Klinische Medizintechnik | Review article

1307

Pumpensystem zur peritoneo-vesikalen Aszitesableitung: Prinzip, Implantation und Studienlage Pump system for peritoneal-vesical ascitesdrainage: principle, implantation and studies

Autoren

M. Escher1

Institut

1 Zentrum für Innere Medizin I, Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart

Einführung ▼

Schlüsselwörter Aszites Parazentese ALFA-Pumpe automatisierte Aszitesdrainage

q q q q

Keywords ascites paracentesis ALFA pump automated ascites drainage

q q q q Abb. 1 Getunnelter Asziteskatheter.

Die Symptome von refraktärem Aszites können schmerzhaft und unangenehm sein. Je mehr Flüssigkeit sich ansammelt, desto stärker nimmt der Bauchumfang zu. Sitzen und Stehen wird von den Betroffenen als unangenehm empfunden. Zu den häufigsten Symptomen zählen Müdigkeit, Erschöpfung, Appetitlosigkeit und Kurzatmigkeit. Durch den übermäßigen Druck im Abdomen können Hernien entstehen. Patienten mit Aszites haben außerdem ein hohes Risiko für andere Komplikationen wie z. B. spontan-bakterielle Peritonitis und hepatorenales Syndrom.

Abb. 2 ALFA-Pumpenaggregat (transparente Darstellung, Sequana Medical AG, Zürich, mit freundlicher Genehmigung).

Die immer noch am häufigsten praktizierte Therapie ist das Ablassen des Aszites durch wiederholte Punktionen des Bauchraumes (Parazentese), Substitution von Humanalbumin bei Parazentesen > 5 l und unterstützt durch eine medikamentöse Therapie mit Diuretika. Für ausgewählte Patienten mit Leberzirrhose ohne nennenswerte hepatische Enzephalopathie bietet sich die Möglichkeit der Implantation eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) an. Als Ultima Ratio vor allem in der palliativen Versorgung bei nur noch kurzer Lebenserwartung

kann eine getunnelte Aszitesdrainage (z. B. PleurX™-Katheter, CareFusion Schweiz, q Abb. 1) implantiert werden. Für Patienten mit einer besseren Lebenserwartung und aktiver Teilnahme am Leben gibt es mit der ALFA-Pumpe (automated low flow ascites, ALFApump®, Sequana Medical AG, Schweiz) eine neue Möglichkeit der Aszitesableitung. Das neue Therapieverfahren entlastet die Patienten durch Wegfall der häufigen Parazentesen mit Humanalbuminsubstitution und damit verbundenen Krankenhausaufenthalten.

n

eingereicht 07.01.2014 akzeptiert 10.04.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1370098 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 0:1307–1309 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. med. Markus Escher Robert-Bosch-Krankenhaus, Zentrum für Innere Medizin I, Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie Auerbachstr. 110 70376 Stuttgart Tel. 0711/8101-5893 eMail [email protected]

Korrekturexemplar: Veröffentlichung (auch online), Vervielfältigung oder Weitergabe nicht erlaubt! n

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

Aszites kann Folge sehr unterschiedlicher Erkrankungen sein. Meist tritt Aszites bei fortgeschrittener Leberzirrhose, schwerer Herzinsuffizienz oder bei malignen Erkrankungen und Infektionen auf. Die vermehrte Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle, die mitunter mehrere Liter betragen kann, ist eine gefürchtete Komplikation mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität und Lebensdauer. Über 100 000 Patienten sind jährlich allein in Europa und den USA neu von medikamentös nicht oder nicht ausreichend behandelbarem Aszites (refraktärer Aszites) betroffen. Nach neuesten Untersuchungen steigt aktuell die Zahl der Betroffenen um jährlich 10%.

Hepatologie, Chirurgie Klinische Medizintechnik | Review article

Klinische Medizintechnik | Review article

Die Kosten für die ALFA-Pumpe liegen mit Implantation bei ca. 24 000 €  (reine Sachkosten) im Gegensatz zu ca. 3000–3500 € kumulierte Kosten pro Monat für Parazentesen mit Albuminsubstitution. Die Kostenübernahme der Pumpenimplantation erfolgt nach Genehmigung eines Einzelfallantrages im Rahmen sogenannter neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB).

kurzgefasst Refraktärer Aszites führt zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität. Wiederholte großvolumige Parazentesen können zu Komplikationen (Blutung, hepatorenales Syndrom, spontan-bakterielle Peritonitis) führen und schränken die Lebensqualität Betroffener weiter ein. Mit der ALFA-Pumpe gibt es neben dem getunnelten Asziteskatheter nun für ausgewählte Patienten ein neues, wenn auch nicht komplikationsloses Verfahren zur kontinuierlichen Aszitesableitung über die Harnwege.

