Samstag, 30. April 1977- Bayernhalle 11.15-12.00 Uhr

SchluBveranstaltung

Aktuelle Gegenwartsprobleme der Chirurgie Langenbecks Arch. Chir. 345 (Kongrel3bericht 1977)

Langenbecks Archiv for C.,hirurgie © by Springer-Verlag 1977

78b. Sicherheit chirurgischer Arbeit W. Mi~ller-Osten Mittelweg 61, D-2000 Hamburg

Quality Control of Surgical Care Summary. Based on studies carried on for more than ten years, various methods for voluntary quality control of surgical care are proposed. Besides short-term measures (e.g., "strategy of therapy"), a long-term pilot study would permit detection of defects and errors in surgical care through the recording of comparable data. An organization (similar to the Dutch "Concilium chirurgicum") should sponser visitations to various surgical centers. These two, strictly voluntary measures should form the basis for quality control that boots self-esteem of surgeons and does away with the need for state-sponsored measures. Key words: Surgical care - Quality control.

Zusammeniassung. Aufgrund mehr als 10j~ihriger Studien werden Wege fiir eine freiwillige Qualit~itssicherung chirurgischer Arbeit aufgezeigt. Neben kurzfristigen Mal3nahmen (z.B. ,,Strategie der Therapie") ist langfristig 1. eine ,,Pilotstudie" mit dem Ziel vorgesehen, fiber die Erfassung vergleichbarer Werte AufschluB fiber M/ingel und Fehler in der chirurgischen Versorgung zu gewinnen und 2. eine Organisation (nach dem Vorbild des holl~indischen ,,Concilium chirurgicum"), um kollegiale Visitationen chirurgischer Arbeitsst/itten durctdiihren zu k6nnen. Beide - streng freiwillige - Einrichtungen sollen Grundlage fiJr eine die Selbstachtung der Chirurgen f6rdernde, staatliches Eingreifen verhindernde Qualit/itssicherung werden. Schliisselwiirter: Chirurgische Arbeit - Qualitiitssicherung. Sicherheit chirurgischer A r b e i t - ist das nicht schon v o n d e r Formulierung des Themas her eine Utopie? Wie kann es Sicherheit geben, wo das Risiko allgegenw~irtig ist? Die Krankheit selbst, ihre Erkennung und Behandlung- welche FiJlle unabwendbarer Risiken! Ubernehmen wir nicht, wenn wir von Sicherheit chirurgischer

