Kasuistik | Case report

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Purpura fulminans des Erwachsenen – ein hämatologischer Notfall

Autoren

N.T. Veith1 T. Tschernig2 B.J. Braun1 T. Pohlemann1 G. Aßmann3

Institut

1 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie – Universität des Saarlandes, Homburg (Saar) 2 Institut für Anatomie und Zellbiologie – Universität des Saarlandes, Homburg (Saar) 3 Onkologie, Hämatologie, Klinische Immunologie und Rheumatologie – Universität des Saarlandes,

Homburg (Saar)

Zusammenfassung ▼ Anamnese und klinischer Befund: Eine 51-jährige Patientin mit langjährigem Drogenabusus wurde mit großflächigen, strumpfförmigen bis in die Leisten reichenden großen schmerzhaften, nicht wegdrückbaren und konfluierenden Hauteinblutungen in unsere Klinik eingewiesen. Die Hautläsionen waren wenige Stunden nach Beginn einer Antibiotikatherapie aufgetreten. Untersuchungen: Das Notfalllabor zeigte eine Leukopenie, Thrombopenie und Anämie, die er-

weiterte Gerinnungsdiagnostik einen ausgeprägten Protein-C-Mangel. Diagnose, Therapie und Verlauf: Es wurde eine fulminante Purpura fulminans diagnostiziert, die mit Gabe von Protein C initial therapiert wurde. Die Patientin hat überlebt. Folgerung: Die Purpura fulminans ist ein interdisziplinärer Notfall, der durch eine Verbrauchskoagulopathie zum Schock führen kann. Die ernste Prognose kann durch schnelle Therapie mit Protein C verbessert werden.

Einleitung ▼ Die Purpura fulminans ist ein seltener internistischer und dermatologischer Notfall. Durch eine gesteigerte disseminierte intravasale Gerinnung mit Verbrauchskoagulopathie kommt es zu ausgeprägten Hauteinblutungen, ausgedehnten Gewebenekrosen und unbehandelt zum Multiorganversagen [10]. Die Erkrankung ist mit einem ProteinC-Mangel assoziiert, der angeboren ist oder als neonatale Purpura fulminans oder infektbedingt (bei Kindern und Erwachsenen) vorkommt. Bei Kindern wird die Purpura fulminans häufiger beobachtet als bei Erwachsenen [8]. Auslöser einer erworbene Purpura fulminans sind Infekte, Traumata, Operationen, Transfusionszwischenfälle, Malignome, Schlangenbisse, Geburtskomplikationen, Alkoholkonsum sowie Acetaminophen [8, 5]. Hierbei gelten Infekte als die häufigste Auslöser [10]. Häufige Erreger sind u.a Meningokokken, Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Klebsiellen, gramnegative Bakterien und Rickettsien [7]. Typischerweise kommt es zu einer schnellen Ausbreitung der Hauteinblutungen unter Aussparung der Schleimhäute [8]. Mit einer Letalität ■

Hämatologie, Notfallmedizin Kasuistik | Case report

Schlüsselwörter Purpura fulminans Protein-C-Mangel Verbrauchskoagulopathie Hautnekrosen disseminierte intravasale Koagulopathie Drogenabusus

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Keywords purpura fulminans protein C deficiency substance abuse skin necrosis

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von 40 % kann nur durch rasche Intervention und intensivmedizinische Betreuung das Überleben des vital gefährdeten Patienten gewährleistet werden [8]. Klinische Aspekte, in Frage kommende Differenzialdiagnosen und die Therapie der Purpura fulminans eines Falles werden im Folgenden dargestellt.

Kasuistik ▼ Anamnese Die 51-jährige Patientin hatte sich ein Jahr zuvor in unserer internistischen Notaufnahme nach primärer Vorstellung in der dermatologischen Ambulanz vorgestellt. Zur Antibiotikaprophylaxe vor einem Zahneingriff aufgrund einer Oberkiefernekrose nahm sie seit 6 Tagen Clindamycin ein. Einige Stunden nach Beginn der Einnahme am Samstag hatte sich am rechten proximalen Oberarm eine 10 × 10 cm große Hautläsion manifestiert. Zur Abklärung einer Antibiotika-assoziierten allergischen Reaktion habe sich die Patientin in den zurückliegenden Tagen mehrfach ärztlich vorgestellt. Eine genauere Zuordnung des Krankheits-

eingereicht 13.11.2013 akzeptiert 28.08.2014 Bibliografie DOI 10.1055/s-0034-1387428 Dtsch Med Wochenschr 0 2014; 1390 0:2597–2601 · © Georg Thieme Verlag KG · Stuttgart · New York · ISSN 0012-04721439-4 13 Korrespondenz Dr. med. Nils T. Veith Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie Kirrberger Straße 66421 Homburg/Saar eMail [email protected]

Korrekturexemplar: Veröffentlichung (auch online), Vervielfältigung oder Weitergabe nicht erlaubt! ■

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Purpura fulminans of the adult – a hematological emergency

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Tab. 1 Laborwerte am Tag der Aufnahme (Tag 1) sowie am Tag der Verlegung zur Hauttransplantation (Tag 28).

