Klinische Einzelbeobachtungen 236

Primäre pulmonale Hypertonie und Schwangerschaft J. Pfisterer ' . ll. M. Rung e '. li Komma ss '. E W. Herbst", 11. G. Hillemanns !

Fallberich t Zusammenfassung

Die primäre pulmonale Hypert onie (PPH) ist ein selten es Krankheitsbild mit schlecht er Progno se. Junge Frauen im ge bärfähige n Alter werden bes ond ers hä ufig betroffen . Wir be richte n üb er solch eine n Fall einer PPH wä hrend der Schwange rschaft . diskutieren die Ätiologie. die Patho physiologie. die Morp ho logie und das geburtshilfliehe Manag eme nt dieser Erkra nkung.

Primary Pulmonary Ilypert cnsion a nd Pr egnancy Prima ry pul monary hypert en sion (PPH) is an uncommon disease with a poor prognosis . Most patients with PPH are young w ornen of child-bearing

age. We report on such a case of PPH durin g pregnan cy. discuss t he aetiology. patho physiology. mo rpho logical characteristics arid the manage me nt in preg nancy a nd delivery.

Der Begriff . primä re pulmonale Hypertonie" (PPlI) beschreibt ein Krankheitsbild. welch es primär das pulmonale Gefäßsyst em bet rifft und klinisch durch einen über die Norm e rhöhten Pulmonalarteriendruck geken nze ichnet ist . Die PPII ist selten . In autopti schen und klinis chen Studien beträgt die Inzid enz ca . 0.1 % (4. 13). Das mittlere Alter bei Diagn osesteIlung liegt bei 36 Ja hre n (13). das Geschlechts verhä lt nis wird mit I : I (4) bis 3.6: I zugu ns te n des weiblichen Geschlechts a ngegeben (7. 13). Somit ste llen Frau en im geb ärfä hige n Alte r 80 % aller Patienten . die von dies er Erkrankung betroffen werden. Während einer Schwangerschaft kommt es häufig zu einer Verschlimm erun g. die Letalität e rreicht hier 56 % und liegt so mit wesentlich höher als bei Schw angeren mit e inem Eise nme nge r-Synd rom. bei dem die Letalit ät mit 30 % a ngege ben wird (I, 12, 16 . 19).

Geburtsh. u. Frauenheilk. 51 0991l236 -23 8 Cl Georg Thieme Ve rlag Stuttgart . New York

Die 31jä hrige 3. Para . 3. Grav ida halle bis her zwei unauffä llige Spontangeburten in der geburts hilfliehen Anamnes e . Im Alter von 4 Jahren e rkrankte und verstarb e ine Tochter der Patientin an einer PPH. Die übrige Eige n- und Familienanamn ese der Patientin ist unauffällig. Zwe i Monat e vor ihr em 'Iode klagte die sich in der 18. Schwa ngerschaftswo che befind liche Patien tin über Belastungs dyspnoe. es best and eine respi ratorische Partialinsuffizie nz. eine interstitielle l.ungenerkrankung konnte nicht nachgewiesen we rden . Die Pulmonalarterie ndrucke lagen anfä nglich bei 80 mm llg. Aufgrund zuneh mender Verschlimmerung des Krankheits bildes , das konservativ nicht mehr zu beherrschen wa r, wurde am letzten Tag de r 26 . Schwa ngerschaftswo che die primäre Sectio caesarea durc hgeführt, Das männliche Fr ühgebor e ne mit einem Gewicht von 800 Gramm ve rstarb unter maschine lle r Beatmung an einem sch weren Atemnotsyndrom mit Surfactantmangel. Trotz de r Schwangerschaftsbee ndigung kam es zu e iner zunehmenden respiratorischen Verschlechterung bei der Mutte r. sie mußte intubiert und volumenkontrolliert beatm et werden . Am 2. postoperative n Tag verstarb die Patientin in der resp iratorischen Globalinsuffizienz und am Rechtsh erzversagen . Die durchgeführte Obdukti on best äti gte die Diagnose e iner PPH : Es fand sic h eine ausge prägte Pulmonalarterie nsklerose der mittelgroße n und kleinen Pulmonalarterienäste . Histologisch ließen sic h die für eine PPH charakteristischen Gefäßve r ände runge n. die als plexogene pulmonale Arteriopathie beze ichnet werden . erkennen (Abb . 1). Besond ers hervorzuh e ben sind eine hoc hgra d ige Mediah ypertrophie. eine Intim ap rolifer a lion und Intim afibrose der Pulmon alarter ienäste (Abb.2). Ver einzelt ließ sic h ei ne vollständige Obliteration der Pulmonalarterienäste nachweisen . Disku ssion Die Ätiologie der PPH ist weitgehend unbe kannt. Es we rden neben e iner abnormen Heaktivität des pulmonalen Gefäßsys tems hormona le . a utoimmune . neurohumorale, toxisch -meta bolische und gen etische Ursachen diskutiert. Auch im oben beschr ieben en Fall scheint eine familiäre Form der Erkrankung vorzuliegen. Hierbei sollen ge netisch fixierte . erhöhte Antiplasminspiegel eine entschei dende Rolle spie len (6). Die Inzidenz de r familiä re n Form liegt bei 7 Prozent (13). Es wird ein autosomal dom i-

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Frauen klinik! und Pathologisch es tn st uut ! der Albert-Ludwigs -Universttät Freiburg

Abb.l Plexogene Läsion im Bereicheines Pulmonalarterienastesmitunregelmäßigbegrenzten sinusartigen GefäBräumen. Die elastischen Membranen (f) markieren die ursprünglicheWandlung der stark erweiterten Pulmonalerterie. Elastica ven Gieson 300fach.