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Arbeit sprechen, zu einfach laienhafte Wunschvorstellungen oder g a r - bewuBt schockierende - Forderungen professioneller Schaumschl/iger und Unruhestifter? Es ware verlockend, den unseren ganzen Beruf bestimmenden Wechselbeziehungen yon Risiko und Sicherheit einerseits und Fortschfitt und Sicherheit andererseits nachzusinnen. Begnfigen wir uns stattdessen heute damit, in aller K/irze auf die Gefahren hinzuweisen, welche die Sicherheit chirurgischer Arbeit beeintr/ichtigen, und auf unsere M6glichkeiten, diese Sicherheit zu erh6hen. Zu den Gefahrenquellen nur drei Andeutungen: 1. Da ist zun~ichst das in der 6ffentlichen Meinung geradezu geziichtete Anspruchsdenken. Aller Einsicht und Vernunft zum Hohn wird die operative Krankheitsbehandlung simplifiziert als eine Organ-Reparatur dargestellt, deren Effolg nur vom m6glichst hochtechnifizierten Apparat, deren MiBerfolg jedoch vom pers6nlichen Versagen des Reparateurs abh/~ngt. Wer so chirurgische Leistung vom Gewicht des menschlichen Einsatzes und der Belastung dutch das Risiko entkleidet und ihren Wert nur in der perfekten Erbringung mechanischer Verrichtungen erblickt, dem muB das Gelingen einkalkulierbar und das MiBlingen schuldhaft erscheinen. Er reduziert damit in untragbarer Weise den Stellenwert des operativen Eingriffs am Menschen und postuliert gleichzeitig den - dann einklagbaren - Anspruch auf Erfolg. Die Sicherheit chirurgischer Arbeit wird durch solche Verzerrungen bedroht. 2. Den gleichen Effekt bewirkt eine in unzuliissige Richtung wirkende Erwartung. In der Offentlichkeit wird vielfach vom Chirurgen die Perfektion eines chirurgischen Zehnk/impfers erwartet und es ihm veriibelt, wenn er in bestimmten Sonderf/illen Patienten einem anderen, darin besonders effahrenen, Chirurgen fiberweist. Die gleiche fehlgesteuerte Erwartung fiihrt beispielsweise zur Kritik an einem Chirurgen, der es ablehnt, etwa endoprothetische Eingriffe im selben Operationssaal durchzufiihren, in dem auch weniger aseptische Operationen vorgenommen werden mfissen. Wenn dann unter dem Druck der 6ffentlichen Meinung mangelnde Selbstkritik oder Riicksichtnahme auf die eigene Reputation den Chirurgen zu Kompromissen treiben, so kann auch dadurch die Sicherheit chirurgischer Arbeit Schaden erleiden. 3. Aus ganz anderer Richtung kommt eine Gefahr, der wir alle ausgesetzt sind. Die Pflicht zur Sparsamkeit, ffir jeden verbindlich, wird zur Bedrohung fiir die Sicherheit chirurgischer Arbeit, wenn sie starr und einseitig fixiert und gefibt wird. PersoneUe und materielle Konsequenzen aus BetriebspriJfungen von fachfremden Wirtschaftsinstitutenohne Mitwirkung der Verantwortung tragenden/~rztlichen Seite k6nnen ebenso verheerende Folgen haben wie nicht streng sachbezogene Kostend~impfungsideen politischer Parteien. Die Sicherheit chirurgischer Arbeit muff gewiihrleistet werden oder man muff bekennen, daft sie nicht mehr besteht. Entscheidungen ohne Rficksicht auf ihre fachliche Zumutbarkeit und ohne Mitwirkung derer, die allein Verantwortung tragen, sind eine Herausforderung und k6nnen nicht akzeptiert werden. Gegenfiber der Vielzahl solcher Gef/ihrdungen haben wir Abwehrm6glichkeiten nur im ganz pers6nlichen Engagement jedes einzelnen yon uns. Sie erfordem grol3e, aber um so berechtigtere Opfer. Denn es geht um den kranken Menschen und es geht um unser Fach.