Prinzip und Implantation ▼ Die vollständig unter der Haut implantierte und batteriebetriebene ALFA-Pumpe (q Abb. 2) leitet den Aszites automatisch und kontinuierlich aus der Peritonealhöhle über die Harnblase nach außen ab. Das System besteht aus der Pumpe selbst, einem Induktionsladegerät für die Patienten, jeweils einem Silikonkatheter für die Peritonealhöhle und die Harnblase, sowie einem Programmiergerät für Anpassung der Pumpeneinstellung an die jeweilige Situation des Patienten (q Abb. 3). Die Implantation erfolgt in Vollnarkose oder in Lokalanästhesie und dauert 30–60 min, wobei zunächst der Peritonealkatheter und der Blasenkatheter platziert werden. Es schließt sich die Präparation der Aggregattasche für das Pumpengehäuse im rechten Ober- oder Unterbauch an. Nach Tunnelierung und Anschluss der beiden Katheter wird die Pumpe in Betrieb genommen und programmiert (q Abb. 4).

Abb. 4 Implantiertes ALFA-Pumpensystem. (1) Peritonealhöhle, (2) Aszites, (3) Peritonealkatheter, (4) Blasenkatheter (Sequana Medical AG, Zürich, mit freundlicher Genehmigung).

Sowohl der tägliche Ladevorgang, als auch die Programmierung erfolgen mittels kontaktloser Technik. Für eine optimale Pumpenleistung und störungsfreien Betrieb sorgen ein Anti-Blockiersystem, Sensoren für Blasen- und Abdominaldruck sowie ein unidirektionales Abflußsystem. Die Pumpe pumpt etwa alle 10 min ein paar ml Aszites vom Bauchraum in die Harnblase. Zuvor werden Abdominal- und Harnblasendruck gemessen und ausgewertet. Bei einer prall gefüllten Harnblase setzt der Pumpvorgang aus. Ein für die Aszitesdrainage entwickeltes Zahnradpumpendesign mit angepasstem Pumpenalgorithmus deblockiert die Zahnräder, falls sich zu viel abgelagertes Material (z. B. Zelldetritus) in der Pumpe angesammelt hat. Alle Messdaten der Pumpe werden gespeichert und beim Laden der Pumpe zum Ladegerät übermittelt. Mit der Systemsoftware kann der Arzt die Pumpendaten auslesen, das täglich zu entfernende Zielvolumen und das Zeitfenster für die Pumpenaktivität festlegen. Optimale Einstellung und richtig gewähltes Zeitfenster (z. B. Aussetzen der Pumpenaktivität nachts) vermeiden, dass es zu einer belastenden Nykturie kommt.

Studienlage ▼

Abb. 3 Übersicht der Elemente der ALFA-Pumpe (Sequana Medical AG, Zürich, mit freundlicher Genehmigung).

Die aktuelle Datenlage für dieses neue Verfahren ist begrenzt. Von 2010 bis 2011 wurden in die bisher größte Studie (PIONEERStudie, [1]) 40 Patienten mit Leberzirrhose und refraktärem Aszites zur Untersuchung der Sicherheit und Wirksamkeit der Alfa-Pumpe eingeschlossen. Die Leberzirrhose war bei 43 % (n=17) durch Alkohol verursacht, bei 25 % (n=10) durch eine infektiöse „Hepatitis“, bei 5 % (n=2) im Rahmen einer nichtalkoholischen Fettleber und 12 % (n=5) hatten eine „andere Ursache“. In 4659 Patiententagen wurden insgesamt 4630 l Aszites entfernt, durchschnittlich 0,9 l/d. Bei 40 % der Patienten trat eine 100 %ige Reduktion ihrer Parazentesen auf. Insbesondere reduzierte sich der Bedarf an großvolumigen Parazentesen signifikant.

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 1307–1309 · M. Escher, Pumpensystem zur peritoneo-vesikalen …

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

1308

Klinische Medizintechnik | Review article

4

8 7 Aszitesvolumen/Parazentese (I)