Abb.2 Pulmonalarterie mitausgeprägter Intimaproliferation. Myofibround Endothelzellschicht (f). blastenprohferation zwischen Elastlee interna Basticavan Gieson 74Ofach.

nanter Erbgang mit inkomplette r Penetranz angenommen

den waren kleinere Fruchtwasserem bolien, jedoc h konnte dies histopathologisch bisher nie bestätigt werd en . Für eine möglichst schonen de und frü hzeit ige Entbindung ist die Kennt nis folgender Param eter unerl äßlich (10): 1. Das Ausmaß der pulmo na len Hypertonie und einer möglichen Hechtsherzinsuffizie nz müssen vor Beginn der Geburt beka nnt sei n. 2. Das oberste Ziel wä hrend der Entbind ung muß ein möglichst geringes Anste igen der PVR. welche du rch Hypoxie. Azidose, Streß und Schmerz mit beeinflußt wird, sei n. Ob für diesen Zweck der Kaiserschnitt oder die Vaginalgeburt schonender ist, ist aus anästhes iologischer Sicht nicht ein deutig beantwortet. So hab en sowo hl Vollals auch Regionalnarkosen ihre spezifischen Vor- und Nachteile (10). 3. Größ ere häm odynam ische Veränderun gen einschließlich eines Abfalls der systemischen vaskulärcn Resistance und einer medikamenteninduzierten rnyokardialen Minderperfusion müss en vermieden werden . Unter Berücksichtigung dieser Prinzipien muß in Zusammen arbeit mit dem Anästh esiologen das geburtshilfliche Vor geh en individuell festgelegt werden . Gen erell scheint der Kaiserschn itt jedoch einer Vagina lgeburt überlegen zu se in, obwohl manche Autoren über Spontangeburten bei Pat ienten mit PPH bericht en, wenn auch zum Teil mit deletärem Ausga ng (15, 20).

(9).

Die mittlere Überlebenszeit von Patienten mit primä rer pulm onaler Hyperton ie beträgt lediglich 1,5 bis 2.5 Jahre vom Zeitpunkt der DiagnosesteIlung (7, 8), wobei jedoch . wen n auc h selte n, Lan gzeitüb erleben beschri eb en wur de (17). In einer retro spektiv du rchgeführ ten Stud ie hatten jed och Fra ue n, bei denen die PPH erstmals während e iner Schwangerschaft auftrat, signifikant bessere Überlebensze iten als Patienten außerhalb einer Schwa ngerschaft (14). Es wird vermutet, daß die Patient en wegen früheren Auftretens von Symptomen früher einer Therapie zugeleitet wurden . ode r daß ein - unbeka n nter vasoaktiver Faktor nac h der Schwangerschaft nicht mehr vorhanden war und so einen günstigeren Verlauf erbra cht e.

Die med ikam entöse The rapie der PPH ist umstritten . Von Nutzen kann die Gabe von Nifedipin, Diltia zem und Prostacyclin sein (3). Eine kausale Therapie ist jedoch nicht möglich. Led iglich die Herz-Lungen-Transplan tati on e r öffne t eine Cha nce auf Heilun g, dürfte jed och während eine r Schwa nge rsc ha ft schlecht durch ruhrbar se in. Folgend e Faktore n führ en bei gleichzeitigem Vorliegen einer PPH und einer Schwangerschaft zu massiven Problem en : Das erhöhte Blutvolumen erreicht in der 32 . Schw an gerschaftswoche seine n Höhepunkt mit einem Anstieg um 30-40 Prozent (11). Wenn sich der Uterus kon tr ahiert, werden ca. 300 ml Blutvolum en aus ihm herausgepumpt (5). Die Kompression der Vena cava inferior durch den schwa nge re n Uterus ist mit der Austreibung beend et, was zu einem Anstieg des venöse n Rü ckstroms zum Herzen führt (11) . Hierdurch ist eine weitere Konstriktion der Pulmonalarterien mit konsekutiver Rechtsherzbelast ung möglich . Die postpa rtale Pha se bei Fra uen mit PPH ist besonders kritisch. Hier kann es zu einem dramatischen Ansti eg der pulmo na len vaskulären Resistan ce (PVH) mit konsekutivem Hechtsh erzver sagen kom men (18). Die Mechani smen hierfür sind nicht bekannt. Vermutet wor-

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Prinzipiell gilt jed och , daß Frau en , bei denen eine PPH bekannt ist, e indringlich von einer Schwangerschaft abgerate n werden so llte, Liegt eine so lche bereits vor, ist eine mütterliche Indikation zu einer Abruptio gegeben . zu der der Patientin auch unbedingt ge raten werden sollte, bed enk t man die mütterli che Leta lität von weit ü ber 50 % währen d des dritten Trimen ons und der Peripartalphase.

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Primäre pulmonale lIyperto1lie und S ctuuanqers chuft

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Dr. J. Pfis terer

Universitäts fra uenklinik Hugstette rstra ße 55 W-7800 Fre iburg

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[Primary pulmonary hypertension and pregnancy].

Primary pulmonary hypertension (PPH) is an uncommon disease with a poor prognosis. Most patients with PPH are young women of child-bearing age. We rep...
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