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Aus diesem Aufgabenkomplex greife ich zwei besonders wichtige Bereiche heraus: 1. DaB die Chirurgen es bisher trotz unseres vielf~iltigen Dr~ingens unterlassen haben, in angemessenem Umfang Offentlichkeitsarbeit zu betreiben, i s t - auch bei voller WiJrdigung chirurgischer Mentalit~it - sehwer verst~indlich. Der Gedanke, eine gute chirurgische Arbeit sei die beste Offentlichkeitsarbeit, trifft allenfalls in einer Zeit fehlender ~iul3erer Bedrohung zu. Der Erfolg einer zielstrebigen, bewul3t negativen Beeinflussung der 6ffentlichen Meinung gegen uns widerlegt jede noch so noble Haltung des Schweigens. Im Interesse der Zeitersparnis darf ich auf meinen Vortrag verweisen, den ich beim Winterkongref5 der Vereinigung Nordwestdeutscher Chirurgen in Hamburg fiber dieses Thema gehalten habe. Das Ziel mul3 es letztlich sein, anstelle eines kiinstlich geziichteten Mil3trauens fiir den kranken Menschen wieder eine Atmosph~ire der auf Sicherheit beruhenden Geborgenheit zu schaffen. 2. Gleichlaufend mit einer solchen breitr~iumigen Informationsarbeit bedarf es einer Selbstanalyse unserer eigenen Tiitigkeit, die uns Aufschlul3 dariJber gibt, wo M~ingel bestehen und wie Verbesserungen erm6glicht werden k6nnen. Aus der Reihe solcher Qualitiitssicherungsmaflnahmen vorweg nur vier Stichworte, jedes for sich ein eigenes Programm: a) eine Strategie der Therapie, d.h. eine breit fundierte, sich dem jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntniswandel schnell anpassende Koordinierung in der Behandlung und Nachbehandlung, beispielsweise bestimmter chirurgischer Krebsarten, wird fiir jeden von Nutzen sein. b) eine Analyse der Zwischenfiille, wie sie Weil3auer anregte, d.h. eine systematische Efforschung dar~iber, wo Fehler passieren, wie und warum, wird zu ihrer Reduzierung beitragen. c) eine Schiirfung des Problembewufltseins wird auf dem weiten Feld der Wissenschaft vom Beruf und hier besonders in Fragen des immer wichtiger werdenden Arzt-Rechts im Sinne der Sicherheit chirurgischer Arbeit hilfreich sein. d) Arbeitsmedizinische undarbeitsphysiologische Erkenntnisse, z. B. tiber Operation und Tageszeit oder iiber Dauer der Belastbarkeit des Operateurs, k6nnen wir der Sicherheit unserer Arbeit dienstbar machen. Seit Jahren haben wir auf die Notwendigkeit einer [reiwilligen systematischen Selbstiiberprfifung unserer Arbeit hingewiesen. Erste praktische Anregungen verdanke ich unserem verehrten Ehrenmitglied, dem ehemaligen Utrechter Ordinarius Prof. Nuboer, der mich 1964 zu sich einlud, um das zu studieren, was auf seine Veranlassung in Holland zur Sicherung einer hochwertigen chirurgischen Weiterbildung geschaffen worden war. Meine wiederholten Anregungen, Ahnliches modifiziert auf uns zu/Jbertragen und zu Selbst~iberpriifungen der eigenen chirurgischen Arbeit auszubauen, finden seit einer Reihe von Jahren in den zust~indigen Gremien wachsende Zustimmung. Ich begr~il3e es deshalb dankbar, dab auch der Pr~isident der Deutschen Gesellschaft ffir Chirurgie, Prof. Schega, entschlossen ist, sie in einer Gemeinschaftsaktion des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen mit der Deutschen Gesellschaft for Chirurgie Schritt for Schritt zu verwirklichen. Zuvor eine kurze Bestandsaufnahme. Was gibt es fiir Qualit~itssicherungsmal3nahmen im Ausland und was bereits bei uns?