Abb. 1 Hauteinblutung an den unteren Extremitäten nach Vorstellung in der Notaufnahme.

bildes gelang jedoch nicht. Da sich die Hautläsionen (q Abb. 1) mittlerweile fulminant auf die Beine ausgebreitet hätten, war am späten Nachmittag des gleichen Tages eine stationäre Aufnahme in eine Klinik erfolgt. Am darauf folgenden Tag wurde die Patientin mit Verdacht einer ausgeprägten allergischen Arzneimittelreaktion in die Notaufnahme der Universitätsklinik Homburg verlegt. Die Patientin berichtete darüber hinaus, dass sie seit ca. 4 Jahren bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in einem Methadonprogamm aufgrund einer Polytoxikomanie aufgenommen ist. Seit 30 Jahren rauchte sie wöchentlich 1- bis 2-mal Marihuana. Regelmäßiger Alkoholkonsum wurde vereint. Außer einer Appendektomie und Tonsillektomie bestünden keine Voroperationen. Als Vorerkrankung ist ein Morbus Basedow mit manifester Hyperthyreose bekannt. Die thyreostatische Therapie mit Propylthiouracil wird laut Angaben der Patientin nur unregelmäßig eingenommen. Die Familienanamnese ergab keinen Hinweis auf einen angeborenen Protein-C-Mangel.

Körperlicher Untersuchungsbefund Bei der Aufnahme in unserer internistischen Notaufnahme zeigte sich eine 51-jährige kachektische (55,2 kg; 1,73 m; BodyMass-Index 18,4) Patientin, die wach und orientiert war. Die Nasenschleimhaut blutete leicht. In der Mundschleimhaut zeigte sich ein schwach ausgeprägter Soor. Bei Aufnahme bestanden keine Übelkeit, kein Schwindel, keine Anzeichen einer Blutung im Urin und Stuhlgang, eine Temperaturmessung mittels Ohrthermometer ergab 38,2°C. Cor: rein, rhythmisch, keine vitientypische Geräusche, keine Strömungsgeräusche über den Carotiden. Pulmo: vesikuläres Atemgeräusch, keine Bronchophonie, keine Rasselgeräusche, sonorer Klopfschall.

Tag 1

Tag 28

Referenzwert

Hämoglobin [g/dl]

9,5 

10,4 

11,5–16,4 

Hämatokrit [%]

28 

31 

35–45

Leukozyten [/l]

2600

3300

4,4–11,3 

Thrombozyten [/l]

30 000

76000

150 000–300 000 

MCH [pg/l]

26 

30 

28–32 

MCHC [g/dl]

34 

33 

30–36

MCV [fl/l]

76

90

76–88

Erythrozyten

3,65 x 10^12

3,49 x 10^12

4,1–5,4

Natrium [mmol/l]

134 

143 

135–148

Kalium [mmol/l]

3,7

4,0 

3,6–5,2

Chlorid [mmol/l]

103

109

95–110

Kalzium [mmol/l]

2,1 

2,2 

2,20–2,65

Kreatinin [mg/dl]

0,85 

0,60 

0,8–1,2 

Harnstoff [mg/dl]

45 

23 

10–55

Harnsäure [mg/dl]

6,5 

4,0 

2,5–5,7

Glukose [mg/dl]

138

100 

70–100 

Ferritin [ng/ml]

308 

––

23–110 

Troponin T [pg/ml]

4 

––

0,01–0,08

Quick [%]

42 

97 

70–100 

INR [%]

1,62 

1,04 

1 

PTT [s]

31 

24 

26–30 

Thrombinzeit [s]

18 

19 

15–35

C-reaktives Protein [mg/l] 75,4

6,6

[Purpura fulminans of the adult--a hematological emergency].

A 51-year-old female patient with history of longterm drug abuse, was admitted to our hospital with large, stocking-shaped areas of painful, non-displ...
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