSP Business School Potsdam GmbH 3 Arbeitsgruppe Wissen-Denken-Handeln, FB Psychologie der TU Dresden Korrespondenzadresse Dr. rer. medic. Dipl.-Math. Eva Haufe Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden Fetscherstraße 74, 01307 Dresden
[email protected] Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0032-1331735 Published online: 29.11.2013 Gesundheitswesen 2015; 77 (Suppl. 1): S137–S138 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0949-7013
Heruntergeladen von: University of Pennsylvania Libraries. Urheberrechtlich geschützt.
Vorstudien