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In den USA bestehen im wesentlichen zwei Programme: 1. das PAS-Programm (Professional Activity Study), das fiber einen Vergleich der Krankengeschichten mit denen in einem sogenannten ,,Index-Krankenhaus" bestimmte Aussagen, etwa zur Verweildauer, erm6glicht. 2. das PSRO-Programm (Professional Standarts Review Organisation), das 1972 vom amerikanischen KongreB zum Gesetz erhoben wurde, l~ber die damit gewonnenen Erfahrungen hat uns insbesondere Herr Kollege Egdahl aus Boston unterrichtet, dessen Informationen ich dankbar fibernehme. Das PSRO-Programm soil auf freiwilliger Grundlage die Notwendigkeit und die Qualit~it ~irztlicher MaBnahmen bei zwei grogen Gruppen von F~rsorge-Patienten ermitteln, f/Jr die allein zur Zeit schon 17 Milliarden Dollar j/ihrlich aufgewendet werden. Ein Seminar, das sich im November 1975 in Boston mit der Qualit~itskontrolle in den USA befaBte, lieB die ganze Ffille der Anfangsprobleme erkennen, die sich bei einem solchen Vorhaben ergeben. Mit Interesse haben wir auch die Entwicklung in Holland verfolgt. Dort besteht eine in Utrecht stationierte Stifiung fiir Medizinische Dokumentation, an der - wie Swertz mitteilt - freiwillig alle maBgeblichen holl~indischen Krankenhausverb~inde beteiligt sind. 75 % aller holl~indischen Krankenh~iuser mit 90 % aller Krankenhauspatienten sind angeschlossen. Hier werden die ermittelten Daten v o n d e r Stiftung den Krankenhaus~irzten zur Veff/igung gesteIlt, um die eigenen Daten mit den regionalen Durchschnittswerten vergleichen zu k6nnen. Reerink v o n d e r Medizinischen Fakult~it in Maastricht weist mit Recht auf die beispielhafte Bedeutung hin, dab es in Holland - wie auch in den U S A - )i,rzte waren, die ihre Kollegen selbst auf dieses Medical Audit Program vorbereitet haben und daB diese Aktivit~iten bahnbrechend sind. Wie sieht es nun bei uns aus? Vorweg eine lapidare Feststellung: Qualit~itskontrolle beginnt nicht bei dem anderen, sondern - wenn sie glaubhaft sein s o l l - immer bei jedem selbst. Ich stelle an den Anfang die unserer T~itigkeit immanente pathologisch-anatomische Verlaufskontrolle, die in jedem Krankenhaus gesichert sein sollte. Ich verweise ferner auf den Selbstdisziplinierungseffekt wissenschaftlicher Publikationen und dabei auf den Wert des Zusammenwirkens mehrerer Autoren. Ich erw~ihne die Priifungsmaflnahmen kasseniirztlicher Leistungen, die inzwischen durch wirksame Kontrollen der Labor-T~itigkeit mit Hilfe sogenannter ,,Referenz-Labors" erg/~nzt wurden. Ich nenne die ,, Wiseko", die Wissens-Selbst-Kontrolle, die in Zusammenarbelt mit den USA von der Deutschen Gesellschaft f/Jr Chirurgie - und bier besonders von den Herren Linder und Encke - mit viel Mfihe und Erfolg ins Leben gerufen wurde. Ich weise auf die Basis-Dokumentation tier Gewerblichen Berufsgenossenschaften bin, die unter entscheidender Mitwirkung des Leiters der Chirurgischen Abteilung des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses Hamburg, Walther Zimmer, f/Jr die chirurgische Datenerfassung wesentliche Voraussetzungen geschaffen hat. Ich lenke weiter Ihre Aufmerksamkeit auf den seit Juli 1973 laufenden sogenannten ,,Deutschen Hospital-Index" und in diesem Zusammenhang auf die wertvollen Arbeiten, die Karl Jeute dazu und zu dem Komplex, den er ,,Medicometrie" nennt, geleistet hat. Und ich zitiere schlieBlich die sehr interessanten l]berlegungen, die das Deutsche Krankenhausinstitut zur Qualit/itsbeurteilung anstellt.