3

2

1

0

vor Implantation

nach Implantation

5 4 3

3,3

2 1

0,2 a

6,8 6

b

0

vor Implantation

q Abb. 5 zeigt die Dreimonatsdaten der PIONEER-Studie. Die Implantation der Pumpe gelang technisch immer, gehäufte Komplikationen traten nicht auf. Selten kam es zu Infektionen, Katheterokklusionen oder -dislokationen mit dann jedoch notwendiger erneuter Operation. Die Barcelona Safety Study untersucht derzeit mit jedoch sehr geringer Fallzahl (n=12) die renalen und kardiovaskulären Effekte durch die Aszitesableitung mit der ALFA-Pumpe. Endgültige Ergebnisse dieser Studie liegen noch nicht vor. Die Daten der ersten 6 Patienten zeigen jedoch keine signifikant negativen Auswirkungen. Der Cirrhotic Ascites EU Randomized Trial widmet sich mit 60 Patienten dem parazentesefreien Überleben mit der ALFA-Pumpe verglichen mit wiederholten Parazentesen. Sekundäre Endpunkte sind nutritive Auswirkungen, Lebensqualität und Überleben. Auch diese Ergebnisse liegen noch nicht vor. Ein Fallbericht des 18. ESGO-Meetings 2013 [2] beschreibt eine 67-jährige Patienten mit Ovarialkarzinom. Vor der Implantation der ALFA-Pumpe waren 3 Parazentesen pro Monat mit einem Parazentesevolumen von jeweils 3–5 l nötig. In den ersten 10 Wochen nach der Implantation kam es zu keiner neuerlichen punktionsbedürftigen Aszitesansammlung. Weiterhin wird in dieser Kasuistik auch die Möglichkeit, maligne Zellen zur molekularen Charakterisierung zu asservieren, beschrieben. Bei o. g. Patientin kam es durch die Aszitesableitung über die Harnblase zu keiner Harnwegsinfektion, keiner spontan-bakteriellen Peritonitis und es wurde auch keine Absiedlung maligner Zellen in der Blasenschleimhaut beobachtet.

nach Implantation

Ausblick ▼ Die Pleural Effusion ADEPT Studie untersucht derzeit mit 10 Patienten im Sinne einer „Feasibility-Studie“, inwieweit das ALFAPumpensystem bei malignem oder hepatischem Hydrothorax geeignet ist, die Pleuraflüssigkeit automatisiert abzuleiten.

Konsequenz für Klinik und Praxis 3Die ALFA-Pumpe ist eine neuartige Technologie zur peritoneo-vesikalen Aszitesdrainage für ausgewählte Patienten, die mit diesem System weitgehend ohne Parazentesen auskommen und dadurch eine bessere Lebensqualität aufweisen. 3Die Kosten der Implantation und Überwachung bzw. kontinuierliche Adaptierung der Pumpeneinstellungen müssen in Relation zu den Kosten rezidivierender Krankenhausaufenthalte und häufiger Parazentesen mit all ihren Komplikationsmöglichkeiten gesetzt werden. 3Somit scheint dieses System nur für Patienten mit noch guter Lebenserwartung und aktiver Teilnahme am Leben geeignet zu sein. In der Palliativsituation und bei dauerhaft bettlägrigen Patienten ist die Ableitung des Aszites über ein getunneltes Kathetersystem sicherlich effizienter, gleichwohl jedoch mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden.

Autorenerklärung: Der Autor erklärt, dass er keine finanzielle Verbindung mit einer Firma hat, deren Produkt in diesem Beitrag eine Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt). Literatur

kurzgefasst Die derzeitige – meist auf eine niedrige Fallzahl begrenzte – Studienlage weist darauf hin, dass die ALFA-Pumpe, verglichen mit den herkömmlichen Methoden, ein technisch einfach zu implantierendes Verfahren mit nicht wesentlich erhöhter Komplikationsrate ist. Aufgrund fehlender Vergleichsstudien mit anderen Verfahren (TIPS, Parazentese) bleibt es jedoch vorerst noch ein experimentelles Verfahren.

1 Bellot P, Welker A-W et al. Automated low flow pump system for the treatment of refractory ascites: A multi-center safety and efficacy study. Journal of Hepatology 2013; 58: 922–927 2 Fotopoulou C, Spiers L et al. Continuous low-flow ascites-drainage and sequential non-invasive tumor-cell-sampling through the urinary bladder via the ALFA-pump closed system in platinum-resistant ovarian-cancer. 18th International Meeting of the European Society of Gynaecological Oncology (ESGO), Liverpool, 19.–22. Oktober 2013

Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 1307–1309 · M. Escher, Pumpensystem zur peritoneo-vesikalen …

Heruntergeladen von: NYU. Urheberrechtlich geschützt.

Parazentesefälle/Monat (Median)

3,4

Abb. 5 Vor und nach Implantation der ALFA-Pumpe: (a) mediane Anzahl an Parazentesen pro Monat, (b) durchschnittliches pro Parazentese entferntes Aszitesvolumen (modifiziert nach [1], Sequana Medical AG, Zürich, mit freundlicher Genehmigung).

p < 0,01

p < 0,01

1309

[Pump system for peritoneal-vesical ascitesdrainage: principle, implantation and studies].

[Pump system for peritoneal-vesical ascitesdrainage: principle, implantation and studies]. - PDF Download Free
252KB Sizes 8 Downloads 3 Views