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Von unserer Seite sind also auch, wenn auch unabh~ingig voneinander, Wege gebahnt und beschritten worden, um Qualiffitssicherungen ~irztlicher Arbeit durchzufiihren. Die Diskrepanz zwischen Absicht und Tat aber i s t - nicht etwa wegen des Widerstands der.Arzte - gewaltig, weil fiber das Angedeutete hinaus alle Voraussetzungen fehlen und die Finanzierung vollends undurchffihrbar erscheint. Wir werden trotzdem nichts unversucht lassen, um unsere Plane zu verwirklichen. Zu meiner besonderen Freude darf ich heute feststellen, dab gestern in der Mitgliederversarnmlung die Durchffihrung von Qualit~itssicherungsmaBnahmen vonder groBen Zahl der Anwesenden in der Mitgliederversammlung einstimmig gebilligt wurde. Wir haben zwei parallele Verfahren zur Qualit~itssicherung ins Auge gefal3t. Die erste Mal3nahme ist die bereits erw~ihnte Pilot-Studie, an der sich zun~ichst eine Reihe von Chirurgischen Universitfitskliniken und Krankenhausabteilungen beteiligen. Hier werden auf der Basis und in dankenswerter Mitarbeit der entsprechenden Zentrale der Berufsgenossenschaften in Frankfurt durch Herrn Direktor DaBbach Unterlagen fiber vier ausgew/ihlte chirurgische Erkrankungen und ihre Behandlung gesammelt, die sp~iter RiickschliJsse auf Methodik und Effolg der Therapie zulassen. Die zweite, uns besonders wichtig erscheinende, Organisation, die m6glichst bald und sehr beherzt in Angriff genommen werden soil, lehnt sich an das hollfindische Concilium chirurgicum an. Ihr liegt folgender Aufbauplan zugrunde: Die Organisation dient - unter dem unbedingten Grundsatz der Freiwilligkeit der Selbstregulierungchirurgischer Arbeit in Klinik, Krankenhaus und Praxis, der Selbstiiberwachung der Weiterbildung des chirurgischen Nachwuchses sowie der Qualitiitssicherung der chirurgischen Arbeit in ihrem gesamten AusmaB. Kein Chirurg darf gezwungen werden, sich diesen freiwilligen Eigeneinrichtungen anzuschliel3en. Bekennt er sich aber dazu, so unterwirft er sich ihren Entscheidungen. Die Organisation wird regional - entsprechend den Grenzen der Landesfirztekammerbereiche- aufgeteilt und soil in enger Zusammenarbeit mit bestehenden Gliederungen, z. B. den regionalen Chirurgen-Vereinigungen, arbeiten. In jedem Bezirk wfihlen die Mitglieder eine Kommission, bestehend aus einem Universit~its-, einem Krankenhaus- und einem niedergelassenen Chirurgen, die sich allgemeiner Anerkennung und Wertsch/itzung erfreuen. Es werden dies voraussichtlich emeritierte bzw. pensionierte Chirurgen sein mfissen, die jedoch erst m6glichst kurze Zeit im Ruhestand sind und weiter im engen Kontakt zur lebendigen Chirurgie stehen. Diese Kommission visitiert in regelmfil3igen Abst~inden die Arbeitsst~itten der Mitglieder, auf Wunsch auch auBerhalb der Reihe. Die Visitationen erstrecken sich auf drei grol3e Gruppen: 1. auf die Organisation, Einrichtung, Ausstattung und Arbeitsweise der Arbeitsst~itte, 2. auf die Facharzt-Weiterbildung, 3. auf die Qualit~itssicherung der ~irztlichen Arbeit. Damit sollen m6glichst alle Aspekte der chirurgischen T~itigkeit nach einem genauen Plan analysiert und aus dem Vergleich der Ergebnisse Anhaltspunkte daffir

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gewonnen werden, wo Gef~ihrdungen durch Qualit/itsabfall aufgefangen und wie Verbesserungen m6glich sind. Einzelheiten bitte ich der sp/iteren Ver6ffentlichung entnehmen zu wollen. Was in einer solchen Skizze bfirokratisch erscheinen mag, soil im Gegenteil sehr kollegial erfolgen, wenn auch in aller Sachlichkeit und Objektivit~it. Es ist zu erwarten, dab sich - wie das anf~inglich auch in Holland w a r - nicht alles so leicht durchsetzen 1/iBt und dab es Widerst~inde geben wird. Wie jedoch die Entwicklung in Holland zeigt, werden sich diese Bedenken/iberwinden lassen, insbesondere wenn sich die Visitations-Kommission als willkommene UnterstiJtzung bei der Durchsetzung dringender fachlicher Wtinsche erweist, die dem Chirurgen bisher allein nicht gelang. Wer fiber Sicherheit chirurgischer Arbeit sprechen soil und dabei Qualit~itssicherungsmaBnahmen empfiehlt, mu8 jedoch zwei schwerwiegende Oberlegungen wenigstens andeuten. Da ist erstens die besorgte Frage, ob ,,Orwell 1984" nicht be~ingstigend nahesteht, wenn wir mit solchen MaBnahmen zu den sowieso schon gef~ihrlich weir gediehenen Daten-Erfassungen jedes einzelnen Menschen nun auch ~irztlicherseits weitere und besonders des Schutzes bedtirftige hinzufdgen. Bei der erschreckend weit fortgeschrittenen allgemeinen Unzuverl~issigkeit scheint der Clbergang solcher Zahlen in die Hand Unbefugter, aber sehr daran Interessierter, kaum mehr unbedingt vermeidbar. Solange es keine Instanz gibt, die solches mit Sicherheit verhindem kann, bleibt unsere Sorge grol3, auch wenn die PersonenNamen so weit wie nur m6glich verborgen bleiben. Fast wichtiger aber ist die - damit verwandte - zweite Frage, die uns bewegt. Ist das b6se, einer politischen Ideologie entstammende Wort, dab ,,Vertrauen gut, Kontrolle besser" sei, schon so weit in unser Bewul3tsein eingedrungen, dab wir uns widerspruchslos Kontrollen ffigen wollen, ja sie sogar f6rdern? Wie pabt das mit unserer Selbstachtung zusammen? Nattirlich wtirde niemand totalit~iren Eingriffen in die Selbstverwaltung ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen verm6gen. Jedes Instrumentarium, auch das bestfundierte, kann mil3braucht werden. Hier abet soil, ganz in eigener chirurgischer Regie, kein Kontrollorgan geschaffen werden, sondem ein Beratungsgremium, das nicht inspiziert, wie es milit~irische Vorgesetzte tun, sondern- getragen von dem Vertrauen der freiwilligen MitgliederKollegen besucht, um ihnen zu raten und zu helfen. Wenn eine solche Einrichtung in dem freiheitlich gesonnenen Holland - wenn auch in etwas anders gearteter Zielsetzung- nun schon fast 30 voile Jahre floriert, dann ist meine Sorge gering, dab sie entarten k6nnte, wenn man sie richtig strukturiert. Und noch etwas anderes: Es kann keine gr6Bere Selbstachtung geben als die, seine Arbeitsweise und seine Arbeitsst~itte freiwillig jedem noch so kritischen Besucher offenzulegen. Wer sich selbst seiner Sache sicher ist, scheut niemandes kritische Augen. Wer selbst Zweifel hat, braucht Rat. Wer sich unter Zwang befindet, braucht Hilfestellung. Wer sich nicht durchsetzen kann, braucht Bundesgenossen. Wer aber den Besuch scheut, wird seine Grfinde daffir haben. Wer aber Grfinde hat, die sachlicher Beurteilung nicht standhalten, stellt sich aul3erhalb der Gemeinschaft. Selbstkritik kann auch zur Selbstreinigung ffihren. Im/iuBersten Fall ist das eine erwiinschte L6sung. Auch das ist Teil der Sicherheit chirurgischer Arbeit.

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Unsere Pliine sind also frei von den pers6nlichkeitsvernichtenden Ideologien, in denen Kontrollen unerl~il31iche Wege zur Beherrschung der Menschen sind. Sie sind Teil unserer Bemiihungen, die wir bereits vor einem Jahr hier an dieser Stelle ausbreiteten, Bem/ihungen urn ein erneuertes Vertrauensverhiiltnis zwischen Patient und Chirurg, in der GewiBheit e i n e s - auch belegbaren- gesunden Selbstbewul3tseins. Das staatliche Eingreifen in den USA zeigt fiberdeutlich den Trend auf. Wit werden gut beraten sein, wenn wir unsere Kriifte f/it eine freiheitliche Eigeninitiative einsetzen, und dies zum Wohl unserer Kranken.

[Quality control of surgical care (author's transl)].

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